Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.12.2020, RV/4100457/2020

Betriebsausgabenabzug für freiwillige Abfertigungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Voest-Alpine-Str 7, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Körperschaftsteuer 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der bekämpfte Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die festgesetzte Körperschaftsteuer betragen:

-47.901,68 €…..Einkünfte aus Gewerbebetrieb
0…………………….Einkommen
500 €………………Mindestkörperschaftsteuer

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).

Entscheidungsgründe

Ablauf des Verfahrens

Mit Bescheid des ***FA*** vom betreffend Körperschaftsteuer 2016 wurden nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens Einkünfte der bf GmbH aus Gewerbebetrieb von 53.259,32 € angesetzt. Dabei wurden durch das Finanzamt entgegen den Ansätzen der Bf Betriebsausgaben, die die Bf wegen Bezahlung freiwilliger Abfertigungen in Höhe von 101.161 € steuerlich erklärt hatte, nicht anerkannt (Erstbescheid betreffend Körperschaftsteuer 2016 vom ; Wiederaufnahme- und Sachbescheid vom betreffend Körperschaftsteuer 2016).

Mit Beschwerde vom begehrt die Bf den Ansatz dieser strittigen Betriebsausgaben und den Ansatz negativer Einkünfte in Höhe von -47.901,68 €.

Die Bf begehrte, gem. § 262 Abs 3 BAO von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand zu nehmen. Eine Entscheidung des Senates wurde nicht begehrt. Das BFG hat daher über die Beschwerde der Bf durch den Einzelrichter zu entscheiden (§ 272 Abs 2 BAO).

Feststellungen des BFG:

Die Rechtsvorgängerin der Bf, die ***1*** AAB GmbH, wurde im Dezember 2015 nach einer Abspaltung der RVE GmbH (Spaltungsstichtag ) gegründet. Durch diese Abspaltung wurde der Teilbetrieb "Servicetechnik" der RVE GmbH auf die AAB übertragen (E-Mail der Bf an den Prüfer vom ; Firmenbuchauszug betreffend die AAB; Notariatsakt vom betreffend die Errichtung der AAB; Protokoll a.o. Generalversammlung der AAB vom ; Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom ).

Die AAB hatte in ihrem Gründungsjahr 2015 noch keine Dienstnehmer. Alle Dienstnehmer, die für die AAB ab 2016 gearbeitet haben, waren ab durch die AAB von der damals noch demselben Konzern zugehörigen RVE GmbH übernommen worden. Es handelte sich dabei um 13 Dienstnehmer (Jahresabschlüsse 2015, 2016 RVE GmbH und AAB; Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom , Punkte II und III; Liste "Mitarbeiter AAB GmbH, von RVE übergetreten" als Beilage ./6 des Spaltungs- und Übernahmsvertrages vom ).

Die wesentlichen Daten betreffend die durch die AAB von der RVE GmbH per übernommenen Mitarbeiter lauten u.a. (Liste "Mitarbeiter AAB GmbH, von RVE übergetreten" als Beilage ./6 des Spaltungs- und Übernahmsvertrages vom ):


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Name
Tätigkeit
Geburtsdatum
TJ Gerald
Serviceleitung
1.1.1111: 2016 46 Jahre
RE Alexander
Lager
2.2.1222 (2016 29 J)
LD Christian
Servicetechnik
3.3.1333 (2016 35 J)
HI Gerhard
Geräte/Schank
4.4.1444 (2016 34 J)
HA Werner
Servicetechnik
5.5.1555 (2016 56 J)
RO Ernst
Servicetechnik
6.6.1666 (2016 63 J)
OM Siegfried
Servicetechnik
7.7.1777 (2016 54 J)
EM Rudolf
Servicetechnik
1.1.1111 (2016 49 J)
SE Karl
Servicetechnik
1.1.1111 (2016 57 J)
RP Othmar
Servicetechnik
1.1.1111 (2016 60 J)
SI Wolfgang
Servicetechnik
1.1.1111 (2016 55 J)
HM Michael
Servicetechnik
1.1.1111 (2016 60 J)
JN Adolf
Servicetechnik
1.1.1111(2016 55 J)

Die AAB hat im Jahr 2016 eine Reihe von Dienstverhältnissen, die sie per von der Rechtsvorgängerin übernommen hatte, einvernehmlich aufgelöst (Beschwerde vom ), und in diesem Zusammenhang freiwillige Abfertigungen mit den einzelnen betroffenen Dienstnehmern (Beschwerde, S. 2; BP-Bericht, TZ 1) vereinbart.

Bei den Dienstnehmern, deren Dienstverhältnis 2016 beendet worden ist, und die 2016 die freiwilligen Abfertigungen erhielten, handelte es sich um die folgenden Personen (E-Mail vom an den Prüfer)


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Austritt per
Geburtsdatum
HA Werner
5.5.1555 (2016 56 J)
SE Karl
1.1.1111 (2016 57 J)
RP Othmar
1.1.1111 (2016 60 J)
HM Michael
1.1.1111 (2016 60 J)
JN Adolf
1.1.1111(2016 55 J)

(E-Mail vom an den Prüfer)

Die Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis aufgelöst worden war, erhielten im Jahr 2016 auf Grund von Einzelvereinbarungen der AAB mit diesen betroffenen Mitarbeitern (E-Mail vom an den Prüfer, Beschwerde S. 2) die folgenden freiwilligen Abfertigungen:


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Nicht str Abfertigung 6% (€)
Strittige Abfertigung lt. FA (€) gem. § 67 Abs 6 Z 7 EStG
Summe (€)
HA Werner
9.691
19.440
29.131
SE Karl
9.527
14.640
24.167
RP Othmar
9.987
23.725
33.712
HM Michael
10.135
29.100
39.235
JN Adolf
10.194
14.257
24.451
Summen
49.533
101.161 €

Höhe der Bezüge vor der Auflösung/anrechenbare Dienstzeit:


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Laufender Monatsbezug vor der Auflösung
Eintrittsdatum/anrechenbare Dienstzeit
HA Werner
3.778,81 €
/ 32 Jahre
SE Karl
3.630,56
/22 Jahre
RP Othmar
3.858,04
/29 Jahre
HM Michael
3.837,01
/39 Jahre
JN Adolf
3.642,86
/20 Jahre

(E-Mail vom an den Prüfer; Aufstellung der AAA AG in der Bilanz zum mit der Überschrift "Abfertigungsrückstellungen")

Rechtsfolgen

Die betriebliche Veranlassung der strittigen Abfertigungen ist nicht strittig (insoweit unwiderlegtes Beschwerdevorbringen, S. 3; Bräumann/Kofler/Tumpel, SWK 2020, 1354, Pkt 2.3.).Es ist in Bezug auf die strittigen freiwilligen Abfertigungen jedoch zu untersuchen, ob ein Abzugsverbot i.S. des § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 i.V.m. § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988 vorliegt.

Die AAB beendete somit bei 5 von 13 Mitarbeitern im Jahr 2016 das Dienstverhältnis, dh, sie beendete bei 5 von 8 Mitarbeitern, die über 54 Jahre alt waren, das Dienstverhältnis und sie bezahlte diesen Mitarbeitern abzugsfähige freiwillige Abfertigungen. Dieser Vorgang unterliegt dem § 45a Abs 1 Z 4 AMFG, dh, die freiwilligen Abfertigungen wurden der Bf durch den Gesetzgeber nahegelegt (§ 45a Abs 3 AMFG).

Die strittigen freiwilligen Abfertigungen (101.161 €) auf Grund der Einzelvereinbarungen mit den betroffenen Mitarbeitern i.S. des § 67 Abs 6 Z 7 EStG 1988 i.V.m. § 45a Abs 1 Z4 und Abs 3 Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) gelten gem. § 67 Abs 6 erster Unterabsatz EStG 1988 als sonstige Bezüge, auch wenn diese nicht steuerbegünstigt sind. Für die Richtigkeit dieses Zwischenergebnisses spricht auch § 124b Z 254 ESTG, zweiter Satz. Auf Grund dieser zuletzt genannten Bestimmung gelten Auszahlungen auf Grund von Sozialplänen i.S. des § 67 Abs 8 lit f EStG, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen, jedenfalls als sonstige Bezüge gem. § 67 Abs 6, auch wenn sie der begünstigten Besteuerung gem. § 67 Abs 6 nicht unterliegen. Nichts Anderes darf daher für alle Bezüge gelten, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (z.B. freiwillige Abfertigungen) (vgl. auch zu einer vergleichbaren Rechtsfrage; vgl. ).

Die strittigen freiwilligen Abfertigungen betrafen jedenfalls Zeiträume, für die die betroffenen Dienstnehmer bereits Anwartschaften nach dem BMSVG (Betriebliches Mitarbeiter- und Selbstständigenvorsorgegesetz) erworben hatten (§ 47 Abs 1 BMSVG). Die gekündigten Mitarbeiter hatten daher in Bezug auf diese Zeiträume Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse i.S. des § 67 Abs 6 Z 7 EStG 1988 (auch Beschwerdevorbringen, S. 2). Daher unterliegen diese strittigen freiwilligen Abfertigungen, obwohl sie als sonstige Bezüge gelten, nicht dem begünstigten Steuersatz von 6% (§ 67 Abs 6 Z 7 EStG 1988; ; 2011/13/0086).

Diese strittigen freiwilligen Abfertigungen i.S. des § 67 Abs 6 EStG 1988 sind auf der Ebene der Empfänger nicht mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern (§ 67 Abs 6 Z 7 ESTG), sie sind aber dennoch als sonstige Bezüge i.S. des § 67 Abs 6 anzusehen (§ 67 Abs 6 erster Unterabsatz); das Betriebsausgabenabzugsverbot findet dennoch keine Anwendung, wenn die Höhe der Abfertigungszahlungen die Grenzen des § 67 Abs 6 Z 1-6 ESTG 1988 nicht überschritten hat [ ; § 20 Abs 1 Z 8 EStG 1988 i.V.m. § 124b Z 254 erster Satz ESTG 1988 i.V.m. § 12 Abs 1 Z 8 erster Satz KStG 1988 i.V.m. § 26 c Z 50 erster Satz KStG].


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Freiw. Abf. innerhalb der Grenze des § 67 Abs 6 Z 1 ESTG
Freiw Abf innerh.der Grenze des § 67 Abs6 Z2 EStG
Summe der höchstmöglichen freiw Abf, die kein Abzugsverbot auslösen
HA Werner
3.778,81 x 3= 11.336,43
3.778,81x12=45.345,72
56.682,15
SE Karl
3.630,56x3=
10.891,68
3.630,56x9=
32.675,04
43.566,72
RP O
3.858,04x3=
11.574,12
3.858,04x12=
46.296,48
57.870,60
HM M
3.837,01x3=
11.511,03
3.837,01x12=
46.044,12
57.555,15
JN Adolf
3.642,86x3=
10.928,58
3.642,86x9=
32.785,74
43.714,32

Die monatliche Höchstbeitragsgrundlage für das Streitjahr 2016 betrug 4.860 € (162 x 30, vgl. § 108 ASVG). Die neunfache monatliche Höchstbeitragsgrundlage gem. 67 Abs 6 Z 1 betrug daher im Streitjahr 43.740 €. Die 45-fache (15 Monate x 3, vgl. DKMZ, EStG 19. Aufl, § 67 TZ 80) monatliche Höchstbeitragsgrundlage i.S. des § 67 Abs 6 Z 2 betrug im Streitjahr daher 218.700 €.

Der laufende Brutto-Monatsbezug des Herrn Werner HA betrug im Streitjahr 3.778,81 €. Die zwischen den Parteien des Verfahrens nicht strittige Abfertigung, die er nach 32 Jahren Dienstzeit erhalten hat, betrug 9.691 €, die zwischen den Verfahrensparteien strittige freiwillige Abfertigung betrug 19.440 €. Diese Abfertigungen liegen unter den Höchstgrenzen des § 67 Abs 6 Z 1 und 2 EStG 1988 (insgesamt 56.682,15) und unterliegen daher nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988 ().

Der laufende Brutto-Monatsbezug des Herrn Karl SE betrug im Streitjahr 3.630,56 €. Die nicht strittige Abfertigung, die er nach 22 Jahren Dienstzeit erhalten hat, betrug 9.527 €, die strittige freiwillige Abfertigung betrug 14.640 €. Diese Abfertigungen liegen unter den Höchstgrenzen des § 67 Abs 6 Z 1 und 2 EStG 1988 (insgesamt 43.566,72) und unterliegen daher nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988.

Der laufende Brutto-Monatsbezug des Herrn Othmar RP betrug im Streitjahr 3.858,04 €. Die nicht strittige Abfertigung, die er nach 29 Jahren Dienstzeit erhalten hat, betrug 9.987 €, die strittige freiwillige Abfertigung betrug 23.725 €. Diese Abfertigungen liegen unter den Höchstgrenzen des § 67 Abs 6 Z 1 und 2 EStG 1988 (insgesamt 57.870,60) und unterliegen daher nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988.

Der laufende Brutto-Monatsbezug des Herrn Michael HM betrug im Streitjahr 3.837,01 €. Die nicht strittige Abfertigung, die er nach 39 Jahren Dienstzeit erhalten hat, betrug 10.135 €, die strittige freiwillige Abfertigung betrug 29.100 €. Diese Abfertigungen liegen unter den Höchstgrenzen des § 67 Abs 6 Z 1 und 2 EStG 1988 (insgesamt 57.555,15) und unterliegen daher nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988.

Der laufende Brutto-Monatsbezug des Herrn Adolf JN betrug im Streitjahr 3.642,86 €. Die nicht strittige Abfertigung, die er nach 20 Jahren Dienstzeit erhalten hat, betrug 10.194 €, die strittige freiwillige Abfertigung betrug 14.257 €. Diese Abfertigungen liegen unter den Höchstgrenzen des § 67 Abs 6 Z 1 und 2 EStG 1988 (insgesamt 43.714,32) und unterliegen daher nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988.

Alle strittigen Abfertigungen an die Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis im Jahr 2016 beendet wurde (101.161 €), unterliegen daher nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot .

Die Höhe der Mindestkörperschaftsteuer richtet sich nach § 24 Abs 4 Z 3 i.V.m. § 26 c Z 51 KSTG 1988.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die Bf hat freiwillige Abfertigungen bezahlt, die unter § 67 Abs 6 ESTG 1988 fallen, aber auf der Ebene der Empfänger nicht steuerbegünstigt i.S. des § 67 Abs 6 ESTG waren. Die Abfertigungen wurden für Zeiträume bezahlt, für die bereits Anwartschaften der Dienstnehmer gegenüber einer BV-Kasse i.S. des BMSVG bestanden. Allerdings überschritt die Höhe dieser Abfertigungen nicht die Grenzen, die durch § 67 Abs 6 Z 1-6 ESTG 1988 gezogen werden. Daher unterliegen diese Abfertigungen nicht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 8 KSTG 1988 ().

Eine Rechtsfrage, der i.S. des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, ist nicht erkennbar.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100457.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at