Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.06.2020, RV/7102073/2011

Keine Bindungswirkung an nicht wirksamen Grundlagenbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch TWB TREUHAND- UND WIRTSCHAFTSBERATUNGSGESELLSCHAFT mit beschränkter Haftung, Opernring 7, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Beschwerdefall strittig ist die Bindungswirkung an eine Tangentenzuweisung im Rahmen eines Feststellungsverfahrens einer atypisch stillen Gesellschaft, an der die beschwerdeführende Privatstiftung im Streitzeitraum nicht mehr beteiligt gewesen sei.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 mit EUR 399.773,68 fest.

In der Folge änderte die belangte Behörde mit Bescheid vom den Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2009 der Beschwerdeführerin gemäß § 295 Abs. 1 BAO ab, weil zwischenzeitlich eine Einkünftezuweisung in den Feststellungsverfahren der ***X KG*** und der ***Y GmbH*** an die Beschwerdeführerin erfolgt sei.

Dagegen richtete sich die nunmehr als Beschwerde zu bezeichnende Berufung vom , in welcher die Beschwerdeführerin ausführte, dass die Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 unter Außerachtlassung des Gewinnanteils der ***X KG*** festzusetzen sei, weil die Beschwerdeführerin im Jahr 2009 nicht mehr an dieser Gesellschaft beteiligt gewesen sei.

Mit nunmehr als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnender Berufungsvorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit Verweis auf die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides als unbegründet ab.

Im dagegen gerichteten Vorlageantrag vom führte die Beschwerdeführerin begründend aus, dass eine Bindungswirkung des Feststellungsbescheides nur bestehen könne, wenn dieser ihr gegenüber wirksam geworden wäre. Die Beschwerdeführerin sei jedoch seit dem Jahr 2007 nicht mehr Gesellschafterin an der ***X KG*** und habe den Feststellungsbescheid darüber hinaus auch nicht zugestellt erhalten.

Die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgte am .

Mit E-Mail vom übermittelte die Beschwerdeführerin den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag zwischen der ***X KG*** und der ***Z GmbH*** sowie die Vereinbarung über die Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens vom an das Bundesfinanzgericht.

Mit Beschluss vom übermittelte das Bundesfinanzgericht diese Unterlagen der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs. Zudem teilte das Gericht der belangten Behörde mit, dass es vorläufig davon ausgehe, dass die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom , mit der das Finanzamt ***1*** über die Feststellung von Einkünften der ***X KG*** gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009 vorläufig absprach, dem Erfordernis einer gesetzmäßigen Adressatenbezeichnung nicht entsprochen habe.

In der in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde erstatteten Stellungnahme vom stimmte diese den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes betreffend die Wirksamkeit der als Bescheid bezeichneten Erledigung des Finanzamtes ***1*** vom zu.

Mit Schriftsatz vom zog die Beschwerdeführerin der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Entscheidung durch den Senat des Bundesfinanzgerichtes zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am schloss die ***X KG*** einen atypisch stillen Gesellschaftsvertrag mit der ***Z GmbH***. Die ***Z GmbH*** hielt diese Beteiligung treuhändig für den Erststifter der Beschwerdeführerin.

Mit der dritten Nachstiftungsurkunde vom , abgeschlossen zwischen dem Erststifter der Beschwerdeführerin als Nachstifter und der Beschwerdeführerin, widmete der Erststifter ua die streitgegenständliche Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an der ***X KG*** (FN ***2***), welche treuhändig durch die ***ZZ GmbH*** (vormalige ***Z GmbH***) für den Erststifter gehalten wurde, der Beschwerdeführerin.

Mit Vereinbarung vom wurde die streitgegenständliche atypisch stille Beteiligung im Jahr 2007 aufgelöst und abgeschichten. Im Streitjahr 2009 ist der Beschwerdeführerin kein Gewinnanteil aus dieser Beteiligung zugeflossen (im Verwaltungsakt enthaltene Beteiligungsaufstellung; Abschichtungsplan und Jahresabschlüsse).

Das Finanzamt ***1*** erließ am eine als Bescheid bezeichnete Erledigung, mit der sie über die Feststellung von Einkünften der ***X KG*** gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009 vorläufig absprach. Die Erledigung richtete sich im Adressfeld an die "***X KG***" zH der steuerlichen Vertretung. Im Weiteren führte die als Bescheid bezeichnete Erledigung namentlich ua die Beschwerdeführerin unter Zusatz ihrer Adresse und Steuernummer als Einkünftezurechnungssubjekt an (Nr 4). Dabei wurden der Beschwerdeführerin Einkünfte iHv EUR 12.717,75 zugerechnet. Ein Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 191 Abs. 3 lit b BAO idF BGBl I Nr 112/2012 hinsichtlich der Wirksamkeit sowie nach § 101 Abs. 3 BAO betreffend die Zustellung ist am Ende der Erledigung angefügt.

Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom , gerichtet an die "***X KG***" zH der steuerlichen Vertretung, wurde die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom gemäß § 200 BAO für endgültig erklärt.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Aus dem im Verwaltungsakt enthaltenen Schriftsatz vom ergibt sich, dass die atypisch stille Beteiligung mit Vereinbarung vom im Jahr 2007 gekündigt wurde. Dies entspricht auch der Darstellung der jeweiligen Tz 36 der Berichte über die bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Prüfungen der Jahresabschlüsse zum und zum .

Die Abschichtung der streitgegenständlichen Beteiligung erfolgte nach Zahlungsplan vom im Jahr 2007. Aus der Tz 54 des Jahresabschlusses zum ist ersichtlich, dass keine Forderungen gegenüber der streitgegenständlichen atypisch stillen Gesellschaft gegeben waren.

Das Bundesfinanzgericht geht daher entsprechend dem Beschwerdevorbringen davon aus, dass die streitgegenständliche stille Beteiligung im Jahr 2007 gekündigt sowie abgeschichtet wurde und dass der Beschwerdeführerin im Streitjahr 2009 somit keine Einkünfte aus der streitgegenständlichen Beteiligung zugeflossen sind.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann gemäß § 252 Abs. 1 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

Folglich können Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen nur im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid vorgebracht werden. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, ist die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Dies setzt jedoch die Wirksamkeit des Grundlagenbescheides gegenüber dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides voraus (vgl Ritz, BAO6, § 252 Tz 3 mit Verweis auf die dort zitierte Judikatur).

Im Beschwerdefall ist daher zunächst zu klären, ob ein Grundlagenbescheid, mit dem der Beschwerdeführerin die streitgegenständlichen Einkünfte der ***X KG*** im Jahr 2009 zugerechnet werden sollten, ihr gegenüber Wirksamkeit erlangt hat.

Nach § 188 Abs. 1 BAO werden ua Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind. Der Feststellungsbescheid ergeht gemäß § 191 Abs. 1 lit c leg cit in diesen Fällen des § 188 leg cit an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, hat der Bescheid gemäß § 191 Abs. 2 leg cit an diejenigen zu ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

§ 93 BAO normiert dabei die essentiellen Bescheidelemente. Dazu zählt nach Abs. 2 leg cit ua der Spruch, in dem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen ist, an die der Bescheid ergeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Personenumschreibung notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruches mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch - zu dem auch das Adressfeld zählt - kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl etwa die Beschlüsse des ; vom , 2008/15/0332 und vom , 2005/15/0040).

Eine (auch atypisch) stille Gesellschaft ist eine reine Innengesellschaft; eine Eintragung im Firmenbuch erfolgt nicht. Ein gemeinschaftliches Vermögen besteht nicht, vielmehr wird die Einlage des stillen Gesellschafters so geleistet, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Unternehmens übergeht (§ 179 Abs. 1 UGB). Die Auflösung der stillen Gesellschaft bedeutet daher bereits die Vollbeendigung der zwischen dem Unternehmensinhaber und dem stillen Gesellschafter begründeten schuldrechtlichen Beziehung, der sodann die Auseinandersetzung der vermögensrechtlichen Ansprüche folgt. Die stille Gesellschaft endet bei Vorliegen eines Auflösungsgrundes ohne Abwicklung (vgl ). Damit tritt die Vollbeendigung der stillen Gesellschaft aber bereits mit dem Wirksamwerden der Auflösung ein (vgl Ritz, BAO6, § 79 Tz 12a).

Im Beschwerdefall lautet das Adressfeld der als Bescheid bezeichneten vorläufigen Erledigung vom , als auch jener diese für endgültig erklärenden Erledigung vom , auf "***X KG***" zH der steuerlichen Vertretung. Die Auflösung der stillen Gesellschaft erfolgte im Beschwerdefall mit . Die über die Einkünfte der steitgegenständlichen Beteiligung absprechende Erledigung des Finanzamtes ***1*** vom wäre somit jedenfalls nach § 191 Abs. 2 BAO an die damaligen Mitglieder der Personengemeinschaft zu richten gewesen (vgl Ritz, BAO6, § 93 Tz 6 mit Verweis auf die dort zitierte Judikatur). Dies ist durch die Adressierung an die "***X KG***" zH der steuerlichen Vertretung jedenfalls nicht erfolgt.

Eine Teilwirksamkeit nach § 191 Abs. 5 BAO entfaltet die angefochtene, als Bescheid bezeichnete Erledigung im Beschwerdefall ebenso wenig. Zwar steht nach Abs. 5 leg cit eine Einkünftezurechnung an Personengemeinschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die nicht oder nicht mehr rechtlich existent ist, der Wirksamkeit als Feststellungsbescheid nicht entgegen. Eine solche Teilwirksamkeit kann jedoch nur gegenüber jenen entfaltet werden, "denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw nicht zugerechnet werden" (Abs. 5 letzter Satz leg cit). Dies trifft auf die Beschwerdeführerin gerade nicht zu.

Die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom , mit der das Finanzamt ***1*** über die Feststellung von Einkünften der ***X KG*** gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009 absprach, vermochte somit keine Wirkung gegenüber der Beschwerdeführerin zu begründen, weil dem Erfordernis einer gesetzmäßigen Adressatenbezeichnung nicht entsprochen wurde. Eine Bindungswirkung an diese als Bescheid bezeichnete Erledigung im Verfahren betreffend die Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 besteht daher nicht.

Aus der mit bereits aufgelösten und abgeschichteten atypisch stillen Beteiligung waren der Beschwerdeführerin im Streitjahr 2009 keine Einkünfte zugeflossen. Mangels Wirksamkeit der als Bescheid bezeichnete Erledigung vom gegenüber der Beschwerdeführerin waren ihr die darin festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 12.717,45 nicht zuzurechnen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass eine Bindungswirkung an den Grundlagenbescheid nur dann besteht, wenn dieser gegenüber der Beschwerdeführerin Wirksamkeit erlangt hat, ergibt sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut des § 252 BAO sowie der obig näher erläuterten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Ritz, BAO6, § 252 Tz 3 mit Verweis auf die dort zitierte Judikatur). Ebenso entspricht es der obig dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Erledigung, die nach Beendigung einer nicht rechtsfähigen (atypisch) stillen Gesellschaft (Personengemeinschaft) an diese gerichtet ist, keine Bescheidqualität zukommt (vlg insbesondere ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 191 Abs. 3 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 200 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 179 Abs. 1 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102073.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at