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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2019, RV/7102965/2017

Res iudicata bei neuerlichem Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den gleichen Zeitraum

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Dr. Michael Velik, Florianigasse 1/6, 1080 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom , vertreten durch ADir. M, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2014 bis September 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom einen Antrag des Beschwerdeführers (Bf.) vom auf Gewährung von Familienbeihilfe "ab Aug. 2014" mit der Begründung ab, subsidiär Schutzberechtigten würde nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf Leistung aus der Grundversorgung hätten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Bf. stellte am neuerlich einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab April 2014, den das Finanzamt mit Bescheid vom für den Zeitraum August 2014 bis September 2015 zurückwies; über obigen Zeitraum sei bereits mit Bescheid vom rechtskräftig entschieden worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am folgende Beschwerde:

"Hiermit erhebe ich binnen offener Frist gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom , mit welchem mein Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2014 bis September 2015 zurückgewiesen wurde, nachfolgende

BESCHWERDE

und stelle den

ANTRAG

den gegenständlichen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und für neuerliche Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. (...)

Die Behörde begründet den zurückweisenden Bescheid damit, dass bereits mit Bescheid vom über diesen Zeitraum rechtskräftig entschieden wurde.

Diese Rechtsauffassung der belangten Behörde ist rechtsirrig. Nach Rechtsprechung des UFS (GZ RV/0185-G/03 vom ) liegt eine entschiedene Sache vor, wenn weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Dabei führt nicht jede noch so geringfügige Änderung des Sachverhaltes zu einer "anderen Sache", sondern nur das Eintreten oder Behaupten von wesentlichen Änderungen (). Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium "res iudicata" ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in seinerzeitigen, rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat ( Zl. 2426/79). Haben sich also die bei der Bescheiderlassung bestandenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse der Sachlage geändert, so kann (wirksam) neuerlich ein Antrag gesteht werden, worüber sachlich zu entscheiden ist.

Die Magistratsabteilung 35 des Amtes der Wiener Landesregierung hat am , somit nach Rechtskraft des Bescheides vom , für die Gattin sowie die Kinder eine Anmeldebescheinigung ausgestellt. (...)

Aus diesen Gründen hätte die belangte Behörde den Antrag des BF, anstatt zurückzuweisen, einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen und in Stattgebung seines Antrages Familienbeihilfe gewähren müssen."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung ab:

"Die bei der Bescheiderlassung bestandenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse der Sachlage haben sich für Sie, als Antragsteller, nicht geändert. Die Tatsache, dass Ihre Gattin nach der Rechtskraft des Abweisungsbescheides vom ihre EWR - Anmeldebescheinigung erhalten hat, ändert nichts an Ihrer eigenen Sachlage."

Der dagegen gerichtete Vorlageantrag vom geht nicht näher auf das Thema der entschiedenen Sache ein, sondern bringt materielle Argumente vor und rügt die Verletzung der Manuduktionspflicht. Weiters wird hierin in eventu ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Rechtssache der bisherig zuständigen Richterin gem. § 9 Abs. 9 BFGG abgenommen und dem nunmehr ausgewiesenen Richter übertragen.

In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:

"Rechtsvertreter: Ich vertrete nach wie vor die Ansicht, dass keine entschiedene Sache vorliegt. Neben den bereits in der Beschwerde sowie im Vorlageantrag angeführten Argumenten bringe ich weiters vor, dass die Familie des Beschwerdeführers und er selbst bereits im Streitzeitraum nach Österreich übersiedelt ist und damit eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes vorliegt.

Aus dem Vorlageantrag ist ersichtlich, dass die Einreise im Juli 2014 erfolgt ist; ob dieser Zeitpunkt tatsächlich zutreffend ist, könnte noch eruiert werden. Ich möchte weiters darauf hinweisen, dass - wie schon aus der Beschwerde hervorgeht - der dem Bescheid vom zugrunde liegende Sachverhalt ein völlig anderer ist. In diesem Bescheid wurde nämlich keineswegs darauf Bezug genommen, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer sowie seine Familie nach Österreich übersiedelt ist. Es wird vielmehr von dem falschen Sachverhalt ausgegangen, dass der Beschwerdeführer subsidiär Schutzberechtigter war.

Amtsvertreter: Es mag sein, dass der Bescheid vom eine unzureichende Begründung aufgewiesen hat. Thema des Verfahrens ist allerdings, ob einer neuerlichen Entscheidung das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen steht. Dies war nach Ansicht des Finanzamtes der Fall; auch im neuerlichen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe vom führt der Beschwerdeführer ausdrücklich an, dass er im Juli 2014 nach Österreich eingereist ist, konkret am . Auch hieraus ergibt sich daher kein gegenüber dem Bescheid vom abweichender Sachverhalt. Auch der Abweisungsbescheid vom , der über Zeiträume vor der Einreise abspricht, nämlich April 2014 bis Juli 2014, bezieht sich gerade auf diesen Umstand der Einreise im Juli 2014.

Rechtsvertreter: Dem angefochtenen Zurückweisungsbescheid ist nicht zu entnehmen, weshalb eine entschiedene Sache vorliegen soll. Die Begründung fehlt diesem Bescheid de facto zur Gänze. Es wird nochmals darauf verwiesen, dass schon der Bescheid vom eine völlig unzureichende Begründung aufweist und insbesondere nicht darauf eingeht, dass der Grund für die Gewährung von Familienbeihilfe die Einreise des Beschwerdeführers sowie dessen Familie nach Österreich sein müsste. Es wird auf die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom verwiesen, wo bereits ausgeführt wird, dass der einzige Grund für die Abweisung des Antrages laut Bescheid vom der Umstand war, dass der Bf. subsidiär schutzberechtigt gewesen sei, was aber eindeutig unzutreffend ist. Dieser Sachverhalt liegt allerdings sowohl dem Abweisungsbescheid vom sowie dem Zurückweisungsbescheid vom zugrunde.

Daraus folgt, dass die Zurückweisung wegen entschiedener Sache gesetzwidrig und zu Unrecht erfolgt ist, da der tatsächlich vorliegende Sachverhalt ein völlig anderer ist, als der, der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt wurde. Dieser Sachverhalt hätte ausdrücklich auch schon dem Bescheid vom zugrunde gelegt werden müssen.

Amtsvertreter: Es wurde bereits alles Entscheidungswesentliche in der heutigen Verhandlung gesagt. Ich verweise auf meinen Vorlagebericht."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist unstrittig; der Bescheid vom , mit dem der Antrag des Bf. vom auf Gewährung von Familienbeihilfe "ab Aug. 2014" abgewiesen wurde, ist in Rechtskraft erwachsen. Strittig ist, ob dem am gestellten neuerlichen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für denselben Zeitraum das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen steht.

2. Rechtsgrundlagen

§ 13 FLAG 1967 in der für das Beschwerdeverfahren relevanten Fassung lautet:

"Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen."

Das Finanzamt hat mit Bescheid vom den Antrag des Bf. auf Gewährung von Familienbeihilfe "ab Aug. 2014" abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Formelle Rechtskraft bedeutet, dass ein Bescheid durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (z.B. , 0275). Materielle Rechtskraft bedeutet Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (sh. Ritz, BAO6, § 92 Rz 5).

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt wird. Abgesehen von der Identität des Begehrens und der Partei (Parteien) muss Identität des anspruchserzeugenden Sachverhaltes gegeben sein, damit das Verfahrenshindernis der res iudicata vorliegt (, unter Hinweis auf Stoll, Bundesabgabenordnung, 944, Rz 1514 und 1515).

Die Rechtskraftwirkung (und damit das Wiederholungsverbot) bezieht sich auf den Gegenstand des Bescheidspruches (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, 944), also hier auf den Abspruch über die Familienbeihilfe ab August 2014.

Solange der Abweisungsbescheid ab August 2014 vom dem Rechtsbestand angehört, darf kein neuerlicher Bescheid für denselben Zeitraum gemäß § 13 FLAG 1967 erlassen oder eine Auszahlung gemäß § 11 FLAG 1967 vorgenommen werden. Diesbezüglich liegt entschiedene Sache vor (vgl. ; ).

Über eine bereits entschiedene Sache darf grundsätzlich nicht nochmals ein Bescheid ergehen; sh auch :

"Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, ist "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinn des § 289 BAO die Angelegenheit, die den Inhalt des mit Berufung bekämpften Bescheides gebildet hat (vgl die Nachweise bei Ritz, BAO4, § 289 BAO Rz 38, bzw ders, BAO5, § 279 BAO Rz 10, sowie etwa 2009/13/0083, oder vom , 2010/16/0206), bzw liegt Identität der Sache vor, wenn ein neuerlicher Antrag oder eine Abgabenvorschreibung sich auf die gleiche Sache beziehen, die bereits durch einen Bescheid der Abgabenbehörde erledigt wurde (vgl 2006/16/0129; vgl auch § 281 Abs 1 BAO in der Fassung vor BGBl I Nr 14/2013, der die Möglichkeit der Aussetzung des Berufungsverfahrens regelte, wenn "wegen der gleichen oder einen ähnlichen Rechtsfrage" ein anderes Verfahren vor einer Behörde oder vor Gericht anhängig war; nunmehr im Wesentlichen inhaltsgleich § 271 Abs 1 BAO in der Fassung BGBl I Nr 14/2013)."

Soweit sich der neuerliche Antrag vom auf Zeiträume bezieht, über die bereits rechtskräftig abgesprochen wurde, ist ein neuerlicher Antrag infolge entschiedener Sache nicht zulässig (vgl. etwa ; ; ).

Der Abweisungsbescheid vom hat den Antrag des Bf. auf Gewährung von Familienbeihilfe ab August 2014 abgewiesen. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (; ; ; ).

Im letztzitierten Erk () führt der Gerichtshof ferner aus:

"Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung somit jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich 2011/16/0065, und 2009/16/0121).

Auf den Beschwerdefall angewandt, ergibt sich aus dieser Judikatur, dass res iudicata zumindest ab August 2014 bis September 2015 (= Monat der Bescheiderlassung) vorliegt.

Im Geltungsbereich der Bundesabgabenordnung kann eine Änderung oder Aufhebung von rechtskräftigen Bescheiden nur nach Maßgabe der hierfür zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Instrumentarien (sh. insbes. §§ 293ff BAO) erfolgen.

Was den vom Rechtsvertreter gerügten Umstand anlangt, dass sowohl der Bescheid vom als auch der angefochtene Bescheid eine unzureichende Begründung aufweisen, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen auch Bescheide, denen die Begründung zur Gänze fehlt oder die eine unzureichende Begründung aufweisen, in Rechtskraft erwachsen, wenn sie nicht angefochten werden, und zum anderen darauf, dass eine mangelhafte Begründung im Rechtsmittelverfahren saniert werden kann.

Der Wiedereinsetzungsantrag gem. § 308 BAO sowie die Rechtsbelehrungspflicht des § 113 BAO sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Da der angefochtene Zurückweisungsbescheid nur über den Zeitraum August 2014 bis September 2015 abgesprochen hat, ist er daher nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet; die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen res iudicata vorliegt, durch die oben zitierte Judikatur des VwGH geklärt ist.

Wien, am

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