Vorliegen einer steuerpflichtigen Gesellschafterleistung an die Gesellschaft oder eines Verlustübernahmevertrages?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterMag.Jud.Ex hinsichtlich der Beschwerde der Bf, Adr-Bf, vertreten durch Rabel & Partner Kärnten GmbH, Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft, Völkermarkter Ring 1, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Gesellschaftsteuer, Steuernummer 987/6543, Erf.Nr. 123.456/7890, zu Recht
erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig
Entscheidungsgründe
Im Anschluss an die bei der Beschwerdeführerin (in der Folge auch nur: Bf.), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, durchgeführte abgabenbehördliche Außenprüfung folgte das Finanzamt der Ansicht des Prüfungsorganes, wonach die von einer wesentlich beteiligten Gesellschafterin neben der anteiligen Stammeinlage zu leistenden Zahlungen im Gesamtbetrag von € 1 Mio. steuerpflichtige Gesellschafterleistungen darstellen würden.
In diesem Sinne erließ das Finanzamt den angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid und schrieb der Bf. Gesellschaftsteuer (GesSt) gemäß § 2 Z 2 bis 4 iVm § 7 Abs. 1 Z 2 und § 8 Kapitalverkehrsteuergesetz (KVG) in Höhe von € 10.000,00 vor.
Ihre dagegen fristgerecht erhobene und nach der damaligen Rechtslage noch als Berufung bezeichnete Beschwerde begründete die Bf. im Wesentlichen damit, dass die übernommene Einzahlungsverpflichtung zur Abdeckung der aus dem Projekt "Oralscanner" zu erwarteten Verluste dienen sollte. Es handle sich dabei um eine Verlustübernahme aufgrund eines vor Eintritt der Verluste abgeschlossenen Vertrages, die zu keiner Erhöhung des Gesellschaftsvermögens und sohin zu keiner Steuerpflicht führen würde.
Über die ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegte Beschwerde wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes (im Folgenden auch: Finanzgericht oder nur Gericht)
erwogen:
Ausgehend vom Inhalt des vorgelegten Bemessungsaktes, vorgenommenen Abfragen in Datenbanken, vom Ergebnis eines Erörterungsgespräches sowie dem Inhalt nachgereichter Unterlagen wird vom Finanzgericht nachstehender Sachverhalt als erwiesen und entscheidungsrelevant
festgestellt:
Max Mustermann (in der Folge auch nur mehr: MM.) hatte sich bereits vor dem Jahr 2010 im Bereich der Dentaltechnik mit der Entwicklung eines Mundscanners (Oralscanner) beschäftigt. Gemeinsam mit einem Entwicklungspartner waren ein Demonstrator entwickelt und die weiteren Entwicklungsschritte bis zum Prototypen und der Überprüfung dessen in Feldtests definiert worden. Diese Entwicklung war zum Patent angemeldet worden und strebte MM. an, die Erfindung mit der Unterstützung von Kapitalgebern weiter zu entwickeln.
Zu diesem Zweck wurde mit Notariatsakt vom die Beschwerdeführerin - unter ihrer bald danach auf den nunmehrigen Wortlaut geänderten - Firma gegründet. An dieser waren MM. mit einer Stammeinlage von € 19.320 (55,2% des Stammkapitals), VN NN mit € 1.050 (3%) und die ABC Unternehmensberatungs- und Beteiligungs GmbH, ebenfalls mit € 1.050 (3%), beteiligt. Letzte Gründungsgesellschafterin war schließlich die Gustav-Gans-Privatstiftung (im Folgenden auch bloß: GPS) mit 38,8% des Stammkapitals, also mit € 13.580. Geschäftszweig der Bf. war und ist die Forschung und Entwicklung sowie die Produktion und der Vertrieb von Produkten im Bereich der Dentaltechnik.
Um die im ersten Absatz angeführte Weiterentwicklung durch Unterstützung von Kapitalgebern zu gewährleisten, wurde daneben zwischen den Gesellschaftern ein Beteiligungsvertrag abgeschlossen. Die darüber ebenfalls am notariell bekräftigte Privaturkunde enthält zunächst einleitende Ausführungen über die Gesellschaftsstruktur und das oben dargelegte Projekt.
Die GPS erklärte sich sodann bereit, neben der Übernahme des Geschäftsanteiles (im o.a. Ausmaß) der Bf. "einen Geldbetrag von insgesamt € 1 Mio. zur Verfügung zu stellen, um die Gesellschaft bei der Schaffung einer ausreichenden finanziellen Basis für die weiteren Aktivitäten und Umsetzung eines Prototypen und nachfolgender Serienreife zu unterstützen."
Max Mustermann indes brachte sein bisheriges Projekt vollständig und unentgeltlich sowie exklusiv ohne Rückbehaltung eigener Nutzungsrechte in die Bf. ein und räumte der GPS als Investorin für die Dauer ihrer Beteiligung Minderheitsrechte zum Schutz des Wertes ihrer Investition ein.
Auf Grundlage dieser Prämissen vereinbarten die Vertragsparteien wie folgt, zum Teil gekürzt bzw. zusammengefasst wiedergegeben:
"Projektabwicklung (Meilensteine und Kosten):
Meilenstein 1 (Weiterentwicklung und Miniaturisierung des Demonstrators)
Im Rahmen des Meilensteins 1 erfolgt die Weiterentwicklung und Miniaturisierung des bestehenden Demonstrators gemäß des (eine Anlage des Vertrages bildenden) Business Plans durch Einbau eines Lichtmusterprojektors. Ziel dieses Entwicklungsschrittes ist die Implementierung dieses Lichtmusterprojektors samt Verkleinerung, sodass mit diesem Oralscanner Messungen und Aufnahmen im Mund von Patienten mit einer bestimmten Genauigkeit durchgeführt und verfügbar gemacht werden können.
Meilenstein 2 (Entwicklung eines Prototypen und Feldtests)
Im Rahmen des Meilensteins 2 erfolgt die Weiterentwicklung des miniaturisierten Demonstrators zu einem Prototypen, mit welchem Feldtests durchgeführt werden sollen, sodass danach alle Daten und Informationen inklusive Software für die Fertigungsüberleitung (Meilenstein 3) vorliegen.
Meilenstein 3 (Fertigungs- und Marktüberleitung)
Im Rahmen des Meilensteins 3 erfolgt die Fertigungs- und Marktüberleitung. Nach Abschluss dieses Meilensteins ist der Oralscanner serienreif und internationale Vertriebspartner, welche ab Beginn dieser Projektphase eingebunden werden sollen, können mit Scannern versorgt werden."
Daran anschließend finden sich in der Vertragsurkunde Abreden betreffend das Management und die Geschäftsführung sowie über die Vorgangsweise bei vorzeitigem Ausscheiden eines Gesellschafters.
Unter der Überschrift "Gründung und Kapitalausstattung" hielten die Vertragsparteien fest, dass die Bf. mit einem Gründungsstammkapital von € 35.000,00 gegründet werde, und führten wörtlich weiters aus:
"Für den Beteiligungserwerb verpflichtet sich der Investor (die GPS) neben dem anteiligen Stammkapital (€ 13.580,00) einen Gesamtbetrag von € 1.000.000,00 (Euro eine Million) zu leisten. Die Zahlungsverpflichtung wird mit der Unterzeichnung dieses Unternehmensbeteiligungsvertrages sowie der notariellen Errichtung der Bf. wirksam.
Die jeweiligen Fälligkeiten des in Teilbeträgen zu leistenden Beteiligungskapitals richtet sich nach Projektfortschritt und Meilensteinen auf Grundlage des Business Plans wie folgt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
TRANCHE | BETRAG | ZEITPLAN (kumuliert) |
Meilenstein 1 | € 200.000,00 | 3 - 4 Monate |
Meilenstein 2 | € 200.000,00 | 6 - 7 Monate |
Meilenstein 3 | € 600.000,00 | |
Summe | € 1.000.000,00 |
Der Investor verpflichtet sich, die in obiger Tabelle bezeichneten Kapitalbeträge betreffend die jeweiligen Meilensteine wie folgt zur Einzahlung an die Bf. zu bringen:
a) Für die Projektphase Meilenstein 1 zahlt der Investor einen Betrag von € 200.000,00 als Eigenkapital innerhalb von 14 Tagen ab Mitteilung über den Beginn dieser Projektphase an die Gesellschaft.
Diese Projektphase wird aus Eigenmitteln finanziert, wobei Kosten von € 200.000,00 geplant sind und angestrebt ist, öffentliche Förderungen für das Projekt zu erwirken und wird MaxMustermann die entsprechenden Antragstellungen an die Förderstellen (Austria Wirtschaftsservice GmbH, Forschungsförderungsgesellschaft FFG, A-Land Wirtschaftsförderungs Fonds) vornehmen bzw. weiterbetreiben. Ziel der Parteien ist es eine Förderung iHv € 100.00,00 zu erhalten. Die Erwirkung von Förderungen stellt indes keine Auszahlungsvoraussetzung für diese Eigenkapitaltranche dar.
b) Für die Projektphase Meilenstein 2 zahlt der Investor einen weiteren Betrag von € 200.000,00 als Eigenkapital innerhalb von 14 Tagen ab gesicherter Erwirkung (Vorliegen der Förderzusage) von Fördermitteln im Ausmaß von € 200.000,00 an die Gesellschaft und vollständiger Erreichung der Ziele gemäß Projektphase Meilenstein 1.
Diese Projektphase wird demgemäß aus Eigen- und Förderungsmitteln finanziert, wobei Kosten von € 400.000,00 geplant sind. Die Erwirkung von Förderungen stellt für diese Finanzierungstranche eine Auszahlungsvoraussetzung dar.
c) Für die Projektphase Meilenstein 3 zahlt der Investor einen weiteren Betrag von € 600.00,00 als Eigenkapital innerhalb von 14 Tagen ab gesicherter Ausfinanzierung des Projekts (Vorliegen von Förder- und Finanzierungszusagen für das Gesamtprojektvolumen) an die Gesellschaft und vollständiger Erreichung der Ziele gemäß Projektphase Meilenstein 2.
Der Finanzierungsbedarf nach derzeitigem Business Plan beträgt € 2 Mio. Sollte durch Abweichung der Kosten eine Ausfinanzierung des Projekts nicht mehr gegeben sein und nicht aus Förderungen und/oder Fremdmitteln abgedeckt werden, werden die Parteien über die weitere Vorgangsweise Gespräche aufnehmen."
Im Folgenden enthält die Vertragsurkunde genauere Vereinbarungen hinsichtlich des von MM. in die Beschwerdeführerin einzubringenden bisherigen Projektes samt Abtretung von Rechten, vorhandenen und zukünftigen Patenten, sowie anderen mit dem Projekt zusammenhängenden Immaterialgüterrechten.
Danach folgen umfangreiche Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Investors GPS und detaillierte Regelungen für eine allfällige Beendigung der Beteiligung, einen möglichen Verkauf von Geschäftsanteilen sowie die bei solchen Verträgen üblichen Schlussbestimmungen, insbesondere die erforderliche Schriftform bei Ergänzungen oder Abänderungen.
Als Beilagen waren eine Patentschrift und Entwicklungsvereinbarungen, ein Business Plan sowie eine Projektbeschreibung und Feasibility-Studie genannt.
Die vereinbarten Investitionssummen sind entsprechende den Projektfortschritten bezahlt worden.
Zumindest über die erste Tranche in Höhe von € 200.000,00 hatte der damalige steuerliche Vertreter der Bf. im August 2010 eine Gesellschaftsteuererklärung gemäß § 10 Abs. 1 KVG auf dem entsprechenden amtlichen Vordruck Kap 11 abgegeben, und zwar für Leistungen nach § 2 Z 2 bis 4 KVG.
Das Beteiligungskapital wurde in den Bilanzen der Beschwerdeführerin als Eigenkapital auf dem Konto "Freie Rücklagen laut Beteiligungsvertrag" verbucht, und zwar zum mit einem Betrag von € 400.000,00 und zum Jahresende 2011 im Betrag von € 1.000.000,00.
Betreffend das Jahr 2010 finden sich in der ursprünglichen und die Basis für die Erstveranlagung zur Körperschaftsteuer (KöSt) bildenden Gewinn- und Verlustrechnung u.a. Aufwendungen für Fremdleistungen und Entwicklungskosten in Höhe von rund € 280.000,00. Der Verlust für das Jahr 2010 ist mit € -427.672,61 ausgewiesen.
Für das Jahr 2011 sind in der (Erst-) Bilanz bzw. in der Gewinn- und Verlustrechnung die genannten Aufwendungen mit rund € 377.000,00 angeführt, der Bilanzverlust - ohne Verlustvortrag - in einer Höhe von € -612.025,94.
Nur kurze Zeit nach dem Ergehen des hier verfahrensgegenständlichen GesSt-Bescheides am und der Einbringung der Beschwerde dagegen mit nahm das Finanzamt die KöSt-Verfahren für die Jahre 2010 und 2011 am wieder auf und erließ mit gleichem Datum geänderte KöSt-Bescheide für diese Jahre.
Die Wiederaufnahme erfolgte offenkundig auf Anregung der Bf., die berichtigte KöSt-Erklärungen samt entsprechenden Bilanzen beim Finanzamt eingebracht hatte.
Entgegen den Erstunterlagen waren die Fremdleistungen und Entwicklungskosten deutlich verringert worden (2010 auf rd. € 77.000,00, 2011 auf ca. € 241.000,00). Im Gegenzug dafür finden sich in den berichtigten Bilanzen unter den Aktiva erstmalig eine "08 Software 15" mit einem Wert von rd. € 203.000,00 für 2010 sowie im Wert von ca. € 339.000,00 für das Jahr 2011. Zusammen mit ebenfalls erstmalig aufscheinenden Förderungen resultieren daraus geänderte, nämlich verringerte Bilanzverluste - ohne Verlustvortrag - für 2010 im Ausmaß von € -258.949,77 und für 2011 in Höhe von € -498.564,84.
Eine aufhellende Erklärung für den Grund dieser Vorgangsweise, insbesondere mit Rücksicht auf die zeitliche Nähe zur Beschwerdeeinbringung, ist seitens der steuerlichen Vertretung nicht erfolgt. Auch der mehrfach im Beteiligungsvertrag angesprochene Business Plan wurde nicht nachgereicht.
Dieser festgestellte Sachverhalt ist im Hinblick auf die entscheidende Frage, ob eine steuerpflichtige Gesellschafterleistung vorliegt, oder bloß ein steuerlich unbeachtlicher Verlust- bzw. Ergebnisabführungsvertrag, rechtlich wie folgt zu
würdigen:
Gemäß § 2 Z 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG) unterlagen der Gesellschaftsteuer bis zum (siehe § 38 Abs. 3e KVG idF BGBl. I Nr. 13/2014) Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele weitere Einzahlungen, Nachschüsse).
Es muss sich dabei um eine von einem Gesellschafter bewirkte Leistung handeln, wobei diese Leistung auf eine echte (einseitige) Kapitalzufuhr gerichtet sein muss und als Ausfluss der Gesellschaftereigenschaft durch einen Gesellschafter in seiner Stellung als Anteilseigner erbracht wird (Knörzer/Althuber, Gesellschaftsteuer, Kurzkommentar, Rz 13 zu § 2 KVG, mit Hinweis auf Egly/Klenk, GesSt4, Rz 72). Nur die Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft durch den Gesellschafter, also die Beistellung von Mitteln, die die Gesellschaft noch nicht hat, ist eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung iSd § 2 Z 2 KVG (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom , 3153/80).
Auch ist es erforderlich, dass es sich um eine Pflichtleistung handelt, die aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wird. Die Gesellschaft muss daher einen (einklagbaren) Rechtsanspruch haben und muss das Gesellschaftsverhältnis für die Leistungspflicht kausal sein (Knörzer/Althuber, a.a.O., Rz 14, unter Verweis auf Brönner/Kamprad, KVG4, § 2 Rz 34). Die Leistung muss objektiv geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen ().
Im gegenständlichen Fall handelt es sich eindeutig und unzweifelhaft um eine von der GPS übernommene Verpflichtung zur einseitigen Beistellung von (Geld)- Mitteln, über die die Beschwerdeführerin zuvor noch nicht verfügte, an die Beschwerdeführerin. Diese Verpflichtung ist die GPS aus dem Gesellschaftsverhältnis heraus in ihrer Stellung als Anteilseignerin eingegangen und hatte die beschwerdeführende Gesellschaft damit einen klagbaren Rechtsanspruch auf diese Mittel erworben.
Neben den Bestimmungen des Kapitalverkehrsteuergesetzes sind seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am auch die Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital 69/335/EWG, neugefasst durch die Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von KapitaI 2008/7/EG (kurz RL 2008/7/EG, maßgeblich für die ab verwirklichten Vorgänge) unmittelbar anzuwenden.
Nach Art. 3 lit. h der für die verfahrensgegenständlichen Investitionszusagen maßgeblichen Richtlinie RL 2008/7/EG gilt für die Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich von Art. 4 die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen, als Kapitalzuführung, für die auch der österreichische Staat Gesellschaftssteuer erheben darf.
Das Gesellschaftsvermögen umfasst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom , Rs C-38/88 - Waldrich Siegen Werkzeugmaschinen GmbH (in der Folge nur: Waldrich-Siegen) alle Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses.
Selbst wenn das Gesellschaftsvermögen weitgehend negativ ist, so ist jeder Zuschuss notwendig geeignet, das Wirtschaftspotential der empfangenden Gesellschaft zu verstärken (in diesem Sinne , Deltakabel BV).
Für das erkennende Gericht stellt sich daher die Zusage der GPS zur Leistung des Investitionskapitals im Ausmaß von € 1.000.000,00 als Forderung bzw. dessen tatsächliche Bezahlung dann als Bankguthaben als ein Wirtschaftsgut der Bf. dar, welches eindeutig und unzweifelhaft geeignet war, das Wirtschaftspotential der Bf. zu verstärken und sohin zu einer Erhöhung des Gesellschaftsvermögens und damit auch des Wertes der Gesellschaftsanteile zu führen.
Erzielt nun eine Gesellschaft Gewinne und stellt sie diese in ihre Rücklagen ein, so erhöht sie nach dem Urteil Waldrich-Siegen dadurch ihr Gesellschaftsvermögen. Dagegen vermindert sich das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft, wenn sie mit Verlust abschließt. Wenn also eine Gesellschaft mit Verlust abgeschlossen hat und einer ihrer Gesellschafter sich zur Übernahme dieses Verlustes bereit erklärt, so erbringt er dadurch eine Leistung, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird. Er bringt dieses nämlich wieder auf einen Stand, den es vor Eintritt des Verlustes erreicht hatte. Die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines solchen Ergebnisabführungsvertrags erhöht sohin das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie.
Im Urteil vom in der Rechtssache C-492/10 - Immobilien Linz GmbH und Co KG (im Folgenden nur: Immo Linz), erweiterte der EuGH seine Rechtsmeinung dahingehend, dass die obige Ansicht nicht nur für einen Ergebnisabführungsvertrag Geltung hätte, sondern auch auf Fälle, in denen ein Gesellschafter bloß die Verluste (und nicht auch die Gewinne) übernommen hatte, anzuwenden wäre. Da die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens in jeder Form erfolgen könne (idS das Urteil Immo Linz unter Hinweis auf das Urteil vom , Aro Tubi Trafilerie, Rs C-46/04, und die dort angeführte Rechtsprechung), stelle die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter eine Leistung dar, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird, da sie dieses wieder auf einen Stand bringt, den es vor Eintritt der Verluste erreicht hatte.
Eine solche Übernahme ist demnach als geeignet anzusehen, den Wert der Gesellschaftsanteile der Gesellschaft zu erhöhen (idS die Urteile vom , Deltakabel, Rs C-15/89, und Trave-Schifffahrtsgesellschaft, Rs C- 249/89).
Anders verhält es sich indes, wenn diese Übernahme auf einer vor Eintritt der Verluste eingegangenen Verpflichtung beruht. Diese bedeutet nämlich, dass sicMMünftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Vermögens auswirken werden.
Die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Verlustübernahmevertrages, der vor der Feststellung dieser Verluste geschlossen worden ist, erhöht sohin nicht das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie.
Diese Auslegung des Urteils Waldrich-Siegen wird bestätigt durch das Urteil vom , Norddeutsche Gesellschaft zur Beratung und Durchführung von Entsorgungsaufgaben bei Kernkraftwerken Rs C-392/00. Diese Ausnahme ist dadurch gerechtfertigt, dass die Gesellschaft aufgrund der im Vorhinein von ihrem Gesellschafter zu ihren Gunsten eingegangenen Verpflichtung unabhängig von den Ergebnissen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine Verluste mehr verzeichnen kann, weil diese automatisch auf ihren Gesellschafter übertragen werden. Dadurch steht fest, dass die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft keinen Einfluss auf ihr wirtschaftliches Potenzial haben.
Sind aber die Leistungen eines Gesellschafters sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht von der Feststellung eines Verlustes in einem Jahresabschluss abhängig, so handelt es sich bei diesen Leistungen nicht um eine im Sinne der zitierten Rechtsprechung vor Feststellung eines Verlustes im Rahmen eines Jahresabschlusses eingegangene Verpflichtung zur Übernahme eines solchen Verlustes. Vielmehr handelt es sich dabei bloß um eine ergebnisunabhängige Verpflichtung zur Tragung eines die Gesellschaft treffenden Aufwandes, wodurch sich allfällige künftige Verluste der Bf. sehr wohl auf das Gesellschaftsvermögen auswirken konnten (idS ).
Der Ansicht des Finanzamtes, die gegenständlichen Zuschüsse wären nach § 2 Z 2 KVG steuerpflichtig, hält die Beschwerdeführerin entgegen, die Verpflichtung sei schon vor der Feststellung eines Jahresverlustes eingegangen worden und hätten die Zuschüsse zu keiner Erhöhung des Gesellschaftsvermögens - zumindest nicht im Ausmaß der Zuschüsse - geführt. Auch sei es nicht erforderlich, dass es sich um eine Dauerzusage handle. Ebenso wäre nicht nur die rein äußerliche Form und Bezeichnung der Verpflichtung von Relevanz, sondern auch deren Inhalt. Bereits bei der Gründung der Bf. als "Start-up-Unternehmen" wären in den ersten Jahren nur Verluste absehbar gewesen, welche durch diesen einklagbaren Beteiligungsvertrag abgedeckt werden sollten. Es sei Wille aller Beteiligten gewesen, mit den Förderungen die bereits projektierten Kosten direkt abzudecken und damit das Entstehen von Verlusten aus diesen Kosten zu vermeiden. Auch wären andere Möglichkeiten, die Verluste hintanzuhalten, wegen der Bestimmungen des UGB und aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, da Projektentwicklungskosten nicht aktivierungsfähig wären.
Dieser Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin vermag sich das Finanzgericht jedoch aus den folgenden Gründen nicht anzuschließen:
Sowohl im Beteiligungsvertrag als auch im Gesellschaftsvertrag finden sicMMeinerlei Hinweise auf eine Verlustübernahme, daher auch weder auf eine einmalige noch auf eine auf Dauer angelegte. Desgleichen lassen die Unterlagen jegliche Indizien für eine von der Feststellung eines Jahresabschlusses abhängige Förderungszusage vermissen, was umso mehr für eine dauerhafte verlustabhängige Verpflichtung Geltung haben muss. Da auch der für die Entwicklung des Projektes offensichtlich nicht unbedeutende Business Plan nicht vorgelegt wurde, konnte auch aus diesem nichts für den Standpunkt der Beschwerdeführerin Sprechendes abgeleitet werden.
Insofern die Bf. nicht der äußeren Form oder Bezeichnung der Finanzierungszusage (Beteiligungsvertrag) besondere Bedeutung beimisst, sondern vielmehr deren Inhalt bedeutende Relevanz zuerkennen möchte, ist für ihren Rechtsstandpunkt nach Meinung des Gerichtes ebenfalls nichts zu gewinnen. Selbst bei extensiver Auslegung lässt sich auch für üblicherweise mit derartigen Materien befassten Personen nicht der Ansatz einer intendierten Verlustübernahme erkennen. Die von den Beteiligten vorgeblich angestrebte Auswirkung, nämlich die Vermeidung von Verlusten, lässt sich mit dem Inhalt der maßgeblichen Urkunden nicht in Einklang zu bringen. Mentalreservationen oder mündliche Vereinbarungen konnten wegen der verlangten Schriftlichkeit nicht berücksichtigt werden. Das Vorliegen zusätzlicher und das Beschwerdevorbringen stützender Unterlagen wurde nicht behauptet.
Demgegenüber hat das Finanzamt vorgebracht, dass die Zusage und Zahlung der Leistungen gänzlich unabhängig vom Grunde und der Höhe von Verlusten abgegeben worden bzw. erfolgt sei. Nach dieser vom Gericht geteilten Auffassung hätten sich die Zahlungen einzig und allein am Fortschreiten des Projektes in technischer Hinsicht, also völlig losgekoppelt von irgendwelchen Verlustfeststellungen, orientiert.
Im gesamten Vertragswerk wird die GPS als Investor bezeichnet, welcher der Bf. einen Geldbetrag von insgesamt € 1 Mio. zur Verfügung stellt, um die Gesellschaft bei der Schaffung einer ausreichenden finanziellen Basis für die weiteren Aktivitäten und Umsetzung eines Prototypen und nachfolgender Serienreife zu unterstützen. Auch diesbezüglich fehlt jeder Hinweis auf oder Konnex zu einer Verlustübernahme oder überhaupt nur Verlusten.
Zudem wird seitens des Gerichtes bemerkt, dass selbst der seinerzeitige steuerliche Vertreter offenkundig von einer Steuerpflicht der Zuschüsse ausgegangen ist, da die Einreichung einer Gesellschaftsteuererklärung im § 10 Abs. 1 KVG nur für steuerpflichtige Rechtsvorgänge vorgesehen war.
Die Frage, warum in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung der Beschwerde gegen den gegenständlichen GesSt-Bescheid berichtigte KöSt-Erklärungen und Bilanzen eingereicht wurden, in denen deutlich verringerte Bilanzverluste ausgewiesen waren, konnte nicht gelöst werden. Obwohl Projektentwicklungskosten nach dem UGB nicht aktivierungsfähig wären, wurden diese in den berichtigten Bilanzen als Aufwendungen entfernt und offenbar im Gegenzug dafür als "08 Software 15" aktiviert. Allfällig mögliche Überlegungen dahingehend, dass mit der damit einhergehenden Verminderung der Bilanzverluste der Anschein des Vorliegens eines Verlustabdeckungsvertrages bewirkt werden sollte, konnten von der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht ausgeräumt werden.
Zusammengefasst sieht es das Gericht als erwiesen an, dass mit der im Gesellschaftsverhältnis begründeten, einklagbaren Verpflichtung es die GPS als Anteilseignerin übernommen hatte, die Beschwerdeführerin mit einer Geldinvestition in Höhe von € 1 Mio. bei der finanziellen Ausstattung und dem Fortgang des Projektes "Oralscanner" bis zur Serienreife zu unterstützen. Diese Mittelzufuhr erfolge ohne einen Zusammenhang und unabhängig von der Feststellung und der Höhe eines Verlustes. Ausschlaggebend waren einzig die Verwirklichung von einzelnen als "Meilensteine" bezeichneten Projektphasen, die zudem teilweise abhängig von der Beschaffung weiterer Förderungsmittel von dritter Seite waren. Die Investitionen der GPS waren geeignet, das Vermögen der Bf. und damit auch den Wert der einzelnen Geschäftsanteile zu erhöhen.
Im Lichte der oben dargestellten herrschenden Rechtsmeinung handelt es sich bei den strittigen Zuschüssen um Leistungen gemäß § 2 Z 2 KVG, die auch nach Art. 3 lit. h der RL 2008/7/EG der Gesellschaftsteuer unterworfen werden konnten, weshalb der gegenständlichen Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit einer ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof hatte zu erfolgen, da gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision nur zulässig ist, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall steht das Erkenntnis im Einklang mit der oben zitierten, einhelligen und ständigen Judikatur, und ist daher nach Meinung des Finanzgerichtes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ungelöst verblieben.
Zudem hat der VwGH in seinem Beschluss vom , Ro 2015/16/0025, ausgesprochen, dass bei seit längerer Zeit nicht mehr in Kraft befindlichen Normen infolge des Zeitablaufes der Kreis der potentiell betroffenen Personen immer kleiner wird und damit eine grundsätzliche Bedeutung für die Zukunft und über den konkreten Einzelfall hinaus nicht zu erwarten ist. Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (, und vom , Ro 2015/02/0019).
Mit Ablauf des ist Teil I des KVG (Gesellschaftsteuer) außer Kraft getreten und waren die (aufgehobenen) Bestimmungen letztmalig auf Rechtsvorgänge anzuwenden, bei denen die Steuerschuld vor dem entstanden ist. Infolge des Zeitablaufes stellt der gegenständliche Beschwerdefall eine Frage des Einzelfalles dar, dem für die Zukunft und über den Revisionsfall hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Insgesamt gesehen war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Z 2 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 Art. 3 lit. h RL 2008/7/EG, ABl. Nr. L 46 vom S. 11 Art. 4 RL 2008/7/EG, ABl. Nr. L 46 vom S. 11 § 10 Abs. 1 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 |
Schlagworte | Gesellschafterleistung Verlustübernahme Verlustübernahmsverpflichtung Vermögenserhöhung Zuschuss |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100481.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at