Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.11.2020, RV/2101006/2018

Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses für die Beurteilung der DB- und DZ-Pflicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Kammerstetter & Partner Steuerberatung GmbH, Innsbrucker Bundesstraße 140, 5020 Salzburg, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2008, 2009, 2010 und 2011 zu Recht erkannt:

Den Beschwerden gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 und 2009 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Die Beschwerden gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Den Beschwerden gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2011 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden wie folgt abgeändert und lauten daher:

Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) für das Jahr 2011

Bemessungsgrundlage 82.746,44 €
Dienstgeberbeitrag 3.723,59 €
Bisher war vorgeschrieben 3.620,09 €
Nachforderung 103,50 €

Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für das Jahr 2011

Bemessungsgrundlage 82.746,44 €
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 330,98 €
Bisher war vorgeschrieben 321,78 €
Nachforderung 9,20 €

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer GPLA wurde laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung bei der als GmbH und Co KG in das Firmenbuch eingetragenen Beschwerdeführerin (Bf) unter anderem festgestellt, dass ***1*** als einziger Gesellschafter der Komplämentär-GmbH laut Vereinbarung folgende Leistungen verrechnet habe: Gestaltung und Leitung der folgenden Seminare, Kurse und Ausbildungen:
Rechnung Nr 2/08 vom € 166.220,00
Rechnung Nr 2/09 vom € 88.523,00
Rechnung Nr 1/10 vom € 71.910,00
Rechnung Nr 1 /11 vom € 65.000,00

Das Finanzamt folgte dieser wie auch den anderen Feststellungen und erließ die nunmehr angefochtenen Bescheide.

Die dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden wurden wie folgt begründet:
"Tatsache ist, dass ***1*** im Prüfungszeitraum 2008 - 2011 in Österreich keinen Wohnsitz hatte und damit in Österreich keine § 22 Ziff. 2 EStG Einkünfte bezogen hat, sondern nur mit Mieteinkünften beschränkt steuerpflichtig war. Sein Hauptwohnsitz befand sich auf ***2***. Dort hat er auch eine eigene Betriebsstätte, von der aus er tätig wurde. Die Leistungen wurden in seiner Betriebsstätte auf ***2*** erbracht, dort auch versteuert und an die österreichische ***Bf1*** fakturiert. Er selber befand sich in Österreich in diesen Jahren nur an einigen Tagen, an denen er Seminare abhielt und in den entsprechenden Hotels nächtigte. Die restliche Zeit, die er in Europa verbrachte, hielt er Seminare in Deutschland, der Schweiz und in Südtirol. In Österreich hatte er weder ein Büro, noch war er Geschäftsführer. Geschäftsführer der ***3*** war in diesem Zeitraum Herr ***4*** -, somit war er in die Organisation der ***Bf1*** nicht eingebunden.

Weiters ist festzuhalten, dass es keine direkte Verbindung des Herrn ***1*** zur ***Bf1*** (keine Kommanditisten und keine Komplementärstellung) gibt, sodass diese Vergütungen nicht aus gesellschaftsrechtlicher Form heraus zufließen. Nachdem Herr ***1*** auch nicht Geschäftsführer der ***3*** ist, können diese Einkünfte auch nicht der GmbH zugerechnet werden.

Im oben genannten Bescheid wurde also verabsäumt, eine Begründung für die Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag anzuführen, da in diesem Fall der Bezug auf § 22 Ziff. 2 EStG ins Leere geht. Wir ersuchen daher, eine ausführliche Begründung für die Vorschreibung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag nachzuliefern oder wie oben ersucht, die nachgeforderten Beträge für die Jahre 2008-2011 überhaupt abzuschreiben."

Das Finanzamt wies das Begehren der Bf mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und begründete den gerügten Verfahrensmangel zusammengefasst damit, dass Begründungsmängel im Abgabenverfahren grundsätzlich im Rechtsmittelverfahren saniert werden können.

Weites wurde darauf hingewiesen, dass § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988, anders als von der Bf angeführt, nicht zur Anwendung gelangen hätte könne, da die Bf keine Kapitalgesellschaft sei. Nach Darlegung der gesetzlichen Bestimmung des § 4 Abs. 4 ASVG kommt das Finanzamt im Zusammenhalt mit der hierzu ergangenen Judikatur und dem festgestellten Sachverhalt vielmehr zu dem Ergebnis, dass es sich bei ***1*** um einen freien Dienstnehmer der Bf im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG handeln würde.

Auf Grund der Bestimmungen des § 41 Abs. 2 FLAG 1967 und des § 122 Abs. 7 und 8 WKG sei die Entlohnung für freie Dienstnehmer in die Beitragsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag miteinzubeziehen, da es auf den Typus als freier Dienstnehmer und nicht auf eine tatsächliche Versicherung in Österreich ankommen würde.

Dagegen wurde fristgerecht der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht gemäß § 264 BAO eingebracht.

Das Finanzamt legte die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf wurde als ***Bf1*** in das Firmenbuch eingetragen. Als Komplementärin und damit als unbeschränkt haftende Gesellschafterin ist im Firmenbuch die ***3*** genannt. Diese vertritt die Bf selbständig seit , steht im Alleineigentum des ***1*** und wird im strittigen Zeitraum von ***4*** als Geschäftsführer und von ***1*** als Prokurist seit selbständig vertreten.

Kommanditisten der Bf waren seit ***5*** und ab der Verein "***6***".

Als Geschäftszweig ist im Firmenbuch bei der Bf "Vortrags- und Seminarorganisation" und bei der Komplementär-GmbH "Vermarktung von Autorenrechten" eingetragen.

Laut Zentralem Melderegister hatte ***1*** im strittigen Zeitraum keinen Wohnsitz in Österreich. Vermerkt ist ein Wohnsitz in ***2***.

Aus den vorgelegten Rechnungen ist zu ersehen, dass ***1*** Vorträge, Seminare und Ausbildungen für Bf durchgeführt hat. ***1*** verrechnete diese für die Bf erbrachten Leistungen als Werkvertrag und legte an die Bf einmal jährlich eine Rechnung. Die an die Bf gelegte Rechnung für das Jahr 2010 vom beinhaltet beispielsweise folgende Leistungen:

"Wie vereinbart verrechne ich folgende Leistungen laut Vereinbarung: Gestaltung und Leitung der folgenden Seminare, Kursen und Ausbildungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Euro
6.3.-12.3.
***7***
2.480
19.3.-26.3.
***8***
5.560
26.3.-4.4.
***9***
3.820
26.6.-2.7.
***10***
1.400
3.7.-10.7.
***16***
8.790
28.2.-6.3.
***11***
13.250
12.9.-19.9.
***12***
5.630
5.11.-12.11.
***8***
4.400
12.11.-21.11.
***9***
4.860
21.11.-28.11.
***13***
4.590
28.11.-5.12.
***14***
7.800
5.12.-12.12.
***15***
9.330
Rechnungsbetrag
71.910

Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde an das BFG vorgelegten Beschwerdeakt. Durch das Zusammenwirken der von ***1*** an die Bf gelegten Rechnungen, dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom , den Ausführungen der Bf im Beschwerdeverfahren sowie den Daten im Firmenbuch ergibt sich eine hohe Beweissicherheit, die den Akteninhalt als unzweifelhaft erscheinen lässt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Vorbringen der fehlenden Begründung der angefochtenen Bescheide:

Zu dem in der Beschwerdeschrift gerügten Verfahrensmangel der mangelnden Begründung der angefochtenen Bescheide, wird, wie bereits durch das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom , darauf hingewiesen, dass Begründungsmängel im Abgabenverfahren grundsätzlich im Rechtsmittelverfahren saniert werden können (zB ; , 0282). Es ist daher davon auszugehen, dass durch die ausführliche Begründung des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom ein in den angefochtenen Bescheiden bestehender Begründungsmangel saniert wurde (vgl. weiters ; Ritz, BAO, 6. Auflage, § 93 Rz 16).

Zum Vorliegen von Einkünften gemäß § 22 Z 2 EStG 1988:

Zu der von der Bf in der Beschwerde geäußerten Ansicht, dass ***1*** keine Einkünfte gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 bezogen habe, womit wohl die Einkünfte nach Teilstrich 2 gemeint waren, wird auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen, wonach § 22 Z 2 EStG 1988 nicht zur Anwendung kommen kann, da die Bf als GmbH & Co KG keine Kapitalgesellschaft ist. Auch dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung kann nicht entnommen werden, dass die von der Bf bezogenen Einkünfte des ***1*** im Zuge des Prüfungsverfahrens als Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisende Beschäftigung gewährt werden, im Sinne des § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 qualifiziert worden wären.

Zum Beschäftigungsverhältnis des ***1*** zur Bf:

***1*** hat seine für die Bf erbrachten Leistungen als Werkleistung abgerechnet. Nach der Feststellung des Finanzamtes handelt es sich beim Beschäftigungsverhältnis des ***1*** zur Bf jedoch nicht um einen Werkvertrag, sondern um ein freies Dienstverhältnis.

Das Zivilrecht wie auch das Steuerrecht kennen keine gesetzliche Definition des freien Dienstnehmers. Steuerrechtlich ist ein freier Dienstnehmer demnach jeder, der im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gegenüber einer Auftraggeberin/einem Auftraggeber Dauerleistungen erbringt (Dauerschuldverhältnis), aber noch in keinem Dienstverhältnis steht.

Nach der Definition im Sozialversicherungsrecht in § 4 Abs. 4 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für
1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,
2.eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),
wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,
a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder
b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder
c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder
d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

Zusammengefasst ergeben sich daraus für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 4 ASVG folgende Voraussetzungen (vgl. auch Strohdorfer in Poperl/Trauner/Weißenböck (Hrsg), Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (68. Lfg 2019) § 4 ASVG Rz 64):

-Verpflichtung zu Dienstleistungen für einen Dienstgeber mit Gewerbebetrieb, Verein, Gebietskörperschaft usw,
-Vertragsdauer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit,
-Entgeltbezug aus dieser Tätigkeit,
-Leistungserbringung im Wesentlichen persönlich,
-keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel,
-keine (andere) Pflichtversicherung aufgrund dieser Tätigkeit.

Eine vertragliche Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen kann neben einem schriftlichen oder mündlichen Vertrag auch durch konkludente Handlung zustande kommen (vgl. Strohdorfer in Poperl/Trauner/Weißenböck (Hrsg), Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (68. Lfg 2019) § 4 ASVG Rz 65).

In der Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt, von der Bf unwidersprochen geblieben, festgestellt, dass sämtliche Seminartätigkeiten von ***1*** über die Bf angeboten und abgerechnet werden. Dies wird durch die jährlich gegen Ende jeden Jahres an die Bf gelegten Rechnungen über die abgehaltenen Vorträge, Fort- und Ausbildungen sowie Seminare belegt. Wie dem Firmenbuch zu entnehmen ist, betreibt die Bf den Geschäftszweig "Vortrags- und Seminarorganisation". ***1*** gestaltet und leitet nach den an die Bf gelegten Rechnungen Seminare, Kurse und Ausbildungen. Auf Grund dieser Verflechtungen ergänzen sich die Bf und ***1*** derart, dass von einer konkludenten Verpflichtung zur Dienstleistungserbringung des ***1*** gegenüber der Bf ausgegangen werden muss, da eine wirtschaftliche selbständige Existenz sowohl des ***1*** als auch der Bf in diesem Geschäftszweig und in dieser Konstellation nicht gegeben ist.

Ein Werkvertrag liegt nach § 1151 ABGB vor, wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt. Wesentliches Merkmal eines Werkvertrages zum Unterschied zu einem klassischen Arbeitsvertrag ist das Schulden eines Werkes oder eines bestimmten Erfolges. Beim Werkvertrag handelt es sich um ein Zielschuldverhältnis, das auf die Herbeiführung einer konkreten Leistung abgestellt. Das Werkvertragsverhältnis wird durch die Erfüllung der Leistung bzw. der Herbeiführung des geschuldeten Erfolges automatisch beendet.

***1*** erbrachte in den strittigen Jahren seine Leistungen für die Bf Jahr für Jahr fortlaufend und wiederholend, weitestgehend an denselben Örtlichkeiten mit gleichen Vortrags-, Seminar- und Ausbildungsinhalten. Es kann daher bei dieser auf Dauer angelegten Leistungserbringung nicht von der Erstellung eines Werkes oder einzelner Werke und von einem für einen Werkvertrag typischen Zielschuldverhältnis gesprochen werden, weswegen von einer Vertragsdauer auf unbestimmte Zeit auszugehen ist.

Die Entgeltlichkeit der für die Bf von ***1*** erbrachten Leistungen ergeben sich aus den vom ihm jährlich an die Bf gelegten Rechnungen.

Zur weiteren Voraussetzung für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses, nämlich der im Wesentlichen persönlichen Leistungserbringung, wird auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen, wonach eine etwaige Weitergabe der zu erbringenden Leistungen an Dritte ausscheidet, da die Seminare von ***1*** konzipiert werden bzw. die Geschäftstätigkeit, der Marktauftritt und das Seminarangebot auf ***1*** zugeschnitten sind. Die jeweiligen Teilnehmer nehmen mit großer Wahrscheinlichkeit nur aus dem Grund an den jeweiligen Seminaren und Ausbildungen teil, weil diese von ***1*** geleitet werden. Eine etwaige Vertretung durch eine andere Person scheint daher nicht möglich zu sein. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ***1*** durch die Vielzahl der von ihm geschriebenen Bücher, der veröffentlichten Artikel und der darin vertretenen Fachmeinungen dem interessierten Publikum bestens bekannt ist und daher schon aus diesem Grund in den von der Bf organisierten Veranstaltungen erwartet wird, dass ***1*** persönlich auftritt.

Zur weiteren Voraussetzung für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses, nämlich, dass die freien Dienstnehmer über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, ist ebenfalls auf die unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom zu verweisen. Demnach bedeutet die Wesentlichkeit der Betriebsmittel, dass ohne Verwendung dieser Betriebsmittel die Dienstleistung nicht erbracht werden kann. Darüber hinaus muss das Betriebsmittel so gestaltet sein, dass es über Mittel des allgemeinen täglichen Gebrauchs hinausgeht (zB unternehmerische Struktur, eigenes Personal, finanziell aufwendige Spezialsoftware oder Spezialmaschinen oä.). Wird für die Erbringung der Dienstleistung im Wesentlichen nur die eigene Arbeitskraft verwendet, so sind für diese Tätigkeit keine Betriebsmittel erforderlich und kann dadurch ein freies Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 4 ASVG nicht ausgeschlossen werden.

Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung Kriterien herausgearbeitet, wann es sich um wesentliche Betriebsmittel iSd § 4 Abs. 4 ASVG handelt. Demnach ist der Begriff "wesentlich" nicht gleichbedeutend mit notwendig oder unerlässlich für die Erbringung der Dienstleistung. Ob ein Betriebsmittel wesentlich für die Erbringung der Dienstleistung ist, richtet sich nicht nach der Struktur des Auftraggebers, sondern nach der Struktur des freien Dienstnehmers. Es ist dabei zu fragen, ob sich der freie Dienstnehmer mit den verwendeten Betriebsmitteln eine eigene betriebliche Struktur geschaffen hat. Außerdem darf es sich bei den verwendeten Betriebsmitteln nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handeln. Darüber hinaus muss der freie Dienstnehmer das Betriebsmittel entweder in das Betriebsvermögen aufnehmen oder das Betriebsmittel ist seiner Art von vornherein dazu bestimmt, der betrieblichen Tätigkeit zu dienen (zB ; ).

Herr ***1*** hält bzw. leitet für die Bf regelmäßig und laufend Seminare und Ausbildungen. Für die Erbringung der Dienstleistungen benützt ***1*** im Wesentlichen seine hohe fachliche Qualifikation und damit seine eigene Arbeitskraft. Dass er hierzu eigenes Personal beschäftigt, wurde nicht vorgebracht. Zur Konzeptionierung und Abhaltung seiner Vorträge und Seminare wird er sich z.B. eines Computers und anderer technischer Vortragshilfen bedienen. Damit sind aber wesentliche Betriebsmittel für die Seminar- und Vortragstätigkeit des ***1*** nicht erforderlich.

Aus dem Umstand, dass ***1*** zu 100% an der Komplementär-GmbH beteiligt ist, wird einerseits die beherrschende Stellung des ***1*** in der als GmbH & Co KG geführten Bf und andererseits eine nicht unbeträchtliche Verflechtung zwischen der Tätigkeit des ***1*** und der Bf dokumentiert. Dies soll wohl auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass sowohl die Bf selbst als auch die zu 100% im Eigentum des ***1*** stehende Komplementär-GmbH im Firmennamen den Familiennamen des ***1*** tragen.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass sich ***1*** ohne persönliche Abhängigkeit von der Bf weitgehend selbständig und frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens verpflichtet hat. Die Möglichkeit des ***1*** auf Grund seiner beherrschenden Stellung bei der Bf bei der Festlegung der Orte und der Zeiten seiner Vortragstätigkeiten mitbestimmen und den Ablauf der Vortragstätigkeit mitgestalten zu können sowie das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit und einer Weisungsgebundenheit im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 grenzt seine Tätigkeit in einem freien Dienstverhältnis eindeutig von einem echten Arbeitsvertrag und damit einem Dienstverhältnis gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1998 ab.

In der Gesamtbetrachtung ist aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes ebenso wie aus der Sicht des Finanzamtes das Beschäftigungsverhältnis des ***1*** zur Bf als ein freies Dienstverhältniss zu beurteilen.

Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag:

§ 41 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967 idF BGBl. Nr. 376/1967 lautet:

"§ 41. (1) Den Dienstgeberbeitrag haben alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist.

(2) Dienstnehmer sind Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

(3) Der Beitrag des Dienstgebers ist von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988."

Mit BudBG 2009, BGBl I 2009/52, anzuwenden ab , wurde § 41 Abs. 2 und Abs. 3 FLAG wie folgt abgeändert:

§ 41 (2) Dienstnehmer sind Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

(3) Der Beitrag des Dienstgebers ist von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988und an freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG."

Rechtsgrundlage für die Abfuhr des DZ sind § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG 1998), BGBl I 1998/103. Als Bemessungsgrundlage ist die Beitragsgrundlage nach § 41 heranzuziehen.

Nachdem festgestellt wurde, dass das Beschäftigungsverhältnis des ***1*** zur Bf einen freien Dienstvertrag gemäß § 4 Abs. 4 ASVG darstellt und die an freie Dienstnehmer vergüteten Arbeitslöhne in die Beitragsgrundlage für den DB und DZ gemäß § 41 Abs. 2 FLAG ab dem Jahr 2010 einzubeziehen ist, war zu prüfen, ob die Voraussetzungen für Festsetzung des DB und DZ vorgelegen sind.

Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom hingewiesen. Das Familienlastenausgleichsgesetz verweist auf die sinngemäße Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 4 ASVG für die Zuordnung der tätigen Personen zum Kreis der (freien) Dienstnehmer für Zwecke des Dienstgeberbeitrages. Dabei kommt es lediglich auf den umschriebenen Typusbegriff an und ist eine tatsächlich bestehende Versicherungspflicht nach dem ASVG nicht Voraussetzung für die Dienstgeberbeitragspflicht (vgl. Lenneis/Wanke, FLAG Kommentar, Rz 40 zu § 41).

Als im Inland beschäftigt gilt ein Dienstnehmer dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis im Inland eingegangen wurde und auf dieses inländische Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Zur Festlegung, welche Rechtsvorschriften auf ein Beschäftigungsverhältnis anzuwenden sind, ist auf Art 8 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom auf das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) hinzuweisen. Demnach gilt - vorbehaltlich einer zulässigen anderweitigen Disposition der Vertragspartner - das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Kann das anzuwendende Recht nicht nach diesen Kriterien bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (siehe Lenneis/Wanke, FLAG Kommentar, 2. Auflage, Rz 6 zu § 41).

Einer Beschäftigung im Inland für Zwecke des Dienstgeberbeitrages steht auch eine längere Beschäftigung im Ausland nicht entgegen, solange der inländische Beschäftiger als Dienstgeber anzusehen ist. Liegt eine Beschäftigung im Inland vor, ist es unerheblich, ob der Dienstnehmer im Inland über einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügt. Daraus folgt, dass auch die Bezüge von im Inland beschäftigten Grenzgängern dem Dienstgeberbeitrag unterliegen (Lenneis/Wanke, FLAG Kommentar, 2. Auflage, Rz 8-9 zu§ 41). Auf eine etwaige im Inland bestehende unbeschränkte bzw. beschränkte Steuerpflicht des Empfängers kommt es somit bei der Einhebung des Dienstgeberbeitrages nicht an.

Im gegenständlichen Fall verfügt, wie oben ausgeführt, ***1*** über keine eigenen wesentlichen Betriebsmittel bzw. über keine eigene betriebliche Struktur außerhalb Österreich. Das Angebot bzw. der Auftritt am Markt, die Durchführung, die Abrechnung, somit die gesamte Verwertung der von ***1*** verrichteten Tätigkeiten (Seminare, Kurse und Ausbildungen) erfolgte über die Bf im Inland und nicht in ***2***. Dadurch ergibt sich in Gesamtbetrachtung der Umstände eine engere Verbindung zu Österreich als zu ***2*** und gilt somit ***1*** als im Inland als freier Dienstnehmer beschäftigt bzw. gelten auch die ausbezahlten Bezüge als im Inland bezogen. Da es, wie oben ausgeführt, auf den Typus als freier Dienstnehmer und nicht auf eine tatsächliche Versicherung in Österreich ankommt, unterliegen die Bezüge des ***1*** somit grundsätzlich dem Dienstgeberbeitrag bzw. Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.

Wie bereits oben dargestellt, sind Dienstnehmer gemäß § 41 Abs. 2 FLAG 1967 idF BudBG 2009, BGBl I 2009/52, anzuwenden ab , neben Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, auch freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG.

Demnach war von den an freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG ausbezahlten Vergütungen erst ab dem Jahr 2010 der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag abzuführen. Das bedeutet für den gegenständlichen Beschwerdefall, dass die Festsetzungen des DB und DZ für die Jahre 2008 und 2009 durch das Finanzamt zu Unrecht erfolgt sind. Da keine weiteren Feststellungen laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung zu diesen Jahren getroffen wurden, waren diese Bescheide aufzuheben.

Gemäß § 41 Abs. 4 lit f FLAG 1967 gehören Arbeitslöhne von Personen, die ab dem Kalendermonat gewährt werden, der dem Monat folgt, in dem sie das 60. Lebensjahr vollendet haben (BGBl I 2003/71, ab Monat Jänner 2004 anzuwenden) nicht zur Beitragsgrundlage. ***1*** ist nach Angaben im Firmenbuch am ***17*** geboren und vollendete demnach mit ***18*** 2011 das 60. Lebensjahr. Die an die Bf gelegte Rechnung des ***1*** für das Jahr 2011 trägt das Datum und den Vermerkt "gebucht". Nach dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip sind ihm die Vergütungen für das Jahr 2011 erst nach dem Monat, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet hat, zugeflossen. Die Befreiungsbestimmungen für Behinderte und für Personen ab dem 60. Lebensjahr gelten mangels gesetzlicher Einschränkungen auch für freie Dienstnehmer und für an Kapitalgesellschaften wesentlich beteiligte Geschäftsführer. Die Einbeziehung einer Vergütung an ***1*** in Höhe von € 15.000 des Jahres 2011 erfolgte daher zufolge § 41 Abs. 4 lit f FLAG 1967 rechtswidrig und war rückgängig zu machen.

Die weitere Feststellung laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung für den Zeitraum bis über einige in Form eines Werkvertrages für Aushilfen abgerechnete Arbeitsverhältnisse, die nicht anerkannt wurden und mit einer Bemessungsgrundlage in Höhe von € 2.300 für den DB und DZ bemessen wurden, gegen welche kein Rechtsmittel erhoben wurde, bleiben davon unberührt. Die Nachforderungen für den DB für das Jahr 2011 betragen daher € 103,50 und für den DZ € 9,20 (vgl. Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, Seite 5 unten). Die Bemessungsgrundlage in Höhe von € 82.746,44 für das Jahr 2011 ergibt sich durch Abzug von € 15.000 von € 97.746,44.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der gegenständlichen Entscheidung war keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen. Sie orientiert sich an gesetzlichen Bestimmungen, der Rechtsprechung des VwGH und Literaturmeinungen. Es war daher die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 41 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 4 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 122 Abs. 7 und 8 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101006.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at