Zuzugsfreibetrag gemäß § 103 Abs. 1a EStG - Dokumentation der hohen wissenschaftlichen Qualifikation gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016 im Rahmen der Industrieforschung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ. BMF-010203/0283-IV/8/2019, vom , betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) durch seinen steuerlichen Vertreter die Zuerkennung des pauschalen Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988.
Laut Dienstvertrag vom (Punkt 4, Tätigkeit/Einstufung) wurde der Bf. von der Firma ***3*** AG mit als "Engineer R&D III" unter der Stellenbeschreibung "Technology Development Engineer Gallium-Nitride", Global Grade 11, eingestellt. Der Zuzug aus Deutschland nach Österreich sei laut Verzeichnis gemäß § 7 Abs. 1 ZBV 2016 am erfolgt.
Der Bf. übermittelte neben dem Verzeichnis gemäß § 7 Abs. 1 ZBV 2016 und dem mit der Firma ***3*** AG abgeschlossenen Dienstvertrag eine Tätigkeitsbeschreibung sowie eine Bestätigung seines Dienstgebers, wonach die an den Bf. ausgezahlten Vergütungen Aufwendungen iSd. § 108c Abs. 1 EStG darstellen würden. Des Weiteren übermittelte der Bf. seine Urkunde für den akademischen Grad Master vom , seinen Lebenslauf mit einer Liste seiner Publikationen und Konferenz Präsentationen und ein Arbeitszeugnis der Universität.
In seiner Eingabe vom verwies der steuerliche Vertreter im Hinblick auf die wissenschaftliche Qualifikation des Bf. auf das Arbeitszeugnis der Universität, wonach der Bf. neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsprojekten auf der Universität als Doktorand bei der Weiterentwicklung von 3D LEDs auf Basis von GaN (Generative Adversarial Networks) entscheidend mitgewirkt habe. Des Weiteren sei aus der Tätigkeitsbeschreibung der Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Bf. eine Beschreibung des hierbei ausgeübten Funktions- und Verantwortungsgrades zu entnehmen. Die Mitarbeit des Bf. leiste auf Grund dessen dokumentierter wissenschaftlichen Qualifikation einen entscheidenden Beitrag im Forschungsbereich der Firma ***3*** AG, um die Erweiterungsinvestitionen am Forschungsstandort ***4*** umzusetzen. Es sei daher ein maßgebliches öffentliches Interesse an der wirtschaftlichen beruflichen Tätigkeit des Bf. in Österreich gegeben.
Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 ab. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. durch die von ihm vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend darlegen habe können, dass er über eine hohe wissenschaftliche Qualifikation iSd. § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016 verfüge.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom frist- und formgerecht Beschwerde erhoben. Darin verwies der steuerliche Vertreter - betreffend die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Bf. - auf die detaillierte Liste der Publikationen und Veröffentlichungen sowie Unterlagen über die bisherige wissenschaftliche Tätigkeit des Bf. in der Forschung und Entwicklung auf der Universität und stellte fest, dass die in der ZBV 2016 geforderten Kriterien durchwegs erfüllt seien:
- Die Tätigkeit des Bf. unterliege der prämienbegünstigten Forschung (§ 108c EStG), was durch die Bestätigung des Arbeitgebers nachgewiesen worden sei.
- Die Tätigkeit des Bf. liege im öffentlichen Interesse Österreichs, da der Standort der Firma ***3*** AG und die bereits beschlossenen Milliardeninvestitionen nur durch Spitzenkräfte mit hoher wissenschaftlicher Qualifikation umgesetzt werden könnten. Der Arbeitsmarkt, auf dem diese Spitzenkräfte gesucht würden, erstrecke sich auf sämtliche Erdteile, da andernfalls die Nachfrage nicht erfüllt werden könne. Die am Standort ***4*** entwickelten Produkte (Chips) gehörten zu den absoluten Spitzenprodukten dieser Branche und würden weltweit vertrieben. Es würden hierfür nur die weltweit hochqualifiziertesten Wissenschaftler in der Forschung und Entwicklung zum Einsatz kommen.
- Die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Bf. sei hinreichend dokumentiert. Es werde nochmals auf die Tätigkeit des Bf. in der Entwicklung der nächsten Leistungshalbleitertechnologie-Generation im Bereich Galllium für 100-650V Anwendungen sowie auf die Mitwirkung an etlichen von der EU geförderten Forschungsprojekte hingewiesen. Diese sei auch durch die akademische Laufbahn des Bf., begleitet von Forschungstätigkeiten und Publikationen, eindeutig nachgewiesen worden. Auch sei die Dissertation bereits eingereicht und angenommen worden, für deren Verteidigung werde ein Termin abgewartet.
Im Übrigen wendete der Bf. den Mangel einer nachvollziehbaren inhaltlichen Begründung des Abweisungsbescheides ein, weil sich die im Bescheid zitierten Einzelfallerkenntnisse des Bundesfinanzgerichts ausschließlich auf den universitären Bereich beziehen würden und darüber hinaus die Voraussetzung einer erfolgreichen Habilitation bzw. bestimmter Führungspositionen für den Nachweis einer hohen wissenschaftlichen Qualifikation in keiner Weise aus der ZBV 2016 noch aus den Erläuterungen oder der Literatur ableitbar seien.
Am legte der Bundesminister für Finanzen die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf. ist Staatsbürger der Volksrepublik China und hat im Jahr 2013 sein Masterstudium an der Universität für Elektrotechnik und Elektronik Xi'an abgeschlossen.
Ab Oktober 2016 wurde er von der Universität als Doktorand am Institut für Halbleitertechnik eingestellt, wo er neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsprojekten an der Weiterentwicklung von 3D LESDs auf Basis von GaN mitgewirkt hat.
Am ist der Bf. von Deutschland nach Österreich zugezogen, wo er seit bei der Firma ***3*** AG als "Engineer R&D III" unter der Stellenbeschreibung "Technology Development Engineer Gallium-Nitride", Global Grade 11, beschäftigt ist. Mit dem Zuzug wurde auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich begründet.
Laut Tätigkeitsbeschreibung der ***3*** AG wirkt der Bf. als Projektmitarbeiter in Gallium Nitrid Forschungsprojekten mit. Der Fokus seiner Tätigkeiten liegt in der Entwicklung der nächsten Leistungshalbleitertechnologie-Generation im Bereich Gallium für 100-650V Anwendungen, wobei er als Technologieentwicklungsingenieur für den Gallium Epitaxie Prozessblock verantwortlich ist. Dabei arbeitet der Bf. laut Tätigkeitsbeschreibung eng mit den relevanten Abteilungen der Wafer Fertigung, Prozess- und Technologie- und Produktentwicklung sowie mit Einzelprozessengineering für Epitaxie, Prozessintegration, Defektdichteengineering, Mess- und Testengineering und dem Projektmanagement zusammen.
Auf das Dienstverhältnis gelangt der Kollektivvertrag für Angestellte der Elektro- und Elektronikindustrie zur Anwendungen. Dementsprechend erfolgte die Einstufung des Bf. in die Beschäftigungsgruppe G/nach 2 Jahren. (siehe Punkt 4 des mit der ***3*** AG abgeschlossenen Dienstvertrages).
Laut Punkt 3 des Dienstvertrages bezieht der Bf. ein monatliches All-in-Pay-Entgelt in der Höhe von 4.050 Euro brutto.
Die vorgelegte Publikationsliste weist den Bf. als Co-Autor mehrerer Publikationen aus. Daneben wirkte er an Konferenzen in Form von Beiträgen und Posterpräsentationen mit.
Der Bf. beantragte die Zuerkennung des pauschalen Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988. Streit besteht über die hinreichende Dokumentation der hohen wissenschaftlichen Qualifikation des Bf. gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016.
Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
1) Gesetzesgrundlage
§ 103 EStG 1988, BGBl. I Nr. 118/2015, idF StRefG 2015/2016 lautet auszugsweise:
"Zuzugsbegünstigung
§ 103. (1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter Q 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.
(1 a) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden.
(2) […]
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren betreffend die Erteilung der Zuzugsbegünstigung im Sinne des Abs. 1 und des Abs. 1 a mit Verordnung zu regeln. Dabei ist auch näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ebenso kann die Verordnung den sachlichen Umfang und die Dauer von Zuzugsbegünstigungen im Sinne des Abs. 1 regeln. In dieser Verordnung kann festgelegt werden, dass die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung im Sinne des Abs. 1 in Form der Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes, der sich aus der tatsächlichen Steuerbelastung vor dem Zuzug ergibt, erfolgt. Dieser Steuersatz darf 15 % nicht unterschreiten."
2) Zuzugsbegünstigungsverordnung
Auf Basis der Bestimmung des § 103 Abs. 3 EStG 1988 wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Zuzugsbegünstigungen (Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 - ZBV 2016), BGBl. II Nr. 261/2016, erlassen.
Die am in Kraft getretene ZBV 2016 lautet auszugsweise:
"Wissenschaft und Forschung
§ 2. (1) Der Zuzug hochqualifizierter Personen aus dem Ausland dient der Förderung von Wissenschaft und Forschung und ist aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. Die Tätigkeit der zuziehenden Person im Bereich der Wissenschaft und Forschung besteht überwiegend in einer wissenschaftlichen Tätigkeit (einschließlich der universitären Erschließung und Entwicklung der Künste). Eine Tätigkeit ist als wissenschaftlich anzusehen, wenn sie auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten (Forschung und experimentelle Entwicklung).
2. Die Tätigkeit im Bereich der Wissenschaft und Forschung liegt maßgeblich im öffentlichen Interesse Österreichs.
3. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung würde ohne Zuzug nicht in diesem Ausmaß eintreten und erfolgt unmittelbar.
4. Die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Antragstellers ist hinreichend dokumentiert.
(2) Ein der Förderung der Wissenschaft und Forschung dienender Zuzug aus dem Ausland liegt in folgenden Fällen jedenfalls im öffentlichen Interesse:
1. Der zuziehende Wissenschaftler wird als Professorin/Professor im Sinne des § 94 Abs. 2 Z 1 Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120, tätig oder des § 12 Abs. 1 Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology - Austria, BGBl. I Nr. 69/2006 in Verbindung mit § 94 Abs. 2 Z 1 UG.
2. Der zuziehende Wissenschaftler wird in seinem Habilitationsfach oder einem an sein Habilitationsfach angrenzenden wissenschaftlichen oder künstlerischen Fach tätig,
[…]
Die Forschung und experimentelle Entwicklung muss in einem inländischen Betrieb, einer inländischen Betriebsstätte oder einer anderen inländischen wirtschaftlich selbständigen Einheit dieser Forschungseinrichtung erfolgen. Bei Personen, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, müssen dabei die der Forschung und experimentellen Entwicklung (einschließlich der universitären Erschließung und Entwicklung der Künste) dienenden Tätigkeiten im Kalenderjahr überwiegen.
3. Die dem zuziehenden Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) stellen Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG 1988 dar und betragen mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt. Z 2 letzter Satz gilt entsprechend.
[…]"
3) Förderung von Wissenschaft und Forschung im öffentlichen Interesse
Der Gesetzestext des § 103 EStG konkretisiert zwar nicht näher, wann der Zuzug einer Person der Förderung von Wissenschaft und Forschung dient und damit im öffentlichen Interesse liegt, doch ist den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. ErlRV 684 BlgNR XXV, GP 26) zu entnehmen, dass "angesichts des internationalen Wettbewerbs um die "besten Köpfe" für Wissenschaftler und Forscher Anreize für deren Zuzug nach Österreich geschaffen werden sollen. Begünstigt ist der Zuzug von ausländischen Spitzenkräften aus den Bereichen von Wissenschaft und Forschung".
In der wirkungsorientierten Folgenabschätzung des Steuerreformgesetzes 2015/16 (14 von 43 129/ME XXV. GP - Ministerialentwurf - Wirkungsorientierte Folgenabschätzung Steuerreformgesetz 2015 - Steuer) wird der Sinn der Bestimmung des § 103 EStG dahingehend beschrieben, als Anreize geschaffen werden sollen, um Wissenschafts- und Forschungspersonal nach Österreich zu holen.
Entsprechend der somit klaren Intention des Gesetzgebers, wonach diese Steuerbegünstigung auf den Zuzug von Spitzenkräften der Wissenschaft und Forschung beschränkt ist, widmet sich § 2 ZBV 2016 der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmales "des öffentlichen Interesses" am Zuzug von Wissenschaftlern und Forschern.
Im öffentlichen Interesse gelegen ist somit der Zuzug hochqualifizierter Wissenschaftler/innen. Die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Antragstellers/der Antragstellerin muss hinreichend dokumentiert sein. Ohne den Zuzug dieser Forschungs- bzw. Wissenschaftskapazität würde eine Förderung der inländischen Wissenschaft und Forschung nicht in diesem Ausmaß eintreten, als es durch sein Wirken in Österreich zu erwarten ist.
Gemäß § 2 Abs. 2 ZBV 2016 ist das öffentliche Interesse am steuerbegünstigen Zuzug des Wissenschaftlers oder Forschers in unwiderlegbarer gesetzlicher Vermutung jedenfalls gegeben bei Professorinnen/Professoren und Wissenschaftlern, die in ihrem Habilitationsfach oder in einem angrenzenden Fach tätig sind (§ 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016) sowie bei Wissenschaftlern und Forschern, deren Tätigkeit überwiegend in Forschung und Entwicklung liegt, sofern die an sie zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) prämienbegünstigte Forschungsaufwendungen iSd. § 108c Abs. 1 EStG darstellen und mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt betragen (§ 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016).
Im gegenständlichen Fall ist der Bf. im Bereich der betrieblichen Forschung und Entwicklung tätig und beruft sich unter Vorlage einer Bestätigung seines Arbeitgebers, wonach die an den Bf. ausgezahlten Vergütungen Aufwendungen iSd. § 108c Abs. 1 EStG darstellen, auf § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016.
Aus Punkt 3 des zwischen der ***3*** AG und dem Bf. abgeschlossenen Dienstvertrages vom ergibt sich jedoch, dass der Bf. mit seinem All-in-Pay-Entgelt in der Höhe von 4.050 Euro brutto monatlich das für die Blaue Karte EU erforderliche Mindestbruttojahresgehalt des Jahres 2019 in der Höhe von 62.265 Euro (bzw. das bei unterjährigem Zuzug zu aliquotierende maßgebliche Mindestgehalt) nicht erreicht hat.
Mangels Vorliegen der Voraussetzung konnte somit die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 nicht zur Anwendung kommen.
Es ist daher eine materielle Einzelfallbeurteilung gemäß § 2 Abs. 1 ZBV 2016 durchzuführen und anhand der dort genannten Voraussetzungen - mit besonderem Augenmerk auf die Tätigkeit und die Qualifikation des Bf. - zu prüfen, ob sein Zuzug im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dabei soll im Ergebnis kein strengerer Maßstab als in Abs. 2 ZBV 2016 zur Anwendung kommen.
Unbestritten ist die überwiegend wissenschaftliche Tätigkeit des Bf. bei der ***3*** AG. Vielmehr besteht Streit über die hinreichende Dokumentation der hohen wissenschaftlichen Qualifikation des Bf. gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016.
Der Bf. verweist in diesem Zusammenhang auf seine Tätigkeit in der Entwicklung der nächsten Leistungshalbleitertechnologie- Generation im Bereich Galllium für 100-650V Anwendungen und bringt dazu vor, dass für die am Standort ***4*** entwickelten Produkte (Chips), welche zu den Spitzenprodukten dieser Branche gehörten, nur die weltweit hochqualifiziertesten Wissenschaftler in der Forschung und Entwicklung zum Einsatz kämen. Des Weiteren sei aus der Tätigkeitsbeschreibung betreffend die Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Bf. eine Beschreibung des hierbei ausgeübten Funktions- und Verantwortungsgrades zu entnehmen. Die Mitarbeit des Bf. leiste auf Grund dessen dokumentierter wissenschaftlichen Qualifikation einen entscheidenden Beitrag im Forschungsbereich der ***3*** AG, um die Erweiterungsinvestitionen am Forschungsstandort ***4*** umzusetzen, weswegen ein maßgebliches öffentliches Interesse an der wirtschaftlichen beruflichen Tätigkeit des Bf. in Österreich gegeben sei.
In Fällen wie dem vorliegenden, in welchem der Bf. nicht im Rahmen der akademischen Forschung an einer Universität oder einer vergleichbaren anderen Einrichtung, sondern im Bereich der betrieblichen Forschung tätig ist, sind als Maßstab für die Beurteilung der Tätigkeit die typischerweise zu erwartenden Leistungen von Personen, die unter § 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016 fallen, heranzuziehen. Insofern ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Tätigkeit des Bf. als Projektmitarbeiter in Gallium Nitrid Forschungsprojekten bei der ***3*** AG mit den Leistungen, welche von Personen, die unter § 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016 fallen, erwartet werden, vergleichbar ist und der Zuzug aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Das Vorbringen, wonach am Standort ***4*** nur die weltweit hochqualifiziertesten Wissenschaftler zum Einsatz kämen, sagt nichts über das Vorliegen jener umfassenden wissenschaftlichen Fähigkeiten des Bf. aus, über die Personen verfügen, welche unter § 2 Abs. 2 Z 2 ZBV 2016 fallen.
Vielmehr könnte eine hohe wissenschaftliche Qualifikation im Hinblick darauf, dass sich die Qualifikation im Rahmen der Industrieforschung anhand weniger formeller Kriterien als im akademischen Forschungsbetrieb niederschlägt, beispielsweise in einer besonders verantwortungsvollen Tätigkeit zum Ausdruck kommen.
Wenn der Bf. in diesem Zusammenhang auf die von der ***3*** AG ausgestellte Tätigkeitsbeschreibung verweist ist festzustellen, dass dieser zwar eine Beschreibung der Forschungs- und Entwicklungsarbeit, nicht jedoch ein besonders hoher - sich von der Tätigkeit anderer Mitarbeiter abhebender - Verantwortungsgrad bzw. eine Leitungsfunktion des Bf., zu entnehmen ist.
Darüber hinaus wurde der Bf. laut Punkt 4 seines Dienstvertrages mit der ***3*** AG in die Beschäftigungsgruppe "G" des Kollektivvertrages für Angestellte der Elektro- und Elektronikindustrie eingestuft. Die Beschäftigungsgruppendefinition führt als Beispiele zur Gruppe "G" explizit Personen an, die "eine berufsbildende höhere Schule absolviert haben" sowie Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger nach Abschluss eines Fachhochschul-, Hochschul- oder Universitätsstudium.
Auch wenn das Einstiegsgehalt des Bf. lediglich als eines von mehreren Indizien für die hohe wissenschaftliche Qualifikation herangezogen werden kann und dieses auch über dem kollektivvertraglich vorgesehenen Gehalt der Beschäftigungsgruppe "G" liegt, ist dennoch zu bemerken, dass das mit der ***3*** AG vereinbarte All-in-Pay-Entgelt des Bf. in der Höhe von 4.050 Euro brutto monatlich (bzw. 56.700 Euro brutto pro Jahr) deutlich unter der Grenze des in § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 festgelegten Mindestbruttojahresgehaltes liegt, sodass es nicht als Indiz für die hohen wissenschaftlichen Qualifikation des Bf. herangezogen werden kann.
Die hohe wissenschaftliche Qualifikation kann auch anhand von Publikationen oder der Mitarbeit an Forschungsprojekten dokumentiert werden.
Der Bf. verweist in diesem Zusammenhang auf das Arbeitszeugnis der Universität, wonach er als Doktorand bei der Weiterentwicklung von 3D LEDs auf Basis von GaN (Generative Adversarial Networks) entscheidend mitgewirkt habe, und legt eine Liste seiner wissenschaftlichen Publikationen und Konferenz Präsentationen vor.
Selbst wenn aus diesen Unterlagen die Mitwirkung des Bf. an mehreren Publikationen, Konferenzen und Forschungsprojekten hervorgeht, lassen sie auf keine hinreichend hohe wissenschaftliche Qualifikation, wie sie Spitzenkräfte der Wissenschaft und Forschung aufweisen, schließen. Denn weder dem Lebenslauf noch dem Arbeitszeugnis der Universität, welches lediglich bestätigt, dass der Bf. von Beginn selbständig, mit größtem Einsatz und stets zielorientiert gearbeitet habe, kann eine entsprechend hohe Projektverantwortlichkeit des Bf. entnommen werden.
Zu dem Einwand des Bf., wonach sich die im Abweisungsbescheid zitierten Einzelfallerkenntnisse des Bundesfinanzgerichts ausschließlich auf den universitären Bereich beziehen würden, ist zu bemerken, dass ein Zusammenhang zwischen universitärer und betrieblicher Forschung insofern besteht, als - wie bereits oben ausgeführt - in Fällen, in denen der Bf. im Bereich der betrieblichen Forschung tätig ist, als Maßstab für die Beurteilung der Tätigkeit die typischerweise zu erwartenden Leistungen von Personen, die unter § 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016 fallen, heranzuziehen sind.
Wenn der Bf. des Weiteren ausführt, dass die Voraussetzung einer erfolgreichen Habilitation für den Nachweis einer hohen wissenschaftlichen Qualifikation weder aus der ZBV 2016 noch aus den Erläuterungen oder der Literatur ableitbar sei, ist ihm beizupflichten. § 2 Abs. 2 Z 2 ZBV 2016 stellt lediglich für eine von drei genannten Kategorien von Wissenschaftlern eine unwiderlegbare Vermutung auf, wonach ein der Förderung der Wissenschaft und Forschung dienender Zuzug aus dem Ausland jedenfalls im öffentlichen Interesse liegt. Während § 2 Abs. 1 ZBV 2016 alle Zuzugsfälle in den Bereichen Wissenschaft und Forschung regelt, dient § 2 Abs. 2 ZBV 2016 der Verfahrensvereinfachung in bestimmten Fällen, indem bei den von dieser Bestimmung erfassten Wissenschaftlern das Vorliegen aller Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 1 ZBV 2016 unwiderlegbar vermutet wird.
Das Bundesfinanzgericht gelangt daher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere im Hinblick auf den Tätigkeitsumfang und -inhalt des Bf., zu dem Ergebnis, dass die seitens des Bf. durchgeführten Tätigkeiten keinen ausreichend hohen Verantwortungsgrad (keine Leitungsfunktion) erkennen lassen und daher die Leistungen des Bf. als "Engineer R&D III" der ***3*** AG nicht mit jenen, die von Personen, die unter § 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016 fallen, typischerweise erwartet werden, vergleichbar sind.
Aus der Formulierung in § 2 Abs. 2 Z 4 ZBV 2016 lässt sich eine Beweislastverteilung dahingehend ableiten, als die Dokumentationspflicht den Begünstigungswerber trifft und insoweit keine amtswegige Ermittlungspflicht besteht. Da die hohe wissenschaftliche Qualifikation gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016 seitens des Bf. nicht hinreichend dokumentiert werden konnte, ist davon auszugehen, dass der Zuzug des Bf. nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da zu den Kriterien, nach denen sich die hohe wissenschaftliche Qualifikation bestimmt und deren Ermittlung keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, war die ordentliche Revision zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 Abs. 1a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016, Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016, BGBl. II Nr. 261/2016 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102042.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at