Eigenanspruch bei Pflege in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke im Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde des ***1*** ***2*** ***2***, Volkshilfe Wien, ***4***, ***5***, ***6***, nunmehr Verein Arbeitskreis Noah, ***13***, ***14***, vertreten durch Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe Bezirke 2, 20, 1200 Wien, Dresdner Straße 43, vom gegen den Bescheid des (damaligen) Finanzamts Wien 2/20/21/22, 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, vom , womit der Antrag vom auf Familienbeihilfe für den im Dezember 2004 geborenen ***1*** ***2*** ***2*** ab Februar 2020 abgewiesen wird, Sozialversicherungsnummer ***3***, den Beschluss gefasst:
I. Die Beschwerde vom wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO, der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. b BAO i. V. m. § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG und Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang 2
Antrag 2
Schreiben vom 2
Beilagen zum Antrag 3
Niederschrift vom 3
Spenden Volkshilfe 3
Stammdatenblatt 4
Schreiben an die Mutter vom 4
Ermittlungsverfahren 5
Schreiben vom 5
Beilagen 5
Abweisungsbescheid 5
Beschwerde 6
Beschwerdevorentscheidung 6
Vorlageantrag 7
Vorlage 8
Beschluss vom 10
Rechtslage 11
Streitpunkt 11
Gesetzesmaterialien 12
Tatbestandsvoraussetzungen 12
Ergänzende Ermittlungen 13
Beschwerdezeitraum 13
Bericht des Finanzamts vom 14
Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, vom 15
Ersuchschreiben vom 15
Familienbeihilfebezug 17
Bericht des Finanzamts vom 17
Auskunftsersuchen vom 17
Antwort der Volkshilfe Wien 18
Bericht des Finanzamts vom 19
Schriftliches Auskunftsersuchen vom 19
Aktenvermerk vom 20
E-Mail vom 20
E-Mail vom 20
Beschluss vom 21
Zurückgenommenerklärung 21
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen: 21
Rechtsgrundlagen 21
Gegenstandsloserklärung 22
Revisionsnichtzulassung 23
Finanzamt Österreich 23
Die Zustellung erfolgt an: 25
Verfahrensgang
Antrag
Schreiben vom
Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , stellte der im Dezember 2004 geborene ***1*** ***2*** ***2***, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 2, 20, "Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs 5 FLAG (BGBI.I Nr. 77/2018) ab " und führte dazu aus:
Der Antragsteller sei männlich, verfüge als Staatsbürger "BG" über einen gültigen Aufenthaltstitel und wohne derzeit Volkshilfe Wien, ***4***,***5***, ***6***.
Der Wiener Kinder- und Jugendhilfe komme die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung zu.
Mutter des antragstellenden Kindes sei ***7*** ***8***, wohnhaft in Wien. Der Vater ***9*** sei unbekannten Aufenthalts in Bulgarien.
Für den Fall, dass einem Elternteil bislang die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde und diesem Elternteil die Familienbeihilfe auch nicht rückwirkend aberkannt wird, gilt der vorliegende Antrag nur für künftige Zeiträume ab Antragstellung.
Begründend wurde ausgeführt:
Das antragstellende Kind befindet sich seit ....01.2019 in einer sozialpädagogischen Einrichtung, die teilweise auch spendenfinanziert ist. Der Stadt Wien entstehen dadurch Kosten von mindestens EUR 80,-täglich.
Alleine durch die Tatsache, dass die Wohngemeinschaft der Volkshilfe teilweise spendenfinanziert ist, entsteht ein Eigenanspruch des Minderjährigen.
Beilagen zum Antrag
Dem Antrag beigefügt waren:
Niederschrift vom
Vor der Kinder- und Jugendhilfe wurde am eine Niederschrift mit der Mutter des Bf, ***7*** ***8***, aufgenommen, wonach diese als gesetzliche Vertreterin des Bf die Zustimmung zur Vertretung des Minderjährigen für die Betrauung mit der Vermögensverwaltung im Umfang der Beantragung und Verwaltung des Eigenanspruches des Kindes auf Familienbeihilfe durch die Kinder- und Jugendhilfe erteile.
Spenden Volkshilfe
Beigefügt war ein Auszug aus der Website der Volkshilfe Wien, wonach diese um Spenden bittet:
Stammdatenblatt
Laut Stammdatenblatt der MA 11 vom ist der Bf bulgarischer Staatsbürger, seine Mutter bulgarische Staatsbürgerin. Dem Stammdatenblatt lassen sich verschiedene Befassungen der MA 11 entnehmen.
Schreiben an die Mutter vom
Schreiben der Wiener Kinder- und Jugendhilfe an ***7*** ***8*** vom , wonach dieser mitgeteilt wird, dass sich ihr Sohn ***1*** ***2*** seit August 2018 in Pflege und Erziehung der Stadt Wien befinde. Diese Unterbringung verursache der Stadt Wien Kosten von monatlich 2.400,00 €. Einen Teil dieser Kosten müsste auch die Mutter zahlen.
Die Höhe des Beitrags richte sich nach der Höhe der Unterhaltsverpflichtung. Zur Berechnung und Festsetzung der Leistungen wurde ein Besprechungstermin anberaumt wurde.
Handschriftlich findet sich auf dem Entwurf ein Vermerk vom , wonach laut der Anwältin der Mutter die Mutter einer Halbtagsbeschäftigung mit monatlich 840,00 € nachgehe. Weitere Sorgepflichten bestünden nicht.
Ermittlungsverfahren
Schreiben vom
Offenbar auf Grund eines nicht aktenkundigen Ersuchens des Finanzamts teilte die Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, dem Finanzamt mit Schreiben vom mit:
Zu Ihrer Anfrage vom übersenden wir nochmals die Zustimmungserklärung der Mutter vom gemäß § 208/3 ABGB, mit der sie uns die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung zur Beantragung und Verwaltung der Familienbeihilfe übertrug.
Diese Niederschrift ist einem Beschluss betreffend der Vermögensverwaltung gleichzusetzen.
Weiters übersenden wir den Beschluss mit dem die Pflege und Erziehung der Wiener Kinder und Jugendhilfe Rechtsvertretung 2/20. Bezirk übertragen wurde.
Einzahlungsbelege können wir nicht übermitteln, da die Mutter mangels Leistungsfähigkeit nicht zum Kostenersatz verpflichtet werden konnte und der Vater mit unbekanntem Aufenthalt in Bulgarien aufhältig ist.
Nach der Rechtsansicht der Wiener Kinder und Jugendhilfe Rechts Vertretung entsteht der Eigenanspruch des Minderjährigen aber schon allein dadurch, die die Wohngemeinschaft in der er untergebracht ist teilweise mit Spenden finanziert ist und somit die öffentliche Hand nicht zur Gänze die Unterbringung zu zahlen hat.
Beilagen
Beigefügt waren
Die Niederschrift vom .
Ein Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , wonach 1. die Obsorge für den mj. ***1*** ***2*** im Teilbereich der gesamten Pflege und Erziehung den Eltern ***7*** ***22*** ***8*** und ***9*** ***1*** ***2*** entzogen und dem Kinder- und Jugendhilfeträger Wien übertragen sowie 2. der Antrag des mütterlichen Großvaters ***10*** ***11***, vom auf Übertragung der Obsorge für den mj. ***1*** ***2*** abgewiesen wird. Der - nur auszugsweise vorgelegte - Beschluss enthält eine nähere Schilderung der Lebensumstände des Bf seit Oktober 2016.
Der oben wiedergegebene Ausdruck aus einer Website der Volkshilfe Wien.
Abweisungsbescheid
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom 2./ ab Februar 2020 ab und begründete dies wie folgt:
Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat und können somit für sich selbst Familienbeihilfe beziehen.
Beschwerde
Mit Schreiben vom erhob der Bf durch die Kinder- und Jugendhilfe Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid mit dem Antrag auf dessen Aufhebung und führte dazu aus:
Die Behörde stützt sich in ihrer Begründung des Abweisungsbescheides auf § 6 Abs. 5 FLAG und argumentiert," dass kein Eigenanspruch des Minderjährigen auf Familienbeihilfe besteht, weil sich der mj. ***1*** ***2*** auf Kosten der Jugendwohlfahrtshilfe in Heimerziehung befände.
Wie bereits in unserem Antrag auf Bewilligung der Familienbeihilfe angeführt wurde, befindet sich der Minderjährige in einer Wohngemeinschaft der Volkshilfe. Diese Einrichtungen sind teilweise Spendenfinanziert (siehe https://www.volkshilfe-wien.at/spenden / und https://www.volkshilfe - wien.at/jugend-familie/wohnqemeinschaften/kindern-helfen-jetzt-patin-pate-werden/).
Es besteht somit keine volle Kostentragung durch den Jugendwohlfahrtsträger und begründet den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe.
Im vorliegenden Fall wird der Beschwerdegrund der materiellen Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Die im Abweisungsbescheid angeführte Rechtsgrundlage wurde für gegenständlichen Sachverhalt unrichtig angewandt.
Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung 2/20 stellt daher den
Antrag
den angefochtenen Bescheid aufzuheben und in der Angelegenheit neuerlich zu entscheiden.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:
Sachverhalt:
Sie befinden sich in voller Erziehung der Stadt Wien und sind in einer Wohngemeinschaft der Volkshilfe untergebracht. Ihre Eltern leisten keine Unterhaltszahlungen.
Mit Bescheid vom wurde Ihr Antrag abgewiesen.
In Ihrer Beschwerdebegründung führen Sie aus, dass die Einrichtung der Wohngemeinschaft durch Spenden finanziert wird.
Gesetzliche Grundlagen:
Nach § 6 Abs 1 FLAG 1967 haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Volljährige Vollwaisen haben nach Abs 2 lit a der genannten Gesetzesstelle ua dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben nach § 6 Abs 5 FLAG 1967 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).
Würdigung:
Nach der oben genannten Bestimmung des Familienlastenausgleichsgesetzes haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe im Eigenbezug, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, keine Ausschlussgründe vorliegen und ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird.
Da unbestritten feststeht, dass Sie über keine finanziellen Mittel verfügen, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom stellte der Bf durch die Kinder- und Jugendhilfe Vorlageantrag:
Abweisungsbescheid vom
Antrag zur Vorlage zur Entscheidung der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , eingelangt am bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung 2/20 als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen , wurde die Bescheidbeschwerde vom als unbegründet abgewiesen.
Dabei übersieht die entscheidende Behörde, dass die WG der Volkshilfe, als auch der aktuelle Aufenthalt des Minderjährigen in der AK Noah hauptsächlich von Spenden finanziert wird (http://www.noah.at/impressum)/. Es ist unstrittig, dass private Spenden keine Mittel der öffentlichen Hand darstellen und somit keine volle Kostentragung aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Die Spenden stellen einen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten dar, ohne derer die kontinuierliche Betreuung der untergebrachten Kinder nicht gewährleistet werden könnte. Diese Umstände begründen den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe des Minderjährigen.
Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung 2/20 stellt daher den
Antrag
die angefochtene Beschwerdevorentscheidung hingehend abzuändern, dass dem Rechtsmittelwerber die beantragte Familienbeihilfe ab Februar 2019 zuerkannt wird.
Vorlage
Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:
Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)
Beschwerde
1 Beschwerde
Bescheide
2 Familienbeihilfe (Monat: 02.2020)
Antrag / Anzeige an die Behörde
3 Antrag auf Familienbeihilfe
Beschwerdevorentscheidung
4 Beschwerdevorentscheidung
Vorlageantrag
5 Vorlageantrag
Vorgelegte Aktenteile
6 10022020 Schreiben MA11
Sachverhalt und Anträge
Sachverhalt:
Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Bf. auf Familienbeihilfe ab Februar 2020 abgewiesen.
Strittig ist, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 vorliegen.
Das MA11 ist mit der Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung des Bf. betraut.
Seit ***23*** befindet sich der Bf. in einer sozialpädagogischen Einrichtung (Wohngruppe der Volkshilfe Wien bzw. später AK Noah). Der Stadt Wien entstehen dadurch Kosten von mindestens € 80 täglich.
Die Volkshilfe Wien und die AK Noah werden teilweise durch Spenden finanziert.
Der Bf. bezieht kein eigenes Einkommen. Die leiblichen Eltern leisten aus sozialen Gründen keinen Unterhalt.
Beweismittel:
Siehe Inhaltsverzeichnis
Stellungnahme:
Fraglich ist im vorliegenden Fall, ob die Voraussetzung, dass der Unterhalt des Bf. nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder und Jugendhilfe oder aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen wird, durch die teilweise Finanzierung der Wohngruppe durch Spenden erfüllt ist.
Nach den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) sollte durch die Novellierung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf FB auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt.
Kein Anspruch auf FB besteht hingegen dann, wenn der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine bedarfsorientierte Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.
Aus dem Telos des Gesetzes lässt sich somit ableiten, dass der Familienbeihilfenanspruch gegeben sein soll, wenn das Kind in irgendeiner Weise selbst zu seinem Unterhalt beiträgt. Der Gesetzgeber hatte dabei Kinder im Sinne, die entweder durch eine eigene Erwerbstätigkeit oder durch Geldmittel, die aus einem sozialversicherungsrechtlichen Anspruch herrühren, einen Teil ihres Unterhaltes selbst abdecken. Gemeinsam ist diesen beiden Sachverhalten, dass sie einen direkten Konnex zum jeweiligen Kind aufweisen.
Im vorliegend Fall werden von außenstehenden Personen, die keine direkte Verbindung zum Bf. aufweisen, Spenden an die Wohngruppe bzw. an die Caritas [gemeint offenbar: Volkshilfe] geleistet. Der Bf. ist jedoch nicht kausal für den Eingang dieser Spenden. Die Spenden gehen auch nicht an den Bf. sondern an die Wohngruppe bzw. die Volkshilfe. Diese Geldmittel sind dem Bf. also in keinem Zeitpunkt zurechenbar.
Nach Ansicht der ho. Behörde würde die Gewährung der Familienbeihilfe im gegenständlichen Fall dem von Gesetzgeber intendierten Sinn und Zweck des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 widersprechen.
Es wird beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Beschluss vom
Am fasste das Bundesfinanzgericht den Beschluss:
I. Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 wird gemäß § 269 Abs. 3 BAO ersucht zu ermitteln, ob der Unterhalt des Beschwerdeführers im Beschwerdezeitraum zur Gänze aus bestimmten Mitteln der öffentlichen Hand, nämlich aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wurde.
Hierbei ist insbesondere zu erheben:
1. Die Höhe der Unterhaltskosten des Beschwerdeführers im Antragszeitraum (unter näherer Angabe, wie sich diese zusammensetzen);
2. in welcher Einrichtung oder in welchen Einrichtungen der Beschwerdeführer im Antragszeitraum zu welcher Zeit untergebracht war;
3. ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Einrichtung oder die Einrichtungen, in der oder in denen der Beschwerdeführer untergebracht war, nicht durch Mittel der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, sondern mittelbar oder unmittelbar aus Spendenmitteln finanziert werden;
4. ob der Beitrag der Kinder- und Jugendhilfe für die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Einrichtung oder den Einrichtungen niedriger war als der Unterbringungsbeitrag für ein Kind im Alter des Beschwerdeführers in einer anderen Einrichtung, die nicht mittelbar oder unmittelbar ganz oder teilweise aus Spendenmitteln finanziert wird, bejahendenfalls in welchem Umfang.
Entsprechende Beweismittel sind zum Verwaltungsakt zu nehmen.
II. Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 möge dem Bundesfinanzgericht mitteilen, ob und bejahendenfalls wie der Antrag Antrag vom auf Familienbeihilfe für den im Dezember 2004 geborenen ***1*** ***2*** ***2*** hinsichtlich des Zeitraums Februar 2019 bis Jänner 2020 erledigt wurde.
III. Um einen diesbezüglichen Bericht unter Urkundenanschluss (Beweismittelvorlage) bis zum wird gebeten.
IV. Dem Beschwerdeführer steht es frei, von sich aus entsprechende Nachweise i. S. v. Spruchpunkt I zu erbringen.
Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs und der maßgeblichen Rechtsgrundlagen führte das Bundesfinanzgericht unter anderem aus:
Rechtslage
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 78/2018 in Reaktion auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und eine darauf beruhende geänderte Verwaltungspraxis rückwirkend ab geändert.
Nach der nunmehr anzuwendenden Fassung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder,
deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und
deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird,
unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 6 Rz 20).
Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie
im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Streitpunkt
Unstrittig ist, dass der Bf im Beschwerdezeitraum die Voraussetzungen des rechtmäßigen Aufenthalts nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 sowie jene nach § 6 Abs. 1 FLAG 1967 erfüllt.
Unstrittig ist ferner, dass dem Bf im Beschwerdezeitraum von seinen Eltern kein Unterhalt geleistet wurde und dass der Bf im Beschwerdezeitraum über keine eigenen finanziellen Mittel verfügt hat.
Strittig ist, ob der Unterhalt des Bf im Beschwerdezeitraum zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wurde.
Gesetzesmaterialien
Nach den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) sollte durch die Novellierung sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (zB Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches gilt, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend, jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 6 Rz 20).
Tatbestandsvoraussetzungen
Vorweg ist festzuhalten, dass Judikatur zu § 6 Abs. 5 FLAG 1967 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 78/2018 auf die derzeitige Rechtslage nur bedingt anwendbar ist.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts besteht ein Anspruch einer sogenannten Sozialwaise (die von ihren Eltern keinen oder von diesen nur in untergeordneter Form Unterhalt erhält) auf Familienbeihilfe nicht bloß dann, wenn die Sozialwaise selbst zur Deckung seines Lebensunterhalts in irgendeiner Form beiträgt.
Die Gesetzesmaterialien stellen zwar den Regelfall von § 6 Abs. 5 FLAG 1967 dar.
Das Gesetz verlangt in Bezug auf Sozialwaisen aber nur, dass diesen von ihren Eltern nicht überwiegend Unterhalt geleistet wird und dass ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus bestimmten Mitteln der öffentlichen Hand, nämlich aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird.
Wird Unterhalt nicht zur Gänze aus den im Gesetz ausdrücklich genannten bestimmten öffentlichen Mitteln bestritten, ist es nicht maßgebend, woher die Differenz zwischen dem gesamten Unterhalt und der teilweisen Unterhaltsleistung durch bestimmte öffentliche Mittel herrührt.
Diese Differenz kann durch Eigenleistungen der Sozialwaise, aber auch durch Beiträge Dritter, die keine Eltern i. S. d. § 2 Abs. 3 FLAG 1967 sind, bestritten werden. Diese Beiträge können von Dritten dem Kind unmittelbar, aber auch etwa im Wege von Spenden an gemeinnützige Einrichtungen, die dem Kind direkt zugutekommen, zugewendet werden.
Andererseits kommt es entgegen der Auffassung des Bf nicht darauf an, ob der Bf in einer zur Gänze oder teilweise spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht ist, da das Gesetz darauf nicht abstellt.
Entscheidend ist vielmehr, ob der (konkrete) Unterhalt des Bf teilweise spendenfinanziert getragen wurde, also die öffentliche Hand zufolge der Unterbringung des Bf in einer spendenfinanzierten Einrichtung einen geringeren Beitrag zum Unterhalt des Bf zu leisten hat als bei einer Unterbringung in einer nicht spendenfinanzierten Einrichtung. Ist dies der Fall, wird davon auszugehen sein, dass der Unterhalt des Bf nicht zur Gänze aus den im Gesetz genannten bestimmten Mitteln der öffentlichen Hand bestritten wird.
Ergänzende Ermittlungen
Das Finanzamt ist daher um Vornahme der in Spruchpunkt I genannten Ermittlungen zu ersuchen.
Bislang sind die Unterhaltskosten des Bf nicht konkret bekannt. Dass der Stadt Wien "Kosten von mindestens EUR 80,-- täglich" bzw. "monatlich EUR 2.400,--"entstehen, besagt aber noch nicht, dass diese Kosten den tatsächlichen Unterhaltskosten des Bf, die auch höher sein können, entsprechen.
Da im Verwaltungsverfahren zwei Einrichtungen angesprochen werden, ist vorweg zu klären, in welcher Einrichtung (in welchen Einrichtungen) der Bf im Antragszeitraum (siehe Spruchpunkt II.) untergebracht war.
Dass die im Verfahren genannten Einrichtungen, nämlich die Volkshilfe und der Arbeitskreis Noah in bestimmtem Umfang spendenfinanziert sind, ist zwar als erwiesen anzusehen, Details dazu sind bisher aber nicht ermittelt.
Ebenso ist bisher unbekannt, ob die Kosten, die die öffentliche Hand übernimmt, bei Unterbringung in einer spendenfinanzierten Einrichtung niedriger sind als die Kosten bei Unterbringung in einer anderen Einrichtung.
Die Betrauung des Finanzamts Wien 2/20/21/22 ist zweckmäßig, da dieses Finanzamt bereits mit der Aktenlage vertraut ist.
Zweckmäßigerweise wird vor der Berichterstattung an das Bundesfinanzgericht das Parteiengehör bereits durch das Finanzamt zu wahren sein.
Dem Bf steht es zur Verfahrensbeschleunigung frei, von sich aus entsprechende Nachweise i. S. v. Spruchpunkt I zu erbringen.
Beschwerdezeitraum
Der angefochtene Bescheid spricht hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Antrags vom 2./ ab dem Zeitraum Februar 2020 ab.
Sache dieses Beschwerdeverfahrens ist daher der Anspruch des Bf auf Familienbeihilfe ab Februar 2020.
Vorerst unbekannt ist dem Gericht, ob und wie über den Antrag vom 2./ hinsichtlich des restlichen Antragszeitraums, nämlich Februar 2019 bis Jänner 2020 abgesprochen wurde.
Sollte der Antrag vom Finanzamt insoweit bisher nicht erledigt worden sein, wäre dies nachzuholen.
Bericht des Finanzamts vom
Das Finanzamt legte innerhalb verlängerter Frist am ein am in der Scanstraße eingelangtes Schreiben der MA 11 samt weiteren Unterlagen vor und berichtete:
Leider beantwortet das MA11 in seinem Antwortschreiben nicht alle vom aufgeworfenen Fragen. Soweit von Seiten des BFG erwünscht, könnten wir nun, da uns die Wohngruppen vollständig bekanntgegeben wurden, in welchen der Bf. untergebracht war, versuchen mittels Auskunftsersuchen an die Träger dieser Wohngruppen zu den vom BFG verlangten Antworten zu gelangen.
Hinsichtlich des Spruchpunktes II des Beschlusses vom kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
In seinem Antrag auf FB für den Bf. vom , eingelangt am , beantragte das MA11 grundsätzlich die Familienbeihilfe ab führte dann aber auf Seite 2 des Antrages wie folgt aus: "Für den Fall, dass einem Elternteil bislang die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde und diesem Elternteil die Familienbeihilfe auch nicht rückwirkend aberkannt wird, gilt der vorliegende Antrag nur für künftige Zeiträume ab Antragstellung. Es wird um eine entsprechende Mitteilung ersucht."
Der Kindesmutter des Bf., ***8*** ***7*** ***22***, wurde die Familienbeihilfe im Zeitraum September 2016 bis Jänner 2020 gewährt. Eine Rückforderung der diesbezüglich gewährten Beträge wurde durch das ho. FA nicht angedacht. Dementsprechend war der Antrag vom als Antrag, ab Februar 2020 zu werten, da erst ab diesem Monat keine Familienbeihilfe mehr an die KM geleistet wurde. Finden Sie diesbezüglich anbei eine Übersicht über die Zeiträume, für die für den Bf. Familienbeihilfe gewährt wurde, sowie eine Mail des zuständigen Teamleiters diesbezüglich.
Beigefügt waren:
Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, vom
Sehr geehrte Damen und Herren,
zum Ersuchen um Beistandspflicht gemäß § 15 BAO iVm Art. 22 B-VG vom , eingelangt am , wird wie folgt Stellung genommen:
Die im Besonderen für Herrn ***2*** entstandenen Unterhaltskosten im Antragszeitraum können nicht beziffert werden.
Hr. ***2*** befindet sich seit ***24*** laufend in Pflege und Erziehung der Stadt Wien.
Die sozialpädagogischen Einrichtungen, die Kinder in Pflege und Erziehung aufnehmen, sind gem. § 46 WKJHG bewilligt. Die Kosten der Pflege und Erziehung werden von der Stadt Wien in Form von pauschalierten Tagsätzen abgegolten.
Die Einrichtungen kalkulieren die Kosten für das Betreuungspersonal, die Instandhaltung, den Betrieb der Einrichtung und die Unterhaltskosten für die Kinder und errechnen so einen Tagsatz.
Zusatzleistungen können durch Spendenmittel finanziert werden.
Die sozialpädagogische Einrichtung, in der ein Kind gepflegt und erzogen wird, richtet sich nach den pädagogischen Bedürfnissen des Kindes und wird im Rahmen des Hilfeplans nach § 25 WKJHG ausgesucht (welche Einrichtung die kostengünstigere wäre, ist nicht das entscheidende Kriterium, sondern das Kindeswohl).
Herr ***2*** befand sich vom ***24*** bis ***25*** bei Pro Juventute ***17***. ***15***, ***16***, vom ***25*** bis ***26*** in einer Wohngemeinschaft der Volkshilfe Wien in ***5***, ***6*** .0G und ist seit ***26*** bis laufend in einer Wohngemeinschaft des Vereins AK Noah in ***13***, ***14***.
Bemerkt wird, dass für Herrn ***2*** ab der Eigenanspruch an Familienbeihilfe geltend gemacht wurde, im Abweisungsbescheid vom der Zeitraum ab Feber 2020 abgewiesen wird.
Handelt es sich hier um einen Schreibfehler oder wird für den Zeitraum bis der Eigenanspruch anerkannt?
Ersuchschreiben vom
Diesem Schreiben des Magistrats der Stadt Wien war folgendes, am (der Zustellnachweis weist als Datum der Übernahme "19.8." aus, der Poststempel trägt das Datum "19.-8.20") zugestelltes Ersuchschreiben des Finanzamts vorangegangen:
Ersuchen um Beistandspflicht gemäß § 15 Bundesabgabenordnung (BAO) ivm Art. 22 Bundes-verfassungsgesetz (B-VG)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr ***1*** ***2*** ***2***, Versicherungsnummer ***3***, ***6***, ***5***.
Bezeichnung der Angelegenheit:
Beschwerdeverfahren vor dem Bundefinanzgericht zu RV/7103274/2020
Kurze Angabe des Inhalts des Ersuchens:
Im Beschluss vom zu RV/7103274/2020 beauftragte das Bundefinanzgericht (=BFG) die ho. Behörde mit weiteren Ermittlungen.
Nach Rechtsaufsicht des BFG kommt es für den Familienbeihilfenanspruch darauf an, ob der konkrete Unterhalt von Herrn ***2*** teilweise spendenfinanziert getragen wurde, der öffentlichen Hand somit zufolge der Unterbringung von Herrn ***2*** in der spendenfinanzierten Einrichtung geringere Kosten angefallen sind, als wenn Herr ***2*** in einer nicht spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht worden wäre.
Dementsprechend werden Sie um die genaue Beantwortung der folgenden Fragen und Vorlage entsprechender Nachweise ersucht:
Wie hoch waren die tatsächlichen Unterhaltskosten des Herrn ***2*** im Antragszeitraum? Um genaue Aufstellung, wie sich die Unterhaltskosten zusammensetzen wird gebeten. Zudem sind die entsprechenden Nachweise vorzulegen.
In welchen Einrichtungen war Herr ***2***, im Antragszeitraum und davor, konkret untergebracht? Diesbezüglich wird um die Angabe des Betreibers der Einrichtung gebeten, sowie Bekanntgabe der konkreten Adressen an der Herr ***2*** lebte gebeten.
War die Einrichtung bzw. die Einrichtungen, in welchen Herr ***2*** untergebracht war, nicht durch Mittel der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes finanziert? Wenn ja, in welchem konkreten Umfang war die jeweilige Einrichtung nicht durch Mittel der öffentlichen Hand finanziert und in welchem Umfang wurde Sie mittelbar oder unmittelbar aus Spendenmitteln finanziert.
Erwächst der Kinder- und Jugendhilfe für die Unterbringung von Herrn ***2*** in den jeweiligen Einrichtungen ein niedrigerer Unterbringungsbeitrag, für ein Kind im Alter von Herrn ***2***, als wenn er in einer anderen Einrichtung, die nicht mittelbar oder unmittelbar ganz oder teilweise aus Spendenmitteln finanziert wird, untergebracht werden würde? Wenn ja, wie viel niedriger ist der Unterbringungsbeitrag für Herrn ***2*** im Vergleich zu einem vergleichbaren Kind, welches in einer nicht durch Spenden (mit-) finanzierten Einrichtung untergebracht ist?
Im Zusammenhang dazu, werden Sie ersucht bekannt zu geben, ob der Kinder- und Jugendhilfe Einrichtungen (im obigen Sinne) bekannt sind, die nicht zumindest im geringen Umfang durch Spenden (mit-)finanziert werden.
Da das ho. Finanzamt auch mit der Wahrung des Parteiengehörs beauftragt wurde, wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie der Beantwortung dieses Schreibens auch Stellungnahmen im Hinblick auf die Rechtsansicht des BFG bzw. der ho. Behörde beilegen können bzw. auch sonstige Stellungnahmen zum gegenständlichen Fall beilegen können.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen!
Sollten entgegenstehende Hindernisse eine Amtshilfe verhindern, so ersuchen wir um rasche Bekanntgabe.
Familienbeihilfebezug
Laut Screnshot aus dem Familienbeihilfeprogramm FABIAN vom wurde für ***2*** ***1*** ***2*** von ***8*** ***7*** ***22*** von September 2016 bis Jänner 2020 Familienbeihilfe bezogen.
Seitens des zuständigen Teamleiters am Finanzamt wurde am eine Stellungnahme abgegeben, in der unter anderem ausgeführt wird:
Eigenantrag/MA-11 vom ab bzw. s. Rückseite des Antrags:
"Für den Fall, dass einem Elternteil bislang die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde und diesem Elternteil die Familienbeihilfe auch nicht rückwirkend aberkannt wird, gilt der vorliegende Antrag nur für künftige Zeiträume ab Antragstellung. Es wird um eine entsprechende Mitteilung ersucht."
FB wurde bis 01/20 an die KM ausbezahlt, daher wurde der Antrag ab 02/20 abgewiesen.
Da sich die MA-11 weigert, uns von sich aus Ausgänge zu den Kindeseltern mitzuteilen (obwohl sie über diese Daten verfügt), prüfen wir die "Rechtmäßigkeit" des FB-Bezuges der KE nicht. ...
Bericht des Finanzamts vom
Das Finanzamt übermittelte mit Zwischenbericht vom folgende Auskunft der Volkshilfe Wien:
Auskunftsersuchen vom
Das Finanzamt richtete am folgendes Auskunftsersuchen an die Volkshilfe Wien:
Gemäß § 143 Bundesabgabenordnung (BAO) ist die Abgabenbehörde berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen.
Die Auskunftsperson wird
• darauf hingewiesen, dass die Auskunft in den im § 171 Bundesabgabenordnung genannten Fällen verweigert werden kann
• ermahnt, die Wahrheit anzugeben und nichts zu verschweigen.
Sie werden aufgefordert, folgende Fragen bis zu beantworten:
Derzeit ist beim Bundesfinanzgericht ein Beschwerdeverfahren des ***1*** ***2*** ***2*** (von nun an abgekürzt mit Bf.) anhängig. Das ho. Finanzamt wurde diesbezüglich mit Beschluss vom mit der Durchführung weiterer Ermittlungen beauftragt.
Laut Auskunft der MA11 war der Bf. im Zeitraum ***25*** bis ***26*** in einer Ihrer Wohngruppen an der Adresse ***6***. OG untergebracht.
Sie werden ersucht die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Bitte geben sie die Höhe der Unterhaltskosten des Bf. im Zeitraum, in welchem der Bf. in Ihrer Wohngruppe untergebracht war (unter näherer Angabe, wie sich diese zusammensetzen), an.
2. Wurde und bejahendenfalls in welchem Umfang wurde Ihre Einrichtung nicht durch Mittel der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, sondern mittelbar oder unmittelbar aus Spendenmitteln finanziert?
3. War der Beitrag der Kinder- und Jugendhilfe für die Unterbringung des Bf. in Ihrer Einrichtung niedriger, als der Unterbringungsbeitrag für ein Kind im Alter des Bf. in einer anderen Einrichtung, die nicht mittelbar oder unmittelbar ganz oder teilweise aus Spendenmitteln finanziert wird, bejahendenfalls in welchem Umfang?
Zu Ihrer Unterstützung wird Ihnen eine anonymisierte Musterbeantwortung aus einem ähnlichen Fall beigelegt (siehe vor allem Seite 16 des beiliegenden Auszuges aus dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/7103076/2020).
Sollten Sie Rückfragen haben können Sie den zuständigen Bearbeiter des Finanzamtes gerne auch per Mail an ... @bmf.gv.at kontaktieren.
Antwort der Volkshilfe Wien
Die Volkshilfe Wien gab mit E-Mail vom dem Finanzamt bekannt:
Wie eben telefonisch besprochen wurde der Wohnplatz von ***1*** ***2*** nicht spendenfinanziert, sondern ganz gewöhnlich zur Gänze von der MA11 über die Tagsätze finanziert.
Eine genaue Aufschlüsselung der Finanzierung kann Ihnen nur die MA11 geben.
Bericht des Finanzamts vom
Das Finanzamt berichtete mit E-Mail vom abschließend über die gepflogenen Ermittlungen und gab folgende Stellungnahme ab:
Nach gestrigem Anruf beim Geschäftsführer des Arbeitskreis Noah, wurde eine Antwort auf unser Auskunftsersuchen eingebracht.
Herr ***18***, ein Mitglied der Geschäftsführung des gegenständlichen Vereins, gibt in der Antwort an, dass der Unterhalt des Bf. zu 100% durch die Tagessätze der MA11 getragen wird. Eine Finanzierung durch Spenden liege nicht vor. Eine individuelle Auflistung aller Auslagen sei, nach Ansicht von Herrn ***18***, nicht möglich.
Demnach erweist sich nun das Vorbringen des Bf. als nicht den tatsächlichen Umständen entsprechend. Tatsächlich war keine der Wohngruppe, in welchen der Bf. im gegenständlichen Zeitraum untergebracht war, spendenfinanziert. Die Unterbringung erfolgte zu 100% auf Kosten der öffentlichen Hand. Somit ergibt sich bereits aus dem bloßen Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 5 FLAG 1967, dass im gegenständlichen Fall kein Familienbeihilfenanspruch besteht.
Beantragt wird weiterhin die Abweisung der Beschwerde.
Beigefügt waren:
Schriftliches Auskunftsersuchen vom
Das Finanzamt ersuchte den Verein Arbeitskreis Noah mit schriftlichem Auskunftsersuchen gemäß § 143 BAO a, um Beantwortung folgender Fragen bis :
Derzeit ist beim Bundesfinanzgericht ein Beschwerdeverfahren des ***1*** ***2*** ***2*** (von nun an abgekürzt Bf.) anhängig. Das ho. Finanzamt wurde diesbezüglich mit Beschluss vom mit der Durchführung weiterer Ermittlungen beauftragt.
Laut Auskunft der MA11 war der Bf. im Zeitraum ab ***26*** in einer Ihrer Wohngruppen an der Adresse ***14*** untergebracht.
Sie werden ersucht die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Bitte geben sie die Höhe der Unterhaltskosten des Bf. im Zeitraum, in welchem der Bf. in Ihrer Wohngruppe untergebracht war (unter näherer Angabe, wie sich diese zusammensetzen), an.
2. Wurde und bejahendenfalls in welchem Umfang wurde Ihre Einrichtung nicht durch Mittel der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, sondern mittelbar oder unmittelbar aus Spendermitteln finanziert?
3. War der Beitrag der Kinder- und Jugendhilfe für die Unterbringung des Bf. in Ihrer Einrichtung niedrige als der Unterbringungsbeitrag für ein Kind im Alter des Bf. in einer anderen Einrichtung, die nicht mittelbar oder unmittelbar ganz oder teilweise aus Spendermitteln finanziert wird, bejahendenfalls in welchem Umfang?
Zu Ihrer Unterstützung wird Ihnen eine anonymisierte Musterbeantwortung aus einem ähnlichen Fall beigelegt (siehe vor allem Seite 16 des beiliegenden Auszuges aus dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/7103076/2020).
Beigefügt waren die Seiten 15 bis 17 des anonymisierten Erkenntnisses ).
Nach einem Zustellversuch am erfolgte die Zustellung durch Hinterlegung, Beginn der Abholfrist am .
Aktenvermerk vom
Der Aktenvermerk betrifft ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Vereins Arbeitskreis Noah, ***19*** ***20***, vom , wonach diesem das Auskunftsersuchen bislang nicht bekannt war und er versuchen werde, rasch zur Klärung des Sachverhalts beizutragen.
E-Mail vom
***21*** ***18***, DSa, teilte für den Verein Arbeitskreis Noah dem Finanzamt mit E-Mail vom mit:
Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom , welches uns verspätet erreicht hat, teile ich mit, dass der o.g. Jugendliche im Rahmen einer vollen Erziehung in unserer Einrichtung untergebracht ist.
Zugewiesen wurde er von der Stadt Wien, MA11 Region Nord.
Die tatsächlichen Unterhaltskosten werden zu 100% in Form eines Tagsatzes von der MA11 getragen.
Eine genaue, individuelle Auflistung ist aus unserer Sicht nicht möglich, da alle Auslagen auf Rechnung (Mietvertrag etc.) AKs Noah laufen und nicht exakt von anderen Jugendlichen in der Wohngruppe getrennt werden können.
Ergänzend kann gesagt werden, dass wir keine Spenden für die zugewiesenen Betreuungen erhalten.
E-Mail vom
Mit E-Mail vom teilte der Verein (DSa ***21*** ***18***) dem Finanzamt mit, dass ergänzend zur E-Mail vom nichts weiter vorgelegt bzw. ausgeführt werden könne.
Beschluss vom
Mit Beschluss vom wurden dem Bf die Ermittlungsergebnisse auf Grund des Beschlusses vom gemäß §§ 2a, 183 BAO zur Kenntnis gebracht und für eine Äußerung hierzu eine Frist bis gesetzt.
Zurückgenommenerklärung
Mit Schreiben vom , eingelangt am teilte die Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, dem Gericht mit:
Bezugnehmend auf den Beschluss vom , eingelangt am , wird innerhalb offener Frist vom Beschwerdeführer, vertreten durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung 2/20 folgende Äußerung abgegeben:
In der Beschwerde wie auch im Vorlageantrag stützte sich der Beschwerdeführer auf die Informationen der Homepages der Wohngemeinschaften wonach für die Einrichtungen Spenden lukriert werden.
Nach den neuesten Erkenntnissen werden die Kosten für die dort untergebrachten Kinder jedoch zur Gänze aus dem Tagsatz der MA11 finanziert und besteht somit keine teilweise Spendenfinanzierung. Dieser Umstand war dem Beschwerdeführer bis dato nicht bekannt.
Sowohl die Beschwerde als auch der Vorlageantrag sind als gegenstandslos zu betrachten und werden daher gemäß § 256 BAO zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtsgrundlagen
§ 256 BAO lautet:
§ 256. (1) Beschwerden können bis zur Bekanntgabe (§ 97) der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.
(2) Wurden Beitrittserklärungen abgegeben, so ist die Zurücknahme der Bescheidbeschwerde nur wirksam, wenn ihr alle zustimmen, die der Beschwerde beigetreten sind.
(3) Wurde eine Beschwerde zurückgenommen (Abs. 1), so ist sie mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.
§ 264 BAO lautet:
§ 264. (1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt
a) der Beschwerdeführer, ferner
b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.
(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.
(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:
a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),
b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),
c) § 255 (Verzicht),
d) § 256 (Zurücknahme),
e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).
(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.
Gegenstandsloserklärung
Da der mit Eingabe vom sowohl die Beschwerde als auch der Vorlageantrag gemäß § 256 BAO zurückgenommen wurden, hat das Bundesfinanzgericht diese gemäß § 256 Abs. 3 BAO und § 264 Abs. 4 lit. b BAO i. V. m. § 256 Abs. 3 BAO mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.
Da mit Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde zur Gänze abgewiesen worden ist, macht es im gegenständlichen Fall keinen Unterschied, ob die Beschwerde oder der Vorlageantrag oder beide Anbringen zurückgenommen werden.
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
Revisionsnichtzulassung
Gemäß Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 B-VG i. V. m. § 25a VwGG ist gegen diesen Beschluss eine (ordentliche) Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Finanzamt Österreich
§ 323b Abs. 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG):
§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.
(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.
Der gegenständliche Beschluss ist daher an das Finanzamt Österreich zuzustellen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 264 Abs. 4 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 208 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 269 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103274.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at