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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2020, RV/7104263/2017

Erbschaftssteuer für Pflichtteil.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Erbschaftssteuer, St.Nr. ***BF1StNr1***, Erf.Nr. ***1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Erbschaftssteuer wird gem. § 8 (1) ErbStG und § 16 (3) ErbStG festgesetzt mit (gerundet gem. § 204 BAO) 103.777,75EURO.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Das ***FA*** legte gegenständliche Beschwerde am mit folgender Sachverhaltsdarstellung an das BFG vor:

"Sachverhalt:

Die am ***2*** verstorbene Frau ***3*** hatte vier Kinder - eine Tochter und vier Söhne. Mit Testament vom ***4*** hatte die Erblasserin drei der Kinder, zu je einem Drittel, als Erben eingesetzt - ihre Tochter ***5***, sowie die ***6***. Für ihren Sohn ***Bf1*** wurde ausdrücklich der Pflichtteil vorgesehen. Unabhängig von der Erbeinsetzung wurden Vermächtnisse für alle vier Kinder verfügt. Im Nachlass befanden sich Liegenschaften, endbesteuertes Vermögen, Gehaltsguthaben, Fahrnisse, Geschäftsanteile an der ***7*** und an der ***8***, sowie Aktienvermögen an der ***9***. Für ***10*** lag eine Erbschaftssteuerversicherung im Sinne des § 16 ErbStG von der ***11*** vor. Der Pflichtteil wurde vom Pflichtteilsberechtigten ***Bf1*** geltend gemacht.

Über die Höhe des Pflichtteiles bestand kein Einvernehmen mit den Erben. Erst mit gerichtlichem Vergleich vom ***12*** vor dem ***13***, ***14***, wurde der Pflichtteil in Höhe von EUR 1.071.974,45 festgelegt. Für die Erwerbe von Todes wegen wurde mit Bescheiden jeweils vom die Erbschaftssteuer festgesetzt.

Dem Pflichtteilsberechtigten ***Bf1*** wurde aufgrund einer Bemessungsgrundlage iHv EUR 989.088,88, Erbschaftssteuer iHv EUR 107.117,68 vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhob ***Bf1*** am , mit ergänzendem Vorbringen vom , rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben - die in Punkt 1. der Beschwerde geltend gemachten und aufgelisteten Kosten des Rechtsstreits wurden berücksichtigt und sohin zusätzlich EUR 30.363,70 von der Bemessungsgrundlage abgezogen. Das übrige Vorbringen war nicht begründet.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung hat der Beschwerdeführer am rechtzeitig gem. § 264 BAO einen Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt.

Beweismittel: ErfNR-Akt ***1***"

Das Finanzamt hat hie zu folgende Stellungnahme abgegeben:

"Stellungnahme:

In Vorlageantrag wurde kein neues Vorbringen erstattet, daher wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen. Das ***FA*** stellt den Antrag das Bundesfinanzgericht wolle, mit Ausnahme der in der Beschwerdevorentscheidung vorgenommenen Änderung, die Beschwerde als unbegründet abweisen."

Gegen den spruchgegenständlichen Bescheid hat der Bf. Beschwerde eingebracht.

In Punkt 1. der Beschwerde beantragt der Bf. die Kosten des Rechtsstreites mit EURO 154.001,14 anstelle von EURO 123.637,44 anzuerkennen.

Unter Punkt 2. Guthaben bei Banken, führt der Bf. "der guten Ordnung halber" aus, dass der Betrag von 311.040,13 EURO für ihn nicht nachvollziehbar sei. In seiner eigenen Rechnung, basierend auf den Unterlagen des Verlassenschaftsverfahrens (Inventar, Gutachten), komme er auf eine Summe von 201.759,46 EURO für steuerfreie Guthaben bei Banken, Unternehmensanteile etc..

Unter Punkt 3. Aktien, bringt der Bf. vor, die Aktien hätte er als Legat spätestens ein Jahr nach dem Tod der Erblasserin erhalten sollen. Da das ***15*** und ***16*** jedoch entschieden hätten, dass er die mit diesem Legat verbundene Auflage nicht korrekt erfüllt hätte, habe er die Aktien zunächst nicht erhalten. Erst nach den Vergleichsverhandlungen 2014/15 seien diese Aktien schließlich im März 2015 doch an ihn übertragen worden. Da der Wert der Aktien in der Zwischenzeit um über 80% gefallen sei (von 7,05 Euro pro Aktie im Jahr 2006 auf ca. 1,30 Euro pro Aktie im Jahr 2013) sei eine entsprechend höhere Pflichtteilszahlung vereinbart worden. Der höhere Wert der Pflichtteilszahlung sei also im Zusammenhang mit dem niedrigen Wert der Aktien zu sehen. Er stelle daher den Antrag, den Wert der Aktien mit dem Wert für das Jahr 2015 (ca. 35.000,-, der genaue Wert folge noch) statt mit dem Wert für das Jahr 2006 (192.204,15) anzusetzen. Auch bei den Erben sollte dann der Wert für das Jahr 2015 angesetzt werden.

Zu Punkt 4. Pflichtteilsergänzung führt der Bf. aus, im vorliegenden Erbfall gibt es drei Erben und einen Noterben (Pflichtteilbezieher). Alle vier hätten den gleichen Verwandtschaftsgrad zur Erblasserin und seien in die gleiche Steuerklasse einzuordnen. Die drei Erben hätten demnach zusammen 87,5% des Nachlasses erhalten, er als der Noterbe 12,5%. Nach der Steuerberechnung laut Bescheid müssten nun die drei Erben zusammen bei erhaltenem Nachlassanteil von 87,5% nur ca. 15%, er als Noterbe jedoch bei erhaltenem Nachlassanteil von nur 12,5% ca. 85% der gesamten Steuerlast tragen. Hier liege ein Missverhältnis vor, das nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen könne und vermutlich auch der österreichischen Verfassung widerspreche.

Da es aufgrund der Aufhebung des Erbschaftsteuergesetzes 1955 durch den Verfassungsgerichtshof vor ca. acht Jahren heute sehr schwierig sei, Informationen oder Beratung zum Thema Erbschaftsteuer zu erhalten, ersuche er um eine Fristverlängerung für seine Beschwerde, insbesondere für die Begründung und eine konkrete Antragstellung zu Punkt 4.

Mit Schreiben vom reichte der Bf. die Beschwerdeergänzung zu Punkt IV nach.

Durch die in Punkt 4. genannte ungleiche Steuerbelastung werde sein Recht auf den Pflichtteil gem. ABGB verletzt.

Die vorgelegte Tabelle zeige die vom Bf. angenommene Aufteilung der von der Behörde berechneten Erbschaftssteuer auf Basis des Inventars. Unklarheiten gebe es bezüglich der Bewertung und steuerliche Einstufung des Legats "Stiftungsbegünstigung" (EUR 0,-?), Bewertung und steuerliche Einstufung der ***8*** (EUR 0,-?), Höhe der steuerfreien Bankeinlagen, s. Punkt 2 der Beschwerde. Für die Werte der Aktien habe er ungeachtet der Ausführungen unter Punkt 3 der Beschwerde die Werte des Inventars, also EUR 7,05 pro Aktie, verwendet, für die Liegenschaften würden die dreifachen Einheitswerte angesetzt. Zur besseren Übersichtlichkeit seien alle Werte gerundet.

Dementsprechend kommt der Bf. auf einen steuerpflichtigen Erwerb in Summe von 1.195.000,00 Euro.

Die Höhe der Pflichtteilzahlung ergebe sich insbesondere aufgrund der Verkehrswerte der Liegenschaften. Die realen Werte der Liegenschaften seien um ein Vielfaches höher, daher hätten die Erben 1-3 an realen Werten erheblich mehr (zusammengerechnet weit über 10.000.000,-) als in den oben angeführten Zahlen dargestellt erhalten als der Bf..

Dadurch, dass bei den Erben nun sowohl die steuerfreien Werte als auch alle Ausgaben und Passiva einschließlich Pflichtteilzahlung in voller Höhe abgezogen würden, werde trotz der hohen Erbschaft nur eine sehr geringe - im Extremfall sogar gar keine bei Erbe 1 - Erbschaftssteuer berechnet. Auf der anderen Seite werde bei ihm als Noterbe eine sehr hohe Erbschaftsteuer berechnet, da in der oben dargestellten Berechnungsmethode nur ein geringer Teil der steuerfreien Werte des Nachlasses auf den Bf. übergingen und bei ihm abgezogen würden.

Das ABGB sichere den gesetzlichen Erben einen bestimmten Mindestpflichtteil zu, im vorliegenden Fall sei das 1/8 des Vermögens. Dieser Mindestpflichtteil müsse auch nach Abzug der Erbschaftssteuer erhalten bleiben (bezogen auf das Nettovermögen). Um die entsprechenden Rechtsvorschriften des ABGB zu erfüllen und eine der Pflichtteilquote entsprechende Besteuerung zu erreichen, müsste eine andere Berechnungsmethode angewendet werden, bei der die im Nachlass enthaltenen steuerfreien Werte in höherem Ausmaß auf den Bf. übergehen können. Dies könne auf eine sehr einfache Weise erzielt werden, indem die Pflichtteilzahlung durch die Erben (Zeile 6) nicht wie in Tabelle 1 von den steuerpflichtigen Werten abgezogen werde, sondern von den steuerfreien Werten. Auf diese Weise werde die Pflichtteilszahlung (da im konkreten Fall ausreichend Steuerfreie Werte vorhanden seien) steuerfrei. Der Abzug der steuerfreien Werte bei den Erben (Zeile 10) reduziere sich dann um den gleichen Betrag, damit die steuerfreien Werte nicht doppelt abgezogen würden und der Steuerpflichtige Erwerb insgesamt gleichbleibe. Hiezu stellte der Bf. eine Tabelle dar und errechnet wieder einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 1.195.000,00 Euro. Bei dieser Berechnungsmethode verbleibe auch nach Abzug der Erbschaftssteuer der Pflichtteil gemäß ABGB (Nettopflichtteil in Bezug auf den Nettonachlass). Jedenfalls müsse nach Ansicht des Bf. eine Berechnungsmethode der Erbschaftssteuer gefunden werden, bei der das im ABGB normierte Recht auf den Pflichtteil (im vorliegenden Fall 1/8 des gesamten Nachlasses) auch nach Abzug der Erbschaftssteuer gewahrt bleibe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde hinsichtlich Punkt 1. stattgegeben, in übrigen Punkten wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde Vorlageantrag eingebracht. Dieser enthält keine weitere Begründung.

Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die elektronisch übermittelten Aktenteile des Bemessungsaktes des ***FA***.

  • Rechtslage und Erwägungen

Zu Punkt 1.

Die weiteren Kosten in Höhe von 30.363,70 werden anerkannt.

Zu Punkt 2.

Das Finanzamt wurde mit Schreiben vom zur Stellungnahme aufgefordert und hat u.a. folgendes bekannt gegeben:

"Das Finanzamt hat einerseits den überschießenden Steuervorteil (frei gem. § 15 Abs. 1 Z 17

ErbStG) von der Höhe des Pflichtteils abgezogen: 1.071.974,45 - 164.543,20 = 907.431,25

Andererseits hat das Finanzamt den überschießenden Steuervorteil (frei gem. § 15 Abs. 1 Z

17 ErbStG) im Eingabefeld bei "Bankguthaben ErbStfrei" summiert, damit im Bescheid

betragsmäßig die volle Höhe der Befreiung (311.040,13) dokumentiert wird.

Insgesamt sind somit 324.224,64 frei gem. § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG (311.040,13 und

13.184,51).

Da der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich weniger aus der Verlassenschaft erhalten hat, dürfte

dies zu einem Missverständnis beim Bescheidempfänger geführt haben.

Da der Freibetrag gemäß § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG immer aus der Summe von "Guthaben bei

Banken" und "sonstige Wertpapiere" (erbschaftssteuerfrei) besteht, und dieser von der

Bemessungsgrundlage abgezogen wird, hat der Betrag keine Auswirkung auf die Höhe der Erbschaftssteuer.

Der im gegenständlich angefochtenen Bescheid angeführte Punkt "Guthaben bei Banken" setzt

sich zusammen aus Bankguthaben 146.496,93 + überschießender Steuervorteil 164.543,20 =

311.040,13.

Das diesbezügliche Bankguthaben setzt sich wie folgt zusammen:

Zu Punkt 3.

Gemäß § 18 ErbStG ist für die Wertermittlung, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

§ 12 ErbStG lautet:

"(1) Die Steuerschuld entsteht


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1.
bei Erwerben von Todes wegen
mit dem Tode des Erblassers, jedoch
a)
für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter einer Befristung Bedachten mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung oder des Ereignisses;
b)
für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung
…."

Wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend ausführt stellt die, im Zusammenhang mit dem Vermächtnis der Aktien an der ***9*** von der Erblasserin angeordnete Auflage keine aufschiebende Bedingung oder Befristung dar, womit eine Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a ErbStG ausgeschlossen ist.

Demzufolge ist hinsichtlich dieses Legats die Steuerschuld gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG mit dem Tode der Erblasserin entstanden und dieser Zeitpunkt gemäß § 18 ErbStG für die Wertermittlung maßgebend.

Zu Punkt 4.

Vorab ist festzustellen, dass die Höhe des, nach zivilrechtlichen, insbes. erbrechtlichen Bestimmungen zustehenden Pflichtteilsanspruches eine Besteuerung nach dem Erbschaftssteuergesetz nicht ausschließt. D.h. soviel wie, die Höhe des zustehenden Pflichtteils ist nach erbrechtlichen Vorschriften zu ermitteln. Davon berechnet sich sodann die Erbschaftssteuer.

Wie bereits ausgeführt, findet die in Punkt 4. und in der Ergänzung zu Punkt 4. der Beschwerde angeführte Bewertung und Berechnung im Gesetz keine Deckung. Die Bewertung hat nach den Bewertungsvorschriften des ErbStG bzw. des BewG 1955 zu erfolgen.

Sofern der Beschwerdeführer der Ansicht ist, die hier anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen seien verfassungswidrig, ist festzuhalten, dass mit Erkenntnis vom , G 54/06 u.a., kundgemacht unter BGBl. I 2007/9, der VfGH § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben hat. Gleichzeitig hat der VfGH im Spruch bestimmt, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt. Die Aufhebung der Gesetzesstelle bedeutet, dass diese auf die Sachverhalte, die sich vor dem ereignet haben - abgesehen von den Anlassfällen - weiterhin anzuwenden ist (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 1 zu § 2, Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2007/16/0186).

Im Hinblick darauf, dass das gegenständliche Steuerverfahren nicht Anlassfall vor dem VfGH war, sind die aufgehobenen Bestimmungen auch hier noch zur Anwendung zu bringen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden und die Steuer wie in der Beschwerdevorentscheidung festzusetzen. Die Berechnung ist der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da dem Erkenntnis keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104263.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at