Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 06.08.2020, RV/7101206/2017

Einstellung des Verfahrens nach Löschung gemäß § 40 FBG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend
Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) und Festsetzung des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Kalenderjahre 2010 bis 2014 sowie Festsetzung von Säumniszuschlägen für Lohnsteuer 2010 bis 2014,
Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom hatte die Abgabenbehörde gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf.), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die entsprechenden Abgaben festgesetzt und die Bf. zur Haftung herangezogen.

Gegen die angeführten Bescheide erhob die Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte die ersatzlose Aufhebung der beschwerdegegenständlichen Bescheide sowie die Aussetzung der Einhebung der Abgabenschuld samt Säumniszuschlägen.

Der Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom teilweise stattgegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und festgesetzten Abgaben wurden dementsprechend abgeändert und herabgesetzt.

Mit Schriftsatz vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) bei der belangten Behörde eingebracht.

Die Beschwerde wurde dem BFG durch die belangte Behörde mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt.

Dem Firmenbuch war zur Bf. wie folgt zu entnehmen:
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde über die Bf. das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Beschluss des Gerichtes vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.
Laut dem vorliegenden Firmenbuchauszug (FN Zahl - historisch) erfolgte am die Löschung der Bf. gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit.

Eine Liquidation gemäß § 89 GmbHG war nicht erfolgt.

Wie aus dem Abgabenkonto ersichtlich war, wurden die in Streit stehenden Abgabenbeträge bisher nicht entrichtet; deren mit der Beschwerde beantragte Aussetzung war am aufrecht. Zudem war auf dem Abgabenkonto der Bf. ein vollstreckbarer Rückstand von Euro 39.840,04 ausgewiesen.
Da die in Rede stehenden Abgabenbeträge bisher nicht entrichtet wurden, würde selbst eine Stattgabe der Beschwerde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten Bf. führen.

Laut Auskunft der belangten Behörde vom waren bereits die Aktenlöschung und die Zustellung auf die belangte Behörde verfügt worden. Die belangte Behörde hatte sich nicht gegen die beabsichtigte Löschung ausgesprochen und auch keinen Notgeschäftsführer bestellt. Die Vermögenslosigkeit war als gegeben zu beurteilen, eine Einbringungsmöglichkeit lag laut Aktenlage nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat grundsätzlich deklaratorischen Charakter (vgl. ; ) und beendet die Rechtsfähigkeit prinzipiell nicht, solange noch Vermögen vorhanden ist und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind.

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn die Abgabenfestsetzung etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugssteuern oder Vorsteuern zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann.
An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher im Fall eines bestehenden Abwicklungsbedarfes grundsätzlich rechtswirksam ().
Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Regel fungiert der ehemalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"; an die Gesellschaft adressierte behördliche Schriftstücke (Erledigungen) können somit bis zur Bestellung eines Liquidators durch das Gericht an diesen zugestellt werden.

Der Auflösung folgt in der Regel die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). In dieser Zeit wird die Gesellschaft durch die bestellten Liquidatoren bzw. Abwickler vertreten.

Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch (§ 157 UGB, § 93 GmbHG).

Keine Liquidation findet allerdings im Falle des Konkurses einer Gesellschaft statt (vgl. Haberer/Zehetner in Straube, GmbHG, § 89 Rz 11).
Dieser Fall war auch hier gegeben.

Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO umfasst nur jene Fälle, in denen eine Liquidation nach § 89 GmbHG stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens (§ 71b IO) als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist.

Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zwingend zur Vollbeendigung der Gesellschaft (vgl. dazu auch ). Jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (vgl. ; ), sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden können.

Infolge der Löschung im Firmenbuch war die Bf. de facto rechtlich nicht mehr existent und auch ohne Rechtsnachfolger. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre daher unwirksam.

Mit der Konkurseröffnung erlöschen ex lege auch Vertretungsvollmachten (§ 1024 ABGB). Die Vollmacht erlischt endgültig, sie lebt auch nicht mit Aufhebung der Insolvenz wieder auf.

Da der frühere Masseverwalter, ebenso wie der frühere steuerliche Vertreter, die Bf. nicht mehr vertraten, konnte eine Erledigung durch das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Verfahren der Bf. nicht mehr zugestellt werden.

Im Bezug auf die gelöschte Bf. bestand keinerlei Abwicklungsbedarf - und damit keine Parteifähigkeit - mehr.

Wie der VwGH in seiner Rechtsprechung ausführt, ist nicht der Fortbestand der GmbH zu verneinen, weil man ihr nicht mehr zustellen kann, sondern es kann umgekehrt eine Zustellung allein schon im Hinblick auf das Erlöschen der Parteifähigkeit unterbleiben. Zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 2 BAO besteht in einem solchen Fall kein Anlass (vgl. ).

Ist von der Vollbeendigung der Bf. auszugehen so ist die Beschwerde im Sinne der Bestimmungen der BAO als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Dies entspricht, den Fällen des § 33 Abs. 1 VwGG und damit der Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des VwGH sinngemäß anzuwenden ist, wenn es zum "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der Bf. kommt.

Von der Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung konnte im gegenständlichen Fall infolge der Gegenstandsloserklärung (§ 272 Abs. 4 BAO iVm § 256 Abs. 3 BAO) abgesehen werden.

Das Verfahren war somit einzustellen. Es war wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Der Beschluss erging daher nur an die Abgabenbehörde als Amtspartei.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde aufgrund der Rechtsprechung des VwGH entschieden (s. u.a. ), sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101206.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at