Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2020, RV/5101772/2017

Nachgewiesene Kosten aus der Behinderung eines Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

In der beim zuständigen Finanzamt am elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 beantragte der Beschwerdeführer (Bf) u.a. die Berücksichtigung von Schulgeld in Höhe von 3.667,08 € für seinen behinderten Sohn.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt vom Bf den belegmäßigen Nachweis des Schulgeldes.

In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens legte der Bf am nachstehende Unterlagen vor:

-) ein an seine Ehegattin gerichtetes Schreiben des Magistrats der Stadt ***1*** vom , wonach für die Unterbringung des Sohnes in der genannten Tagesstätte der Caritas ab dem Aufnahmetag Sozialhilfekosten auflaufen würden. Die Gattin des Bf wurde ab dem Aufnahmetag zu einer Kostenersatzleistung von monatlich 124,30 € verpflichtet. Aus dem Pflegegeld des Sohnes sei ein Kostenbeitrag von 181,29 € zu leisten;

-) Kontoauszüge zur Bankverbindung der Gattin, welche im Beschwerdejahr den monatlichen Abzug von 124,30 € und 181,29 € (in Summe daher 3.667,08 €) belegten;

-) eine mit datierte Erklärung der Gattin des Bf, wonach ihr der gesamte Betrag von 3.667,08 € vom Bf im kurzen Wege erstattet worden sei.

Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom erging ohne Ansatz des beantragten Schulgeldes, weil die pauschalen Freibeträge zur Behinderung des Kindes bereits bei der Gattin des Bf berücksichtigt worden seien.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde wandte sich der Bf gegen die Nichtanerkennung des Kostenersatzes für die Tagesheimstätte in Höhe von 3.667,08 € als außergewöhnliche Belastung.

In der Beschwerdevorentscheidung vom anerkannte das Finanzamt nachgewiesene Kosten aus der Behinderung des Sohnes in Höhe von 1.842,70 €, weil im Einkommensteuerbescheid 2015 der Gattin vom bereits nachgewiesene Kosten aus der Behinderung des Sohnes in Höhe von 1.824,38 € berücksichtigt worden seien.

Am stellte der Bf elektronisch einen Vorlageantrag. Am reichte er beim Finanzamt persönlich einen gleichlautenden Vorlageantrag ein.

Das Finanzamt habe von den nachgewiesenen Kosten von 3.667,08 € nur einen Betrag von 1.842,70 € anerkannt, obwohl Aufwendungen für eine Behindertenwerkstätte ohne Abzug des Selbstbehaltes geltend gemacht werden könnten. Seine Gattin habe mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass er die gesamten Kosten getragen habe.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Bf, für die von seiner Ehegattin beantragten und in ihrem Einkommensteuerbescheid berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 1.824,38 € geeignete Nachweise (Zahlungsbelege, Rechnungen) vorzulegen.

In Beantwortung dieses Ersuchens übermittelte der Bf ein Konvolut von Belegen.

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Bf mit, dass

1) die Honorarnote ***2*** und die Behandlungsvorschreibungen der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau den Bf persönlich betreffen würden und daher als Krankheitskosten mit Selbstbehalt, nicht aber als nachgewiesene Kosten aufgrund der Behinderung des Sohnes zu berücksichtigen seien.

2) Zu den beantragten Kosten für die Kieferregulierung des Sohnes in Höhe von 736,70 € und 400,00 € stellte das Finanzamt fest, dass aus dem vorgelegten Schreiben der Versicherungsanstalt hervorgehe, dass sich die Kostenerstattung auf den Zeitraum 6/2013 bis 5/2015 beziehe. Der Bf werde daher ersucht, alle Honorarnoten für die Kieferregulierung vorzulegen. Die Honorarnote Nr. 2551 vom von ***3*** sei bereits vorgelegt worden.

3) Von den vorgelegten Belegen für Rezepte und Apothekenrechnungen könnten folgende Posten nicht als nachgewiesene Kosten wegen der Behinderung des Sohnes anerkannt werden: Schüßler Salze, Aknegel, Zahncremen, Vichy-Cremen, Murmeltiersalbe, La Roche Hautpflege, Hautschutzcremen, Euthyrox, Osteocalvit, Biogelat Cranberry, Make-up-Entferner, Wattestäbchen, Nosweat-Kapseln von Madaus, Emser Pastillen, Rhinospray, Heumanns Solubit Blasen+Nierentee, Thermacare.

Aufgrund obiger Ausführungen seien nicht die gesamten beantragten Kosten von 1.824,38 € nachgewiesen.

DerBf beantwortete dieses Schreiben dahingehend, dass

1) ***2*** zu dieser Zeit keinen Kassenvertrag mehr gehabt habe. Der Einfachheit halber seien die Honorarnoten auf ihn oder seine Gattin ausgestellt worden, da der Sohn nicht geschäftsfähig sei.

2) Die Honorarnoten befänden sich bei der VA.

3) Der Sohn leide an einer hartnäckigen Akne juvenilis - daher das Aknegel und die Hautpflegemittel. Durch seine BWS-Kyphose seien Erkältungen meist eine langwierige Angelegenheit, weshalb alles - auch mit nicht rezeptpflichtigen Medikamenten - versucht werde, um seine Genesung zu beschleunigen.

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf um Stellungnahme zu nachstehendem Sachverhalt:

"Laut der vorgelegten Bescheinigung des Bundessozialamtes wurde für Ihren Sohn ein Behinderungsgrad von 80 % festgestellt.

Nach dem auf einer Untersuchung vom basierenden Sachverständigengutachten waren für diese Einstufung ein ausgeprägter allgemeiner Entwicklungsrückstand bei Mikrozephalie, eine Zahnfehlstellung bei operierter Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und eine Wirbelsäulenfehlhaltung bzw. -fehlbildung entscheidend.

Krankheitskosten, die in ursächlichem Zusammenhang mit den die Behinderung begründenden Krankheiten stehen, können als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug des Selbstbehaltes nach § 34 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 berücksichtigt werden.

Krankheitskosten, die mit den die Behinderung verursachenden Erkrankungen nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen, sind unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes absetzbar.

Aufwendungen für Medikamente stellen grundsätzlich außergewöhnliche Belastungen dar. Auf Kosten für eine alternative Behandlungstherapie oder homöopathische Präparate trifft dies jedoch nur dann zu, wenn ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen wird, d.h. wenn vom Vorliegen medizinischer Gründe ausgegangen werden kann.

Nach den aufliegenden Unterlagen können die Fahrtkosten (377,88 €) zu ***3*** wegen der Kieferregulierung ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden.

Da Sie nicht sämtliche Honorarnoten für die Kieferregulierung vorlegen konnten und der von der Sozialversicherungsanstalt gewährte Kostenersatz den Behandlungszeitraum 06/2013 bis 05/2015 umfasste, wäre von den beantragten Kosten von 736,70 € im Jahr 2015 im Schätzungsweg 1/3 (das sind 245,57 €) ebenfalls ohne Selbstbehalt anzuerkennen.

In welcher Höhe leistete die Sozialversicherungsanstalt einen Kostenersatz zur Honorarnote ***3*** vom über 400,00 €, welche grundsätzlich ebenfalls ohne Selbstbehalt anzuerkennen wäre?

Bei den verbleibenden Belegen (***2***: 30,45 €, Behandlungsbeiträge: 69,71 €; Rezepte: 1.046,19 € + 14,90 €) war weder eine eindeutige Zuordnung zu Ihnen, Ihrer Ehegattin oder Ihrem Sohn möglich, noch war ein ursächlicher Zusammenhang mit den die Behinderung begründenden Erkrankungen erkennbar.

Diese Aufwendungen wären daher entweder nur mit Selbstbehalt abzugsfähig oder als nicht abzugsfähige Kosten der allgemeinen Lebensführung gemäß § 20 EStG anzusehen. Nicht abzugsfähig sind insbesondere Hautpflegemittel, Zahncremen bzw. die in Punkt 3 des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom angeführten Mittel.

Hautpflegemittel im Zusammenhang mit der von Ihnen vorgebrachten Akne Ihres Sohnes wären allenfalls nach ärztlicher Verschreibung und nach Abzug eines Selbstbehaltes abzugsfähig.

Im Ergebnis konnten die von Ihrer Gattin in deren Einkommensteuerbescheid 2015 berücksichtigten Kosten aus der Behinderung des Sohnes in Höhe von 1.824,38 € nur mit 377,88 € + 245,57 € + 400,00 € (vorbehaltlich eines Kostenersatzes), in Summe mit 1.023,45 €, nachgewiesen werden, weshalb eine nicht nachgewiesene Differenz von 790,93 € verbleibt.

Vom von Ihnen beantragten Schulgeld von 3.667,08 € könnte daher nach derzeitiger Aktenlage nur ein Betrag von 2.876,15 € (3.667,08 € minus 790,93 €) als nachgewiesene Kosten aus der Behinderung Ihres Sohnes berücksichtigt werden."

Der Bf fragte sich in seiner Stellungnahme vom , weshalb seine Arbeitnehmerveranlagung mit der seiner Gattin vermengt werde. Er sei zwar steuerrechtlich ein Laie, aber seines Wissens nach bestehe in Österreich eine persönliche Steuerpflicht.

Er habe eine Beschwerde eingebracht, weil die Kosten von 3.667,08 € für die Tätigkeiten seines behinderten Sohnes in einer Behindertenwerkstätte in seinem Einkommensteuerbescheid nicht in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt worden seien. Diese Kosten seien in voller Höhe nachgewiesen, ihm - laut schriftlicher Erklärung seiner Frau - zuordenbar und laut Steuerbuch 2016, Seite 86, auch absetzbar. Im Übrigen habe das Finanzamt diese Kosten seit 2016 in seinen jährlichen Arbeitnehmerveranlagungen anstandslos in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt. Diese Vorgehensweise würde nach den Berechnungen des Bf ein Steuerguthaben von 922,00 € ergeben. Die anderen Fragen würden hauptsächlich die Einkommensteuererklärung seiner Frau betreffen.

Zur Rechnung von ***3***: Laut Satzungen der VAEB gebe es für Kieferregulierungen einen in der Höhe (siehe Beilage Bewilligung für Kostenzuschuss) und Dauer (drei Jahre) begrenzten Kostenzuschuss. Behandlungszeitraum sei 5/2012 bis 5/2015, siehe Beilagen (Satzungen der VAEB und Bewilligungsschreiben).

Mit Erhalt des Schreibens von der VAEB Kostenerstattung sei dieser Punkt erreicht worden, weshalb er die Rechnung von ***3*** über 400,00 € der VAEB nicht mehr vorgelegt habe.

Zu den Rezepten: Dass so viele Belege keine Anerkennung fänden, sei bedauerlich. Er sei bei der Einordnung der Belege nicht der Meinung des Bundesfinanzgerichts, nehme es aber zur Kenntnis. Tatsache sei, dass diese Ausgaben getätigt worden seien, um Krankheiten, die im kausalen Zusammenhang mit den Behinderungen seines Sohnes stünden, zu behandeln. So dauere z.B. eine banale Erkältung, die bei "normalen" Kindern ca. eine Woche dauere, bei seinem Sohn etwa die dreifache Zeit, weil seine Wirbelsäulenfehlbildung seine Atmung erschwere.

Bei der Neuberechnung der Einkommensteuererklärung seiner Frau werde es wohl zu einer Nachforderung kommen. Der Bf wolle, dass seine Steuerakten und die seiner Frau getrennt voneinander behandelt würden. Schließlich kämen ja auch unterschiedliche Steuersätze zur Anwendung. Er hoffe, das Gericht schließe sich seiner Sichtweise der Dinge an. Sollte dies leider nicht der Fall sein - er sei ja nur Laie -, sollten dann nicht, wie im alten Familiensteuerrecht, die steuerpflichtigen Einkommen der Ehegatten zusammengerechnet, durch zwei geteilt und mit neuen Steuersätzen berechnet werden?

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen und dem Vorbringen des Bf.

Rechtslage

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 kann jeder unbeschränkt Steuerpflichtige beantragen, dass bei Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Die Belastung muss sowohl außergewöhnlich sein (Abs. 2) als auch zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.

Nach § 34 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 91/1998, BGBl II 416/2001, BGBl II 430/2010 (in der Folge kurz: VO).

Diese lautet auszugsweise, soweit sie für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist:

§ 1 Abs. 2: Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

§ 1 Abs. 3: Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 4: Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5 Abs. 1: Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262,00 € vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

§ 5 Abs. 3: Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung, die durch die Behinderung eines (unterhaltsberechtigten) Kindes veranlasst sind, sind daher ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes und ohne Anrechnung von pflegebedingten Geldleistungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Pflegebedingte Geldleistungen sind auf das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule nicht anzurechnen ().

Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der VO sind Kosten für den Arzt, das Spital, Therapien oder Medikamente, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen (); weiters dabei anfallende Fahrt- bzw. Transportkosten. Krankheitskosten aufgrund nachgewiesener Folgeerkrankungen einer Behinderung sind ebenfalls ohne Abzug eines Selbstbehalts zu berücksichtigen ().

Ein Abzug von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus dem Titel der Behinderung (ohne Selbstbehalt) kommt daher nur dann in Betracht, wenn diese im Zusammenhang mit den vom Sozialministeriumservice (früher: Bundessozialamt) festgestellten Gesundheitsschädigungen stehen, diese somit "behinderungsrelevant" sind (-K/08).

Andere krankheitsbedingte Aufwendungen stellen eine außergewöhnliche Belastung mit Berücksichtigung des Selbstbehalts dar.

Aufwendungen für Medikamente stellen grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung dar. Auf Kosten für eine alternative Behandlungstherapie oder homöopathische Präparate trifft dies jedoch nur dann zu, wenn ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen wird, d.h. wenn vom Vorliegen medizinischer Gründe ausgegangen werden kann.

Bei Maßnahmen, deren Beitrag zur Heilung bzw. Linderung einer Krankheit oder zur günstigen Entwicklung einer Behinderung nicht hinreichend erwiesen ist und die daher bei der medizinischen Behandlung auch nicht typischerweise anfallen, fehlt das Merkmal der Zwangsläufigkeit.

Bloße Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung stellen keinen triftigen medizinischen Grund für Aufwendungen dar ().

Erst jüngst sprach der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0039, mit Verweis auf , aus, dass der Erwerb apothekenpflichtiger Präparate ohne konkrete ärztliche Verordnung mangels Nachweises ihrer Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist.

Generell sind dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung nicht eindeutig zu ziehen ist, an die Nachweisführung strenge Anforderungen zu stellen.

Erwägungen

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob das vom Bf beantragte Schulgeld von 3.667,08 € für seinen behinderten Sohn, für den ein Grad der Behinderung von 80 % festgestellt worden ist und der im Beschwerdejahr Pflegegeld der Stufe 4 bezogen hat, in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen ist.

In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 erklärte der Bf eine Kostentragung von 51 % für seinen behinderten Sohn, seine Gattin in ihrer Erklärung eine Kostentragung von 49 %.

Die Gattin des Bf, die Kosten für ihren Sohn in Höhe von 1.824,38 € beantragt hatte, wurde mit Bescheid vom erklärungsgemäß veranlagt. Dieser Bescheid ist rechtkräftig und kann daher, wovon der Bf in seinem Schreiben vom offenbar zu Unrecht ausgeht, nicht mehr abgeändert werden.

Da Kosten aus der Behinderung eines Kindes nicht doppelt von beiden Partnern als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden dürfen und im Einkommensteuerbescheid der Ehegattin - ohne Überprüfung durch das Finanzamt - der geltend gemachte Betrag von 1.824,38 € berücksichtigt worden ist, ist zu prüfen, welcher (noch nicht durch seine Ehegattin beantragte) Aufwand beim Bf verbleibt.

Sämtliche Ausgaben im Zusammenhang mit der Kieferregulierung sind aufgrund der im Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes angeführten "Zahnfehlstellung bei operierter Lippen-Kiefer-Gaumenspalte", die für die Einstufung eines Behinderungsgrades von 80 % mit ursächlich war, als mit der festgestellten Behinderung in Zusammenhang stehend anzusehen und daher ohne Abzug eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Konkret sind dies die Honorarnote ***3*** in Höhe von 400,00 € und die diesbezüglichen Fahrtkosten von 377,88 €. Der für die Kieferregulierung gewährte Kostenersatz umfasst den Behandlungszeitraum 06/2013 bis 05/2015, sodass von den beantragten Kosten von 736,70 € im Beschwerdejahr im Schätzungsweg ein Drittel (das sind 245,57 €) ebenfalls ohne Selbstbehalt anerkannt werden kann (insgesamt daher 1.023,45 €).

Zwischen den Erkältungen des Sohnes und den vorliegenden Behinderungen (Wirbelsäulenfehlbildung, Entwicklungsrückstand bei Mikrozephalie) kann dagegen kein zweifelsfreier Zusammenhang hergestellt werden. Dass die Erkältungen eine Folgeerkrankung der Wirbelsäulenfehlbildung darstellen würden, wodurch die dafür angefallenen Medikamente ebenfalls ohne Abzug eines Selbstbehaltes berücksichtigt werden könnten, wurde nicht (z.B. durch ein ärztliches Attest) nachgewiesen. Die zur Bekämpfung von Erkältungen gekauften Medikamente wären daher nur mit Selbstbehalt abzugsfähig.

Auch für die übrigen, sowohl mit ärztlicher Verordnung als auch ohne konkrete ärztliche Verordnung und somit de facto eigenmächtig zur Selbstbehandlung besorgten Medikamente und alternativmedizinischen Präparate wie z.B. Schüßler Salze kann ein Kausalzusammenhang mit den bescheinigten Behinderungen des Sohnes nicht hergestellt werden.

Darüber hinaus ermöglichen die in Kopie vorgelegten, von diversen Apotheken ausgestellten Kassenbons (1.046,19 € laut Aufstellung des Bf), die Behandlungsbeitragsvorschreibungen (26,75 €, 22,04 € und 20,92 €) sowie die Honorarnote der praktischen Ärztin ***2*** (30,45 €) keine eindeutige Zuordnung zum Bf, zu seiner Ehegattin oder seinem Sohn.

Eine ärztliche Verschreibung für bestimmte Hautpflegemittel (z.B. Hautpflegeprodukte der Marken Avene, Vichy oder La Roche) zur Behandlung der Akne juvenilis des Sohnes legte der Bf nicht vor, weshalb diese mangels Außergewöhnlichkeit der Anschaffung von Hautpflegeprodukten nicht abzugsfähig sind.

Laut Einkommensteuerbescheid 2015 vom beträgt der aufgrund des Einkommens und Familienstandes des Bf berechnete Selbstbehalt 8.124,04 €.

Da die Behandlungsbeitragsvorschreibungen, die o.a. Honorarnote sowie die vorgelegten Belege über Apothekeneinkäufe den Selbstbehalt nicht übersteigen und daher keine steuerliche Auswirkung haben, erübrigt sich eine Prüfung, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten um "allgemeine" Krankheitskosten mit Selbstbehalt oder um nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 handelt (wie z.B. Parodontax Zahncreme oder Hautpflegeprodukte der Marken Avene, Vichy oder La Roche).

Im Ergebnis konnte der Bf neben dem Schulgeld von 3.667,08 € weitere Kosten von 1.023,45 €, die ohne Zweifel in Zusammenhang mit der Behinderung seines Sohnes stehen, nachweisen. Da bei der Veranlagung der Gattin von diesem Betrag bereits ein Anteil von 1.824,38 € antragsgemäß berücksichtigt worden ist, verbleibt beim Bf ein Restbetrag von 2.866,15 €.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Die Frage, ob im gegenständlichen Fall die beantragten Aufwendungen als im Zusammenhangmit der Behinderung stehende Heilbehandlungen anzusehen sind oder nicht bzw. ob diese Aufwendungen überhaupt als Krankheitskosten im Sinn des § 34 EStG 1988 zu qualifizieren sind, ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig und nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101772.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at