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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.11.2020, RV/2101185/2016

Nachweis Vordienstzeiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch SBT Steuerberatungs GmbH & CO KG, Metahofgasse 30, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Haftungsbescheid / Lohnsteuer 2011 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

[...]

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf.*** GmbH (im Folgenden Bf.), betreibt ein Unternehmen im Bereich der IT-Dienstleistungen.

Die Bf befand sich aktenkundig jedenfalls seit 1993 im Alleineigentum von Herrn ***1***. Ab dem Jahr 2000 kam es zu folgenden Übertragungen der Anteile: Im Jahr 2000 von Herrn ***Tit*** ***1*** an Frau Marianne ***1***, im Jahr 2003 zunächst von Frau Marianne ***1*** zurück an Herrn ***Tit*** ***1*** und anschließend an Herrn ***2*** ***1***. Mit (eingetragen in das Firmenbuch am ) wurde der Gesellschaftsanteil zurück an ***Tit*** ***1*** abgetreten.

Die Gesellschaft wird seit der Gründung von ***Tit*** ***1*** als selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer nach außen vertreten.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung hat das Finanzamt folgende Feststellung getroffen:

Herr ***Tit*** ***1*** stand in den Zeiträumen - sowie - in einem Dienstverhältnis zur Bf. Das Dienstverhältnis wurde aufgrund der Übernahme des Gesellschaftsanteils im Oktober 2011 beendet.

Bei Beendigung dieses Dienstverhältnisses zahlte die Bf. an Herrn ***Tit*** ***1*** Abfertigungszahlungen iHv insgesamt x Euro.

Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der gesetzlichen Abfertigung iHv X/a Euro (= 6 Monatsentgelte für angenommene 16 Dienstjahre), sowie einer freiwilligen Abfertigung in derselben Höhe.

In der laufenden Abrechnung bei der Bf wurden die gesetzliche Abfertigung iHv X/a Euro gemäß § 67 Abs 3 EStG 1988, sowie die freiwillige Abfertigung iHv insgesamt X/a Euro gemäß § 67 Abs 6 EStG 1988, jeweils mit 6 % besteuert, somit hierfür insgesamt 6X/100 Euro an Lohnsteuer einbehalten.

Das Finanzamt wertete die Beschäftigungszeiten von bis nicht als Anwartschaftszeit für die gesetzliche Abfertigung, sondern als Vordienstzeit für die freiwillige Abfertigung, weil das Dienstverhältnis von Jänner 1991 bis September 2000 unterbrochen war.

Die bei der Bemessung der freiwilligen Abfertigung vom Arbeitgeber berücksichtigten Vordienstzeiten bei anderen Dienstgebern wurden vom Finanzamt nicht anerkannt, weil kein Nachweis erbracht worden sei, ob der Dienstnehmer bei den jeweiligen Dienstgebern eine gesetzliche oder freiwillige Abfertigung erhalten hat oder nicht.

Es handelt sich dabei laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom um folgende Zeiten:

" bis ***3***
bis ***4***
bis ***3***
bis ***5***
bis ***6***
bis ***7***"

Weiters wurde die Dienstzeit vom bis bei der "***8***" nicht als Vordienstzeit für die freiwillige Abfertigung berücksichtigt, da dieses Dienstverhältnis neben dem Dienstverhältnis zur Bf. bestanden habe.

Im Ergebnis wurden sowohl die gesetzliche, als auch die freiwillige Abfertigung neu berechnet. Das Finanzamt zog die Bf. mittels Haftungsbescheid zur Haftung für die Lohnsteuer heran, die auf den zum laufenden Tarif gemäß § 67 Abs 10 EStG 1988 entfallenden Teil Abfertigung entfiel.

Zusätzlich wurde die Bf. zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen, die auf die zu Unrecht erfolgte Berücksichtigung des Pendlerpauschales eines Dienstnehmers entfiel.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom 19.09.2014führte die Bf. wie folgt aus:

"Letztendlich geht es um den Nachweis von Vordienstzeiten, welche Herr ***Tit*** ***1*** bei der Firma ***3*** verbracht hat. Betreffend Nachweispflicht verweist die Behörde auf § 67 Abs. 6 EStG und fordert einen expliziten schriftlichen Nachweis von Herrn ***Tit*** ***1***, dass dieser von der Firma ***3*** keine begünstigte Abfertigung erhalten hat. Da es die Firma ***3*** schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt und Herr ***Tit*** ***1*** beim Ausscheiden durch Selbstkündigung aus der Firma ***3*** mit Ende Jänner 1983 nicht daran gedacht hat, dass er rund 30 Jahre später einen diesbezüglichen Nachweis brauchen könnte, ist ein solch geforderter Nachweis für den Normunterworfenen unzumutbar. Dies hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 89/13/0087 in einem fast gleich gelagerten Fall auch erkannt.

[…]

Herr ***Tit*** ***1*** hat inzwischen alle seine Archive, soweit überhaupt noch vorhanden, "durchforstet" und dabei das Dienstzeugnis der Firma ***3*** vom gefunden (siehe Beilage). Aus diesem Dienstzeugnis geht hervor, dass Herr ***Tit*** ***1*** bei positivem Abschluss der Kooperationsverhandlungen zwischen ***3*** und der ***9*** zur Übernahme der kaufmännischen Direktion in Stadt vorgesehen war. Nachdem es nicht zu dieser Kooperation kam, musste sich Herr ***Tit*** ***1*** beruflich neu orientieren und hat das beiliegende Dienstzeugnis angefordert um sich bei der Stapa Holding bewerben zu können. Herr ***Tit*** ***1*** hat sein Dienstverhältnis mit der Firma ***3*** durch Dienstnehmerkündigung zum beendet. Dies wird zusätzlich auch dadurch untermauert, dass Herr ***Tit*** ***1*** - unmittelbar nach Beendigung dieses Dienstverhältnisse - per schon sein neues Dienstverhältnis bei der Firma ***5*** aufgenommen hat. Eine andere Nachweiserbringung ist Herrn ***Tit*** ***1*** nicht möglich und auch nicht zumutbar."

Weiters wurden von der Bf. Ausführungen zu den Feststellungen betreffend das Pendlerpauschale eines weiteren Dienstnehmers getätigt.

Zur Untermauerung ihrer Angaben legte die Bf mit der Beschwerde ein Dienstzeugnis der ***3*** GesmbH vom betreffend Herrn ***Tit*** ***1*** vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom ist die belangte Behörde dem Beschwerdebegehren hinsichtlich des "Pendlerpauschales" gefolgt und hat den angefochtenen Bescheid abgeändert.

Hinsichtlich der freiwilligen Abfertigung kam es zu keinen Änderungen.
Dazu führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, "dass der Arbeitnehmer den Nachweis darüber zu erbringen hat, ob und in welcher Höhe Abfertigungen bereits früher ausgezahlt worden sind und der Arbeitgeber diesen Nachweis zum Lohnkonto zu nehmen hat. Ein diesbezüglicher Nachweis lag dem Prüfungsorgan bei der Lohnsteuerprüfung nicht vor und wurde auch im weiteren Verfahren nicht vorgelegt (aus dem nachgereichten Dienstzeugnis geht auch nicht hervor, ob der Dienstnehmer Hr. ***Tit*** ***1*** von seinem früheren Arbeitgeber eine Abfertigung erhalten hat oder nicht). Ihrem Beschwerdebegehren war daher in diesem Punkt der Erfolg zu versagen."

Mit Vorlageantrag vom begehrte die Bf die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wiederholte das Vorbringen der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage

Art 1 § 23. Angestelltengesetz idF BGBl. I Nr. 64/2004 lautet:

(1) Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Angestellten bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Diese beträgt das Zweifache des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgeltes und erhöht sich nach fünf Dienstjahren auf das Dreifache, nach zehn Dienstjahren auf das Vierfache, nach fünfzehn Dienstjahren auf das Sechsfache, nach zwanzig Dienstjahren auf das Neunfache und nach fünfundzwanzig Dienstjahren auf das Zwölffache des monatlichen Entgeltes. Alle Zeiten, die der Angestellte in unmittelbar vorausgegangenen Dienstverhältnissen als Arbeiter oder Lehrling zum selben Dienstgeber zurückgelegt hat, sind für die Abfertigung zu berücksichtigen; Zeiten eines Lehrverhältnisses jedoch nur dann, wenn das Dienstverhältnis einschließlich der Lehrzeit mindestens sieben Jahre ununterbrochen gedauert hat. Zeiten eines Lehrverhältnisses allein begründen keinen Abfertigungsanspruch.

§ 67 EStG 1988 BGBl 400/1988 idF BGBl. I Nr. 76/2011:

(1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so beträgt die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 620 Euro übersteigen, 6%. […]

(3) Die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, wird so berechnet, daß die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes des Abs. 1 niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigungen nach dieser Bestimmung. Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund

- gesetzlicher Vorschriften
- Dienstordnungen von Gebietskörperschaften,
- aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
- eines Kollektivvertrages oder
- der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung zu leisten ist.

[…]

(6) Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen), sind mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Über das Ausmaß des ersten Satzes hinaus sind freiwillige Abfertigungen bei einer nachgewiesenen Dienstzeit
von bis zur Höhe von
3 Jahren 2/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
5 Jahren 3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
10 Jahren 4/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
15 Jahren 6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
20 Jahren 9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
25 Jahren 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß. Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes überschritten werden, sind solche sonstigen Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Die vorstehenden Bestimmungen zu freiwilligen Abfertigungen gelten nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen.

Rechtliche Beurteilung

Gesetzliche Abfertigung

§ 67 Abs 3 EStG 1988 sieht eine begünstigte Besteuerung von gesetzlichen Abfertigungszahlungen vor. Abfertigungen sind insoweit begünstigt, als sie sich dem Grunde und der Höhe nach aus den in dieser Bestimmung genannten lohngestaltenden Vorschriften ergeben Die begünstigte Besteuerung hat einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die Abfertigung und die formale Auflösung des Dienstverhältnisses zur Voraussetzung ().

Erwirbt ein in einem arbeitsrechtlichen Dienstverhältnis zu einer GmbH stehender Geschäftsführer mindestens 50% der Anteile oder eine Sperrminorität, dann erlischt das arbeitsrechtliche Dienstverhältnis und es entsteht nach Maßgabe des § 23 AngG ein Abfertigungsanspruch (zB , unter Verweis auf , sowie Zorn, RdW 1991, 123).

Bestand innerhalb von zehn Jahren vor Verlust der arbeitsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft überwiegend eine nicht wesentliche Beteiligung (§ 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988), so gehört die Abfertigung zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und ist nach § 67 Abs 3 EStG 1988 zu versteuern ().

Im Oktober 2011 wurde Herr ***Tit*** ***1*** alleiniger Gesellschafter der Bf. Das Dienstverhältnis zur Bf. ist dadurch entsprechend erloschen und der Abfertigungsanspruch des § 23 AngG entstanden. Da Herr ***Tit*** ***1*** in den letzten zehn Jahren vor Ende des Dienstverhältnisses nicht überwiegend wesentlich an der Bf. beteiligt war, ist die Abfertigung als Teil seiner nichtselbständigen Einkünfte zu versteuern.

Gemäß § 23 Abs 1 AngG beträgt die Höhe der Abfertigung nach zehn ununterbrochenen Dienstjahren das Vierfache des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts. Weiters sind alle Zeiten, die der Angestellte in unmittelbar vorausgegangenen Dienstverhältnissen als Arbeiter oder Lehrling zum selben Dienstgeber zurückgelegt hat, für die Abfertigung zu berücksichtigen.

Gegenständlich dauerte das verfahrensgegenständliche Dienstverhältnis von ***Tit*** ***1*** als Angestellter zur Bf von bis , somit knapp mehr als 11 Jahre.

Das weitere vorherige Dienstverhältnis von ***Tit*** ***1*** von - kann für eine zusätzliche Erhöhung des Abfertigungsanspruches insoweit nicht herangezogen werden, als der Gesetzestext des § 23 Abs 1 AngG klar nur von unmittelbar vorausgegangenen Dienstverhältnissen als Arbeiter oder Lehrling zum selben Arbeitgeber spricht. Das vorherige Dienstverhältnis war zeitlich nicht unmittelbar vor dem verfahrensgegenständlichen Dienstverhältnis angeordnet, da dazwischen rund 10 Jahre lagen.

Die korrigierte Berechnung der Abfertigung der belangten Behörde in Höhe von vier Monatsentgelte für eine mindestens zehnjährige Dienstzeit entspricht somit der Rechtslage. Als letztes monatliches Entgelt, welches für die gesetzliche Abfertigung heranzuziehen ist, hat die belangte Behörde y Euro ermittelt, wobei diese Höhe von der Bf. nicht in Zweifel gezogen wurde. Es ergibt sich somit eine gesetzliche Abfertigung iHv 4y Euro, welche gemäß § 67 Abs 3 EStG 1988 begünstigt zu besteuern ist.

Freiwillige Abfertigung

Freiwillige Abfertigungen sind gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 begünstigt besteuert, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen. Über dieses Ausmaß hinaus sind freiwillige Abfertigungen bei einer nachgewiesenen Dienstzeit von 25 Jahren bis zur Höhe von 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate begünstigt besteuert.

Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß.

Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto zu nehmen.

Für die zu berücksichtigende Dienstzeit macht es keinen Unterschied, dass die Dienstzeit bei verschiedenen Arbeitgebern verbracht wurde (vgl. Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (19. Lfg 2017) § 67 Abs 6 Rz 81.)

Im Beschwerdefall wurden folgende Dienstzeiten für die Berechnung der Vordienstzeiten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers berücksichtigt:

- zur ***3*** GmbH = 9 Jahre 7 Monate
- zur Bf = 5 Jahre 9 Monate
- zur Bf = 11 Jahre 7 Tage

Die Anzahl dieser Dienstjahre ist unstrittig.

Streit besteht ausschließlich darüber, ob Herrn ***Tit*** ***1*** von der ***3*** GmbH Abfertigungen erhalten hat oder nicht.

Hinsichtlich des Dienstverhältnisses bei der ***3*** GesmbH ( - ) konnte Herr ***Tit*** ***1*** keinen Nachweis darüber vorlegen, dass er keine Abfertigungszahlungen erhalten hat. Da die Firma ***3*** nicht mehr existiert, ist es Herrn ***Tit*** ***1*** auch nicht möglich, nachträglich eine Gehaltsabrechnung oder eine andere Bestätigung anzufordern.

Dem vorgelegten Dienstzeugnis vom (das Herr ***Tit*** ***1*** für eine Bewerbung angefordert hat) ist zu Abfertigungen nichts zu entnehmen.

Nach Ansicht des ist die Nachweispflicht des Arbeitnehmers nicht in der Weise zu verstehen, dass nur ein lückenloser Urkundenbeweis den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Insbesondere bei einer negativen Beweisführung, also dem Nachweis, keine Abfertigung erhalten zu haben, muss auch ein Vorbringen des AbgPfl in die Beweiswürdigung einbezogen werden, das geeignet ist, begründete Zweifel am Erhalt der Abfertigung bzw. deren Höhe hervorzurufen.

Die Beweispflicht endet auch dort, wo sie realistischer weise nicht mehr erfüllt werden kann; einen negativen Nachweis erbringen zu müssen, der aufgrund der lange vergangenen Zeit praktisch unmöglich ist, würde eine überschießende Nachweispflicht für den Steuerpflichten bedeuten (vgl. auch ).

Im Beschwerdefall scheidet eine etwaige Anfrage beim ehemaligen Arbeitergeber insofern aus, als dieser nicht mehr existiert. An Stelle eines Nachweises muss daher in freier Beweiswürdigung beurteilt werden, ob eine Abfertigung gezahlt wurde, oder nicht.

Die Bf. brachte vor, dass Herr ***Tit*** ***1*** sein Dienstverhältnis zum selbst gekündigt hat, um sich beruflich neu orientieren zu können. Untermauert wird dies dadurch, dass er bereits am , also unmittelbar nach der Kündigung ein neues Dienstverhältnis eingegangen ist. Herr ***Tit*** ***1*** konnte auch noch ein Dienstzeugnis vorlegen, das ihm ausgezeichnete Arbeitsleistung bescheinigte.

Dieses Vorbringen ist glaubhaft und wird im Übrigen vom Finanzamt auch nicht bestritten (wohl auch, weil es für die so weit zurückliegenden Zeiten keine Anhaltspunkte gibt).

Im Fall einer Arbeitnehmerkündigung besteht gemäß § 23 Abs 7 AngG kein Anspruch auf eine gesetzliche Abfertigung.

Für eine freiwillige Abfertigung, die etwa deshalb gewährt wurde, weil die Firma eine Beschäftigung in einem Konkurrenzunternehmen verhindern möchte oder aus sozialen Gründen, gibt es aktenkundig keinen Ansatz.

Im Übrigen ist das Bemühen des Herrn ***Tit*** ***1*** zu würdigen, möglichst alle vorhandenen Unterlagen (zB das Dienstzeugnis) vorzulegen.

In Würdigung aller Umstände übersteigt die Wahrscheinlichkeit, dass Herr ***Tit*** ***1*** keine Abfertigung erhalten hat, bei weitem die Wahrscheinlichkeit, dass er eine freiwillige Abfertigung erhalten hat.

Für dieses Verfahren bedeutete das, dass bei der Berechnung der Vordienstzeiten sowohl die 5 Jahre 9 Monate zwischen 1985 und 1990 und die 11 Jahre 7 Tage zwischen 2000 und 2011, die bei der Bf. gearbeitet wurden als auch die 9 Jahre 7 Monate, die Herr ***Tit*** ***1*** zwischen 1973 und 1983 bei der ***3*** GmbH gearbeitet hat, herabzuziehen sind.

Die gesamte nachgewiesene Dienstzeit beträgt somit mehr als 25 Dienstjahre, weshalb gegenständlich die Begünstigung gemäß § 67 Abs 6 2. Satz EStG 1988 für 12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate zur Anwendung gelangen kann.
Die weiteren, im Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung angeführten Zeiten sind somit insofern nicht von Relevanz, da bereits durch die oa. nachgewiesenen Vordienstzeiten das gesetzlich maximal Mögliche ausgeschöpft wird.

Berechnung der Besteuerung der Abfertigung

[...]

Da die Bf. für die Abfertigung die oben berechnete Lohnsteuer iHv 6X/100 Euro auch abgeführt hat, hat sie die Lohnsteuer richtig berechnet, selbst wenn sie zT einen falschen Rechtsgrund für die Begünstigung herangezogen hat.

Die Vorschreibung von Lohnsteuer iHv 29.710,13 für die Abfertigung erfolgte daher zu Unrecht.

Auf die laufende Lohnsteuer in Zusammenhang mit dem Pendlerpauschale entfallen laut Prüfbericht 961,11 Euro. Im Zuge der Beschwerdevorentscheidung reduzierte sich der Betrag auf 670,03 Euro.

Soweit die Bf. nunmehr begehrt, das Ergebnis der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Lohnsteuer iZH mit dem Pendlerpauschale auch im Erkenntnis zu übernehmen, kann dem mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung gefolgt werden.

Die Bf. ist als Arbeitgeberin daher für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer 2011 im Ausmaß von 670,03 Euro in Anspruch zu nehmen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im Beschwerdefall hinsichtlich des Streitpunktes eindeutige Rechtsprechung des VwGH vorliegt, ist die Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101185.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at