Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 24.07.2020, RV/7101864/2016

Gegenstandsloserklärung nach Vollbeendigung einer GmbH.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***9*** in ***1***, vom , gegen die Bescheide des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2011 und 2012, beschlossen:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt.
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet
(FN ***2***).

Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter war in den Streitjahren ***3***, geb. ***4***.

Als Gegenstände des Unternehmens wurden gewerbliche Seminarveranstaltungen aller Art, insbesondere für Vermögens- und Finanzplanungs- und Beratungsseminare, gewerbliche Vermögensberatung mit Berechtigung zur Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten festgelegt.

Mit Beschluss vom des Landesgerichtes St. Pölten wurde der Konkurs über das Vermögen der GmbH eröffnet und mit Beschluss vom wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Ein Sanierungsplan konnte nicht erfüllt werden, somit gab es auch keine Quotenzahlungen.

Im Jahr 2012 und 2013 war ***5*** bei der Fa. ***6*** geringfügig nichtselbstständig beschäftigt.

Am wurde zwischen ***5***, der Fa. ***6***" (Geschäftsführer: ***3***) und der Fa. ***7*** in Graz eine Grundsatzvereinbarung wie folgt getroffen:

***5*** ist im Bereich des KFZ-Handels tätig und setzt seine Kontakte und sein Wissen für die Vermittlung des An- und Verkaufs von Fahrzeugen ein.

Die Fa. ***6***" wird rechnungsmäßig für die Abwicklung des Fahrzeughandels eingebunden.

Die Fa. ***7*** wird als Händler fungieren, welcher gegenüber der Leasinggesellschaft oder der finanzierenden Bank für den Kunden auftritt.

Die Fa. ***7*** bringt ihre guten Geschäftskontakte zu finanzierenden Banken oder Leasinggesellschaften ein.

Der Kaufpreis für den Kunden wird von Herrn ***5*** finanziert.

Die Refinanzierung erfolgt letztlich über die Leasinggesellschaft oder die finanzierende Bank.

Für die Vermittlung von Leasinggesellschaften bzw. der Finanzierung für den Kunden erhält die Fa. ***7*** von der Bank direkt eine Provisionszahlung.

Von dieser Provision erhält ***5*** gemäß dieser Vereinbarung die Hälfte.

Die ***6***" hat keine Ansprüche auf die Vermittlungsprovisionen im Rahmen der Kundenfinanzierung.

Die Kaufpreisdifferenz, also Differenzen zwischen Ankaufspreis (das ist der Kaufpreis gegenüber dem Verkäufer des jeweiligen KFZ) und dem Kundenkaufpreis (das ist der Kaufpreis, den der Kunde zu bezahlen hat), verbleibt zur Gänze bei der Fa. ***6***".

Im Zeitraum 2011-2013 wurden von der Fa. ***6***" weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Umsatzsteuer- und Körperschaftssteuererklärungen abgegeben.

Laut Abfrage im Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) tätigte die Bf. im Jahr 2011 57.154 € und 2012 562.844 € innergemeinschaftliche Erwerbe (fast ausschließlich Gebrauchtwagen aus Deutschland; ein geringfügiger Teil betrifft den Import von Espressomaschinen aus Italien).

Weder der Erwerb noch die Verkäufe wurden einer Versteuerung unterzogen.

Im Zuge des Konkursverfahrens stellte der Masseverwalter diverse Zahlungen und Zahlungseingänge im Zusammenhang mit Auto An- und Verkäufen fest.

Da diese Kontobewegungen nicht in Verbindung mit der Geschäftstätigkeit der Bf. (Seminarveranstaltungen, Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen, etc.) standen, erstattete der Masseverwalter Anzeige.

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten nahm Ermittlungen gegen ***3*** als Verantwortlichen der Bf. wegen Veruntreuung auf.

Das Bestehen des Verdachts auf Betrug gemäß §§ 147 , 148 StGB betraf ***3*** als geschäftsführenden Gesellschafter und ***5*** als faktischen Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem Autohandel der Bf.

In der Hauptverhandlung beim Landesgericht St. Pölten am wurde ***3*** aufgrund der Entlastungen seines Mitangeklagten freigesprochen.

***5*** brachte ein Rechtsmittel ein.

Wie auch aus der Selbstanzeige vom hervorgeht, war Herr ***3*** in die Geschäftstätigkeit des Autohandels involviert, in welchem Ausmaß Herr ***5*** die Geschäfte abwickelte bzw. die näheren Details dazu waren Herrn ***3*** nicht bekannt.

Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen ermittelte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2011 zunächst gemäß § 184 BAO im Schätzungswege und setzte sie mit Null fest. (Mangels der Möglichkeit einen Steuerberater zu beauftragen aufgrund Masseunzulänglichkeit ersuchte der Insolvenzvertreter um Schätzung für die Jahre 2011 und 2012).

Nach einer Betriebsprüfung (Selbstanzeige zu Prüfungsbeginn) erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer 2011.

Die Veranlagungen (Umsatzsteuer) 2011 und 2012 erfolgten unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung.

Betreffend Umsatzsteuer 2011 und 2012 wurde gemäß § 29 Abs. 6 Finanzstrafgesetz eine Abgabenerhöhung festgesetzt.

Die Beschwerde des GF ***3*** richtete sich u.a. gegen die Höhe der für 2011 und 2012 festgesetzten Umsatzsteuer.

Begründend führte er aus, die Gesellschaft sei nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus dem Firmenbuch gelöscht worden.

Im Rahmen des Strafverfahrens (Staatsanwaltschaft St. Pölten) gegen ***5*** sei ein Sachverständigengutachten erstellt worden, aus dem hervorgehe, dass die Bf. nicht in die wirtschaftlichen Vorgänge des KFZ-Handels involviert war und mögliche rechnerische Erlöse daher nicht dieser Gesellschaft, sondern ***5*** zuzurechnen seien.

Die Gesellschaft habe 2011 und 2012 keine Umsätze aus einem KFZ-Handel erzielt. Sachverhalte seien nach den Finanzgesetzen nicht nach ihrer äußeren Form, sondern nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu bewerten.

Hinsichtlich jener Verkürzungen, die der Beschwerdeführer im Rahmen der Selbstanzeige bekannt gab und jener Feststellungen, welche nicht im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen ***5*** standen (Privatanteile und außerbilanzielle Zurechnungen), wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom (USt 2011) und vom (USt 2012) als unbegründet abgewiesen.

Jene Geschäfte, die über das private Konto des ***5*** gelaufen sind, wurden der Gesellschaft mangels Kenntnis nicht zugerechnet.

In diesem Punkt sei das Finanzamt der Beurteilung des Sachverständigen gefolgt.

Im Vorlageantrag vom führte die Bf. aus, das Finanzamt habe den Umstand, dass zwar Herr ***3*** Geschäftsführer des Unternehmens, Herr ***5*** jedoch alleiniger Machthaber über den Autohandel gewesen sei, und diesem auch sämtliche Einkünfte zugeflossen seien, keiner Beweiswürdigung unterzogen.

Dieser Umstand sei auch durch das Sachverständigengutachten belegt.

Herr ***3*** habe zwar in seiner Funktion als ordentlicher Geschäftsführer vor Beginn der Betriebsprüfung wegen nicht erklärter und abgeführter Umsatzsteuer Selbstanzeige erstattet, jedoch sei die Nichtabführung der Abgaben Herrn ***5*** anzulasten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom , Zl. ***8***, wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und die Firma gem. § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit am amtswegig gelöscht.

Auf dem Abgabenkonto der Bf. ist u.a. folgender Abgabenrückstand ausgesetzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
USt 2011
1.131,77
USt 2012
19.475,57
Summe:
20.607,34

Die im gegenständlichen Verfahren strittigen Abgabennachforderungen wurden dementsprechend niemals entrichtet.

Es ist daher von der Vermögenslosigkeit der Bf. auszugehen, da es keine denkmögliche Konstellation gibt, in der eine Abgabenfestsetzung zu einem Aktivvermögen der gelöschten GmbH führen kann.

Die festgestellte Sachlage ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug zu FN ***2*** sowie den die Bf. betreffenden Daten des Abgabeninformationssystems des Bundes.

Die festgestellte Sachlage ist rechtlich folgendermaßen zu beurteilen:

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozessordnung ist sinngemäß anzuwenden.

Eine Kapitalgesellschaft verliert erst mit der Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit. Voraussetzung dafür ist ihre Vermögenslosigkeit, also der Mangel an Aktivvermögen; die Löschung im Firmenbuch hat insofern nur deklarativen Charakter. Bis zum Beweis des Gegenteils ist aber anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (vgl. k).

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also z.B. Abgaben noch festzusetzen - sind (vgl. , sowie und die dort wiedergegebene Literatur und Judikatur).

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam (vgl. , und die dort zitierte Judikatur und Literatur).

Ob noch Abwicklungsbedarf besteht, ergibt sich aus dem Umstand, ob bei sonstiger Vermögenslosigkeit die Abgabenfestsetzung in irgend einer denkbaren Konstellation - etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern - zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann (vgl. ).

Aus diesem Grund ist zu prüfen, ob sich auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen der Bf. ergeben könnte, sodass die Rechtspersönlichkeit der Bf. insoweit als fortdauernd anzusehen wäre (vgl. sowie ).

Da im gegenständlichen Fall keine Zahlungen auf die strittige Abgabenschuld erfolgten, besteht somit keine Aussicht auf einen Rückzahlungsanspruch. Das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und eines sich daraus ergebenden Abwicklungsbedarfes kann im Hinblick auf das oben dargelegte Ergebnis des Konkursverfahrens ausgeschlossen werden. Damit ist aber davon auszugehen, dass die Rechtspersönlichkeit der aufgelösten und amtswegig gelöschten GmbH bereits weggefallen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Beschluss vom , 98/17/0185, das verwaltungsgerichtliche Verfahren über eine Beschwerde eines Vereins wegen Gegenstandslosigkeit ein, weil sich der Verein, der auf die strittige Abgabenschuld keine Zahlungen geleistet hatte, nach Einbringung der Beschwerde ohne Liquidation aufgelöst hatte. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in diesem Einstellungsbeschluss auf die Gründe Bezug, aus denen dem Kläger im Zivilprozess die Fortsetzung des Verfahrens gegen eine vollbeendete Kapitalgesellschaft ermöglicht werde, und verneinte das Vorliegen vergleichbarer Gründe für eine Fortsetzung des Verfahrens über die Beschwerde des aufgelösten Vereins gegen eine Abgabenvorschreibung.

§ 278 Abs. 1 BAO sieht vor, dass in den Fällen, in denen eine Bescheidbeschwerde zurückgenommen wurde (§ 256 Abs. 3 BAO) oder dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wurde (§ 261 Abs. 1 BAO), die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes als gegenstandlos zu erklären ist.

Die Gegenstandsloserklärung der Bescheidbeschwerde obliegt dem Einzelrichter und erfolgt auch trotz Antrages ohne mündliche Verhandlung (§ 272 Abs. 3 Z 2 BAO).

Da das Verfahren nach dem "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der beschwerdeführenden Partei nicht fortgeführt werden kann, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen (vgl. und die dort wiedergegebene Judikatur des VwGH).

Ist demnach von der Vollbeendigung der GmbH auszugehen, so ist im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 278 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden und die Bescheidbeschwerde mit Beschluss als gegenstandlos zu erklären.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm Art. 133 Abs. 9 B-VG und § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen einen die Angelegenheit abschließenden Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Beurteilung der Rechtsfrage, wann vom Vorliegen der Vollbeendigung einer amtswegig gelöschten GmbH auszugehen und wie in diesem Fall vorzugehen ist, im Einklang mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) vorgenommen wurde, war die Revision für unzulässig zu erklären.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
eingestellt
Vollbeendigung
Gegenstandsloserklärung
Verfahren
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101864.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at