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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.09.2020, RV/7400020/2020

Haftungsbescheid betreffend Kommunalsteuer und Wiener Dienstgeberabgabe; Ermessensübung angesichts lange verstrichener Zeit

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0102. Mit Erk.v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7400048/2021 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***MA*** vom betreffend Haftungsinanspruchnahme zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben.

Die Haftungssumme an Kommunalsteuer für den Zeitraum Jänner bis September 2014 wird von 3.026,49 Euro um 1.614,13 Euro auf 1.412,36 Euro reduziert.

Die Haftungssumme an Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner bis September 2014 wird von 404 Euro um 215,47 Euro auf 188,53 Euro reduziert.

Darüber hinaus wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Mit Haftungsbescheid vom nahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer (in weiterer Folge abgekürzt Bf) als ehemaligen Geschäftsführer der A-GmbH (in weiterer Folge Gesellschaft) als Haftungspflichtigen gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz (KommStG) 1993 bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz, jeweils iVm 80ff Bundesabgabenordnung (BAO), für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Gesamtausmaß von 3.499,10 Euro in Anspruch. Bei den betroffenen Abgabenschuldigkeiten handelte es sich um Beträge betreffend die Kommunalsteuer für den Zeitraum Jänner bis September 2014 iHv 3.026,49 samt Säumniszuschlag iHv 60,53 Euro sowie die Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner bis September 2014 iHv 404 Euro samt Mahngebühren iHv 8,08 Euro, insgesamt somit 3.499,10 Euro.

Zur Begründung führte die zuständige Magistratsabteilung ua aus, dass die Gesellschaft im Oktober 2014 im Firmenbuch gelöscht worden sei. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei dadurch jedenfalls erfüllt. Der Bf sei bis im Firmenbuch als Geschäftsführer der Gesellschaft eingetragen gewesen und habe weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt und sei für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne. Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könne.

Mit Eingabe vom erhob der Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte von der Zahlungspflicht befreit zu werden bzw ersuchte wegen seiner schlechten finanziellen Lage gegebenenfalls um Ratenzahlung. Zur Begründung führte er aus, er habe der belangte Behörde gegenüber bereits angegeben, mit der Gesellschaft einen Arbeitsvertrag abgeschlossen zu haben, wobei er aber nie zum Arbeitsantritt aufgefordert worden sei. Er habe erst im gegenständlichen Haftungsverfahren erfahren, dass gegen ihn ein Verfahren eingeleitet worden sei, da er als Geschäftsführer der Gesellschaft angemeldet worden sei. Er sei mit den Rechten und Pflichten eines Geschäftsführers nicht bekannt gemacht worden, weil er (diesbezüglich) in kein Arbeitsverhältnis eingetreten sei. Daher habe er keine Gelegenheit gehabt, die geforderten Zahlungen und sonstigen Handlungen zur Befriedigung der Rückstände vorzunehmen. Zur Zahlung der angegebenen Beträge seien die Gründer der Gesellschaft verpflichtet, die derzeit eine Freiheitsstrafe verbüßten. Diese hätten offensichtlich rechtswidrige Handlungen gegen ihn und die österreichischen Behörden vorgenommen. Von der Gesellschaft sei er nie bezahlt worden, da er die Arbeit nie angetreten habe. In der vorliegenden Angelegenheit treffe ihn daher keine Verantwortung.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Bestellung eines Geschäftsführers "auf dem Papier" an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten nichts ändere. Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung komme es dabei nicht an. Weiters hielt die Magistratsabteilung fest, dass der Bf nicht den Nachweis erbracht habe, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten, dh die Beachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen und die fristgerechte Einrichtung der Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe, unmöglich gewesen sei.

Mit fristgerechter Eingabe vom beantragte der Bf die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte dazu ergänzend wie folgt aus:

"Ich habe nicht nur in der Beschwerde, sondern auch vor den zuständigen Behörden in der Republik Serbien mehrmals erklärt, dass mir der Job eines Fahrers oder eines körperlichen Arbeiters auf der Baustelle versprochen wurde. Ich habe den Vertrag unterschrieben, der in deutscher Sprache verfasst und von einem Notar beglaubigt wurde. Ich habe den Vertrag nicht gelesen, weil ich kein Deutsch kann, und ich habe ihn in der Annahme unterschrieben, dass ich als Baustellenarbeiter einen Arbeitsvertrag unterschrieben habe. Niemand sagte mir, dass ich als Geschäftsführer (Manager) arbeiten würde. Erstens würde ich das nicht akzeptieren, weil ich keine Qualifikationen für eine solche Einstellung habe, wie zum Beispiel eine abgeschlossene Ausbildung und Deutschkenntnisse, und ich konnte nicht einmal nachvollziehen, welche Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten mit dem Job verbunden sind, den ich angenommen habe. Dann sagten sie mir, ich solle nach Serbien zurückkehren und ich würde benachrichtigt, wenn ich wiederkommen sollte, um ein Konto zu eröffnen. Nach 15 Tagen kam ich wieder nach Österreich, eröffnete ein Konto bei der Bank und erhielt den Auftrag, nach Serbien zurückzukehren und auf einen Anruf zur Arbeit zu warten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich nie zu diesem Unternehmen gekommen bin, um zu arbeiten, und dass sie mich nach der Unterzeichnung des Vertrages nie zur Arbeit eingeladen haben. Als Beweis lege ich eine Fotokopie meines Passes bei, aus der hervorgeht, dass ich am in Österreich war, als ich den Arbeitsvertrag unterschrieb. Ich bin am nach Serbien zurückgekehrt. Ich bin wieder nach Österreich gereist am und habe ein Konto eröffnet und bin am nächsten Tag, den , das letzte Mal, als ich in Österreich war, zurückgekehrt. Ich habe nicht einmal mit der Arbeit begonnen, weil sie nicht einmal angerufen haben, wie sie mir versprochen hatten.

Daher bin ich nicht nach Österreich gekommen und konnte das Geschäft, das betrügerisch in den Vertrag eingetragen worden war, nicht führen.

Ich bin der Ansicht, dass meine Verantwortung nicht durch die angegebenen Regeln der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ausgelegt werden kann. Hier handelt es sich um einen offensichtlichen Betrug. Außerdem stellt sich die Frage, wie der Notar den genannten Arbeitsvertrag beglaubigen konnte, ohne mich zu fragen, ob ich die Bestimmungen des Vertrages gelesen habe und ob ich Deutsch überhaupt verstehe und spreche. Ich hatte keine materiellen Vorteile, fing nicht an zu arbeiten, um etwas von dieser Arbeit verdient zu haben, ich konnte daher nicht wissen, was die Verantwortung des Geschäftsführers, gegenüber dem Staat ist, und ich habe dem Steuergläubiger oder einer anderen Behörde oder Person in keiner Weise geschadet.

Ich bin der Meinung, dass meine Haftung für Schäden in diesem Fall wegfällt und dass ich nicht zur Zahlung der genannten Kosten verpflichtet bin."

Die belangte Behörde legte daraufhin am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor ersuchte mit Verweis auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung um eine abweisende Erledigung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Mit dem angefochtenen Haftungsbescheid vom wurde der Bf für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der A-GmbH iHv insgesamt 3.499,10 Euro in Anspruch genommen.

Konkret hafteten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bzw haften derzeit noch folgende Abgabenrückstände samt Nebenansprüchen unberichtigt aus:

Abgabenart Zeitraum Betrag

Kommunalsteuer 01-09/2014 3.026,49

Säumniszuschlag 60,53

Dienstgeberabgabe 01-09/2014 404,00

Mahngebühren 8,08

Summe 3.499,10

Die Gesellschaft als Primärschuldnerin dieser Abgaben wurde mit Gesellschaftsvertrag vom als A-GmbH_alt mit Sitz in Wien und dem Geschäftszweig Stuckateur und Trockenbau sowie Hausbetreuung gegründet und am unter der Firmenbuchnummer xxxxxxb im Firmenbuch eingetragen. Zum Zeitpunkt der Gründung war Herr A Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Gesellschaft.

Mit den Generalversammlungsbeschlüssen vom wurde die Firma der Gesellschaft in A-GmbH geändert, der Gegenstand des Unternehmens neu gefasst (Baumeistergewerbe, Güterbeförderung, Personalleasing, Groß- und Kleinhandel bzw Export und Import von Waren aller Art) sowie insbesondere der Bf zum neuen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt.

Ebenfalls am wurde der Geschäftsanteil an der Gesellschaft von Herrn A um einen Abtretungspreis iHv 4.500 Euro an den Bf abgetreten.

Über beide Rechtsgeschäfte wurden Notariatsakte angefertigt, denen zu entnehmen ist, dass die Willensmeinung des Bf zu diesen Verträgen durch einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetsch für die serbische Sprache, der den Inhalt der Dokumente übersetzte, erforscht worden ist.

Am erfolgte die Eintragung des Bf als neuem Geschäftsführer und Alleingesellschafter im Firmenbuch.

Am wurde die Gesellschaft gemäß § 40 Firmenbuchgesetz (FBG) im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

Grundlage für die Festsetzung der streitgegenständlichen Abgaben war eine Kommunalsteuer-, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsprüfung durch die Wiener Gebietskrankenkasse für den Zeitraum 2013 bis 2016 bei der Gesellschaft als Primärschuldnerin. Der diesbezüglichen Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ist zu entnehmen, dass ua bezüglich der Kommunalsteuer des Jahres 2014 Abfuhrdifferenzen betreffend eine Bemessungsgrundlage von 100.882,92 Euro festgestellt wurden. Das Prüforgan stellte weiters fest, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Betrugsfirma handeln dürfte und eine Kontaktaufnahme mit den Unternehmensverantwortlichen nicht möglich war.

Erhebungen der Finanzpolizei und der Abgabenbehörde hatten bezüglich des firmenbuchmäßigen Sitzes der Gesellschaft bereits im Jahr 2014 ergeben, dass die Gesellschaft an ihrer Geschäftsadresse (zugleich Meldeadresse des Bf als Geschäftsführer) nicht existent war und dort auch keine Wohnmöglichkeit für den Bf bestand.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig und gründen sich auf die vorgelegten Akten der belangten Behörde, den elektronischen Steuerakt sowie die Urkundensammlung des Firmenbuchs.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall kommen folgende rechtliche Bestimmungen zur Anwendung:

Gemäß § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz (KommStG) 1993 haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (Dienstgeberabgabegesetz), LGBl. für Wien Nr. 17/1970, haften die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörde nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Bestimmungen des § 6a Abs. 1 KommStG 1993 und des § 6a Abs. 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz sind nahezu ident mit der Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO, sodass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 BAO zur Beurteilung des Verschuldens herangezogen werden kann.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO (bzw im vorliegenden Fall gemäß § 6a Abs. 1 KommStG 1993 und § 6a Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz) sind die Stellung als Vertreter der Gesellschaft, eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit (erschwerte Einbringlichkeit) dieser Abgabenforderung, eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an dieser Pflichtverletzung sowie die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (erschwerte Einbringlichkeit).

Unbestritten ist, dass dem Bf als Geschäftsführer der Abgabepflichtigen von seiner Eintragung im Firmenbuch am bis zur Löschung im Firmenbuch am die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Maßgebend für die Vertreterhaftung ist die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der Gesellschaft. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer oder zum Beispiel nur als "pro forma-Geschäftsführer" () oder "nur auf dem Papier" () tätig ist. Die Haftungsbestimmung des § 9 BAO stellt diesbezüglich nicht auf die faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab.

Mit Erlassung des Haftungsbescheides am bestanden Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft iHv insgesamt 3.499,10 Euro.

Die erschwerte Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht mit der Löschung der Gesellschaft am wegen Vermögenlosigkeit fest. Tatsächlich ist von einer Uneinbringlichkeit dieser Beträge auszugehen.

Weder die Frage, ob den Geschäftsführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH trifft, noch andere als abgabenrechtliche Pflichten etwa die Pflicht, rechtzeitig einen Konkursantrag zu stellen oder ein Ausgleichsverfahren zu betreiben sind für die Haftung gemäß § 9 BAO von Bedeutung (, 0109; , 87/14/0148; , 89/14/0043).

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist aber nicht gefordert, es genügt auch leichte Fahrlässigkeit (vgl ; , 95/15/0137).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es die Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf.

Für das Verschulden ist nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt hat, sondern ob er als Geschäftsführer bestellt war und ihm daher die Ausübung dieser Funktion oblegen wäre. Mit der behaupteten Unkenntnis über die Übernahme der Funktion eines Geschäftsführers einer GmbH kann ein mangelndes Verschulden des Bf nicht aufgezeigt werden. Anlässlich der Unterschriftsleistungen, deren Bedeutung der Bf seinen Angaben zufolge nicht erkennen konnte und die zu seiner Bestellung als Geschäftsführer führten, hätten ihm zumindest Bedenken über die mit dieser Stellung verbundenen Rechte und Pflichten kommen müssen. In der Unterlassung von weiteren Erkundigungen liegt ein fahrlässiges Verhalten des Bf vor. Die Rechtsunkenntnis ist ihm auch vorwerfbar, weil er diese bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit vermeiden hätte können.

In diesem Zusammenhang wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach es auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung nicht ankommt (vgl ; , 2003/14/0097).

Der Urkundensammlung des Firmenbuchgerichtes ist zu entnehmen, dass der Bf am in Anwesenheit eines öffentlichen Notars und eines beeideten Dolmetschers sowohl seine Eintragung als Geschäftsführer der A-GmbH als auch die Eintragung der Übertragung des gesamten Geschäftsanteils dieser Gesellschaft auf seinen Namen beim Firmenbuchgericht beantragt hat. Sowohl der Antrag an das Firmenbuchgericht als auch die Notariatsakte betreffend die Übertragung des Geschäftsanteils bzw die Bestellung zum Geschäftsführer enthalten die beglaubigte Unterschrift des Bf. Den betreffenden Dokumenten ist auch zu entnehmen, dass die Willensmeinung des Bf durch den beigezogenen Dolmetscher erforscht worden ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bf trotz mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache über den Inhalt der von ihm unterzeichneten Dokumente in Kenntnis gesetzt worden ist. Die gegenteilige Annahme würde eine Pflichtverletzung des öffentlichen Notars darstellen und im Übrigen auch der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen.

Zu den Angaben des Bf, er sei Opfer einer betrügerischen Handlung geworden, ist festzuhalten, dass es ihm trotz mangelnder Deutschkenntnisse bzw seiner Rechtsunkundigkeit hätte auffallen müssen, dass für den Abschluss eines Dienstvertrages als Fahrer oder Baustellenarbeiter keine Beglaubigung durch einen öffentlichen Notar notwendig ist. Der Bf hat auch nicht vorgebracht, anlässlich seiner Unterschriftsleistungen beim Notar Rückfragen gestellt bzw rechtliche Erkundigungen eingeholt zu haben. Dieses Verhalten des Bf ist, insbesondere unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Abschluss der Rechtsgeschäfte ein Dolmetscher anwesend war, als fahrlässig einzustufen.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf ausgegangen, zumal das Beschwerdevorbringen nicht geeignet war, diese zu entschuldigen.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung iZm den nicht vorschriftsgemäß entrichteten Abgaben der Primärschuldnerin durch den Bf konnte die Magistratsabteilung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass diese Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen iSd §§ 6a KommStG 1993 und 6a Dienstgeberabgabegesetz bzw des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Bf als Haftungspflichtigen für die Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Ausmaß von insgesamt 3.499,10 Euro somit grundsätzlich zu Recht.

Die Verantwortlichkeit des Bf besteht aber nur für die Dauer seiner Organfunktion, dh ab dem Zeitpunkt der wirksamen Bestellung bis zur wirksamen Beendigung, im konkreten Fall also von bis . Die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner bis September 2014) fallen nur zum Teil in den Zeitraum der eingetragenen alleinigen Geschäftsführerschaft des Bf.

Daher waren die aliquoten Beträge für die Monate Jänner und Februar 2014 betreffend die Kommunalsteuer iHv 672,55 Euro (3.026,49 Euro / 9 Monate x 2 Monate) und die Dienstgeberabgabe iHv 89,78 Euro (404 Euro / 9 Monate x 2 Monate) aus der Haftungssumme auszuscheiden. Der Haftungsbetrag reduziert sich somit - ohne Berücksichtigung der Nebenansprüche - hinsichtlich der Kommunalsteuer auf 2.353,94 Euro und hinsichtlich der Dienstgeberabgabe auf 314,22 Euro.

Weiters ist die Geltendmachung einer Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Die Ermessensübung hat sich außer der Heranziehung dem Grunde nach, auch auf das Ausmaß der Haftungsinanspruchnahme innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens zu beziehen. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur im Haftungswege beim Bf einbringlich gemacht werden können, war im vorliegenden Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) der Vorzug gegenüber dem Interesse des Bf, nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung), zu geben.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Gesellschaft am infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht, womit die Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Primärschuldnerin feststand. Die Heranziehung des Bf zur Haftung erfolgte mit dem angefochtenen Bescheid vom , somit erst ca 4½ Jahre später. Es kann daher nicht mehr von einer zeitnahen Erlassung des Haftungsbescheides gesprochen werden.

Die aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits verstrichenen Zeit zwischen Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch und Erlassung des Haftungsbescheides überwog im gegenständlichen Fall zumindest zum Teil die von der belangten Behörde genannte Zweckmäßigkeitserwägung. Unter zusätzlicher Berücksichtigung des geringen Verschuldens des Bf erscheint im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände die Reduzierung der Haftungsbeträge im Rahmen des Ermessens um 40% als gerechtfertigt.

Der Beschwerde war somit teilweise stattzugeben und die aliquoten Haftungssummen für die Zeiträume März bis September 2014 - jeweils ohne Berücksichtigung der Nebengebühren - auf die im Spruch angeführten Beträge, dh hinsichtlich der Kommunalsteuer auf 1.412,36 Euro (entspricht 60% von 2.353,94 Euro) und hinsichtlich der Dienstgeberabgabe auf 188,53 Euro (entspricht 60% von 314,22 Euro), einzuschränken.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da das Erkenntnis der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a Wiener Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400020.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at