Abziehbarkeit von Vorsteuern iZm einer beabsichtigten Vermietung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinDSW in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch zobl.bauer. Salzburg Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH, Mildenburggasse 4A, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom betreffend Umsatzsteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Von der Beschwerdeführerin (Bf) geltend gemachte Vorsteuern in Höhe von € 8.266,06, die zur Gänze auf eine noch in Bau befindliche Wohnung entfallen, wurden abweichend von der Umsatzsteuererklärung 2019 im Umsatzsteuerjahresbescheid 2019, Bescheiddatum , nicht anerkannt.
Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass bei der Errichtung von Wohnraum, damit der Vorsteuerabzug gewährt werden könne, die Vermietungsabsicht in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag finden müsse. Eine Absichtserklärung sei nicht ausreichend.
Mit Schriftsatz vom brachte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter gegen den Umsatzsteuerbescheid 2019 folgende Beschwerde ein:
Die Vorsteuern entfallen auf eine in Bau befindliche Wohnung, welche von der Bf zu Vermietungszwecken erworben worden sei. Es sei weder heute noch in Zukunft eine andere Nutzung als zur Vermietung der derzeit in Bau befindlichen Wohnung vorgesehen. Die Bf, eine Ärztin, betreibe eine Arztordination und besitze ein eigenes Haus in ***3***. Die Anschaffung der Wohnung in ***1*** diene ausschließlich der Wertanlage, der Vermietung und der zusätzlichen Vorsorge nach Einstellung ihrer Tätigkeit als niedergelassene Ärztin. Die Wohnung sei zum Teil aus Eigenmitteln und einem langfristigen Bankkredit finanziert. Die Bf werde weder ihre Ordination aufgeben noch aus Österreich wegziehen. Diese Sachverhalte sprächen für eine langfristige Vermietungsabsicht.
Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde am mittels Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Bei Errichtung von Wohnraum müsse, damit der Vorsteuerabzug vor Erzielung von Einnahmen gewährt werden könne, die Vermietungsabsicht in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag finden oder aus sonstigen, über die Absichtserklärung hinausgehenden Umständen mit ziemlicher Sicherheit feststehen. Im streitgegenständlichen Fall lägen keine über die Absichtserklärung hinausgehende Vereinbarungen vor. Es wurden auch keine Umstände offengelegt, die die konkrete Vermietungsabsicht ausreichend dokumentieren könnten.
Mit Schriftsatz vom stellte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend führte die Bf noch aus, dass sie die Wohnung vom Bauträger wohl ohne Ausweis von Umsatzsteuer (unecht befreiter Grundstücksumsatz) erworben hätte, falls sie eine andere Verwendung und nicht die Vermietung beabsichtigen würde, binde dieser Erwerb sie doch für lange Zeit an die Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuer. Unter Berücksichtigung der Beweggründe für die beabsichtigte Vermietung stehe die ernsthafte Vermietungsabsicht bereits vor Beginn ausreichend fest.
Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde am zur Entscheidung durch das Bundesgericht diesem vor.
Nach telefonischem Vorhalt legte die Bf mit Schriftsatz vom dem BFG eine Planungs-/Prognoserechnung für die streitgegenständliche Vermietung vor. Dieser ist zu entnehmen, dass im 10ten Jahr der Vermietung ein Einnahmenüberschuss und nach 16 Jahren ein kumulierter Einnahmenüberschuss erzielbar sei.
Ergänzend und informativ werde auch mitgeteilt, dass die Bf verheiratet sei und 3 Töchter im Alter von 20, 18 und 5 Jahren habe. Die älteste Tochter studiere Medizin in ***2*** und wohne in einer Wohngemeinschaft mit anderen Studenten. Bei den anderen Kindern sei die künftige Tätigkeit/Studium noch nicht absehbar. Beweggrund für den Wohnungserwerb sei ausschließlich die Wertanlage und die zusätzliche Altersvorsorge durch die Vermietung. Eine Nutzung durch die Bf persönlich sei faktisch ausgeschlossen, da diese mit Ihrer Familie ein Einfamilienhaus (Eigenheim) in ***3*** mit rund 200 m2, Garten und Schwimmteich in ruhiger Lage bewohne.
Die Abgabenbehörde hat diesen Ausführungen - nach Vorhalt - nichts entgegengehalten.
Mittels Telefax vom brachte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter eine Erklärung gemäß § 6 Abs 3 UStG 1994 (Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer) beim BFG ein. Die Verzichtserklärung wurde in der Folge an die zuständige Behörde übermittelt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf ist Ärztin und erklärte im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr steuerbare Umsätze, die unter den Tatbestand des § 6 Abs 1 Z 19 UStG zu subsumieren sind. Die Bf hat mit Kaufvertrag vom eine Eigentumswohnung in ***1*** mit einer Wohnfläche von ca 75 m2 von einem Bauträger erworben und die erste Teilrate nachweislich im Dezember 2019 an die Verkäuferin überwiesen. Im Zusammenhang mit dem Kauf geltend gemachte Vorsteuern in Höhe von € 8.266,06 wurden von der Abgabenbehörde im Umsatzsteuerbescheid 2019 nicht anerkannt. Nach Ansicht der Behörde wurde die Vermietungsabsicht von der Bf nicht ausreichend dargelegt. Dem widerspricht die Bf.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes und auf die Ermittlungen des BFG.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Unternehmer ist nach § 2 Abs 1 UStG 1994, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers.
Gemäß § 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994 kann ein Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 sind Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs 1 Z 1 du 2 UStG 1994 im Veranlagungszeitraum 30 000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen sowie Umsätze, die nach § 6 Abs 1 Z 8 lit d und j, Z 9 lit b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 steuerfrei sind, außer Ansatz.
Die Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Tätigkeit als Arzt durchgeführt werden, sind steuerfrei (§ 6 Abs 1 Z 19 UStG 1994).
Gemäß § 6 Abs 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre.
Das bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:
In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde der Rechtssatz geprägt, dass für die Abziehbarkeit von Vorsteuern, noch bevor aus der Vermietung eines Gebäudes Entgelte erzielt werden, die bloße Erklärung, ein Gebäude künftig vermieten zu wollen, nicht ausreicht, sondern dass die Absicht der Vermietung eines Gebäudes in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag finden oder aus sonstigen, über die Erklärung hinausgehenden Umständen mit Wahrscheinlichkeit nach allgemeiner Erfahrung feststehen muss.
Die Abziehbarkeit von Vorsteuern im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Vermietungstätigkeit noch vor deren Beginn erfordert daher ein Vorbringen des Steuerpflichtigen, mit welchem er Sachverhalte darlegt, bei deren Würdigung am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden Vermietung wahrscheinlicher ist, als der Fall einer steuerbefreiten Vermietung oder der Fall des Unterbleibens einer Vermietung (vgl. ).
Für die Entstehung der Unternehmereigenschaft ist es nicht erforderlich, dass bereits Leistungen erbracht werden, auch Vorbereitungshandlungen sind ausreichend. Es genügt daher ein Tätigwerden zum Zweck des späteren Bewirkens von Umsätzen. Ob die Unternehmereigenschaft begründende Vorbereitungstätigkeiten vorliegen oder nicht, muss im Zeitpunkt der Tätigkeit entschieden werden. Bei der Vermietung eines Gebäudes muss die Absicht der Vermietung in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag finden oder auf Grund anderer, über die bloße Erklärung hinausgehender Umstände mit ziemlicher Sicherheit feststehen, dass eine Vermietung erfolgen wird (siehe dazu Ruppe/Achatz, UStG 4, § 2 Rz 134 ff).
Ob eine Handlung ernsthaft der Vorbereitung künftiger Leistungen dient oder nicht, ist Tatfrage, für die die objektiven Regeln der Beweiswürdigung gelten.
Für den Zeitpunkt des Beginnes der Unternehmerschaft können nur nach außen gerichtete Handlungen maßgeblich sein, die jeder unbefangene Dritte als Vorbereitungshandlungen einer unternehmerischen Tätigkeit - im streitgegenständlichen Fall Vermietungstätigkeit - ansieht ().
Nach Ansicht des BFG sprechen folgende nach außen gerichtete Vorbereitungshandlungen, die auch eine unbefangene Person als solche ansieht, dafür, dass die geltend gemachten Vorsteuern anzuerkennen sind:
Kaufvertrag vom :
Unter V. Kaufpreiszahlung findet sich zu den einzelnen Teilbeträgen der Ausweis der Umsatzsteuer, der steuerlich nur dann sinnvoll erscheint, wenn man eine unternehmerische (hier: Vermietungs-) Tätigkeit plant. Beim Kauf einer Wohnung, die primär auf eine private Nutzung ausgerichtet ist, ist der Kaufpreis in der Regel ohne Umsatzsteuerausweis dargestellt (unecht befreiter Grundstücksumsatz gemäß § 6 Abs 1 lit Z 9 a UStG).
Prognoserechnung:
Die Erstellung einer Prognoserechnung dokumentiert jedenfalls eine Vermietungsabsicht. Sie ist objektiver Anhaltspunkt und widerlegt im streitgegenständlichen Fall, wie den von der Bf vorgelegten Angaben (Grundangaben, Ermittlung Anschaffung, Finanzierung, Abschreibung etc.) unstrittig entnommen werden kann, die Liebhabereivermutung. Die Erstellung einer Ertragsrechnung in Zusammenhang mit einer privaten Nutzung von Wohnraum widerspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens.
Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer:
Da die in der Prognoserechnung (siehe dazu: Schriftsatz vom ) kalkulierten jährlichen Mietumsätze beginnend mit € 9.050,03/Steigerung bis € 12.127,91 unter die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer fallen - die von der Bf im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ärztin erzielten Umsätze sind ab bei der Ermittlung der gesetzlichen Umsatzgrenze von 30.000 Euro nicht zu berücksichtigen - , hat die Bf innerhalb der Rechtskraft des streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklärt, auf die Steuerbefreiung zu verzichten und die Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu versteuern (siehe dazu: Schriftsatz vom /Verzichtserklärung). Dieses Vorgehen spricht unter Würdigung am Maßstab des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes und der Denkgesetze für eine bevorstehende steuerpflichtige Vermietung, zumal eine fünfjährige Bindungsfrist dieser Erklärung - neben einer zwingenden Vorsteuerberichtigung - damit einhergeht. Auflagen dieser Art nimmt jemand dann in Kauf, wenn er die Absicht hat, am Markt als Vermieter aufzutreten und ist jedenfalls eine bindende Vereinbarung. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass ein Wohnungskäufer mit privaten Ambitionen eine Erklärung gemäß § 6 Abs 3 UStG abgibt.
Weitere von der Bf vorgebrachte Beweggründe:
Sowohl die Größe der erworbenen Wohnung (ca 75m2) als auch die Wohnverhältnisse der Bf (Eigenheim, rund 200 m2 Wohnfläche, Garten und Schwimmteich in ruhiger Lage), wie auch der Beweggrund der Altersvorsorge und jener der Wertanlage sind Indizien, die zusätzlich zu den oben genannten, für eine Vermietungsabsicht sprechen.
Abschließend ist jedoch festzuhalten, dass die Möglichkeit einer Nutzung der Wohnung durch die Töchter nicht ausgeschlossen werden kann. Sie ist aber als Indiz für eine private Nutzung der erworbenen Wohnung in Zusammenschau mit dem vorgetragenen und ermittelten Sachverhalt zu wenig aussagekräftig.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im streitgegenständlichen Fall handelt es sich um eine auf der Sachverhaltsebene zu lösende Frage (keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung). Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 2 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100409.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at