Wiederaufnahme des Verfahrens wegen verheimlichten Geldzahlungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Helmut Mittermayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Friedl Martin, Steuerberatungs- und Wirtschaftstreuhänder, Marktplatz 2, 4650 Lambach, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 bis 2009 und Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2005 bis 2009, Steuernummer Zahl, zu Recht erkannt:
Den Beschwerden betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 und 2006 wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Die Beschwerden betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2007 bis 2009 und Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2005 bis 2009 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Hinsichtlich des Verfahrensablaufes wird auf die Darstellung im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/5100749/2012 betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2010 und Einkommensteuer 2005 bis 2010 des Beschwerdeführers (im Folgenden abgekürzt: Bf) verwiesen.
In der Beschwerde (seinerzeit Berufung) vom brachte der Bf zur Begründung hinsichtlich der Wiederaufnahme der oben genannten Verfahren insbesondere Folgendes vor:
Alle Mittelzuflüsse aus der Ltd habe der Bf als Ausschüttungen erhalten, die er zum Teil weitergegeben habe. Jedenfalls handle es sich dabei weder um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (oder sonstige veranlagungspflichtige Einkünfte) noch um Entgelte im Sinne des Umsatzsteuergesetzes. Die Prüfer hätten den Sachverhalt mangelhaft ermittelt und sie wären von Beginn an von der Umsetzung ihrer Vorurteile getrieben, sodass alle angefochtenen Bescheide den Bf in seinem Recht auf Nichtwiederaufnahme der Besteuerungsverfahren und auf Steuerfreiheit der Mittelzuflüsse verletzen würden. Alle Einwendungen bringe der Bf in vollem Bewusstsein vor, dass ihn die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Sachverhaltsannahmen im Ergebnis begünstigten.
In einem ergänzenden Schreiben vom wiederholte der Bf seine Ansicht, dass er die Zahlungen der Ltd aus der "Administration Fee" als kapitalertragssteuerpflichtige Ausschüttung erhalten habe.
In einem weiteren ergänzenden Schreiben vom vertrat der Bf die Ansicht, die Wiederaufnahmebescheide stützten sich nur auf die Selbstanzeige der Ltd vom , das Protokoll vom über die Einvernahme des Zeugen X und die Bankauskunft vom der ***1*** Bank. Aus der Bescheidbegründung (Besprechungsprogramm vom , Niederschrift über die Vorbesprechung vom und Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom ) ließen sich keine anderen neu hervorgekommenen Unterlagen oder Beweismittel erkennen, die die Wiederaufnahme rechtfertigen könnten. Das Finanzamt habe sich nur auf die Ausgangsrechnungen der Gesellschaft gestützt, aus denen sich aber die im Bescheid behaupteten Wiederaufnahmegründe nicht erkennen ließen.
In der mündlichen Verhandlung am wiederholte der Vertreter des Bf im Wesentlichen seinen Standpunkt, dass keine neuen Tatsachen vorlägen die eine Wiederaufnahme rechtfertigen würden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Vom Finanzamt wurden die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2009 und die Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2009 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen (Bescheide vom ).
In den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden verwies das Finanzamt zur Begründung auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen von den bisherigen Bescheiden zu entnehmen. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Änderungen könnten auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.
Hinsichtlich des Inhaltes des Betriebsprüfungsberichtes und insbesondere des Inhaltes des Schlussbesprechungsprogrammes wird auf die Darstellung im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/5100749/2012 betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2010 und Einkommensteuer 2005 bis 2010 des Beschwerdeführers verwiesen.
Als Beispiele werden einige wesentliche Umstände und Tatsachen, die im Betriebsprüfungsbericht bzw. im Schlussbesprechungsprogrammes angeführt werden, und die neu hervorgekommen sind und zu ihm Spruch anderes lautenden Bescheiden geführt haben, dargestellt:
Der Umstand, dass der Bf alleiniger Gesellschafter der Ltd und der ***2*** ***3*** war.
Der Umstand, dass die Ltd eine in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist und ihre Tätigkeit in Österreich ausgeübt hat.
Die Tatsache, dass in den Rechnungen von AB, BC, CD und des Bf an die Ltd nicht der gesamte Leistungserlös aufgenommen wurde. Die Zahlung von Teilen der Leistungserlöse wurden durch Zwischenschaltung der Ltd und der ***2*** verheimlicht.
Die Tatsache, dass die Zahlungen von der Ltd, die AB, BC, CD und des Bf in ihren Steuererklärungen offengelegt hatten, nicht den tatsächlichen erhaltenen Beträgen entsprachen.
Die Tatsache, dass die verheimlichten Leistungserlöse an AB, BC, CD und des Bf von der Ltd als "Administration Fee" ausgewiesen wurde. Der Umstand, dass diese "Administration Fee" an die ***2*** (Domizilgesellschaft auf den Seychellen) ausgeschüttet wurde, dessen Director der Bf war. Die Gelder wurden über Konten in Zypern und in weiterer Folge über diverse österreichische Konten nach Österreich gebracht. Letztlich wurde die Leistungserlöse im Wege von Prepaid-Kreditkarten an AB, BC, CD und den Bf ausbezahlt.
Auf die ausführliche Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/5100749/2012 wird verwiesen.
Beweiswürdigung
Die Existenz der Ltd und der ***2*** ***3*** und dass der Bf Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaften war, ist erst bei der Betriebsprüfung bzw. durch die Selbstanzeige des Bf neu hervorgekommen und ist auch unbestritten.
Der Umstand, dass die Ltd eine in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist und ihre Tätigkeit in Österreich ausgeübt hat, ist erst bei der Betriebsprüfung bzw. durch die Selbstanzeige des Bf neu hervorgekommen und ist auch unbestritten.
Die Tatsache, dass in den Rechnungen von AB, BC, CD und des Bf an die Ltd nicht der gesamte Leistungserlös aufgenommen wurde, ist bei der Betriebsprüfung neu hervorgekommen. Insbesondere diese Tatsache führte in weiterer Folge dazu, dass die in den jeweiligen Einkommensteuererklärungen offen gelegten Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. erklärten Entgelte in den Umsatzsteuererklärungen sich als unrichtig herausstellten.
Von AB, BC und CD wurde letztlich die teilweise Verkürzung der Leistungserlöse in den Rechnungen, Einkommensteuer- sowie Umsatzsteuererklärungen in ihren jeweiligen Beschwerdeverfahren eingeräumt, sodass diese Beschwerdeverfahren im Rahmen eines § 300 BAO Verfahrens beendet werden konnten.
Die Tatsache, dass die Zahlungen von der Ltd, die AB, BC, CD und des Bf in ihren Steuererklärungen offengelegt hatten, nicht den tatsächlichen erhaltenen Beträgen entsprachen, ist bei der Betriebsprüfung neu hervorgekommen.
Die Tatsache, dass die verheimlichten Leistungserlöse an AB, BC, CD und des Bf von der Ltd als "Administration Fee" ausgewiesen wurde. Der Umstand, dass diese "Administration Fee" an die ***2*** (Domizilgesellschaft auf den Seychellen) ausgeschüttet wurde, dessen Director der Bf war. Die Gelder wurden über Konten in Zypern und in weiterer Folge über diverse österreichische Konten nach Österreich gebracht. Letztlich wurde die Leistungserlöse im Wege von Prepaid-Kreditkarten an AB, BC, CD und den Bf ausbezahlt. Dieser Sachverhalt hinsichtlich des Geldflusses ist bei der Betriebsprüfung bzw. durch die Selbstanzeige neu hervorgekommen und führte dazu, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei den Einkommensteuerbescheiden bzw. Umsätze bei der Umsatzsteuerbescheiden Änderungen erfahren haben, somit zu im Spruch anders lautenden Bescheiden geführt haben.
Zu den detaillierten Änderungen bei den Sachbescheiden wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/5100749/2012 verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt 1. und 2. (Abweisung bzw. Aufhebung)
Wiederaufnahme des Verfahrens.
§ 303 BAO in der für die angefochtenen Jahre geltenden Fassung lautet:
§ 303 Abs. 1 Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Abs. 2 Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Abs. 3 Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auch bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.
Abs. 4 Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Vom Bf wird gegen das Vorliegen von neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel im Wesentlichen nichts Substanzielles vorgebracht. Der wesentliche Einwand liegt darin, dass die ihm zugeflossenen Gelder, die bisher nicht versteuert wurden, als Ausschüttungen der Ltd zu werten seien und kapitalertragsteuerpflichtig wären. Jedoch würden die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel in keinem Fall zu Änderungen bei den Einkommensteuerbescheiden oder Umsatzsteuerbescheiden führen.
Wie oben im Sachverhalt dargestellt, verweisen die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide zur Begründung der Wiederaufnahme auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen von den bisherigen Bescheiden zu entnehmen.
Daraus gehen alle neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel hervor, die dazu führten, dass bei den Einkommensteuerbescheiden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in geänderter Höhe angesetzt wurden und bei den Umsatzsteuerbescheiden die Umsätze in geänderter Höhe angesetzt wurden.
Somit sind daher grundsätzlich bei allen angefochtenen Bescheiden Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im bisherigen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind.
Zur Frage, inwieweit die Kenntnis dieser neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu im Spruch anders lautenden Bescheiden geführt hat, wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes zu GZ RV/5100749/2012 verwiesen.
Diesem Erkenntnis ist zu entnehmen, dass hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 durch die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens keine im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt wurden.
Den Beschwerden hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2005 und 2006 war daher Folge zu geben und die Bescheide aufzuheben.
Hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 und der Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2009 führte die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbei.
Zur Ermessensübung wird auf die Ausführungen des Finanzamtes verwiesen.
Die Wiederaufnahme ist unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Änderungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.
Die Beschwerden hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2007 bis 2009 sowie hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2005 bis 2009 waren daher abzuweisen.
Zu Spruchpunkt 3. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die entscheidungswesentlichen Fragen (Neuhervorkommen neuer Tatsachen) lagen alle im Bereich der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung. Das Erkenntnis hing nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100747.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
GAAAC-26250