Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.12.2020, RV/3100949/2017

Schätzung von Schwarzlohnzahlungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen

1. den am ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA*** betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009,

2. den am ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA*** betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010,

3. den am ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA*** über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2009 und

4. den am ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA*** über die Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2010

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

I. Die Bescheidbeschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Abgabenbehörde hat nach Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 mit den am ausgefertigten Bescheiden für diese Jahre die Einkommensteuer für diese Jahre festgesetzt, für 2009 mit € 2.642,47 und für 2010 mit € -132,40. Mit am gleichen Tag ausgefertigten Bescheiden wurde eine Abgabenschuld in Höhe von € 239,75 für 2009 und € 68,25 für 2010 für Anspruchszinsen berechnet und festgesetzt. Aufgrund des Strafurteils vom zu ***AZ-4*** sowie des eindeutig festgestellten Sachverhalts seien die Bemessungsgrundlagen berichtigt und demgemäß dem Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt worden. Zum festgestellten Sachverhalt verwies die Abgabenbehörde auf die Wiederaufnahmebescheide. Dort wird festgehalten, dass die Abgabenbehörde aufgrund von umfangreichen Ermittlungen (Einvernahmen von ***RB*** vom , ***MB*** vom und ***SH*** vom , vom sowie vom ) durch die Steuerfahndung sowie das Landeskriminalamt Tirol davon Kenntnis erlangt habe, dass Schwarzzahlungen im großen Stil an Dienstnehmer erfolgt seien. Die Hauptbeschuldigten seien vollinhaltlich geständig. Es sei bekannt geworden, dass der Abgabepflichtige (Beschwerdeführer) Entgelt erhalten habe, welches bislang keiner Besteuerung unterzogen worden sei. Auswertungen hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht bei den Firmen ***O-GmbH*** (2009), ***PDA*** e.U., ***IF*** und ***RM*** (2010) beschäftigt gewesen sei, sondern bei der am Lohnzettel angeführten Firma (***H-GmbH***). Die Firmen ***O-GmbH***, ***PDA*** e.U., ***IF*** und ***RM*** seien Scheinfirmen gewesen. Erwiesen sei auch, dass der Beschwerdeführer in dem am Lohnzettel ausgewiesenen Zeitraum mindestens € 3.000,00 netto pro Monat verdient habe. Es sei festgestellt worden, dass jeder Dienstnehmer zumindest € 3.000,00 netto pro Monat verdient habe. Dies decke sich auch weitestgehend mit der Kalkulation der Unterlagen, die im Zuge der Ermittlungen gesammelt worden seien. Auch hätten alle Dienstnehmer gewusst, dass diese bei Scheinfirmen angemeldet worden seien.

2. Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde. Er habe im Jahr 2009 und 2010 bei der ***H-GmbH*** gearbeitet. Er habe auch immer mit der Ansprechperson ***SB*** von ***H-GmbH*** zu tun gehabt, der eigentliche Chef der ***H-GmbH*** sei ja in Feldkirch. Er habe bei ***H-GmbH*** monatlich € 1.700,00 bis € 1.900,00 verdient, je nachdem, wie viele Stunden er gearbeitet habe. Die Schätzung seines Nettoverdienstes mit € 3.000,00 sei vollkommen unrichtig und er weise diese Unterstellung klar zurück. Es sei dies eine Schutzbehauptung der Brüder ***B*** und von ***SH***. Diese behaupteten dies deshalb, da sie eine sehr große Menge an Geld in ihre Heimat (Kosovo) gebracht hätten. Um den Verbleib des Geldes zu rechtfertigen, hätten diese Herren erklärt, dass die Arbeiter es im Zuge hoher Lohnzahlungen erhalten hätten, was jedoch nicht stimme. Die Kalkulationen, die im Zuge der Ermittlungen gesammelt worden seien, seien aufgrund dieser Umstände zu erklären. Es entbehre jeglicher Lebenserfahrung, dass die Arbeiter € 3.000,00 im Monat verdient hätten, da ein solcher Verdienst in dieser Branche für einen Arbeiter nicht realistisch sei. Hätte er jemals so viel verdient, hätte er auch 2011 nicht den Arbeitgeber gewechselt.

3. Mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung hat die Abgabenbehörde die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.

3.1. Durch eine GPLA-Prüfung gemäß § 147 BAO für den Zeitraum - bei den Firmen ***B-GmbH***, ***B-KG*** und ***H-GmbH*** seien neue Beweismittel und Unterlagen zum Vorscheib gekommen. Mittels einer Vielzahl von Firmengründungen und/oder Firmenübernahmen mit entsprechenden Schein- und Strohgeschäftsführern für Zwecke eines anschließenden Konkurses sei es den Verantwortlichen Personen möglich gewesen, Schwarzgelder zu lukrieren, da die Arbeiter bei den Firmen teilweise geringfügig oder mit einem Bruchteil des ausbezahlten Lohnes gemeldet worden seien. Es habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer bei Scheinfirmen beschäftigt gewesen sei:

  • Vom 19.01. bis sei er bei der Scheinfirma ***O-GmbH*** gemeldet gewesen, tatsächlicher Arbeitgeber sei die ***H-GmbH*** gewesen.

  • Vom 30.04. bis sei er bei der Scheinfirma ***PDA*** e.U. gemeldet gewesen, tatsächlicher Arbeitgeber sei die ***H-GmbH*** gewesen.

  • Vom 26.05. bis sei er bei der Scheinfirma ***RM*** gemeldet gewesen, tatsächlicher Arbeitgeber sei die ***H-GmbH*** gewesen.

3.2. Zudem habe festgestellt werden können, dass die Lohnzettel der Scheinfirmen ***O-GmbH*** und ***RM*** unrichtig gewesen seien, da der Beschwerdeführer monatlich mindestens € 3.000,00 bar "Brutto für Netto" erhalten habe. Der Einwand des Beschwerdeführers der falschen Bemessungsgrundlage iHv € 3.000,00 sei nicht erfolgreich. ***MB***, einer der faktischen Geschäftsführer, habe in seiner Beschuldigteneinvernahme (Seite 8 der Niederschrift über die Beschuldigteneinvernahme vom ) angegeben, dass es vermutlich keinen einzigen Arbeiter gegeben habe, der im Monat unter € 3.000,00 bar auf die Hand bekommen habe. Angemeldet seien sie in den jeweiligen Anmeldefirmen im Kollektiv, teils sogar als geringfügig. Diese geringfügigen Anmeldungen seien von den jeweiligen Arbeitern gefordert worden, um weiterhin AMS- Geld zu erhalten. Dies habe auch ***RB***, der Hauptverantwortliche des gesamten "***B***-Systems", in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 05. auf Seite 7 bestätigt: "Jeder dieser Dienstnehmer wusste von Anfang an, dass er nicht bei mir gemeldet wird, sondern bei einer der angeführten Anmeldefirmen. Nur so war es auch möglich, dass ich ihnen einen Stundenlohn von mind. € 13,00, meistens € 15,00, bis sogar € 17,00 bar auf die Hand bezahlt habe. Da war kein einziger Arbeiter, der im Monat unter € 3.000,00 bar auf die Hand nach Hause gegangen ist." Zwar hätten sich ***MB*** und ***RB*** in den Aussagen auf die ***B-GmbH*** und ***B-KG*** bezogen, es habe sich jedoch um ein einheitliches "***B-B***-System" mit denselben handelnden Personen und denselben Scheinfirmen gehandelt. Zudem habe es zahlreiche Arbeiter wie den Beschwerdeführer gegeben, die sowohl für die ***H-GmbH*** als auch der ***B-GmbH*** oder ***B-KG*** Arbeiten verrichtet hätten.

3.3. Nach umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Abgabenbehörde stehe der Sachverhalt fest, dass Schwarzzahlungen im großen Stil an Dienstnehmer erfolgten. Die Dienstnehmer hätten Stundenlöhne von bis zu € 20,00 brutto für netto kassiert, dadurch seien Monatslöhne von bis zu € 4.000,00 möglich gewesen. Dies werde ebenfalls durch die Aussage des ***SB***, den tatsächlichen Machthaber der ***H-GmbH***, auf Seite 7 der Beschuldigteneinvernahme vom bestätigt: "Dies heißt, dass die Hilfsarbeiter tatsächlich jeden Monat mindestens € 3.000,00 und dass die Vorarbeiter bis zu € 4.500,00 ausbezahlt bekamen. [...] Es wurde mit den Arbeitern vereinbart, dass der Stundenlohn zwischen € 13,00 bis 15,00 netto für die ersten 160 Stunden im Monat beträgt, die weiteren Stunden wurden mit € 17,00 bis 18,00 vergütet. Alle Arbeiter erhielten ihren Lohn zum Monatsersten. Am 15. des Monats erhielten sie einen Vorschuss zw. € 1.000,00 und 1.500,00, den Rest erhielten sie nach Vorliegen der geleisteten Monatsstunden am Anfang des Folgemonats. Die Vorarbeiter hatten natürlich einen höheren Stunden-/Monatslohn. Bis zum Jahr 2008 hatte ich selbst als Arbeiter tatsächlich einen Monatslohn von ca. € 3.500,00 netto. Alle Arbeiter haben gewusst, dass sie einen Teil ihres Lohnes schwarz erhalten haben."

3.4. ***DM*** (faktischer Geschäftsführer einer nach gleichem Muster geführten Gesellschaft und rechtskräftig verurteilt) habe ebenfalls die Höhe der Löhne der Dienstnehmer bestätigt. Er habe von ***IG*** Anfang des Jahres 2009 in Erfahrung gebracht, dass man bei den "***B´s***" gutes Geld verdienen ´könne. Es sei in Innsbruck nämlich bekannt gewesen, dass man bei den "Albanern" als Eisenbieger oder Zimmerer monatlich netto € 3.000 - 3.500 verdienen könne. ***DM*** habe sich daher in weiterer Folge mit ***RB*** in Kontakt gesetzt und sei von diesem prompt als Hilfsarbeiter am Bau eingestellt worden.

3.5. Zudem habe es zahlreiche weitere Urteile gegeben, die Verurteilten seien zum größten Teil geständig gewesen und hätten auch die Auszahlungen in der Höhe von € 3.000,00 bestätigt. Die Geständnisse passten auch mit dem restlichen Akteninhalt überein. Es sei nicht ersichtlich, warum die Beschuldigten sich selbst zu Unrecht belastet haben sollten. Daher erschienen die erwähnten Aussagen glaubwürdiger als die Behauptung des Beschwerdeführers. Es widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens und den logischen Denkgesetzen, wenn sich eine Person für eine Tat verurteilen und bestrafen ließe, wenn sie diese Tat nicht begangen habe. Die Aussagen der Beteiligten des "***B-B***-Systems", insbesondere jene von ***SB***, seien daher glaubwürdiger als die Behauptungen des Beschwerdeführers.

3.6. Bei der Firma ***O-GmbH*** habe es sich überwiegend um eine Schein- bzw. Anmeldefirma gehandelt. Die Firma sei am gegründet worden. Nach zahlreichen Geschäftsführer- und Gesellschafterwechsel habe am ***AC*** die alleinige Geschäftsführung und am alle Gesellschafteranteile übernommen. Zudem habe er den Firmennamen auf ***O-GmbH*** geändert. Alle Firmenübernahmen seien von ***SH*** vorbereitet worden. Außerdem habe der vermeintliche als Angestellter tätige ***SH*** die tatsächliche Geschäftsführung innegehabt. Dies werde unter anderem dadurch bestätigt, dass ***SH*** eine Vollmacht über alle Tätigkeiten in der Firma gehabt habe. Formell habe ***SH*** die Firma jedoch nicht übernehmen können, da er schon im Jahr 2007 mit seiner Firma in den Konkurs geschlittert war. Daher sei der Strohgeschäftsführer ***AC*** eingesetzt worden. ***AC*** habe keine Löhne ausbezahlt, Bauverträge oder Rechnungen unterschrieben. Nach einem Monat, nachdem die Übernahme der Gesellschaft durch ***AC*** vollzogen worden sei, habe die Tiroler Gebietskrankenkasse einen Konkursantrag aufgrund von Beitragsrückständen für die Monate Jänner bis März 2009 iHv € 57.939,39 gestellt. Das Landesgericht Innsbruck habe mit Beschluss vom zu ***S-3*** den Konkurs eröffnet. Insgesamt seien im Zeitraum vom bis 96 Dienstnehmer angemeldet worden. Davon seien im Zeitraum bis zumindest 23 Dienstnehmer auf Bestimmung von ***SB*** bei der Tiroler Gebietskrankenkasse angemeldet worden. Diese Dienstnehmer seien nie beim gemeldeten Dienstgeber ***O-GmbH***, sondern tatsächlich in auf eigene Rechnung tätigen, im Einflussbereich von ***SB*** stehenden Arbeiterpartien der ***H-GmbH*** in Tirol und Vorarlberg tätig gewesen. ***SB*** sei mit dem Strafurteil vom , ***Hv-4***, schuldig gesprochen, zumindest 23 Dienstnehmeranmeldungen zum Schein bei der Tiroler Gebietskrankenkasse bestimmt zu haben. Aufgrund der geständigen Verantwortungen von ***SH***, ***SB***, ***RB***, ***BB*** und ***MB*** stehe fest, dass es sich bei der ***O-GmbH*** um eine Scheinfirma gehandelt habe.

3.7. Das Einzelunternehmen ***RM*** sei auch unter der Bezeichnung "***LL***" aufgetreten. Es seien insgesamt 32 Dienstnehmer vom bis zum bei dem Einzelunternehmen ***RM*** zu Sozialversicherung angemeldet worden. Hierbei habe es sich ausschließlich um sogenannte Scheinanmeldungen gehandelt. Das Einzelunternehmen sei tatsächlich von ***SH*** beherrscht worden. ***SB*** habe ***SH*** bestimmt, im Zeitraum vom bis 18 Dienstnehmeranmeldungen bei der Tiroler Gebietskrankenkasse vorzunehmen. Diese Dienstnehmer seien vorwiegend in Tirol und Vorarlberg tätig gewesen, sie seien zudem "schwarz" bezahlt worden. Aufgrund der Bestimmungen der Scheinanmeldungen von zumindest 18 Dienstnehmer sei ***SB*** mit Strafurteil des LG Innsbruck von , ***Hv-4***, rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund der geständigen Verantwortungen von ***SH***, ***SB***, ***RB*** und ***MB*** stehe es fest, dass es sich beim Einzelunternehmen ***RM*** um eine Scheinfirma gehandelt habe.

3.8. ***SH*** habe ***DP*** beauftragt, die Firma ***PDA*** e.U. zu gründen. ***DP*** sei zu keinem Zeitpunkt die Geschäftsführerin der Firma gewesen. Der tatsächliche Machthaber sei ***SH*** gewesen. Bei der Firma handle es sich wiederum um eine reine Anmeldefirma, sie sei zu keinem Zeitpunkt operativ tätig gewesen. ***SH*** habe alle notwendigen Unterlagen für die Dienstanmeldungen ausgefüllt und diese an ***DP*** übergeben, welche die Unterlagen schließlich bei der TGKK eingereicht habe. Zudem habe sie Kassaquittungsblöcke "blanko" unterschrieben. ***SH***, der tatsächliche Machthaber der Firma habe auf Anweisung von ***SB*** ab zumindest 11 Dienstnehmeranmeldungen bei der Tiroler Gebietskrankenkasse vorgenommen. Diese Dienstnehmer hätten nicht für diese Firma gearbeitet, sondern nur für die ***H-GmbH***, welche vorwiegend in Tirol tätig gewesen sei. Zudem seien die Dienstnehmer bar "schwarz" bezahlt worden. ***SB*** sei in diesem Umfang vollinhaltlich geständig gewesen und mit Strafurteil vom Landesgericht Innsbruck, ***Hv-4***, rechtskräftig schuldig gesprochen worden. ***SB*** sei am am Landesgericht Innsbruck schuldig gesprochen worden, insgesamt zumindest 126 Dienstnehmer nur zum Schein auf Anmeldefirmen angemeldet zu haben.

3.9. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer als Dienstnehmer in den Jahren 2009 und 2010 nicht für die genannten Scheinfirmen tätig gewesen, bei welchen er zum Schein angemeldet worden sei, sondern sei die Beschäftigung für auf eigene Rechnung tätigen ***SB*** zuzurechnende Arbeiterpartien bzw. letztlich die von diesen beherrschte Firma ***H-GmbH*** erfolgt, welche daher faktisch, tatsächlich und unzweifelhaft als sozialversicherungs- und steuerrechtliche Dienstgeber anzusehen sei.

4. Der Beschwerdeführer hat mi Schreiben vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO.

4.1. Es sei vollkommen unrichtig, dass er bei der Firma ***B-GmbH*** mindestens € 3.000,00 bar pro Monat erhalten haben soll. Der von den Finanzprüfern "geschätzte" Monatsnettoverdienst iHv € 3.000,00 sei vollkommen unrichtig, er weise diese Unterstellung schärfstens zurück. Im Übrigen sei es für ihn nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage diese Schätzung durch die zuständigen Finanzprüfer beruhe. Hätte er tatsächlich so viel verdient, würde er dazu stehen und die Nachforderung bezahlen.

4.2. Vollkommen unrichtig sei die Aussage des ***RB***, auf welche sich die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung beziehe, wonach jeder Arbeiter gewusst habe, nicht bei ***B***, sondern einer der "Anmeldefirmen" beschäftigt gewesen zu sein. Dies entspräche nicht der Wahrheit und er weise diese Aussage entschieden zurück. Er persönlich habe keinerlei Grund daran zu zweifeln, dass er bei der Firma ***RB***-Bau GmbH beschäftigt und dementsprechend gemeldet gewesen sei.

4.3. Er weise erneut mit Nachdruck darauf hin, dass die Behauptung der Überzahlung "Brutto für Netto" eine reine Schutzbehauptung der gerichtlich verurteilten Brüder ***B*** sei, da diese wohl sehr große Mengen an Geld in ihre Heimat, den Kosovo, verbracht oder auch ausgegeben hätten. Um den Verbleib des Geldes zu rechtfertigen, sei von den ***B´s*** ausgesagt worden, dass die betroffenen Arbeiter diese Gelder im Zuge hoher Lohnzahlungen erhalten hätten, was jedoch nicht stimme. Die Kalkulationen, die im Zuge der Ermittlungen gesammelt worden seien, seien aufgrund dieser Umstände zu erklären. Es laufe gegenständlich darauf hinaus, dass die Arbeiter Steuern für jene Gelder zahlen müssten, welche die Brüder ***B*** verschleudert bzw. außer Landes verbracht hätten.

4.4. Widersinnig sei die Unterstellung der Finanzprüfer auch insofern, als sich die Frage stelle, warum die ***B*** Akteure so "großzügig" hätten sein sollen und den Arbeitern einen so hohen Verdienst hätten bezahlen sollen, insbesondere in Anbetracht der durchschnittlichen Verdienstlage eines Arbeiters in der hiesigen Baubranche. Die Argumentation der Abgabenbehörde hinsichtlich der Aussagen von ***RB*** und anderer Beschuldigten bzw. Verurteilten sowie hinsichtlich der pauschalen Unterstellung von Schwarzgeldzahlungen sei für ihn nicht nachvollziehbar. Dies zumal die Abgabenbehörde in ihrer Begründung wiederholt Annahmen treffe und diese pauschal auf alle betroffenen Arbeiter anwende, ohne den Einzelfall zu betrachten.

4.5. Außerdem sei die Begründung der Abgabenbehörde in sich widersprüchlich, da es zunächst heiße, im Rahmen einer GPLA-Prüfung "konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mindestens € 3.000,00 bar - Brutto für Netto" - erhalten hat" und in der Folge werde dieser Betrag auf die Aussage des ***RB*** gestützt. In Anbetracht dessen, dass im gesamten Verfahren in keinster Weise das Zustandekommen der Berechnung oder vielmehr der Schätzung des vorgeworfenen Monatsnettoverdienstes von € 3.000,00 durch die Abgabenbehörde dargelegt worden sei und dieser Betrag bei jedem einzelnen der betroffenen ***B***-Arbeiter - unabhängig von der Qualifikation - pauschal herangezogen bzw. unterstellt worden sei, erscheine die Vorgehensweise der Abgabenbehörde unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mehr als zweifelhaft. Er beantrage daher die Berücksichtigung der von ihm vorgebrachten Umstände und die Prüfung der Grundlage der Verdienstschätzung.

5. Die Abgabenbehörde hat die Beschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6. Vor dem Bundesfinanzgericht hat am die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung stattgefunden.

II. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer arbeitete in den Streitjahren 2009 und 2010 als Eisenbieger. Angemeldet war er unter anderem bei den Firmen ***O-GmbH*** (vom 19.01. bis ), ***PDA*** e.U. (vom 30.04. bis ) und dem Einzelunternehmen ***RM*** (vom 26.05. bis ).

2. Tatsächlich gearbeitet hat der Beschwerdeführer in den genannten Zeiträumen für die Firma ***H-GmbH***.

3. Die genannten Firmen waren Teil eines Systems, deren Haupttäter sich zum Ziel gesetzt hatten, durch professionell organisierte Schwarzarbeit, vornehmlich im Bereich der Eisenbiegerei, sich zum Nachteil der öffentlichen Hand im großen Stil planmäßig unrechtmäßig zu bereichern. Die österreichweit organisierten Tätergruppierungen strebten eine Bereicherung in großem Umfang an, indem sie nach Gründung von Gesellschaften Scheinunternehmen nach außen hin durch Strohmänner als vermeintliche Bauunternehmen führen ließen, dort Schwarzarbeiter in großem Stil anmelden ließen, jedoch für die bei den dubiosen Unternehmen angemeldeten Schwarzarbeiter weder Sozialversicherungsbeiträge und Zuschläge nach dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz entrichteten, noch Steuern und Abgaben bezahlten oder sonstige Gesellschaftsverbindlichkeiten erfüllten (Anklageschrift gegen ***RB*** und ***MB*** vom zu ***AZ-1***; Anklageschrift gegen ***SB*** vom zu ***AZ-2***). Die Neufestsetzung der Einkünfte des Beschwerdeführers war Ausfluss der umfassenden Ermittlungen der Lohnsteuerprüfung und der Steuerfahndung zum System "***B***" bzw. zum System "***H-GmbH***".

3.1. Das System beruhte auf drei bis vier verschiedenen Vergabeebenen (Anklageschrift gegen ***RB*** und ***MB*** vom zu ***AZ-1***, S. 17 ff; Anklageschrift gegen ***SB*** vom zu ***AZ-2***, S. 11 ff):

3.1.1. Auf der oberen Ebene befand sich ein seriöser Generalunternehmer, der einen großen Auftrag erhielt, typischerweise handelte es sich um einen Großkonzern (A-Firma). Dieses Unternehmen gab den Auftrag oder Teile davon an einen ersten Subunternehmer (B-Firma) weiter. Solche B-Firmen wurden bewusst "sauber" gehalten, das heißt, entsprechende Abgaben wurden geleistet, die Aufträge wurden zufriedenstellend erfüllt, um auch künftig entsprechende Aufträge zu erhalten.

3.1.2. Die B-Firmen bedienten sich sogenannter C-Firmen (dritte Ebene) in Form von reinen Anmeldefirmen oder D-Firmen (vierte Ebene), die ohne im Geschäftsverkehr tätig zu sein, Schein- und Deckungsrechnungen für die B-Firmen ausstellten. Die von diesen Gesellschaften geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge, Abgaben und BUAG-Zuschläge wurden nicht oder nicht vollständig entrichtet, welcher Umstand von Anfang an beabsichtigt war. Die Lebensdauer der C- oder D-Firmen war äußerst begrenzt, wobei bei einem "Ausfall" (Konkurs) der betreffenden Firma in der Regel schon neue "Anmeldefirmen" zur Verfügung standen, auf deren Beitragskonto Dienstnehmergemeldet bzw. laufend umgemeldet wurden. Tatsächlich standen die C-Firmen und die D-Firmen im Einflussbereich der Geschäftsführer der B-Firmen.

3.1.3. Die Anmeldung von Dienstnehmern zur Sozialversicherung war das zentrale Charakteristikum des Sozialbetrugs mittels Anmeldefirmen. Üblicherweise kam es zu einem bestimmten Zeitpunkt zum ruckartigen Anstieg der Dienstnehmer-Anmeldungen bei C-Firmen bei den jeweiligen Sozialversicherungsträgern. Durch die Anmeldung zur Sozialversicherung erlangten die gemeldeten Personen umfassenden Versicherungsschutz. Die faktischen Machthaber der Anmeldefirmen gründeten über Auftrag der Mitglieder der Familie ***B*** über einen Scheingeschäftsführer ein Unternehmen (C-Firma). Auf Veranlassung von Mitgliedern der Familie ***B***, welche wöchentlich entsprechende Listen mit den zum Schein an- und abzumeldenden Arbeitern übergaben, erfolgte die Anmeldung zur Sozialversicherung. Es wurden jedoch von Anfang an keine oder zu niedrige Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Kontrollen durch das Finanzamt führten zu keinerlei Auffälligkeiten, da sämtliche Personen bei der Sozialversicherung gemeldet waren und noch keine Rückstände an Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträgen, bedingt durch die kurze Lebensdauer der Firmen, auf den Abgabenkonten ersichtlich waren.

3.1.4. Für den tatsächlichen Dienstgeber waren solche Auslagerungen wesentlich günstiger als die anfallenden Lohn- und Sozialabgaben. Die an die ausgelagerten Dienstnehmerdurch den tatsächlichen Dienstgeber bezahlten Löhne wurden teilweise durch Eingangsrechnungen, denen keine Leistungen gegenüberstanden, buchhalterisch abgedeckt bzw. wurde somit der anfallende Gewinn aus dem Gesellschaftsvermögen abgeschöpft bzw. verschleiert. Die faktischen Machthaber der Anmeldefirmen (C-Firmen) erhielten pro angemeldetem Arbeitnehmer einen Beitrag zwischen € 250 und € 450 (im Regelfall € 350) im Monat ausbezahlt (Anklageschrift gegen ***RB*** und ***MB*** vom zu ***AZ-1***, S. 20).

3.1.5. Bei der ***B-KG*** handelte es sich um eine B-Firma. Die ***B-KG*** mit dem Geschäftsgegenstand "Eisenverleger" und dem Sitz in Zirl wurde mit Gesellschaftsvertrag vom von ***RB*** als unbeschränkt haftendem Gesellschafter gegründet. Als Kommanditist schien zunächst ***BeB*** auf. In den Jahren 2004 bis 2010 war ***RB*** der faktische Machthaber dieser Gesellschaft, die zunächst bis Anfang 2009 operativ tätig war. In den Jahren 2009 und 2010 war die Tätigkeit der ***B-KG*** weitestgehend eingestellt, im Februar 2011 nahm sie ihre Tätigkeit, nun unter der faktischen Geschäftsführung von ***BB***, wieder auf. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom wurde über die ***B-KG*** der Konkurs eröffnet. ***RB*** setzte seine Tätigkeit ab 2009 mit der im Jahr 2007 gegründeten ***B-GmbH*** fort. Ab dem Jahr 2006 wurden Dienstnehmer der ***B-KG*** auf C-Firmen angemeldet. Tatsächlich waren diese Dienstnehmer nicht für die C-Firmen, wo sie zum Schein angemeldet waren, tätig, sondern erfolgte die Beschäftigung für auf eigene Rechnung tätige, ***RB*** zuzurechnende Arbeiterpartien bzw. letztlich für die von ihm beherrschte B-Firma ***B-KG*** (Anklageschrift gegen ***RB*** und ***MB*** vom zu ***AZ-1***, S. 89 ff).

3.2. Ein ähnliches System wurde von ***SB*** in Vorarlberg (Feldkirch) etabliert (Anklageschrift gegen ***SB*** vom zu ***AZ-2***, S. 11 ff):

3.2.1. Die ***H-GmbH*** wurde mit Gesellschaftsvertrag vom von ***RS*** und ***CH*** gegründet und mit dem Geschäftszweig Eisenverlegearbeiten in das Firmenbuch beim Landesgericht Feldkirch eingetragen. Bei ***RS*** handelte es sich um die Ehefrau von ***SB***, der seit Anfang des Jahres 2006 faktischer Machthaber der ***H-GmbH*** war. Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet (Anklageschrift gegen ***SB*** vom zu ***AZ-1***, S. 20).

3.2.2. Um die offiziellen Personalkosten gering zu halten und konkurrenzlos günstig anbieten zu können, wurden von ***SB*** zwei Vorgangsweisen perfektioniert. Einerseits wurden Dienstnehmer direkt bei der Firma ***H-GmbH*** zur Sozialversicherung angemeldet, allerdings erfolgte die Anmeldung mit einer unrichtigen, weil viel zu geringen Bemessungsgrundlage. Andererseits hat sich auch ***SB*** bzw. die ***H-GmbH*** (wie diverse ***B***-Firmen, die vorwiegend in Tirol tätig waren) mehrerer C-Firmen in Form von Anmelde- bzw. Scheinfirmen bedient. Als C-Firmen für die ***H-GmbH*** fungierten unter anderem die ***O-GmbH***, ***PDA*** e.U. sowie das Einzelunternehmen ***RM***. Faktischer Machthaber bzw. Ansprechpartner war jeweils ***SH*** (Beschuldigtenvernehmung ***RB***, LPD-Tirol, S. 6; Anklageschrift ***RB*** und ***MB***, S. 22; Anklageschrift gegen ***SB*** vom zu ***AZ-2***, S. 4; Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-4***, S. 4 f). Die Lohnzahlungen erfolgten über Veranlassung durch ***SB*** und stets in Form von Barzahlungen. Die entsprechenden Stundenaufzeichnungen wurden nach den baren "schwarzen" Auszahlungen vernichtet (Anklageschrift gegen ***SB*** vom zu ***AZ-2***, S. 17 ff).

3.3. Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-2***, wurden ***RB*** (als Verantwortlicher der ***B-KG*** sowie der ***B-GmbH***) und ***MB*** (als Verantwortlicher der ***B-GmbH***) unter anderem wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges, des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit, des Verbrechens der betrügerischen Krida, des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. ***RB*** und ***MB*** waren voll geständig (Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-2***, S. 17).

3.4. ***BuB*** wurde als Mittäter des ***RB*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges, des Vergehens des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit, des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida verurteilt. ***BuB*** hat unter anderem ***SH*** dazu bestimmt, namens der Scheinfirmen ***O-GmbH***, ***PDA*** sowie der Einzelfirma ***RM*** zum Schein beim berechtigten Sozialversicherungsträger anzumelden. ***BuB*** legte ein umfassendes Geständnis ab (Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-3***).

3.5. ***DM***, ein Mittäter von ***BuB***, wurde wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges, des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit sowie des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen verurteilt. ***DM*** war geständig (Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-3***).

3.6. ***SB*** wurde mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-4***, wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betruges, des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit, des Verbrechens der betrügerischen Anmeldung zur Sozialversicherung und des Verbrechens der betrügerischen Krida zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. ***SB*** hat sich im Verfahren umfassend schuldig bekannt (Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-4***, S. 11).

3.7. Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-5***, wurden ***RB***, ***MB***, ***BB***, ***BeB*** und ***SB-U***, ***JD***, ***DB*** und ***IG*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung zu Geldstrafen zwischen € 660.000 und € 100.000 bzw. Ersatzfreiheitstrafen zwischen 22 Monaten und 5 Monaten verurteilt. Die genannten Personen haben sich auch im Finanzstrafverfahren umfassend objektiv und subjektiv schuldig bekannt und die ihnen zur Last gelegten Taten zugestanden (Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , ***Hv-5***, S. 25).

3.8. Folgenden Aussagen sind in den angesprochenen Strafverfahren von den Beschuldigten protokolliert worden:

3.8.1. ***RB*** hat anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Landespolizeidirektion Tirol zur Entlohnung der bei den Anmeldefirmen (C-Firmen) gemeldeten Dienstnehmer Folgendes ausgesagt (Beschuldigtenvernehmung ***RB*** vom , Landespolizeidirektion Tirol, ***GZ-1***, S. 7 f):

"Jeder dieser Dienstnehmer wusste von Anfang an, dass er nicht bei mir gemeldet wird, sondern bei einer der angeführten Anmeldefirmen. Nur so war es auch möglich, dass ich ihnen einen Stundenlohn von mindestens € 13.-, meistens € 15.-, bis sogar € 17.- bar auf die Hand bezahlt habe. Da war kein einziger Arbeiter, der im Monat unter € 3.000.- bar auf die Hand nach Hause gegangen ist."

"Alle zwei Wochen erfolgte die Auszahlung. Meist durch mich, fallweise durch [...] in meinem Auftrag. Mitte des Monats wurde ein Vorschuss ausbezahlt. Am Monatsende habe ich anhand der vorgelegten Stundenzettel die Abrechnungen gemacht. Es wurden die geleisteten Stunden mit dem vereinbarten Stundenlohn multipliziert, der Vorschuss in Abzug gebracht und der Restbetrag bar ausbezahlt. Die Aufzeichnungen wurden meistens zerrissen und nach Auszahlung von mir weggeworfen. Ein Teil der Aufzeichnungen wurde von der Steuerfahndung bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2011 sichergestellt."

3.8.2. ***MB*** hat anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Landespolizeidirektion Tirol zur Entlohnung der Bauarbeiter folgende Aussage getätigt (Beschuldigtenvernehmung ***MB*** vom , Landespolizeidirektion Tirol, ***GZ-1***, S. 8):

"Es hat vermutlich keinen einzigen Arbeiter gegeben, der im Monat unter € 3.000,- bar auf die Hand bekommen hat. Angemeldet waren sie in den jeweiligen Anmeldefirmen im Kollektiv, teils sogar als geringfügig. Diese geringfügigen Anmeldungen wurden von den jeweiligen Arbeitern gefordert, denn so hatten sie die Möglichkeit auch noch AMS zu kassieren.

Ich möchte ausdrücklich anführen, dass dies eine Forderung der Arbeiter war, ansonsten hätten sie nicht für uns gearbeitet.

Auch möchte ich ausdrücklich anführen, dass uns die Arbeitnehmer richtiggehend "erpresst" haben, dass sie auf diese Anmeldefirmen angemeldet werden und dass sie einen entsprechenden Stundenlohn, der weit über dem Kollektiv lag, bekommen.

Es gibt keinen einzigen Arbeiter, der nicht gewusst hat, dass er bei einer Anmelde- bzw. Scheinfirma angemeldet wurde. Wenn die Arbeiter dies in ihren Vernehmungen teilweise ausgesagt haben, so lügen sie."

3.8.3. ***SH*** hat anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Landespolizeidirektion Tirol zum System ***B*** ausgesagt (3te Beschuldigtenvernehmung ***SH*** vom , Landespolizeidirektion Tirol, ***GZ-1***, S. 5):

"Sinn der Anmeldefirmen war es den Markt mit unschlagbaren Preisen zu übernehmen und die Personalkosten durch das Nichtzahlen der Krankenkasse, des Finanzamtes, der BUAK also aller regulären Abgaben in weiterer Folge als Gewinn in die Tasche einzustreichen. Die Arbeiter wurden von ***RB*** und Sead schwarz ausbezahlt und erhielten dadurch logischerweise mehr Gehalt als normal, nämlich zwischen 15,- und 17,- Euro pro Stunde bar auf die Hand, Vorarbeiter ca. 19,- Euro. Die Arbeiter, die offiziell bei ***B*** oder ***H-GmbH*** gemeldet sind, erhalten auch die Überstunden und etwas "extra" schwarz. Offiziell sind diese Arbeiter aber nach dem Kollektivvertrag gemeldet und es werden auch die entsprechenden Abgaben entrichtet."

3.8.4. ***SH*** hat anlässlich der Beschuldigtenvernehmung durch den Staatsanwalt am ausgesagt (Ergänzende Beschuldigtenvernehmung vom , StA/Gericht ***St-2***, S. 4):

"Zum System befragt gebe ich an, dass ein Arbeiter bei ***RB***, ***BeB*** oder ***BB*** vorstellig wurde, um für deren Firmen zu arbeiten. Die Arbeiter wussten ja, dass die ***B*** über viel Geld verfügen und gut bezahlen. Diesen Arbeitern wurde dann erklärt, dass sie entweder für die Firma ***B*** "offiziell" per Kollektivvertrag als Eisenbiegerarbeiten können und auch nach Kollektivvertrag entlohnt werden, oder aber dass sie bei einer anderen Firma angemeldet werden. […] Den Arbeitern wurde ferner erläutert, dass sie diesfalls, wenn sie sich also für eine andere Firma anmelden lassen, den Lohn brutto für netto erhalten und dieser schwarz in bar ausbezahlt wird. Auf diese Art und Weise hat ein Hilfsarbeiter als Eisenbieger pro Stunde € 13,- schwarz in bar ausbezahlt erhalten."

3.8.5. ***BB*** hat anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Landespolizeidirektion Tirol ausgesagt (Beschuldigtenvernehmung ***BB*** vom , Landespolizeidirektion Tirol, ***GZ-1***, S. 5 ff):

"Es ist richtig, dass ich im Jahr 2009 einige Dienstnehmer […] auf Scheinfirmen angemeldet habe. Ich kannte den ***SH*** schon seit einiger Zeit. Er war Stammgast im Cafe Deluxe in der Amraserstraße in Innsbruck, das mein Bruder ***BeB*** geführt hat. Ich wusste, dass ***SH*** über Firmen verfügt, wo er Dienstnehmer zum Schein anmelden kann."

[…]

Ich kann anhand der Liste folgende Scheinfirmen zuordnen:

***SH***: […] ***O-GmbH***, ***PDA***, ***IF***, ***RM***, …"

[…]

"Ich habe dem ***IG***, ***DM*** und ***SH*** monatlich eine Liste mit den anzumeldenden Dienstnehmern gegeben und habe die vereinbarte Gebühr iHv € 300,- bezahlt. Die an- und Abmeldungen haben dann die drei veranlasst. Ich habe erst im Nachhinein gewusst, auf welche Scheinfirma die Anmeldungen laufen. Das war mir aber auch egal, Hauptsache eine Scheinfirma."

[…]

"Die bei den Scheinfirmen angemeldeten Dienstnehmer habe ich zweimal im Monat ausbezahlt. Zuerst haben sie einen Vorschuss erhalten und dann wurde der tatsächliche Lohn nach geleisteten Stunden ausbezahlt. Der Stundenlohn war zwischen € 12,- und € 15,- bar auf die Hand. Unterlagen zu diesen Lohnzahlungen gibt es nicht."

[…]

"Mir ist bekannt, dass ***SB*** immer wieder Leute bei Scheinfirmen angemeldet hat."

3.8.6. ***DM*** hat anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Landespolizeidirektion Tirol zur Entlohnung ausgesagt (Beschuldigtenvernehmung ***DB*** vom , Landespolizeidirektion Tirol, ***GZ-1***, S. 3):

"Ich habe in meinem Freundeskreis in Erfahrung gebracht, dass man mit den ***B*** gutes Geld verdienen kann. Dies war im Jahr 2009. Es war in Innsbruck bekannt, dass man bei den "Albanern" als Eisenbieger oder Zimmerer so € 3.000,- bis € 3.500,- im Monat verdienen kann.

Mit den "***B***" meine ich ***RB***, ***BeB*** und ***BB***. Das waren die ersten, die ich kennen gelernt habe. Die sind auch immer aufgefallen, da sie mit großen Autos unterwegs waren und den ganzen Tag im Kaffeehaus gesessen sind."

3.8.7. ***SB*** hat anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Steuerfahndung ausgesagt (Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung ***SB*** vom , Steuerfahndung für das Finanzamt Feldkirch, ***AZ-3***, S. 6 ff):

"Generell ist es so, dass die Arbeiter zum Kollektivlohn bei der Sozialversicherung angemeldet wurden. Die Arbeiter haben durchschnittlich im Monat ca. 200 bis 210 Stunden gearbeitet. Pro Stunde haben die Arbeiter netto zwischen € 13,- und € 15,- erhalten. Ganz egal, ob diese mehr oder weniger gemeldet waren. Dies heißt, dass die Hilfsarbeiter tatsächlich jeden Monat mindestens € 3.000,- und Vorarbeiter bis zu € 4.500,- ausbezahlt bekamen. Das System bei der Firma ***H-GmbH*** funktionierte folgendermaßen: Es wurde mit den Arbeitern vereinbart, dass der Stundenlohn zwischen € 13,- und € 15,- netto für die ersten 160 Stunden im Monat beträgt, die weiteren Stunden mit € 17,-/18,- vergütet. Alle Arbeitererhielten ihren Lohn zum Monatsersten. Am 15. des Monats erhielten sie einen Vorschuss zw. € 1.000,- und € 1.500,-, den Rest erhielten sie nach Vorliegen der geleisteten Monatsstunden am Anfang des Folgemonats. Die Vorarbeiter hatten natürlich einen entsprechend höheren Stunden-/Monatslohn. Bis zum Jahr 2008 hatte ich selbst als Arbeiter tatsächlich einen Monatslohn von ca. € 3.500,- netto. Alle Arbeiter haben gewusst, dass sie einen Teil ihres Lohnes schwarz erhalten haben.

Es ist richtig, dass ich Arbeiter teilweise bei Scheinfirmen zur Sozialversicherung anmelden habe lassen. Mir wird eine Liste vorgelegt, auf welcher Dienstnehmer mit deren Anmeldung bei sogenannten Scheinfirmen angeführt sind, welche der Fa. ***H-GmbH*** zugerechnet werde. Ich habe jene Dienstnehmer, welche tatsächlich für die Fa. ***H-GmbH*** gearbeitet haben, mit einem Haken markiert. Diese Arbeiter haben die Meldung über ***SH*** bzw. ***IG*** aktiv von mir gefordert, da sie mehr verdienen wollten. Bei welchen Firmen diese Arbeiter angemeldet wurden, war Sache von ***SH*** bzw. ***IG***. ***IG*** war für die Firma "***ZT***" verantwortlich, die restlichen Firmen waren im Verantwortungsbereich von ***SH***. Für die Anmeldung der Arbeiter wurde an ***SH*** und ***IG*** ein Betrag in der Höhe von € 350,- pro Person und Monat bezahlt. Die Arbeiter erhielten ihren Lohn von mir. Auch diese haben zw. € 3.500,- und 4.000,- netto pro Monat verdient. Diese Arbeiter wussten auch, dass sie bei Scheinfirmen gemeldet waren."

4. Der Beschwerdeführer hat von seinem tatsächlichen Arbeitgeber, der Firma ***H-GmbH***, mehr Lohn erhalten, als von den zum Schein vorgeschobenen Firmen ***O-GmbH***, ***PDA*** e.U., und dem Einzelunternehmen ***RM***. Der Lohn wurde bar ausbezahlt, Aufzeichnungen über die Lohnzahlungen und die geleistete Arbeit (Stundenaufzeichnungen) existieren nicht mehr. Der Beschwerdeführer hat für seine Arbeit lohnsteuerpflichtige Bezüge erhalten im geschätzten Ausmaß von:

  • Für seine Arbeit vom 19.01. bis zum bei der ***H-GmbH***: € 12.304,14.

  • Für seine Arbeit vom 30.04. bis zum bei der ***H-GmbH***: € 2.290,75.

  • Für seine Arbeit vom 26.05. bis zum bei der ***H-GmbH***: € 4.933,66

III. Beweiswürdigung

1. Die Feststellungen zum Arbeitgeber (Punkt II.1. und 2.) sind nach der Aktenlage erwiesen und unbestritten.

2. Die Feststellungen zum System "***B***" und "***H-GmbH***" basieren auf den unter Punkt II.3. angeführten Dokumenten (Vernehmungsprotokolle, Anklageschriften und Strafurteile). Die Tatsachen und Beweismittel wurden dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht zur Kenntnis gebracht, sie blieben unwidersprochen (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht vom ).

3. Strittig sind die Feststellungen zur Höhe der lohnsteuerpflichtigen Bezüge (Punkt II.4.). Sie wurden gemäß § 184 BAO geschätzt. Siehe dazu folgenden Punkt IV.

IV. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind.

2. Die Schätzungsberechtigung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (; ; ; , ; ; ; ). Die Schätzungsberechtigung setzt kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus (; ; ; ). Bei der Schätzung handelt es sich lediglich um eine Form der Ermittlung des Sachverhaltes. Sie kommt zur Anwendung, wenn die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht exakt ermittelt bzw. errechnet werden können. Schätzen ist ein Akt der Feststellung tatsächlicher Gegebenheiten und Verhältnisse, die trotz Bemühens der Behörde um Aufklärung nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermittelt werden können (; ). Ziel der Schätzung ist es, Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die den tatsächlichen Betriebsergebnissen möglichst nahekommen. Aber auch bei einigermaßen genauer Erforschung der tatsächlichen Verhältnisse haftet der Gewinnermittlung im Wege der Schätzung zwangsläufig eine gewisse Unsicherheit an, und es ist der Behörde aus diesem Grunde bei der Durchführung der Schätzung ein gewisser Spielraum eingeräumt (). Wer zur Schätzung begründeten Anlass gibt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit auch dann hinnehmen, wenn er sich im Bestreben der Verheimlichung eines abgabepflichtigen Sachverhaltes vor der Abgabenbehörde der Möglichkeit zu nachträglicher Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung mangels Beweisvorsorge selbst begeben hat ().

3. Im Beschwerdefall wurde von der Abgabenbehörde die Höhe der lohnsteuerpflichtigen Bezüge geschätzt. Die Schätzung ist für das Bundesfinanzgericht gerechtfertigt und nachvollziehbar. Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Im Beschwerdeschreiben vom bringt der Beschwerdeführer vor, er habe im Jahr 2009 und 2010 bei der ***H-GmbH*** gearbeitet und immer mit der Ansprechpartner ***SB***, dem eigentlichen Chef der ***H-GmbH*** zu tun gehabt. Er habe bei der ***H-GmbH*** monatlich € 1.700,00 bis € 1.900,00 verdient, je nachdem, wieviel Stunden er gearbeitet habe. Die Schätzung seines Nettoverdienstes mit € 3.000,00 sei vollkommen unrichtig und er weise diese Unterstellung klar zurück. Es sei dies eine Schutzbehauptung der Brüder ***B*** und von ***SH***. Diese behaupteten dies deshalb, da sie eine sehr große Menge an Geld in ihre Heimat (Kosovo) gebracht hätten. Um den Verbleib des Geldes zu rechtfertigen, hätten diese Herren erklärt, dass die Arbeiter es im Zuge hoher Lohnzahlungen erhalten hätten, was jedoch nicht stimme. Die Kalkulationen, die im Zuge der Ermittlungen gesammelt worden seien, seien aufgrund dieser Umstände zu erklären. Es entbehre jeglicher Lebenserfahrung, dass die Arbeiter € 3.000,00 im Monat verdient hätten, da ein solcher Verdienst in dieser Branche für einen Arbeiter nicht realistisch sei. Hätte er jemals so viel verdient, hätte er auch 2011 nicht den Arbeitgeber gewechselt. Im Vorlageantrag vom führt der Beschwerdeführer weiter aus, vollkommen unrichtig sei die Aussage des ***RB***, auf welche sich die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung beziehe, wonach jeder Arbeiter gewusst habe, nicht bei ***B***, sondern einer der "Anmeldefirmen" beschäftigt gewesen zu sein. Dies entspräche nicht der Wahrheit und er weise diese Aussage entschieden zurück. Er persönlich habe keinerlei Grund daran zu zweifeln, dass er bei der Firma ***RB***-Bau GmbH beschäftigt und dementsprechend gemeldet gewesen sei. Er weise erneut mit Nachdruck darauf hin, dass die Behauptung der Überzahlung "Brutto für Netto" eine reine Schutzbehauptung der gerichtlich verurteilten Brüder ***B*** sei, da diese wohl sehr große Mengen an Geld in ihre Heimat, den Kosovo, verbracht oder auch ausgegeben hätten. Um den Verbleib des Geldes zu rechtfertigen, sei von den ***B´s*** ausgesagt worden, dass die betroffenen Arbeiter diese Gelder im Zuge hoher Lohnzahlungen erhalten hätten, was jedoch nicht stimme. Die Kalkulationen, die im Zuge der Ermittlungen gesammelt worden seien, seien aufgrund dieser Umstände zu erklären. Es laufe gegenständlich darauf hinaus, dass die Arbeiter Steuern für jene Gelder zahlen müssten, welche die Brüder ***B*** verschleudert bzw. außer Landes verbracht hätten. Widersinnig sei die Unterstellung der Finanzprüfer auch insofern, als sich die Frage stelle, warum die ***B*** Akteure so "großzügig" hätten sein sollen und den Arbeitern einen so hohen Verdienst hätten bezahlen sollen, insbesondere in Anbetracht der durchschnittlichen Verdienstlage eines Arbeiters in der hiesigen Baubranche. Die Argumentation der Abgabenbehörde hinsichtlich der Aussagen von ***RB*** und anderer Beschuldigten bzw. Verurteilten sowie hinsichtlich der pauschalen Unterstellung von Schwarzgeldzahlungen sei für ihn nicht nachvollziehbar. Dies zumal die Abgabenbehörde in ihrer Begründung wiederholt Annahmen treffe und diese pauschal auf alle betroffenen Arbeiter anwende, ohne den Einzelfall zu betrachten. Außerdem sei die Begründung der Abgabenbehörde in sich widersprüchlich, da es zunächst heiße, im Rahmen einer GPLA-Prüfung "konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mindestens € 3.000,00 bar - Brutto für Netto" - erhalten hat" und in der Folge werde dieser Betrag auf die Aussage des ***RB*** gestützt. In Anbetracht dessen, dass im gesamten Verfahren in keinster Weise das Zustandekommen der Berechnung oder vielmehr der Schätzung des vorgeworfenen Monatsnettoverdienstes von € 3.000,00 durch die Abgabenbehörde dargelegt worden sei und dieser Betrag bei jedem einzelnen der betroffenen ***B***-Arbeiter - unabhängig von der Qualifikation - pauschal herangezogen bzw. unterstellt worden sei, erscheine die Vorgehensweise der Abgabenbehörde unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mehr als zweifelhaft. Er beantrage daher die Berücksichtigung der von ihm vorgebrachten Umstände und die Prüfung der Grundlage der Verdienstschätzung.

3.2. Die Abgabenbehörde hat in der Begründung zu den angefochtenen Bescheiden (oben Punkt I.1.) zur Höhe der zugeschätzten Lohneinkünfte ausgeführt, es sei erwiesen, dass der Abgabepflichtige mindestens € 3.000,00 netto pro Monat verdient habe. Dies decke sich auch weitestgehend mit der Kalkulation der Unterlagen, die im Zuge der Ermittlungen gesammelt worden seien. In der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung (oben Punkt I.3.) rechtfertigt die Abgabenbehörde ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe € 3.000,00 pro Monat verdient, im Wesentlichen mit den Aussagen des ***RB***, des ***MB*** sowie des ***SB*** im Rahmen derer Beschuldigtenvernehmungen. Berechnet wurden die lohnsteuerpflichtigen Bezüge so, dass, ausgehend vom angenommenen monatlichen Mindestlohn von € 3.000,00 ein Tageslohn von € 100,00 (€ 3.000,00/30 Tage) angesetzt und davon noch Taggelder lt. Kollektivvertrag abgezogen wurden. Der sich daraus ergebende Betrag wurde mit der Anzahl der Tage vervielfacht, die der Beschwerdeführer bei den Scheinfirmen gemeldet war (Akt der Abgabenbehörde ON 19 und 20). Die Abgabenbehörde hat aus fragmentarischen Unterlagen, die bei Hausdurchsuchungen der Steuerfahndung gefunden bei ***RB*** wurden (Notizzettel von Dienstnehmern, auf denen die geleisteten Stunden im Monat notiert waren) und aus Regieberichten des Jahres 2010, die der Steuerfahndung von der Firma ***FT*** GmbH & Co KG übergeben wurden, eine durchschnittliche Leistung von 213,27 Stunden im Monat errechnet. Mit einem durchschnittlich angesetzten Stundenlohn von € 13,32 kalkulierte sie ein durchschnittliches Monatseinkommen von € 2.840,00. Damit sei der von der Abgabenbehörde angesetzte Monatslohn von € 3.000,00 plausibel (Akt der Abgabenbehörde ON 20).

3.3. Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht die Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Bezüge durch die Abgabenbehörde in den Zeiträume 19.01. bis , 30.04. bis sowie 26.05. bis zur Kenntnis gebracht, ebenso die kalkulatorische Verprobung der Abgabenbehörde bezüglich des angenommenen Monatslohns von € 3.000,00 als Ausgangsgröße für die Lohnschätzungen. Die Berechnung der sich aus den angefochtenen Bescheiden ergebenden Nachforderung an Einkommensteuer wurde ihm erklärt. Vorgehalten wurden dem Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht zudem die Aussage des ***RB*** vom anlässlich der Beschuldigtenvernehmung durch die Landespolizeidirektion Tirol (oben Punkt II.3.8.1.), die Aussage des ***MB*** vom anlässlich der Beschuldigtenvernehmung bei der Landespolizeidirektion Tirol (oben Punkt II.3.8.2.), die Aussage des ***SH*** vom anlässlich der Beschuldigtenvernehmung bei der Landespolizeidirektion Tirol (oben Punkt II.3.8.3.) und bei seiner ergänzenden Einvernahme am durch den Staatsanwalt (oben Punkt II.3.8.4.), die Aussage des ***BB*** vom anlässlich der Beschuldigtenvernehmung bei der Landespolizeidirektion Tirol (oben Punkt II.3.8.5.), die Aussage des ***DB*** vom anlässlich der Beschuldigtenvernehmung bei der Landespolizeidirektion Tirol (oben Punkt II.3.8.6.) und die Aussage des ***SB*** am anlässlich der Beschuldigtenvernehmung durch die Steuerfahndung für das Finanzamt Feldkirch (oben Punkt II.3.8.7.). Die im Kern gleichlautenden Aussagen dieser Personen zur Höhe der bar ausbezahlten Löhne, nämlich zwischen mindestens € 3.000,00 und € 4.500,00 im Monat bzw. € 13,00 bis € 17,00 pro Arbeitsstunde, wurden vom Beschwerdeführer bestritten. Dass er € 3.000,00 im Monat verdient habe, sei unmöglich. Dafür brauche er 300 Stunden pro Monat zum Arbeiten. Er habe € 10,00 pro Stunde bekommen. Das Geld habe er immer von ***SB*** bekommen. Er habe nie 200 Stunden oder mehr gearbeitet, 180 Stunden, maximal 190 Stunden. Lohnbestätigungen oder sonstige Aufzeichnungen zu den Barzahlungen und geleisteten Arbeitsstunden in den unter Punkt II.4. angeführten Zeiträumen gibt es nicht.

3.4. Da jegliche Aufzeichnungen über Arbeitszeiten und bar ausbezahlte Löhne in jenen Zeiträumen fehlen, in denen der Beschwerdeführer unstrittig für die ***H-GmbH*** tatsächlich gearbeitet hat (oben Punkt II.2.), war die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Abgabenbehörde gerechtfertigt. Dass sie sich dabei vor allem auf Aussagen der verurteilten Straftäter ***RB*** und ***SB***, dem faktischen Machthabern der ***H-GmbH*** (Arbeitgeber des Beschwerdeführers), stützt, ist nicht zu beanstanden. Sie haben übereinstimmend mit anderen verurteilten Straftätern bzw. Beschuldigten in Strafverfahren ausgesagt, dass keinem Arbeitnehmer weniger als € 3.000,00 für seine monatliche Arbeitsleistung ausbezahlt wurde (oben Punkt II.3.8.). Die Abgabenbehörde hat von der Ausgangsgröße € 3.000,00 noch rund € 350,00 für Taggelder abgezogen und somit nur einen monatlichen Betrag von rund € 2.650,00 bei der Ermittlung der strittigen Lohnsteuerbemessungsgrundlagen steuerpflichtig berücksichtigt. Die ergänzend herangezogene Kalkulation der Abgabenbehörde aus den beschlagnahmten Unterlagen bestätigt die Angemessenheit der Vorgangsweise. Dem Beschwerdeführer ist es im Verfahren nicht gelungen, substantielle Einwendungen gegen das Schätzungsergebnis vorzubringen. Alleine die Behauptung, nicht mehr als € 1.700 bis € 1.900,00 netto monatlich verdient zu haben, vermag eine Unschlüssigkeit der Schätzung nicht aufzuzeigen. Auch der Vorwurf, dass sich die Abgabenbehörde auf Aussagen von verurteilten Straftätern bzw. von Beschuldigten in Strafverfahren stützt, ist nicht gerechtfertigt. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Beschuldigten oder Verurteilten bei ihren Vernehmungen und Geständnissen durch Angabe von überhöhten Schwarzlohnzahlungen selbst belasteten.

3.5. Nachdem vom Bundesfinanzgericht die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Abgabenbehörde schlüssig und nicht zu beanstanden war, war die Bescheidbeschwerde gegen die angefochtenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

3.6. Nach Maßgabe des § 205 BAO werden für den Zeitraum zwischen dem 1. Oktober des auf das Entstehen des Abgabenanspruchs folgenden Jahres und der Bekanntgabe des Abgabenbescheids Anspruchszinsen (Nachforderungszinsen oder Gutschriftzinsen) festgesetzt. Anspruchszinsen sind zur festgesetzten Abgabe(Einkommensteuer) formell akzessorisch. Sie sind insoweit von der festgesetzten Abgabe zu berechnen, als ihre Bemessungsgrundlage von der Höhe der festgesetzten Abgabe abhängt. Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist selbständig anfechtbar. Im Hinblick auf die Bindungswirkung kann jedoch eine Anfechtung mit der Begründung, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig, von vornherein nicht zum Erfolg führen. Ändert sich die Bemessungsgrundlage von Anspruchszinsen mit der Höhe der festgesetzten Abgabe, bietet eine verfahrensrechtliche Handhabe zur Anpassung der Anspruchszinsenfestsetzung § 295 Abs. 3 BAO (; ). Die Bescheidbeschwerde erweist sich in diesem Punkt daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen als nicht gerechtfertigt.

V. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Beschwerdefall hat Sachverhaltsfragen zum Gegenstand, nämlich die Schätzung von Besteuerungsgrundlage. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich dabei nicht. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100949.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at