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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2020, RV/5100499/2018

Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***STB***, ***STB-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet, zu entnehmen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) bezog im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2015 neben Einkünften aus einer Vermietungsgemeinschaft solche aus nichtselbständiger Arbeit aus einer in Wien ausgeübten Tätigkeit.

2. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 machte er bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Werbungskosten aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 6.498,68 € geltend (1.836,00 € für Familienheimfahrten und 4.662,68 € an Kosten für eine Wohnung am Beschäftigungsort in Wien ab Juli 2015).

3. Im Einkommensteuerbescheid 2015 vom wurden nach Überprüfung durch das Finanzamt als Werbungskosten weder die Familienheimfahrten noch die sonstigen Kosten für doppelte Haushaltsführung anerkannt. Begründet wurde dies damit, dass keine Gründe nachgewiesen worden seien, die ein Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar gemacht hätten. Vor allem sei der Beschäftigungsort beider Partner im Kalenderjahr 2015 in Wien gewesen.

4. Dagegen erhob der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom Beschwerde und führte begründend zusammenfassend Folgendes aus:
Aus den Meldebestätigungen sei zu ersehen, dass der Hauptwohnsitz des Bf's und seiner Lebensgefährtin in ***OrtOÖ*** gewesen sei. Die Wohnung in Wien sei ab nur mehr eine reine Dienstwohnung gewesen, da der Bf seinen Lebensmittelpunkt wegen seiner Lebensgefährtin zu 100% in ***OrtOÖ*** gehabt habe und somit der Familienwohnsitz ab diesem Zeitpunkt in der ***StraßeOÖ*** gewesen sei. Es habe auch jede Zeit genützt werden müssen, um sich um das in ***OrtOÖ*** in Gründung befindliche Unternehmen zu kümmern.
Werde erstmals ein gemeinsamer Familienwohnsitz des Partners gegründet und der andere Partner müsse, weil er seine bisherige Erwerbstätigkeit beibehalte, auch seinen bisherigen Wohnsitz außerhalb der üblichen Entfernung vom neue Familienwohnsitz beibehalten, so seien seine durch die Beibehaltung erwachsenden Mehraufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig.

5. Über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes legte der Bf mit Schreiben seines steuerlichen Vertreters vom zusätzlich Unterlagen zur doppelten Haushaltsführung vor:
- Bestätigung des Dienstgebers, dass weder Firmenwagen noch Dienstwohnung zur Verfügung gestellt und keine Kostenersätze geleistet wurden;
- Dienstvertrag zwischen ***AG***, Wien, und ***BF***, BSc, Wien, ***StraßeWien***, vom ;
- Dienstzeugnis vom ;
- detaillierte Arbeitszeitnachweise 2015;
- Mietvertrag betreffend die Wohnung in Wien vom zwischen einer ***Vermieter*** und dem Bf (Student) sowie dessen Mutter als Mieter betreffend eine Wohnung in ***AdresseWien*** mit einer Größe von 61,70 m2.
- Mietzinsvorschreibung ab 3/2015;.
- Telefonabrechnungen ab Juli 2015 (adressiert an den Bf);
- Gasabrechnungen (adressiert an die Lebensgefährtin des Bf's)
Weiters legte der Bf auftragsgemäß Belege zu den beantragten Sonderausgaben und den Kapitaleinkünften bzw. zur Kapitalertragsteuer vor.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 vom Finanzamt abgeändert, indem die beantragten Sonderausgaben für Personenversicherungen mit der Begründung, dass ab abgeschlossene Erlebensversicherungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nur dann absetzbar seien, wenn eine auf Lebensdauer zahlbare Rente vereinbart wurde, gekürzt wurden (446,40 € anstatt 2.920,00 €). Weiters wurden die anrechenbare Kapitalertragsteuer, wie in der Vorhaltsbeantwortung vom beantragt, abgeändert (529,50 € anstatt 476,56 €) und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend dem Feststellungsbescheid 2015 vom betreffend die Miteigentümergemeinschaft "***BFGemeinschaft***." korrigiert (-2.714,19 € anstatt -2.630,11 €). Bezüglich des eigentlichen Beschwerdepunktes "Doppelte Haushaltsführung" wurde die Beschwerde vom Finanzamt abgewiesen; dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort bei Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort grundsätzlich nicht beruflich veranlasst sei. Der Bf und seine Lebensgefährtin hätten bereits ab Jänner 2013 einen gemeinsamen Wohnsitz in Wien gehabt, weshalb nicht von der erstmaligen Gründung eines Familienwohnsitzes ausgegangen werden könne. Auch die Lebensgefährtin habe in Wien ihren Dienstort gehabt.

7. Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter die Entscheidung über seine Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Begründend verwies er darauf, dass die Lebensgefährtin in Linz eine Ausbildung zur ***Beruf*** zwecks Aufnahme einer Tätigkeit in OÖ begonnen habe. Der Bf selbst habe Vorbereitungstätigkeiten für seine selbständige Tätigkeit zu erledigen gehabt, weshalb seine Anwesenheit dringend erforderlich gewesen sei.
Beantragt werde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat.

8. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.
Hingewiesen wurde darauf, dass der Bf vom bis Arbeitnehmer der ***AG*** AG mit Sitz in Wien gewesen sei. Seine Lebensgefährtin ***LG*** sei nach den vorliegenden Lohnzetteln zwischen und für die Fa. ***AG2*** mit Sitz in Wien tätig gewesen.
Der Bf sei nur vom bis in Wien und im Jahr 2015 dort nicht mehr gemeldet gewesen. Sowohl er und seine Partnerin hätten im Jahr 2015 aber ihren Beschäftigungsort in Wien gehabt. Es stehe außer Zweifel, dass der Bf und seine Partnerin zumindest von Jänner 2013 bis Februar 2014 einen gemeinsamen Familienwohnsitz gehabt hätten.
Es könne darin keine berufliche Veranlassung gesehen werden, dass der Bf seine bisherige Wohnung am Beschäftigungsort beibehalten und den "Familienwohnsitz" nach
***OrtOÖ*** verlegt habe. Eine berufliche Veranlassung liege nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort sei, weg verlege und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führe (VwGH-Verweise).

9.1. Mit Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Bf zu seiner Wohnsitzmeldung, zur Vorbereitungstätigkeit im Zusammenhang mit seinem zu gründenden Unternehmen und den hierfür notwendigen Anreisen aus Wien, zur nichtselbständigen Tätigkeit der Lebensgefährtin und zu deren Aufnahme einer Ausbildung in Oberösterreich ab 2015 sowie zur Beschaffenheit des Wohnsitzes im Elternhaus in ***OrtOÖ*** befragt.
9.2. In seiner fristgerechten Antwort vom nahm der Bf zum Ergänzungsersuchen ausführlich Stellung und legte umfangreiches Unterlagenmaterial bei:
Im Wesentlichen führte er aus, dass er seine nichtselbständige Tätigkeit in Wien schon nach Abschluss seines Studiums im Herbst 2013 (Beilage des Abschlusszeugnisses) ab aufgenommen habe (Beilage des Dienstvertrages). Der Hauptwohnsitz sei schon 2014 nach ***OrtOÖ*** verlegt worden. Die fehlende Nebenwohnsitzmeldung in Wien basiere auf einem Versehen.
Im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Unternehmensgründung wies er vor allem auf das Projekt "***X***", das er schon im Rahmen seiner Masterarbeit entworfen habe, hin. Dieser ***ProjektX*** sollte im Schulzentrum als Projekt "***Y***" verwirklicht werden. Bei Realisierung wäre umgehend ein Gewerbe angemeldet worden. Die Ausführung hätte ein ortsansässiger Holzbaumeister übernommen.
In diesem Zusammenhang wurden Skizzen des Projekts zur Präsentation bei den Direktoren des Schulzentrums und bei seinem Arbeitgeber zwecks Zustimmung zur Nebentätigkeit und Unterstützung sowie das Angebot des ***Holzbau*** ***HBB***, ***OrtOÖ*** vorgelegt.
Neben dem Projekt "***X***" habe er noch viele andere Projekte verfolgt, die jedoch weniger gut dokumentiert seien (beispielhaft legte er ein Konzept für ein weiteres Projekt vor).
Abgesehen davon, dass er seinen Lebensmittelpunkt ohnehin in ***OrtOÖ*** gehabt habe, sei seine dortige Anwesenheit für Zwecke der Unternehmensgründung regelmäßig notwendig gewesen, um seine Projekte zu betreiben. Außerdem sei die Übernahme des elterlichen ***Betriebes*** geplant gewesen, wo er mittlerweile Gesellschafter und Geschäftsführer sei.
Seine Lebensgefährtin, eine ausgebildete ***Beruf***, die ihren Lebensmittelpunkt ursprünglich ebenfalls in ***OrtOÖ*** gehabt habe, sei ihm, der in Wien studiert habe, nach Wien gefolgt, um dort mehr Zeit miteinander verbringen zu können. Anlässlich der Aufnahme einer Ausbildung zur ***Zusatzausbildung*** am (bis Mitte 2018 - Beilage der Studienerfolgsbestätigung) habe sie ihren Hauptwohnsitz wieder nach Oberösterreich verlegt. Sie sei bis in Wien nichtselbständig tätig und ab wegen ihrer Ausbildung in Bildungskarenz gewesen (Verweis auf beiliegendes Interimszeugnis der ***AG2***). Ihre Tätigkeit von Juni bis September 2015 habe sie möglichst geblockt absolviert und die Wohnung in Wien noch bei Bedarf genutzt. Ab sei diese nur noch von ihm genutzt worden. Der Lebensmittelpunkt sei bei beiden schon in ***OrtOÖ*** gelegen.
Zum Wohnsitz in ***OrtOÖ*** wurde angegeben, dass der Bf und seine Lebensgefährtin - abgesehen vom fehlenden eigenen Eingang - losgelöst vom Wohnungsverband der Eltern im ausgebauten Dachboden des Elternhauses gelebt hätten.
Zu den Anwesenheiten in
***OrtOÖ*** führte der Bf aus, dass er 2015 jedes Wochenende und, soweit es die Dienstzeiten erlaubt hätten, in ***OrtOÖ*** gewesen sei. Auch seine Lebensgefährtin sei bis zur Verlegung ihres Hauptwohnsitzes jedes Wochenende in ***OrtOÖ*** gewesen und habe sich regelmäßig um ihre Großmutter gekümmert.

10.1. Mit Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Bf noch konkreter zum Wohnsitz in ***OrtOÖ*** und den diesbezüglichen Aufwendungen befragt, außerdem zu den aus der unternehmerischen Tätigkeit erwarteten Einkünften und der Anzahl der betrieblich erforderlichen Reisen.
10.2. In seiner Antwort vom beschrieb der Bf die Räumlichkeiten im Elternhaus. Dem Paar seien im Dachboden zwei Räume zur alleinigen Nutzung mit einer kleinen Küchenzeile zur Verfügung gestanden. In einem anderen Teil des Gebäudes hätten ein improvisiertes Badezimmer mit Waschbecken und Duschkabine sowie ein WC zur Verfügung gestanden (insgesamte Größe cirka 60 m2). Einen Nachweis von Aufwendungen für diese Räumlichkeiten gebe es nicht. Miete sei von den Eltern nicht verlangt worden. An den Kosten für Strom und Wasser hätten er und seine Partnerin sich mit einem Pauschalbetrag beteiligt. Die Möbel seien entweder vorhanden gewesen oder von ihm in der Tischlerei selbst angefertigt worden.
Im Zusammenhang mit den 2015 verfolgten Projekten habe sich kein Auftrag ergeben. Auch das Projekt "
***X***" sei letztlich Ende 2016 an der Finanzierung gescheitert. Laut Angebot des ***Holzbau*** wäre dieses mit 69.200,00 € veranschlagt gewesen. Er selbst habe sich daraus ein Honorar von 5.000,00 € erwartet, aus den anderen 2015 in Bearbeitung genommenen Projekten in Summe 15.000,00 € bis 20.000,00 €.
Im Jahr 2015 sei er 30mal aus Wien nach
***OrtOÖ*** angereist, stets aus betrieblichen Gründen. Hin und wieder hätten aber auch private Festlichkeiten stattgefunden (Geburtstage, Feiern etc.). Er habe dies aber stets mit seiner Arbeit kombiniert.
Seiner Antwort legte der Bf ein ab geführtes Fahrtenbuch mit Angabe des jeweiligen Reisedatums, der Kilometerleistungen und -stände sowie der Zielorte bei.

11. Mit Schreiben vom wurden die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens beim Bundesfinanzgericht der belangten Behörde im Wege des Parteiengehörs mit der Bitte umd Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt.

11. Nach telefonischer Erörterung der Problematik des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens mit den Vertretern beider Parteien teilte die Vertreterin der belangten Behörde mit E-Mail vom mit, dass keine Einwände gegen den Vorschlag der erkennenden Richterin bestünden, Fahrtkosten für 20 Hin- und Rückfahrten zwischen Wien und ***OrtOÖ*** (3.654,60 €) als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb anzuerkennen.
Ebenso stimmte der steuerliche Vertreter des Bf's in seinem Schreiben vom dem Ansatz vorweggenommener Betriebsausgaben für 20 Hin- und Rückfahrten à 217 km in Höhe 3.654,60 € bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb anstatt der Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu. Gleichzeitig zog er seine Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf stammt aus ***OrtOÖ***/Oberösterreich und studierte Architektur in Wien. Noch während seines Studiums bezog er im Jänner 2013 mit seiner ebenfalls aus Oberösterreich stammenden Lebensgefährtin eine Mietwohnung in Wien (Größe 61,70 m2). Diese war ihm nach Wien gefolgt und hatte dort eine nichtselbständige Tätigkeit als ***Beruf*** aufgenommen, um mehr Zeit mit ihrem Partner verbringen zu können. Auch der Bf nahm nach Abschluss seines Studiums in November 2013 eine nichtselbständige Tätigkeit in Wien auf.
Im Oktober 2015 begann die Lebensgefährtin des Bf's mit einer Ausbildung zur Gebärdendolmetscherin in Linz. Bereits ab Sommer 2015 verrichtete sie ihre nichtselbständige Tätigkeit in Wien nach Möglichkeit geblockt und beendete diese mit Ende September 2015 völlig.
Im Jahr 2015 pendelte der Bf mit seinem PKW 30mal, dh cirka 2-3 mal pro Monat zwischen seinen Wohnsitzen in Wien und ***OrtOÖ***. Dort wohnte er während des Aufenthaltes in Oberösterreich mit seiner Lebensgefährtin im Haus seiner Eltern in ***OrtOÖ***, wo dem Paar im Dachboden zwei Aufenthaltsräume mit kleiner Küchenzeile und in einem anderen Gebäudeteil Badezimmer und WC zur Verfügung standen. Von den Eltern wurde keine Miete verlangt. Für die Bestreitung von Aufwendungen für den Wohnsitz in ***OrtOÖ*** gab es keine Nachweise.
Die Reisen nach ***OrtOÖ*** wurden vom Bf nicht nur für private Zwecke (Besuch von Eltern, Verwandten und Freunden, Familien-, Geburtstagsfeiern etc.), sondern großteils auch für Zwecke der Gründung einer eigenen betrieblichen Tätigkeit unternommen. In diesem Zusammenhang verfolgte der Bf bereits ab 2015 die Realisierung verschiedener Projekte, wobei diese insbesondere im Zusammenhang mit dem Projekt "***X***", einem ***ProjektX*** vor dem Schulzentrum ***OrtOÖ***, schon weit gediehen waren. Hierzu gab es in den Jahren 2015 und 2016 intensive Vorbereitungsarbeiten, vor allem in Zusammenarbeit mit einem ***Holzbau***. Letztendlich scheiterte dieses Projekt gegen Ende 2016 und führte nicht zu den erwarteten Einkünften von cirka 5.000,00 €. Auch andere Projekte erbrachten im Jahr 2015 noch nicht die erwarteten Einnahmen. Der Bf bezog aus seiner betrieblichen Tätigkeit erstmals ab 2017 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die nichtselbständige Tätigkeit in Wien hatte er mit Ende Februar 2017 eingestellt.
Von den im Jahr 2015 unternommenen 30 Fahrten von Wien nach ***OrtOÖ*** und zurück wurde ein überwiegender Teil im Ausmaß von zwei Dritteln im Zusammenhang mit der zukünftigen gewerblichen Tätigkeit des Bf's unternommen.
In seiner Einkommensteuererklärung 2015 machte der Bf als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung ab Juli 2015, dem Zeitpunkt, ab dem seine Lebensgefährtin nach seinen Ausführungen wegen Aufnahme einer Ausbildungstätigkeit in Oberösterreich ihren Lebensmittelpunkt wieder dorthin verlegte, geltend. Diese wurden im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2015 nicht anerkannt.
Das dagegen gerichtete Beschwerdebegehren wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Gleichzeitig wurde der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als die Sonderausgaben korrigiert wurden (Nichtanerkennung der Lebensversicherungsprämien mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988). Außerdem wurde die anzurechnende Kapitalertragsteuer entsprechend dem Antrag des Bf's abgeändert und wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung laut Feststellungsbescheid 2015 der Miteigentümergemeinschaft in Ansatz gebracht.
In seinem Vorlageantrag richtete sich der Bf gegen die Nichtanerkennung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten. Gegen die Abänderungen laut Beschwerdevorentscheidung bestanden keine Einwände.

Beweiswürdigung

Beweis wurde zunächst erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde mit dem Vorlagebericht vorgelegten elektronischen Akten betreffend die Veranlagung des Bf's zur Einkommensteuer 2015 und das beim Finanzamt durchgeführte Beschwerdeverfahren.
Darunter befanden sich der Dienstvertrag vom mit ***AG***, Wien, wonach der Bf dort ab in Wien in Vollzeitbeschäftigung angestellt war. Laut Dienstzeugnis vom war er bis zu diesem Datum beschäftigt und laut Arbeitszeitnachweisen 2015 in weitaus überwiegendem Ausmaß in Wien tätig gewesen.

Von der belangten Behörde wurden auch die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister betreffend den Bf und seine Lebensgefährtin vorgelegt. Danach hatten beide ab ihren Hauptwohnsitz in Wien, ***StraßeWien***, das ist die Mietwohnung, die laut vorgelegtem Mietvertrag eine Größe von 61,70 m2 hatte. Daneben bestand ein Nebenwohnsitz in ***OrtOÖ***, ***StraßeOÖ***, das ist das Haus der Eltern. Während der Bf seinen Hauptwohnsitz in Wien per abmeldete und im Elternhaus in ***OrtOÖ*** anmeldete, behielt seine Partnerin ihn in Wien bis , als sie diesen dann auch nach ***OrtOÖ*** verlegte, bei. Ein Nebenwohnsitz in Wien wurde vom Bf laut Meldezettel ab zwar nicht angemeldet. Die Wiener Wohnung wurde von ihm gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin aber auch nach diesem Zeitpunkt weiter genutzt, zumal er dort seiner nichtselbständigen Arbeit nachging. Anderes wurde von ihm auch im Beschwerdeverfahren nie behauptet und schilderte er in seiner Antwort vom auf das Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom glaubhaft, dass die Nichtanmeldung des Nebenwohnsitzes in Wien offensichtlich auf einem Versehen beruhte.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurden weitere Fragen geklärt (Erstes Ergänzungsersuchen vom - Antwort vom ; Zweites Ergänzungsersuchen vom - Antwort vom ):
In seiner Antwort vom legte der Bf unter Vorlage umfangreichen Unterlagenmaterials ausführlich und glaubhaft seine Bestrebungen zur Unternehmensgründung und Verwirklichung seines bereits im Rahmen der Masterarbeit entworfenen Projektes "***X***" vor dem Schulzentrum seiner Heimatstadt ***OrtOÖ*** dar, die eine häufige Anwesenheit vor Ort nachvollziehbar erscheinen ließen (Präsentationen, Kontakte mit Bauherren und Baumeister). Seiner Antwort beigefügt waren eine Skizze des ***ProjektXs***, ein konkretes Angebot des ortsansässigen Holzbaumeisters (***Holzbau*** ***HBB***), eine Präsentation des Projektes "***X***" bei seinem Arbeitgeber, in dem die Absicht der Unternehmensgründung bei dessen Umsetzung dokumentiert war, und beispielhaft für weitere, noch nicht so gut dokumentierte Projekte die Skizze eines anderen Projektes, für welches bereits ein Konzept erstellt worden war. Insgesamt konnten sohin über die bloße Absichtserklärung hinausgehende Umstände, die auf die Absicht der Erzielung von Einkünften aus betrieblicher Tätigkeit schließen ließen, als erwiesen angesehen werden.

In seiner Antwort vom erläuterte der Bf auch näher, warum er seine Wohnung in Wien ab Mitte 2015 nur noch als Dienstwohnung angesehen hatte. Er wies auf den Beginn der Ausbildung seiner Lebensgefährtin zur ***Zusatzausbildung*** in Linz hin (Dauer laut Studienerfolgsbestätigung vom bis Mitte 2018). Die nichtselbständige Tätigkeit in Wien habe sie zum Teil geblockt noch bis ausgeübt.

Im zweiten Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf vom Bundesfinanzgericht näher zum Wohnsitz im Elternhaus in ***OrtOÖ*** und den damit zusammenhängenden Aufwendungen befragt. In seiner Antwort vom schilderte er die im Sachverhalt dargestellten Umstände und räumte glaubhaft und ehrlich ein, dass die Eltern für den im Dachboden zur Verfügung gestellten Wohnbereich keine Miete verlangt hätten und für andere Aufwendungen wie zB Ersätze in Form von Pauschalbeträgen für Strom und Wasser keine Nachweise bestünden.

Weiters nahm der Bf in seiner Antwort auf das zweite Ergänzungsersuchen auch zu den erwarteten Einnahmen aus seinen Projekten Stellung. Danach stellte sich erst Ende 2016 heraus, dass das Projekt "***X***" mangels Finanzierung nicht umgesetzt werden könne. Die Unternehmensgründung habe sich daher auch verzögert.
Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass der Bf, wie eine Einsichtnahme in das Abgabeninformationssystem des Bundes ergeben hat, ab 2017 tatsächlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen hat.

Zur Frage der Anreise nach ***OrtOÖ*** aus betrieblichen Gründen im Jahr 2015 führte der Bf in seiner Antwort vom aus, dass er cirka 30mal aus Wien angereist sei, dies stets aus betrieblichen Gründen, wobei natürlich auch hin und wieder private Festlichkeiten stattgefunden hätten. Im Zusammenhang damit legte er ein ab April 2015 geführtes Fahrtenbuch mit Kilometerangaben und -ständen, jeweiligen Reisezielen und Datumsangaben vor, aus dem 22 Fahrten von Wien nach ***OrtOÖ*** und zurück - vorwiegend an den Wochenenden - hervorgingen. Eine Umrechnung auf das gesamte Jahr ließ die Anzahl der Reisen zwischen Wien und ***OrtOÖ*** mit 30mal, wie vom Bf angegeben, glaubhaft erscheinen.
Eine Anreise nach ***OrtOÖ*** und zurück aus betrieblichen Gründen im geschätzten Ausmaß von cirka 20 Fahrten hin und zurück erschien in Anbetracht der geschilderten Umstände als den tatsächlichen Verhältnissen am nahekommendsten. Damit wurde auch auf die Argumentation des Bf's, dass er die Reisen überwiegend aus betrieblichen Gründen unternommen habe, Bedacht genommen. Dem Ansatz der betrieblichen Fahrten in diesem Ausmaß wurde auch von beiden Parteien des Beschwerdeverfahrens zugestimmt (siehe E-Mail des Finanzamtes vom ; siehe Schreiben des Bf's vom ).

Die Entfernung zwischen den beiden Wohnsitzen in Wien und ***OrtOÖ*** wurde mit 217 km dem Routenplaner Google Maps entnommen, zumal die Kilometerangaben laut vorgelegtem Fahrtenbuch offensichtlich deswegen geringfügig variierten, da mitunter andere Ziele oder Zwischenziele angefahren wurden bzw. andere Abfahrtsorte - zB Büro in Wien - vorlagen.

Bezüglich weiterer Ausführungen zur Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung unter Punkt II.3.2. dieses Erkenntnisses, die verständnishalber im Kontext mit der rechtlichen Beurteilung zu tätigen waren, verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

  • Rechtsgrundlagen:

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

  • Erwägungen:

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war ursprünglich die Anerkennung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei den nichtselbständigen Einkünften des Bf's strittig.

3.2.1. Zur Anerkennung von Werbungskosten aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung:

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (Familienwohnsitz, weiterer Wohnsitz am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt (, unter Verweis auf ).
Die Gründung eines zweiten Hausstandes ist dann als durch die Einkunftserzielung veranlasst anzusehen, wenn sie einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist; eine berufliche Veranlassung in diesem Sinn liegt hingegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort ist, weg verlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führt ( unter Verweis auf ). Ebenso ist die Wegverlegung des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort des Abgabepflichtigen wegen der Aufnahme einer Beschäftigung des Ehegatten an einem anderen Ort nicht durch die Erwerbstätigkeit des Abgabepflichtigen veranlasst und führt deshalb nicht zu berücksichtigungsfähigen Werbungskosten ().

Aus den zitierten Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes ergeben sich zwei wesentliche Grundvoraussetzungen, die vorliegen müssen, um die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung steuerlich als Werbungskosten anerkennen zu können:
1. Die Wegverlegung des Familienwohnsitzes von jenem Ort, der zugleich Beschäftigungsort ist, darf nicht aus privaten Gründen erfolgen, sondern muss beruflich oder betrieblich veranlasst sein. Die Wegverlegung des Familienwohnsitzes an einen anderen Ort wegen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit des Partners/der Partnerin führt nicht zu einer beruflichen Veranlassung beim Abgabepflichtigen (; ).
2. Es muss die Gründung eines zweiten Hausstandes vorliegen. Grundsätzlich können Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen als solche der privaten Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Die Berücksichtigung solcher Aufwendungen als Werbungskosten aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung findet ihre Rechtfertigung nur dann, wenn der Steuerpflichtige diese aus Gründen, die durch seine Tätigkeit zur Erzielung von Einkünften veranlasst sind, für einen zusätzlichen (zweiten) Hausstand bestreiten muss und er solcherart doppelt belastet ist. Wesentlich für die Berücksichtigung von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung sind daher nicht bloß zwei Wohnsitze, sondern auch zwei Haushalte, die vom Steuerpflichtigen aufrechterhalten werden müssen.

Auch im gegenständlichen Beschwerdefall war unter Bedachtnahme auf obige Ausführungen daher zunächst zu prüfen, ob der Bf seinen Familienwohnsitz aus Gründen wegverlegte, die ihre Ursache in der Ausübung seiner eigenen nichtselbständigen Tätigkeit hatten, oder ob er dies wegen der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit (hier Beginn der Ausbildung) seiner Partnerin tat (siehe Punkt 1.).
Außerdem war zu untersuchen, ob er durch die Begründung eines zweiten Hausstandes doppelt belastet war (siehe Punkt 2.).

Hierzu wurde Folgendes erwogen:

3.2.1.1. Zur Veranlassung durch die nichtselbständigen Einkünfte des Bf's:
Unbestritten stand fest, dass der Bf und seine Lebensgefährtin bereits seit 2013 in Wien nichtselbständig tätig gewesen waren und dort aus diesem Grund gemeinsam eine Mietwohnung (61,70 m2) bewohnt hatten. Die Lebensgefährtin hatte Anfang 2013 ihre berufliche Tätigkeit noch während des Studiums des Bf's nach Wien verlagert, damit das Paar mehr Zeit miteinander verbringen konnte.
Der Bf begehrte die Anerkennung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung erstmals ab Juli 2015; dies mit der Begründung, dass seine Partnerin zufolge der Aufnahme einer Ausbildung in Oberösterreich ihren Hauptwohnsitz wieder dorthin, nämlich nach ***OrtOÖ*** in das Haus seiner Eltern verlagert habe. Als weiteren Grund für die Annahme des Hauptwohnsitzes in ***OrtOÖ*** brachte er vor, dass er selbst dort ohnehin auch schon vorher den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gehabt habe, da er hier die Gründung eines eigenen Unternehmens beabsichtigt habe und später den Betrieb seines Vaters übernehmen sollte.

Wie dargelegt, muss die Wegverlegung des Familienwohnsitzes von jenem Ort, der zugleich Beschäftigungsort ist, um als Werbungskosten Anerkennung finden zu können, durch den Beruf, dh durch die nichtselbständigen Einkünfte desjenigen, der die doppelte Haushaltsführung beantragt, veranlasst sein.
Das bedeutet, dass im konkreten Fall die Wegverlegung des gemeinsamen Wohnsitzes vom Beschäftigungsort in Wien nach ***OrtOÖ*** durch die Einkünfte des Bf's bedingt hätte sein müssen. Tatsächlicher Anlass für die Geltendmachung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung ab Juli 2015 bzw. die Wegverlegung des Wohnsitzes vom Beschäftigungsort des Bf's zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Aufnahme einer Tätigkeit (hier Ausbildung) seiner Lebensgefährtin in Oberösterreich. Die Wegverlegung des Wohnsitzes an einen anderen Ort wegen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit der Partnerin (hier einer Ausbildung) führt jedoch, wie oben bereits dargelegt, nicht zu einer beruflichen Veranlassung beim Abgabepflichtigen (). Der entsprechende Aufwand konnte sohin nicht den nichtselbständigen Einkünften des Bf's zugeordnet und schon allein aus diesem Grund bei diesen nicht als Werbungskosten Berücksichtigung finden.

Der Bf hat sich im Beschwerdeverfahren auf Rz 347 LStR berufen, wonach dann, wenn erstmals ein gemeinsamer Familienwohnsitz am Beschäftigungsort des einen (Ehe)Partners gegründet wird und der andere (Ehe)Partner, weil er seine bisherige Erwerbstätigkeit beibehält, auch seinen bisherigen Wohnsitz außerhalb der üblichen Entfernung vom neuen Familienwohnsitz beibehalten muss, die durch die Beibehaltung der erwachsenden Mehraufwendungen Werbungskosten darstellen.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Lohnsteuerrichtlinien als bloße Verwaltungsanweisungen für die Abgabenbehörden keine über die gesetzlichen Anordnungen hinausgehenden Rechte und Pflichten zu begründen vermögen. Sie entfalten für das Bundesfinanzgericht insofern keine Bindungswirkung, als sich dieses zufolge des Legalitätsgrundsatzes in seiner Entscheidungsfindung ausschließlich an den bestehenden Gesetzesnormen und bei deren Auslegung an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu orientieren hat.
Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass die vom Bf ins Treffen geführte Aussage laut Rz 347 LStR nur solche Fälle betrifft, in denen die bisherigen Partner nicht schon vorher am Beschäftigungsort zusammengelebt und damit einen Familienwohnsitz begründet haben.
Im gegenständlichen Fall steht unstrittig fest, dass die Wohnung in Wien vom Bf und seiner Lebensgefährtin bereits ab Jänner 2013 gemeinsam genutzt wurde, weil beide Partner hier berufstätig waren (der Bf nahm nach dem Studium am das Dienstverhältnis auf).
Allein die Tatsache, dass der Bf am seinen Hauptwohnsitz in Wien abmeldete, während die Partnerin diesen beibehielt, ändert nichts daran, dass dieser Wohnsitz von dem Paar im Rahmen seiner unbestrittenerweise aufrechten Lebensgemeinschaft genutzt wurde.
Wenn der Bf, wie er glaubhaft dargelegt hat, seine Interessen immer mehr nach ***OrtOÖ***, wo er im Haus seiner Eltern bereits mit Hauptwohnsitz gemeldet war, verlagert hat, so ist dennoch davon auszugehen, dass der Familienwohnsitz des Paares während der gemeinsamen beruflichen Tätigkeit der Lebensgefährten in Wien auch dort gelegen war. Beide lebten und arbeiteten dort während der Woche und verbrachten hier miteinander den Großteil der Zeit. Seine Lebensgefährtin war dem Bf ja gerade deswegen nach Wien gefolgt, um dort mehr gemeinsame Zeit mit ihm verbringen zu können.
Der Familienwohnsitz liegt dort, wo der Abgabepflichtige einen eigenen Hausstand (Wohnung) unterhält und seine engsten persönlichen Beziehungen hat (siehe hierzu auch § 4 Pendler-Verordnung). Zwar ist dem Bf durchaus zuzugestehen, dass er sich auch an seinem Herkunftsort, an dem seine Eltern, deren Betrieb er einmal übernehmen sollte, lebten, wo er Freunde hatte und selbständige berufliche Interessen verfolgte, stark verbunden fühlte. In objektiver Betrachtungsweise kann dies aber nicht dazu führen, dass bei aufrechter Lebensgemeinschaft der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Paares dort anzunehmen ist, wo der Abgabepflichtige mit seiner Partnerin, mit der ihn naturgemäß die engsten persönlichen Beziehungen verbinden, einen eigenen Hausstand hat und wo er mit ihr gemeinsam den Großteil seiner Zeit verbringt. Dieser Ort war im gegenständlichen Fall aber während der gemeinsamen beruflichen Tätigkeit zwischen 2013 und Mitte 2015 jedenfalls in Wien, wo das Paar gemeinsam eine Wohnung unterhielt. Auch schon allein der Umstand, dass die doppelte Haushaltsführung erst ab dem Zeitpunkt (= Juli 2015), als die Lebensgefährtin eine Ausbildung in Oberösterreich begann und in ***OrtOÖ*** den Wohnsitz bezog, geltend gemacht wurde, zeugt davon, dass der Bf zuvor selbst jenen Ort als Familienwohnsitz betrachtet hatte, wo er mit seiner Lebensgefährtin vorwiegend aufhältig war.
Wird aber der Familienwohnsitz von zwei berufstätigen Ehegatten in einen anderen Ort verlegt und wird der bisherige Familienwohnsitz von einem Ehegatten nunmehr als Wohnsitz am Beschäftigungsort genutzt, dann ist eine doppelte Haushaltsführung selbst dann nicht anzuerkennen, wenn der andere Ehegatte am neuen Familienwohnsitz eine neue Beschäftigung aufnimmt ().

3.2.1.2. Zu den Aufwendungen für den zweiten Hausstand:
Des Weiteren hat der Bf zugestanden, dass für den Wohnsitz in ***OrtOÖ*** im Haus der Eltern keine Aufwendungen nachgewiesen werden könnten. In seiner Antwort auf ein diesbezügliches Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes hat er ehrlich und objektiv nachvollziehbar dargestellt, dass von den Eltern für den Wohnbereich, den sie ihm und seiner Lebensgefährtin zur Verfügung gestellt hatten, keine Miete verlangt hätten. Dies erscheint umso plausibler, als der Bf auch den Wohnsitz in Wien, wo er schon allein aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit mehr Zeit verbringen musste, aufrechterhalten und finanzieren musste. Dass Eltern in einer solchen Situationen von ihrem Sohn für den Aufenthalt in ihrem Haus - dies vorwiegend nur an Wochenenden - keine explizite Miete verlangen, entspricht durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung. Sind doch entsprechende Anwesenheiten des Sohnes im Elternhaus maßgeblich auch von emotionalen Interessen der Eltern und - wie im gegenständlichen Fall verstärkend - von deren Interesse der Absicherung einer Betriebsnachfolge innerhalb der Familie getragen.
Wenn hin und wieder nicht belegbare pauschale Beträge als Abgeltung für entstandene Kosten der Eltern flossen, so handelt es sich dabei um Geldflüsse, die einem familienhaften Verhältnis zuzuordnen waren. Um Zahlungsflüsse aus einem vertraglichen Verhältnis zwischen nahen Angehörigen anerkennen zu können, fordert die Rechtsprechung aber einen eindeutigen und klaren Inhalt des Vertragsverhältnisses, ausreichende Transparenz nach außen und fremdübliche Vereinbarungen (zB ). Diese Kriterien waren hier nicht erfüllt, da weder eindeutige Vereinbarungen noch nachweisbare Geldflüsse vorlagen.
Sind mit dem Zweitwohnsitz des Abgabepflichtigen aber keine nachweisbaren Aufwendungen verbunden, so kann dies nicht zu Aufwendungen für doppelte Haushaltsführungen führen (siehe hierzu auch ). Wesentlich für die Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung sind nämlich nicht bloß zwei Wohnsitze, sondern auch zwei Haushalte, die vom Steuerpflichtigen aufrechterhalten bzw. finanziert werden müssen (; ).

3.2.1.3. Eine Berücksichtigung von Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung bei den Einkünften des Bf's aus nichtselbständiger Arbeit war aus den oben dargestellten Erwägungen sohin nicht möglich.

3.2.2. Zur Anerkennung von Fahrtkosten als vorweggenommene Betriebsausgaben:

In seinem Vorlageantrag brachte der Bf vor, dass Anlass für seine häufige Anwesenheit in ***OrtOÖ*** nicht nur private Gründe gewesen seien, sondern diese vor allem auch in der Vorbereitung einer Unternehmensgründung begründet war.
Wenngleich - wie sich aus den Ausführungen unter Punkt 3.2.1.2. ergibt - keine Aufwendungen als erwiesen angesehen werden konnten, die durch die Führung eines zweiten Hausstandes am Wohnsitz in ***OrtOÖ*** entstanden wären, waren im weiteren Beschwerdeverfahren Ermittlungen im Hinblick auf allenfalls als vorweggenommene Betriebsausgaben anzuerkennende Fahrtkosten vorzunehmen. In objektiver Betrachtungsweise erschien es nämlich durchaus naheliegend, dass dem Bf zumindest ein Teil der Kosten für die Reisen zwischen Wien und ***OrtOÖ*** zwecks Begründung einer eigenen betrieblichen Tätigkeit erwachsen sind. Aus der Aktenlage ergaben sich ab 2017 erstmalig entsprechende Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Auch Aufwendungen zur Erzielung künftiger Betriebseinnahmen stellen ihrem Wesen nach - in diesem Fall vorweggenommene - Betriebsausgaben dar, soweit ein ausreichender Zusammenhang mit künftigen Betriebseinnahmen bzw. einer Einkunftsquelle besteht. Voraussetzung für die Anerkennung solcher vorweggenommenen Betriebsausgaben ist, dass aus über die Absichtserklärung hinausgehenden Umständen klar hervorgeht, dass eine ernsthafte Absicht der Erzielung von Einnahmen besteht (siehe hierzu Jakom/Marschner, EStG 2020, § 4 Rz 276 mwN).

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes erläuterte der Bf seine Vorbereitungstätigkeiten in Bezug auf seine zukünftige Erwerbstätigkeit im Jahr 2015:
In diesem Zusammenhang legte er vor allem umfangreiches Unterlagenmaterial zu einem von ihm in seinem Heimatort geplanten Projekt vor, das er über die Jahre 2015 und 2016 verfolgte. Eine Fertigstellung war im Frühjahr 2016 angestrebt. Zwar scheiterte dessen Verwirklichung letztendlich Ende 2016 an der notwendigen Finanzierung. Über diese Tätigkeit hatte der Bf aber, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergab, nachweislich bereits seinen Arbeitgeber informiert und war auch schon das Anbot eines ortsansässigen Holzbaumeisters erstellt worden. Des Weiteren konnte der Bf die Arbeit an weiteren Projekten glaubhaft darlegen. Erste positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden schließlich ab 2017 erklärt bzw. bezogen.
Wie bereits oben unter dem Punkt "Beweiswürdigung" (Punkt II.2. des Erkenntnisses) dargelegt, lagen damit auf jeden Fall über die Absichtserklärung hinausgehende Umstände vor, die eine Zuordnung von Fahrtkosten des Jahres 2015 zu den Betriebsausgaben erlaubten. Die Argumentation des Bf's, dass ein nicht unerheblicher Teil der Heimfahrten nach ***OrtOÖ*** von seinem Beschäftigungsort in Wien aus im Zusammenhang mit der Gründung seines Unternehmens gestanden hatte, war daher objektiv nachvollziehbar.
Der Bf legte glaubhaft dar, dass er im Jahr 2015 cirka 30 Fahrten von Wien nach ***OrtOÖ*** unternommen hat und lässt sich auch aus seinem ab vorgelegten Fahrtenbuch darauf schließen, dass er im Jahr 2015 cirka 2-3 x monatlich mit seinem PKW von Wien nach ***OrtOÖ*** und zurück gereist war. Gleichzeitig gestand er aber auch ein, dass er seine Aufenthalte in ***OrtOÖ*** zum Teil auch für private Zwecke wie Besuche bei den Eltern, Verwandten und Freunden sowie Teilnahme an Familienfesten nutzte.
Im Hinblick darauf, dass sich seine Lebensgefährtin aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit bis September 2015 - dies ergibt sich aus von ihr vorgelegten Arbeitsberichten - und darüber hinaus bis 2016 noch sporadisch für die Abhaltung logopädischer Sitzungen in Wien aufgehalten hatte, kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Reisen nach ***OrtOÖ*** vorwiegend zwecks Wahrnehmung betrieblicher Termine und Aktivitäten erfolgt war.
Es erschien daher eine Schätzung als den tatsächlichen Verhältnissen am naheliegendsten, wonach cirka 2/3 der Fahrten auf betriebliche Zwecke entfielen. Bei cirka 30 Fahrten entspricht dies cirka 20 Fahrten hin und retour. Dies bedeutet, dass cirka zehn, also einmal monatliche Familienheimfahrten als privat veranlasst anzusehen waren, was nach allgemeiner Lebenserfahrung ebenfalls nachvollziehbar erscheint.
Laut Routenplaner Google Maps beträgt eine Wegstrecke zwischen der Wohnung am Beschäftigungsort in Wien und dem Wohnsitz in ***OrtOÖ*** cirka 217 km.

Es waren daher Kilometergelder in Höhe von 3.654,60 € (217 km x 2 für Hin- und Rückfahrt x 20 Fahrten x 0,42 € Kilometergeld) als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb anzusetzen.

3.2.3. Ergebnis:

Im Ergebnis konnte dem ursprünglichen Begehren des Bf's auf Anerkennung von Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus den dargestellten Erwägungen nicht entsprochen werden.
Ein Teil der beantragten Aufwendungen (Fahrtkosten) war jedoch als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb anzuerkennen und war der angefochtene Bescheid insofern abzuändern.
Des Weiteren waren die von beiden Parteien des Beschwerdeverfahrens unbestritten gebliebenen Änderungen des angefochtenen Bescheides laut Beschwerdevorentscheidung beizubehalten, da auch seitens des Bundesfinanzgerichtes keine Bedenken gegen deren Richtigkeit bestanden. So wurden die Sonderausgaben entsprechend korrigiert, da gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 ab abgeschlossene Erlebensversicherungen nur dann absetzbar sind, wenn eine auf Lebensdauer zahlbare Rente vereinbart wurde. Weiters wurde die Kapitalertragsteuer antragsgemäß abgeändert und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung infolge der Bindungswirkung gemäß § 192 BAO entsprechend dem Feststellungsbescheid 2015 betreffend die Miteigentümergemeinschaft, an der der Bf beteiligt war, korrigiert.

Die sich zufolge obiger Erwägungen ergebenden Bemessungsgrundlagen laut Erkenntnis ergeben sich aus dem beiliegenden Berechnungsblatt betreffend Einkommensteuer 2015.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Ob Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung vorliegen, ist auf Basis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zB ), von der im gegenständlichen Fall nicht abgewichen wurde, bezogen auf das konkret vorliegende sachliche Geschehen zu würdigen. Ebenso ist die Frage, ob sich vorweggenommene Betriebsausgaben aus über die bloße Absichtserklärung zur Einkunftserzielung hinausgehenden Umständen ergeben, jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Das gegenständliche Erkenntnis war somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig.

Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2015)

Linz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at