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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2020, RV/6100423/2020

Wiederaufnahme des Verfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom , betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2017, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer erklärte in der am elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 Einkünfte aus Kapitalvermögen und machte hinsichtlich einbehaltener Kapitalertragsteuer in Höhe eines bestimmt bezeichneten Betrages die Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 geltend (siehe dazu die Eintragung unter der KZ 943 der Beilage E1kv der Steuererklärung).

Unter Bezugnahme auf die eingereichte Einkommensteuererklärung ersuchte die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer mit Ergänzungsersuchen vom entsprechende Unterlagen zu den Kapitaleinkünften nachzureichen, um die Veranlagung durchführen zu können.

In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens übermittelte der Beschwerdeführer eine Bescheinigung gemäß § 96 Abs. 4 Z 1 bzw. 2 EStG 1988 der X-Bank, vom für den Zeitraum bis .

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer für das Jahr 2017 fest, wobei die Veranlagung erklärungsgemäß erfolgte (Einkommensteuergutschrift € 3.011,--).

Im Rahmen einer Nachbescheidkontrolle führte die Abgabenbehörde Erhebungen durch. Im Zuge dieser Erhebungen erfolgte am ein Telefonat eines Vertreters der Abgabenbehörde (Hr. Y) mit dem Beschwerdeführer, im Rahmen dessen der Beschwerdeführer erklärte, es liege kein Wertpapierkauf im Zusammenhang mit einem Tilgungsplan vor. Er (der Beschwerdeführer) habe vielmehr einer etwaigen Entlastung der abgeführten KEST in Form einer geringeren Gesamtsteuerbelastung Rechnung tragen wollen.

Mit Bescheid vom nahm die Abgabenbehörde das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2017 gemäß § 303 BAO wieder auf und erließ gleichzeitig einen neuen Sachbescheid, in dem sie die beantragte Steuerbefreiung nicht gewährte (Einkommensteuergutschrift € 244,--).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens begründete die Abgabenbehörde damit, anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsangaben des Beschwerdeführers seien die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machten. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das öffentliche Interesse an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und könnten die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden.

In der Begründung des neuen Sachbescheides führte die Abgabenbehörde aus, zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom sei gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 beantragt gewesen, Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Tilgungsträgern steuerfrei zu belassen. Die Tatsache, dass die Antragsvoraussetzungen gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht vorgelegen seien, sei erst später hervorgekommen.

Gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2017 erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Bescheidbeschwerde.

In der Rechtsmittelschrift gibt er unter Bezugnahme auf Judikatur und Literatur allgemeine Grundsätze der Wiederaufnahme des Verfahrens wieder (siehe dazu das Schreiben) und wendet ein, die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 EStG 1988 seien nicht gegeben. Weder im Wiederaufnahmebescheid noch im neuen Sachbescheid sei der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand ausreichend angeführt bzw. begründet. Keinesfalls genüge als Begründung die Wiedergabe des Gesetzestextes. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht zulässig, weil der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Abgabenbehörde der Beschwerde keine Folge.

In der Begründung dieser Entscheidung führte sie Folgendes aus:

Der Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens seien neu hervorgekommene Tatsachen. Die Tatsache, dass ein den gesetzlichen Voraussetzungen für die KESt-Rückerstattung entsprechender Tilgungsplan gar nicht vorliege, sei im Zuge einer beim Beschwerdeführer am durchgeführten telefonischen Erhebung erstmals festgestellt worden.

Der Beschwerdeführer habe in der Einkommensteuererklärung 2017 neben angeführten steuerpflichtigen inländischen Kapitalerträgen sowie der Kapitalertragsteuer für inländische Kapitalerträge den Antrag auf Einkommensteuerbefreiung für realisierte Wertsteigerungen aus Kapitalvermögen und Derivaten gemäß § 27 Abs. 3 und 4 EStG, die im Rahmen eines vor dem abgeschlossenen Tilgungsplanes erworben worden seien, gestellt. Er sei vor Erlassung des Einkommensteuerbescheides ersucht worden, entsprechende Unterlagen zu den Kapitaleinkünften nachzureichen. Der Beschwerdeführer habe in der Folge eine Bescheinigung gemäß § 96 Abs. 4 Z 1 bzw. 2 EStG 1988 einer inländischen depotführenden Bank für den Zeitraum bis übermittelt. Ein vor dem abgeschlossener Tilgungsplan sei hingegen nicht vorgelegt worden. In weiterer Folge sei die Veranlagung ohne weitere Erhebung des Sachverhaltes erklärungsgemäß durchgeführt worden. Weder die erklärungsgemäße Veranlagung ohne weitere Erhebung des Sachverhaltes noch ein Verschulden der Abgabenbehörde an der Nichtfeststellung rechtserheblicher Tatsachen stehe einer Wiederaufnahme nach § 303 BAO entgegen. Die Wiederaufnahme sei unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten Nachkontrolle und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung erfolgt. Im vorliegenden Fall könnten die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen.

Am brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein.

Darin verweist er auf seine Ausführungen in der Beschwerde und bringt vor, in der Beschwerdevorentscheidung selbst werde ausgeführt, dass er vor Erlassung des Einkommensteuerbescheides ersucht worden sei, entsprechende Unterlagen zu den Kapitaleinkünften nachzureichen. Dieser Aufforderung sei er nach Rücksprache und Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem damaligen Sachbearbeiter nachgekommen und habe alle relevanten Informationen betreffend die Kapitaleinkünfte offen gelegt und eine Bescheinigung der depotführenden Bank vorgelegt. Die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung, dass kein vor dem abgeschlossener Tilgungsplan vorgelegt worden sei, seien nicht nachvollziehbar, zumal dies gar nicht möglich gewesen sei. Alle für den Bestand und den Umfang der Abgabepflicht bedeutsamen Umstände seien damals bekannt gegeben und mit dem damaligen Sachbearbeiter abgeklärt worden. Warum nun plötzlich aufgrund eines informellen telefonischen Gesprächs neue Tatsachen hervor kommen sollten, die eine Wiederaufnahme rechtfertigten, sei nicht ersichtlich. Auch aus dem im Akt vorliegenden Aktenvermerk über das geführte Telefongespräch gehe dieser Umstand nicht hervor.

Mit Schreiben vom an den Beschwerdeführer legte die Abgabenbehörde den Inhalt der Bestimmung des § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 dar und forderte ihn auf, den Kreditvertrag, den Tilgungsplan und einen Nachweis über den kausalen Zusammenhang zwischen dem Tilgungsplan und dem Erwerb eines Eigenheimes bzw. der Wohnraumschaffung oder Wohnraumsanierung vorzulegen.

Dieses Schreiben blieb seitens des Beschwerdeführers unbeantwortet.

Mit Bericht vom legte die Abgabenbehörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit an die Abgabenbehörde gerichtetem Schreiben vom nahm das Bundesfinanzgericht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag Bezug, wonach nach Ergehen des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom eine Rücksprache und Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem damaligen Sachbearbeiter erfolgt sei und ersuchte um Stellungnahme zu diesem Vorbringen.

Mit Antwortschreiben vom teilte die Abgabenbehörde mit, es sei anzunehmen, dass aufgrund des allgemein gehaltenen Vorhaltes (gemeint Ergänzungsersuchens) vom Beschwerdeführer bei der zuständigen Sachbearbeiterin nachgefragt worden sei. Jedoch könne zum jetzigen Zeitpunkt der Inhalt des Gespräches nicht mehr wiedergegeben werden. Die zuständige Sachbearbeiterin könne sich an ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer nicht (mehr) erinnern.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer wies in der am eingebrachten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 Einkünfte aus Kapitalvermögen aus und machte unter der KZ 943 der Beilage E1kv der Steuererklärung in Höhe eines konkret bezeichneten Betrages die Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 geltend.

Unter Bezugnahme auf die eingereichte Einkommensteuererklärung ersuchte die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer mit Ergänzungsersuchen vom entsprechende Unterlagen zu den Kapitaleinkünften nachzureichen, um die Veranlagung durchführen zu können.

Daraufhin nahm der Beschwerdeführer mit der damals zuständigen Sachbearbeiterin Kontakt auf. Was Inhalt des seinerzeitigen Gespräches zwischen der Sachbearbeiterin und dem Beschwerdeführer war, kann nicht mehr festgestellt werden.

In der Folge übermittelte der Beschwerdeführer eine Bescheinigung gemäß § 96 Abs. 4 Z 1 bzw. 2 EStG 1988 der X-Bank, vom für den Zeitraum bis .

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer für das Jahr 2017 fest, wobei sie die Veranlagung erklärungsgemäß vornahm (Einkommensteuergutschrift € 3.011,--).

Im Zuge von Erhebungen im Rahmen einer durchgeführten Nachbescheidkontrolle teilte der Beschwerdeführer in einem mit einem Vertreter der Abgabenbehörde (Hrn. Y) am geführten Telefonat mit, dass ein Wertpapierkauf iZm einem Tilgungsplan nicht vorliegt. Er (der Beschwerdeführer) habe vielmehr einer etwaigen Entlastung der abgeführten KESt in Form einer geringeren Gesamtsteuerbelastung Rechnung tragen wollen.

Daraufhin verfügte die Abgabenbehörde mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2017 und erließ gleichzeitig einen neuen Sachbescheid. In diesem gewährte sie die beantragte Steuerbefreiung nicht (Einkommensteuergutschrift € 244,--).

2. Beweiswürdigung:

Der vorhin angeführte Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und das Ergebnis der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungen.

Dass der Beschwerdeführer im Rahmen der von der Abgabenbehörde durchgeführten Nachbeschheidkontrolle in einem mit einem Vertreter der Abgabenbehörde (Hrn. Y) geführten Telefonat erklärte, dass ein Wertpapierkauf iZm einem Tilgungsplan nicht vorliegt, sieht das Bundesfinanzgericht aufgrund des im Akt erliegenden Aktenvermerkes vom als erwiesen an. So ist im Aktenvermerk unter Anführung der Telefonnummer des Beschwerdeführers (xxyy) der Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer diese Erklärung abgegeben hat, konkret benannt (). Darüber hinaus lässt sich dem Aktenvermerk auch klar und eindeutig der Name des Behördenvertreters entnehmen, dem gegenüber der Beschwerdeführer diese Erklärung abgegeben hat (Hrn. Y). Dass ein Wertpapierkauf iZm einem Tilgungsplan iSd § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 nicht vorliegt, gesteht der Beschwerdeführer im Übrigen noch einmal ausdrücklich im Vorlageantrag vom zu, wenn er ausführt, die Vorlage eines vor dem abgeschlossenen Tilgungsplanes sei gar nicht möglich gewesen (vgl. "Nicht nachvollziehbar ist das Vorbringen in der Beschwerdevorentscheidung, dass kein vor dem abgeschlossener Tilgungsplan vorgelegt wurde, zumal dies gar nicht möglich war.").

3. Rechtslage und Erwägungen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als im Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz BAO6 § 303 Tz 21 und die dort angeführte Judikatur).

Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumption zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. z.B. , , , ).

Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (vgl. z.B. , , ).

Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismittel ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. z.B. , ). Maßgebend ist der Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. z.B. , ).

Die Verfügung der Wiederaufnahme liegt im Ermessen. Wie bei allen Ermessensentscheidungen kommt dem Gleichheitssatz, dem Normzweck und den im § 20 genannten Kriterien Bedeutung zu. Stets hat eine Abwägung aller für die Ermessensübung relevanten Umstände zu erfolgen (vgl. Ritz BAO6 § 303 Tz 62, 63).

Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zweckes der Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (, , ). Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben (vgl. , , ). Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Wiederaufnahme letztlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde.

Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen.

Im gegenständlichen Fall war der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides () nicht bekannt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 nicht gegeben sind. Erst anlässlich der durchgeführten Nachbescheidkontrolle erlangte die Abgabenbehörde durch ein mit dem Beschwerdeführer am getätigtes Telefonat Kenntnis davon, dass hinsichtlich der beantragten Steuerbefreiung ein Wertpapierkauf iZm mit einem Tilgungsplan nicht vorliegt. Es handelt sich dabei um einen Umstand, der im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides bereits existent war, der Behörde aber erst nach Bescheiderlassung zur Kenntnis gelangt ist und dessen Kenntnis zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte.

Der Beschwerdeführer wendet in der Beschwerde ein, aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht hervor, auf welchen Wiederaufnahmetatbestand sich die Abgabenbehörde stütze. Keinesfalls genüge als Bescheidbegründung die Wiedergabe des Gesetzestextes.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, um die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

In der Begründung des Wiederaufnahmebescheides weist die Abgabenbehörde darauf hin, dass anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsangaben des Beschwerdeführers die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid (= neuer Sachbescheid) angeführten Tatsachen neu hervorgekommen seien. Im neuen Sachbescheid führt die Abgabenbehörde als diese neue Tatsache an, dass der Umstand, dass die Antragsvoraussetzungen gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 nicht vorliegen, erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom (= Erstbescheid) hervorgekommen sei.

Dem bekämpften Wiederaufnahmebescheid, der in seiner Begründung u.a. auf den neuen Sachbescheid verweist, lässt sich somit klar und eindeutig entnehmen, dass die Abgabenbehörde als Wiederaufnahmetatbestand den § 303 Abs. 1 lit. b EStG 1988 herangezogen hat (Neuerungstatbestand). Dass in der Begründung lediglich der Gesetzestext wiedergegeben wird, davon kann keine Rede sein.

Der Beschwerdeführer bringt im Vorlageantrag vor, er sei vor Erlassung des Einkommensteuerbescheides ersucht worden, entsprechende Unterlagen zu den Kapitaleinkünften nachzureichen. Dieser Aufforderung sei er nach Rücksprache und Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem damaligen Sachbearbeiter nachgekommen und habe alle relevanten Informationen betreffend die Kapitaleinkünfte offengelegt und eine Bescheinigung der depotführenden Bank vorgelegt.

Auch damit vermag der Beschwerdeführer nicht durchzudringen.

Außer Streit steht zwischen den Parteien, dass der Beschwerdeführer in Beantwortung des Ergänzungsersuchens der Abgabenbehörde vom eine Bescheinigung gemäß § 96 Abs. 4 Z 1 bzw. 2 EStG 1988 der X-Bank vom für den Zeitraum bis beigebracht hat.

In der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheinigung bescheinigt die zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtete Bank (X-Bank) dem Empfänger der Kapitalerträge (Beschwerdeführer) für den Zeitraum bis in Form konkreter Angaben die erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen, die abgeführte KESt und das Finanzamt, an das die KESt abgeführt wurde.

Die Bescheinigung gibt keinerlei Aufschluss darüber, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 vorliegen.

Für realisierte Wertsteigerungen aus Kapitalvermögen und Derivaten gemäß § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 sieht der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung vor.

Dazu heißt es in § 124b Z 185 lit. d EStG 1988:

Realisierte Wertsteigerungen aus Kapitalvermögen und Derivaten gemäß § 27 Abs. 3 und 4, das bzw. die im Rahmen eines vor dem abgeschlossenen Tilgungsplanes erworben wurden, bleiben auf Antrag des Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung (§ 97 Abs. 2) steuerfrei. Dies gilt nur,

- wenn der Tilgungsplan nachweislich im Zusammenhang mit einem Darlehen steht, das dem Erwerb eines Eigenheimes, der Wohnraumschaffung oder Wohnraumsanierung im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, dient und
- soweit die Darlehensvaluta den Betrag von 200.000 Euro nicht übersteigt.

Der Beschwerdeführer geht daher fehl, wenn er vermeint, er habe mit der vorgelegten Bescheinigung der X-Bank vom alle relevanten Informationen zu den von ihm erklärten Kapitaleinkünften, also auch zu der von ihm beantragten Steuerbefreiung gemäß § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 offen gelegt.

Wenn sich der Beschwerdeführer darauf beruft, die Vorlage der Bescheinigung der depotführenden Bank sei nach Rücksprache und Erörterung der Sach-und Rechtslage mit dem damaligen Sachbearbeiter erfolgt, zielt er damit ganz offenkundig auf den Grundsatz von Treu und Glauben ab.

Einen Verstoß gegen diesen Grundsatz vermag das Bundesfinanzgericht aber nicht zu erkennen.

Laut der vom Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde eingeholten Stellungnahme vom ist zwar davon auszugehen, dass aufgrund des allgemein gehaltenen Ergänzungsersuchens vom der Beschwerdeführer bei der zuständigen Sachbearbeiterin nachgefragt hat. Was Inhalt dieses Gespräches war, kann jedoch nicht mehr gesagt werden.

Selbst wenn sich damals die zuständige Sachbearbeiterin dahingehend geäußert hätte, dass mit der Vorlage der Bescheinigung der depotführenden Bank die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Steuerbefreiung des § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 erfüllt sind, würde dies der Beschwerde nicht zum Durchbruch verhelfen.

Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wird ein Vertrauen auf eine rechtsunrichtige Beurteilung der Behörde im Allgemeinen nicht geschützt. Eine unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben relevante Enttäuschung im Vertrauen auf eine von der Abgabenbehörde erteilte Rechtsauskunft könnte u.a. nur dann vorliegen, wenn diese Auskunft Grundlage für eine die Steuerfolgen auslösende Disposition des Steuerpflichtigen gewesen ist (vgl. , ). Gegenständlich konnte eine nach Erlassung des Ergänzungsersuchens vom erfolgte Auskunft der Abgabenbehörde, selbst wenn eine solche - wie oben ausgeführt - erteilt worden wäre, nicht die Disposition des Beschwerdeführers in Bezug auf den die Steuerpflicht auslösenden Sachverhalt (= Veräußerung der Wertpapiere) beeinflussen.

Im vorliegenden Fall ist bei der vorzunehmenden Interessensabwägung dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, der auf die Herstellung der Rechtsrichtigkeit und Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerichtet ist, gegenüber dem Prinzip der Billigkeit, das insbesondere die Partei in ihrem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Bescheides schützen soll, der Vorrang einzuräumen. Was die Frage der Billigkeit anbelangt, kann dem Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Wahrung des ursprünglichen Abgabenbescheides nicht zugebilligt werden, hat er doch in der von ihm eingereichten Steuererklärung die Zuerkennung der Steuerbefreiung des § 124b Z 185 lit. d EStG 1988 beantragt, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren (siehe dazu z.B. , ).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2017 erfolgte daher zu Recht.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Diese Entscheidung ergeht von:
Bundesfinanzgericht, Außenstelle Salzburg, Aigner Straße 10, 5026 Salzburg

Salzburg, am

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