Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.11.2020, RV/1100944/2015

Besteuerung eines von einer Schweizer Pensionskasse ausbezahlten Vorbezuges für Wohneigentum

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Peter Steurer, die Richterin Mag.a Natascha Gassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Wolfgang Bahl und Bernd Feldkircher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Mag. ***Name, Adr.***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt unter Hinweis auf eine zur Gänze steuerpflichtige Pensionskassenauszahlung Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2015 und Folgejahre in Höhe von 90.000,00 € fest.

2. Mit Eingabe vom beantragte der steuerliche Vertreter die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen mit 66.000,00 €. Der Beschwerdeführer habe einen Betrag von 142.000,00 CHF als Vorbezug aus seinem Pensionskassenguthaben erhalten, welcher gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 zu einem Drittel steuerfrei sei.

3. Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 2009/15/0188, klargestellt, dass keine "Abfindung" vorliege, wenn der Berechtigte bei Pensionsantritt eine freie Wahl zwischen mehreren gleichwertigen Ansprüchen habe, diesem also im Rahmen einer "obligatio alternativa" ein Wahlrecht zwischen einer Rente und einer Einmalauszahlung (Teilauszahlung, Vorbezug) eingeräumt werde (Art. 37 BVG).

4. Dagegen erhob der steuerliche Vertreter unter Anschluss eines Auszuges aus dem Rahmenreglement der Personalvorsorgeeinrichtung, eines Merkblattes betreffend Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge sowie eines Schreibens der Personalvorsorgeeinrichtung vom betreffend die Auszahlung des Vorbezuges Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer kein wie immer geartetes Wahlrecht im Sinne einer "obligatio alternativa" zugestanden habe. Er habe sich einen Vorbezug auf sein Altersguthaben zur Finanzierung von Wohnungseigentum auszahlen lassen. Dies sei nur unter den im Vorsorgereglement der betreffenden Pensionskasse vorgesehenen Voraussetzungen möglich gewesen. Da die Auszahlung nicht anlässlich des Pensionsantrittes erfolgt sei, habe der Beschwerdeführer kein Wahlrecht zwischen der Auszahlung und einer Rente gehabt. Die Auszahlung eines Vorbezugs zur Finanzierung von Wohnungseigentum erfolge zweckgebunden und sei an enge Voraussetzungen geknüpft. Auch sei eine direkte Auszahlung an den Berechtigten nicht zulässig, diese könne ausschließlich an den Verkäufer, Ersteller oder Hypothekargläubiger erfolgen. Es könne daher keine Rede von der Ausübung eines Wahlrechtes im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sein. Vielmehr liege genau jener Fall vor, den der Gesetzgeber bei der Einführung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 zum Zwecke einer Progressionsermäßigung vor Augen gehabt habe. Dies lasse sich insbesondere aus der näher ausgeführten Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung ableiten. Auch könne aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber nur die dort angeführten Fälle, in denen ein Grenzgänger seine Tätigkeit im Ausland aufgebe, in Österreich eine Tätigkeit aufnehme und aufgrund des Verlassens der Schweiz nur die Möglichkeit der Abfindung habe, hätte begünstigen wollen. Werde die Norm im Wege einer teleologischen Interpretation durchleuchtet, gelangt man vielmehr zum Schluss, dass mit § 124b Z 53 EStG 1988 der durch die Zusammenballung von Bezügen entstandene Progressionseffekt gemildert werden sollte (Hinweis auf -F/08). Aus der angeschlossenen Mitteilung der Personalvorsorgeeinrichtung vom ergebe sich, dass die Versicherungsleistungen des Beschwerdeführers aufgrund des Vorbezuges gekürzt worden seien. Die durch die Einmalzahlung hervorgerufene Steuerlast sei damit wesentlich höher, als dies bei einer lebenslangen Rentenzahlung der Fall wäre. Gerade in solchen Fällen, in denen es durch die Auszahlung eines Vorbezuges zur Gründung von selbst genutztem Wohnungseigentum zu einer Kumulierung von Bezügen komme, solle nach der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates eine steuerliche Belastung gemildert werden, die eine spezifische Gruppe von Steuerpflichtigen in unbilliger Weise treffen würde. Da sich an der gesetzlichen Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 seit der letzten Änderung mit BGBI. I Nr. 54/2002 nichts geändert habe und das vom Finanzamt angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sich auch nicht auf den Fall eines Vorbezuges zur Finanzierung von selbst genutztem Wohnungseigentum beziehe, sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Bestimmung im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen sollte. Der Beschwerdeführer habe den Vorbezug im Vertrauen auf die geltende Rechtslage beansprucht und die Mittel auch zweckentsprechend zur Tilgung von Wohnbaukrediten verwendet. Für die anfallende Einkommensteuer habe er - ebenfalls im Vertrauen auf die geltende Rechtslage - Vorsorge getroffen. Da die Mittel aus der Pensionskassenauszahlung zweckgebunden verwendet worden seien, stünden ihm diese nicht zur Zahlung der Einkommensteuer zur Verfügung. Durch eine überraschende Änderung der Verwaltungspraxis sei der Beschwerdeführer somit in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Vertrauensschutz verletzt worden und sei der Bescheid daher auch verfassungswidrig.

5. Mit umfassend begründeter, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Finanzsenates eingehender Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Anspruchsberechtigte unterliege bezüglich der Inanspruchnahme eines Vorbezuges für Wohnraumschaffung keinem Zwang, sondern mache aus Eigeninitiative von dem bestehenden Wahlrecht Gebrauch und liege daher keine begünstigte "Abfindung" im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 vor.

6. Mit Schriftsatz vom beantragte der steuerliche Vertreter im Wesentlichen unter Verweis auf das bisher Vorgebrachte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Weiters beantragte er die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

7. Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt ergänzend mit, aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zwischenzeitig ergangenen Beschluss vom , Ra 2015/15/0033, sei zu schließen, dass ua. im Fall einer Teilauszahlung des Vorsorgekapitals im Rahmen eines vom Vorsorgeberechtigten beantragten Vorbezuges für Wohneigentumsförderung (Wohnraumvorbezug) im Aktivstand keine begünstigte Pensionsabfindung im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 vorliege.

8. Der steuerliche Vertreter nahm dazu mit Schreiben vom Stellung. Der Beschluss vom , Ra 2015/15/0033, sei in einem Verfahren ergangen, in dem die Ansässigkeit und nicht etwa die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 strittig gewesen sei. Zu dieser Bestimmung habe der Verwaltungsgerichtshof lediglich in einem obiter dictum festgestellt, dass nicht erkennbar sei, worin die behauptete Abweichung von der "ständigen Judikatur" bestehen solle. Der Verwaltungsgerichtshof stelle sogar explizit klar, dass eine solche ständige Judikatur zur Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auch nicht erkennbar sei. In weiterer Folge würden im genannten Beschluss zwei Erkenntnisse (, und ) angeführt, die für den vorliegenden Fall in keiner Weise einschlägig seien. In dem dem Erkenntnis vom , 2009/15/0188, zugrundeliegenden Fall seien keine Leistungsansprüche gegenüber einer Pensionskasse (nach Maßgabe einer gesetzlichen oder statutarischen Abfindungsregelung), sondern (Teil-)Ansprüche gegenüber der standeseigenen Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgefunden worden. Zudem zitiere der Verwaltungsgerichtshof die Erläuternden Bemerkungen (927 BlgNR XXI. GP) nur verkürzt. Der Gesetzgeber sehe nach dem Volltext die Nichtübertragungsmöglichkeit in eine inländische Pensionskasse als entscheidungsrelevant für die Gesetzesbestimmung an, und dies insbesondere bei Grenzgängern, die keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionskassenabfindung hätten. Die anderen Grenzgänger würden dadurch nicht ausgeschlossen. Aus der verkürzten Wiedergabe der Erläuternden Bemerkungen könne somit keinesfalls geschlossen werden, dass der Verwaltungsgerichtshof das Merkmal der Nichtübertragungsmöglichkeit nur bei jenen Steuerpflichtigen als relevant angesehen hätte, die durch das "insbesondere" erfasst würden. "lnsbesondere" zeige spezielle Beispiele der Anwendung auf, leite jedoch keineswegs eine taxative Aufzählung ein, womit nachvollziehbar sei, dass der Gesetzgeber alle statutarischen Pensionskassenabfindungen habe erfassen wollen, bei denen keine Übertragung in eine inländische Pensionskasse möglich sei und die deshalb - sei es rechtlich, oder aufgrund des Währungsrisikos faktisch - gezwungen seien, ihre statutarischen Pensionsansprüche gegenüber der ausländischen Pensionskasse abfinden zu lassen. In dem eine Invalidenrente betreffenden Erkenntnis vom , 2013/15/0123, habe sich der Verwaltungsgerichtshof inhaltlich überhaupt nicht mit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auseinandergesetzt, sondern unter Verweis auf das Erkenntnis vom , 2009/15/0188, lediglich festgehalten, dass ein solcher Fall nicht vorliege. Wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, habe der Unabhängige Finanzsenat in der Entscheidung vom , RV/0468-F/08, außer Streit gestellt, dass ein Vorbezug zur Finanzierung von selbst genutztem Wohnungseigentum dem Grunde nach als "Zahlung für Pensionsabfindungen von Pensionskassen aufgrund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen" im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 zu qualifizieren sei. Ebenso habe das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/1100654/2015, klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf Kapitalabfindungen von Pensionskassen zur Anwendung komme und diese daher zu einem Drittel steuerfrei zu belassen seien. An dieser Beurteilung ändere auch die Tatsache nichts, dass der Verwaltungsgerichtshof in einem obiter dictum zu einem ganz anders gelagerten Sachverhalt festgestellt habe, dass eine ständige Rechtsprechung zur Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 nicht erkennbar sei - auch wenn dies vom Finanzamt Bregenz anders suggeriert werde.

9. Das Finanzamt replizierte darauf mit Schreiben vom und setzte sich ua. auch unter Vorlage eines Auszuges aus dem stenographischen Protokoll zur 685. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Unabhängigen Finanzsenates in den angesprochenen Erkenntnissen bzw. Entscheidungen auseinander, wobei zusammengefasst neuerlich bekräftigt wurde, dass bei einem Wohnraumvorbezug im Hinblick auf die vom Gesetzgeber mit dem Budgetbegleitgesetz 2001 beabsichtigte Förderung der lebenslangen Versorgung und den fehlenden Zwang zur Inanspruchnahme keine begünstigte Pensionsabfindung vorliege.

10. Im Zuge der am durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter ergänzend vor, § 124b Z 53 EStG 1988 unterscheide nicht zwischen einer freiwillig und einer zwangsweise erfolgten Kapitalauszahlung. Vielmehr habe der Gesetzgeber den aufgrund der Zusammenballung von Einkünften eintretenden Progressionseffekt abmildern wollen. Den Inhalt, dass eine Kapitalauszahlung aus der betrieblichen Vorsorge nicht begünstigt sein solle, habe die Bestimmung nicht. Dieser Inhalt werde der Bestimmung aufgrund der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 2010 und 2012 unterstellt. Der Verwaltungsgerichtshof habe bisher noch in keinem Erkenntnis explizit ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 bei einem Grenzgänger nicht zur Anwendung komme, wenn ein freies Wahlrecht bestehe. Die jüngsten Beschlüsse bzw. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes beträfen Freizügigkeitsfälle, wobei der Verwaltungsgerichtshof die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes aufgehoben habe, weil Sachverhaltsfragen nicht ausreichend geklärt worden seien. Im Beschwerdeverfahren gehe es nicht um einen Freizügigkeitsfall, sondern um einen Vorbezug von Wohneigentum. Es wäre für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, klarzustellen, dass die Begünstigungsbestimmung nur in Fällen anwendbar ist, in denen es zu einer zwangsweisen Auszahlung kommt. Der Gesetzgeber habe das aber nicht gemacht. Er beantrage daher der Beschwerde Folge zu geben.

Der Beschwerdeführer führte ergänzend weiters aus, dass im jährlichen Auszug über die Versicherungsleistungen auf die Möglichkeit eines solchen Vorbezuges hingewiesen werde und er sich in der Folge näher darüber informiert habe. Da sich durch den Vorbezug die Rente (massiv) reduziere, habe er sich 2014 beim Steuerberater auch über die steuerlichen Folgen informiert. Da bei einem solchen Vorbezug die Drittelbegünstigung in der Praxis stets zur Anwendung gekommen sei, habe er sich entschlossen, den Vorbezug in Anspruch zu nehmen. Er habe den Vorbezug dem Finanzamt gemeldet und sei nach Treu und Glauben davon ausgegangen, dass die Besteuerung wie bisher unter Berücksichtigung der Drittelbesteuerung erfolge. Umso größer sei die Überraschung gewesen, als der Vorbezug im Bescheid zur Gänze erfasst worden sei. Die Besteuerung solcher Zahlungen stehe seit 2015 in Diskussion. Auch jetzt, fünf Jahre später, seien die Fragen noch immer nicht geklärt. Das verstehe er als Bürger nicht. Wenn es Bestimmungen gebe, müssten diese eindeutig sein. Es könne nicht sein, dass Fachleute jahrelang über eine solche Frage diskutierten. Wenn man zum Ergebnis komme, dass es an einer Präzisierung fehle, hätte die Bestimmung geändert und festgelegt werden müssen, dass die Änderung ab einem bestimmten Stichtag zur Anwendung komme. Dann hätte er auf Grundlage der gesetzlichen Fakten eine Entscheidung treffen können. Die Bestimmung sei aber nicht geändert worden, es habe nur zahlreiche Gerichtsverfahren gegeben und diese Urteile würden wieder unterschiedlich interpretiert. Aus seiner Sicht sei hier die Frage zu stellen, ob es einen Rechtsstaat gebe oder nicht. Wenn er gewusst hätte, dass die Drittelbegünstigung nicht zur Anwendung komme, hätte er den Vorbezug nicht in Anspruch genommen. Es stelle sich für ihn daher auch die Frage, ob ihm die Steuer im Falle einer Refundierung des Vorbezuges wieder gutgeschrieben werde.

Der Amtsbeauftragte wies neuerlich darauf hin, dass es um die Frage gehe, ob eine Pensionsabfindung vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits in den Erkenntnissen aus den Jahren 2010 und 2012 definiert, was unter einer Pensionsabfindung zu verstehen sei. Daraus gehe hervor, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die als wichtiger angesehene lebenslange Vorsorge in Form einer laufend ausgezahlten Zusatzpension nicht die einmalige Abfindung bei Pensionsantritt habe fördern wollen. Im Beschluss vom habe der Verwaltungsgerichtshof auch festgehalten, dass § 124b Z 53 EStG 1988 nur zur Anwendung komme, wenn dem Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt sei. Bei einem Vorbezug für Wohneigentum gebe es keinen solchen Zwang zur Inanspruchnahme und könne die Begünstigung daher auch nicht gewährt werden.

II. Sachverhalt

Der im Jahr 1966 geborene Beschwerdeführer ist als Grenzgänger in der Schweiz nichtselbständig tätig. Im März 2015 wurde ihm von der Vorsorgeeinrichtung der Schweizer Arbeitgeberin antragsgemäß ein Vorbezug für Wohneigentum in Höhe von 142.000,00 CHF (abzüglich Quellensteuer in Höhe von 9.585,00 CHF, die ihm in der Folge wieder rückerstattet wurde) ausbezahlt. Die Versicherungsleistungen im Vorsorgefall haben sich dadurch, wie im persönlichen Ausweis dargelegt, vermindert.

Der zwischen den Verfahrensparteien unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den aktenkundigen Unterlagen.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

§ 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002 lautet:

Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) wurde bezüglich der Anfügung des letzten Satzes Folgendes ausgeführt:

"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern".

Gesetzliche Grundlage für die berufliche Vorsorge in der Schweiz ist das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) vom .

Nach Art. 13 Abs. 1 BVG haben Männer, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben und Frauen, die das 64. Altersjahr zurückgelegt haben, Anspruch auf Altersleistungen. Abweichend davon können nach Art. 13 Abs. 2 erster Satz BVG die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung vorsehen, dass der Anspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit entsteht.

Verlassen Versicherte die Vorsorgeeinrichtung bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall), so haben sie gemäß Art. 2 des Schweizer Bundesgesetzes vom über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) Anspruch auf eine Austrittsleistung.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 BVG werden Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. Gemäß Art. 37 Abs. 4 lit. a BVG kann die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten an Stelle einer Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente eine Kapitalabfindung wählen können.

Nach Art. 30c Abs. 1 BVG kann der Versicherte bis drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs auf Altersleistungen von seiner Vorsorgeeinrichtung einen Betrag für Wohneigentum zum eigenen Bedarf geltend machen.

Gemäß Art. 30c Abs. 2 BVG dürfen Versicherte bis zum 50. Altersjahr einen Betrag bis zur Höhe der Freizügigkeitsleistung beziehen. Versicherte, die das 50. Altersjahr überschritten haben, dürfen höchstens die Freizügigkeitsleistung, auf die sie im 50. Altersjahr Anspruch gehabt hätten, oder die Hälfte der Freizügigkeitsleistung im Zeitpunkt des Bezuges in Anspruch nehmen.

Mit dem Bezug wird nach Art. 30c Abs. 4 BVG gleichzeitig der Anspruch auf Vorsorgeleistungen entsprechend den jeweiligen Vorsorgereglementen und den technischen Grundlagen der Vorsorgeeinrichtung gekürzt.

Nach Art. 30d Abs. 1 BVG muss der bezogene Betrag vom Versicherten oder von seinen Erben in den dort angeführten Fällen, ua. wenn das Wohneigentum veräußert wird (lit. a), an die Vorsorgeeinrichtung zurückbezahlt werden.

Im Übrigen kann der Versicherte den bezogenen Betrag nach Art. 30d Abs. 2 BVG unter Beachtung der Bedingungen von Abs. 3 jederzeit zurückbezahlen.

Nach Art. 32 Abs. 1 des Reglements der Personalvorsorgeeinrichtung der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers kann eine aktive versicherte Person alle 5 Jahre bis 3 Jahre vor Erreichen des Rücktrittsalters gemäß Vorsorgeplan einen Betrag (mindestens 20'000 CHF) für Wohneigentum zum eigenen Bedarf (Erwerb und Erstellung von Wohneigentum, Beteiligung an Wohneigentum oder Rückzahlung von Hypothekardarlehen) geltend machen. Als Eigenbedarf gilt die Nutzung durch die versicherte Person an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort. Sie kann aber auch für denselben Zweck diesen Betrag oder ihren Anspruch auf Vorsorgeleistung verpfänden. Macht die versicherte Person vom Vorbezug oder der Verpfändung Gebrauch, hat sie nach Art. 32 Abs. 4 des Reglements alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen, welche den Erwerb oder die Erstellung von Wohneigentum, die Beteiligung an Wohneigentum oder die Rückzahlung von Hypothekardarlehen in rechtsgenügender Weise belegen. Hinsichtlich der Höhe des Vorbezuges und dessen Rückzahlung entsprechen die reglementarischen Bestimmungen den gesetzlichen Vorgaben.

Ein Vorbezug für Wohneigentum kann somit während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses bis drei Jahre vor der Pensionierung in Anspruch genommen werden und vermindert die bestehenden Vorsorgeansprüche. Von einer (teilweisen) "Abfindung" eines Pensionsanspruches und damit einem Anwendungsfall des § 124b Z 53 EStG 1988 kann dabei aber nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes schon insofern nicht ausgegangen werden, als der Pensionsanspruch des Versicherten im Umfang des Vorbezuges nicht endgültig verloren geht, sondern im Falle der Rückzahlung wieder auflebt (vgl. auch ).

Zudem kommt im Beschwerdefall eine Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 letzter Satz EStG 1988 auch im Hinblick auf das Bestehen einer nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich begünstigungsschädlichen Wahlmöglichkeit nicht in Betracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem eine antragsgemäße Teilabfindung der einem Wirtschaftstreuhänder nach den Bestimmungen der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gebührenden Alterspension betreffenden Erkenntnis vom , 2009/15/0188, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) verneint, wenn dem Anspruchsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen einer Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) andererseits eingeräumt ist.

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof in jeweils Grenzgänger betreffenden Erkenntnissen wiederholt ausgeführt, § 124b Z 53 EStG 1988 setze voraus, "dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist" (vgl. , mwN, sowie jüngst ua. , und ). Selbst im Falle einer aufgrund des endgültigen Verlassens der Schweiz bzw. des Fürstentums Liechtenstein ausbezahlten Freizügigkeitsleistung ist demnach entscheidend, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung (in den zugrundeliegenden Fällen durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice) hätte aufrechterhalten werden können (betreffend Liechtenstein vgl. ua. , und ; betreffend die Schweiz vgl. ua. , mwN, und , mwN). Es könne nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung - Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 - ausgegangen werden, wenn dem Abgabepflichtigen nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen (vgl. , mwN).

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sohin aber kein Zweifel darüber bestehen, dass eine bestehende Wahlmöglichkeit zwischen dem Bezug einer Rente und einer (teilweisen) Kapitalabfindung der Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 entgegensteht. Klargestellt ist damit weiters, dass die Bestimmung nicht eine allgemeine Progressionsmilderung in Fällen des zusammengeballten Bezuges von Einkünften bezweckt, zumal es wohl auch nur in jenen Fällen, in denen Grenzgänger tatsächlich keine andere Möglichkeit als jene der Kapitalauszahlung haben, unbillig sein kann, eine Pensionsabfindung zur Gänze tarifmäßig zu besteuern, nicht aber dann, wenn der Progressionseffekt durch den dem Abgabepflichtigen möglichen Bezug einer laufenden Rente vermieden bzw. vermindert werden kann (vgl. ). Wäre eine Begünstigung von auf ausländischen gesetzlichen Regelungen beruhenden Pensionsabfindungen im Sinne der Ausführungen des steuerlichen Vertreters beabsichtigt gewesen, wäre es zudem jedenfalls am Gesetzgeber gelegen, auf die einschränkende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. die geänderte Verwaltungspraxis zu reagieren und die gesetzliche Regelung entsprechend zu adaptieren. Eine weitere Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen, ua. auf die frühere und zwischenzeitig insoweit als überholt anzusehende Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates abstellenden Ausführungen des steuerlichen Vertreters erübrigt sich daher.

Gegenständlich hat der Beschwerdeführer die im BVG und im Reglement der Pensionskasse eingeräumte Möglichkeit eines Vorbezuges für Wohneigentum in Anspruch genommen. Auch wenn es zweifelsohne zutrifft, dass eine Auszahlung des Vorbezuges in Rentenform nicht möglich ist und zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme ein diesbezügliches Wahlrecht somit nicht bestand, hat sich der Anspruch aus dem Vorsorgeverhältnis aufgrund der antragsgemäßen Auszahlung des Vorbezuges entsprechend vermindert. Damit hat der Beschwerdeführer aber auf die Wahrung des vollen Pensionsanspruches gegenüber der Pensionskasse zugunsten der Auszahlung des Vorbezuges verzichtet und hatte er daher ohne Zweifel ein Wahlrecht zwischen der (anteiligen) Kapitalauszahlung und der Aufrechterhaltung des späteren (vollen) Rentenbezuges. Eine dem § 124b Z 53 EStG 1988 subsumierbare "Pensionsabfindung" lag daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vor (vgl. auch ).

Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben bzw. des verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutzes ist im Beschwerdefall nicht erkennbar. Auch wenn Abfindungszahlungen ausländischer Vorsorgeeinrichtungen ebenso wie Vorbezüge für Wohneigentum trotz bestehendem Wahlrecht über Jahre hinweg unter Anwendung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 besteuert wurden und der Senat den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung durchaus beipflichten kann, kann daraus ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung dieser Verwaltungspraxis nicht abgeleitet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (vgl. , , und ). Es müssen sohin besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen, wie dies etwa der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit derselben herausstellt (vgl. ua. , und , mwN). Dass ein solcher Fall vorgelegen wäre, wurde im Beschwerdefall nicht behauptet. Zudem kann der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. , und , mwN). Ein Vollzugsspielraum in diesem Sinne bestand bei der Beurteilung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 aber nicht.

Die Nichtberücksichtigung der Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 erweist sich somit als rechtmäßig und konnte der Beschwerde sohin kein Erfolg beschieden sein.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Durch die im Erkenntnis angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist klargestellt, dass eine begünstigte Pensionsabfindung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 nicht vorliegt, wenn eine Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes mit späterem Rentenanspruch möglich gewesen wäre. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

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Steuer
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ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100944.2015

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