Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.12.2020, RV/5101270/2018

Auf persönliche Unbilligkeit gestützter Nachsichtsantrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hochstöger, Nowotny & Wohlmacher Rechtsanwälte OG, Obere Donaustraße 4, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Nachsicht § 236 BAO 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer (Bf) durch seine steuerliche Vertreterin ein Nachsichtsansuchen.

Diesem Ansuchen wurden ein Vermögensverzeichnis sowie ein Grundbuchsauszug des dem Bf zur Hälfte (gemeinsam mit seiner Gattin) gehörenden Reihenhauses (in Form von Wohnungseigentum) beigelegt.

Die Wohnung diene dem Ehepaar als ständiger Wohnsitz. Die Gattin des Bf sei nicht bereit, auf diesen Liegenschaftsanteilen eine Belastung zu akzeptieren.

Die im Vermögensverzeichnis angeführten Schenkungen an die Kinder seien im Wesentlichen in den Jahren 2010 bis 2012 erfolgt und hätten vor allem zur Unterstützung während der Erkrankung eines Schwiegersohnes gedient. Angesichts des laufenden Einkommens des Bf errechne sich ein monatlicher pfändbarer Betrag von rund 80,00 €. Im Hinblick auf die Einkommenssituation und die ebenfalls nachvollziehbaren, nicht besonders aufwendigen Lebenshaltungskosten ergebe sich, dass der Bf nicht in der Lage sei, die offene Forderung des Finanzamtes innerhalb von zwei Jahren mit einer vernünftigen Ratenzahlung zu tilgen.

Darüber hinaus sei die Forderung des Finanzamtes, abgesehen von der grundbücherlich sichergestellten Darlehensschuld, die einzige relevante Verbindlichkeit des Bf, weshalb auch die Durchführung eines Schuldenregulierungsverfahrens nicht zielführend sei. Aufgrund einer persönlich eingegangenen Haftung zugunsten des Vereins "***1***" bestehe eine Eventualverbindlichkeit von 13.000,00 €. Im Falle einer Abschöpfung über einen Zeitraum von sieben Jahren würde sich lediglich ein Gesamtbetrag von maximal gerundet 8.000,00 € ergeben.

Seitens der Familie des Bf liege die Zusage vor, ihm im Falle einer kurzfristigen Entschuldung Mittel zur Verfügung zu stellen, die eine Quotenzahlung von 30 % der Forderung ermöglichen würden. Diese Quote sei auch höher als im Zuge einer Abschöpfung erzielbar wäre.

Wenngleich dem Bf bewusst sei, dass für eine derartige außergerichtliche Erledigung die gesetzlichen Grundlagen nur bedingt gegeben seien, ersuche er dennoch um Prüfung, ob aufgrund der konkreten Situation dem Nachsichtsansuchen stattgegeben werden könne.

Laut einem dem Nachsichtsansuchen beigelegten Grundbuchsauszug wurde dem Bf zu 225/1332 Anteilen Wohnungseigentum an der Liegenschaft KG ***2***, eingeräumt.

Der Kaufvertrag datiert vom , wegen eines auf dem Liegenschaftsanteil verbücherten Pfandrechts von 500.000,00 S wurde im Jahr 1989 im Grundbuch ein Veräußerungsverbot für das ***3*** eingetragen.

Ein Vorkaufsrecht für die im Grundbuch genannten Personen wurde gemäß Punkt V des am abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrages eingetragen.

In dem am erstellten Vermögensverzeichnis sind u.a. ein monatliches Nettoeinkommen des Bf von 1.536,84 € sowie regelmäßig monatlich wiederkehrende Verpflichtungen von 2.168,70 € angeführt, wobei auf den Bf anteilige Belastungen von 1.232,30 € entfallen. Für das Jahr 2017 machte der Bf zusätzliche monatliche Kosten der Rechtsberatung von 200,00 € geltend, sodass seine monatlichen Belastungen im Jahr 2017 in Summe 1.432,30 € betragen haben.

Laut Vermögensverzeichnis besaß der Bf geringe Bargeldreserven in Form eines Bankkontos und eines Bausparvertrages sowie zur Hälfte einen Pkw Citroen Picasso, Bj. 2008. Er und seine Gattin schenkten den Kindern in den letzten 10 Jahren zu je 50 % 30.000,00 €. An Verbindlichkeiten nannte der Bf die Finanzamtsschulden von 28.800,00 € sowie offene Verbindlichkeiten von 24.772,72 € aus dem Wohnbaudarlehen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht von 28.515,40 € als unbegründet ab.

Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 235 und 236 BAO verwies das Finanzamt darauf, dass die Unbilligkeit persönlich oder sachlich bedingt sein könne.

Sachliche Unbilligkeit werde im Ansuchen nicht behauptet.

Persönliche Unbilligkeit liege vor, wenn gerade die Einhebung der Abgabe die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährde oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liege in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein.

Eine Unbilligkeit sei dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht sei, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändere.

Im Hinblick auf eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe bringe der Nachsichtswerber vor, dass sein Einkommen gerade zum Leben reiche und er kein verwertbares Vermögen besitze.

Im vorliegenden Fall sei aus der Aufstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse ersichtlich, dass der Nachsichtswerber neben den persönlichen Einkünften noch über einen Hälfteanteil einer Eigentumswohnung verfüge. Aus dem Nachsichtsansuchen sei der gemeine Wert der Eigentumswohnung (Verkaufswert der Wohnung zum heutigen Zeitpunkt) nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass die Ehefrau eine Belastung ihres Hälfteanteils nicht akzeptiere, sei für die Genehmigung einer Nachsicht nicht von Bedeutung. Dies ändere nichts an der Tatsache, dass der Bf Hälfteeigentümer dieses Grundvermögens sei. Seine Aufgabe sei es, dafür zu sorgen, dass sein Hälfteanteil für eine Belastung freigemacht werde.

Da weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit vorliege, könne das Ermessen gemäß § 20 BAO nicht angewandt werden.

Sollte ein weiteres Vorbringen des Nachsichtswerbers eine Einhebung dennoch unbillig erscheinen lassen, werde zu einer allfälligen Ermessensübung darauf hingewiesen, dass die nachsichtsumfassten Abgaben überwiegend aus einer Betriebsprüfung resultierten, in der festgestellt worden sei, dass der Bf die abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten über mehrere Jahre verletzt habe. Bei der Ermessensentscheidung sei vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde wandte sich der Bf durch seine steuerliche Vertreterin gegen das vom Finanzamt festgestellte Nichtvorliegen einer persönlichen Unbilligkeit, weil er neben persönlichen Einkünften noch über einen Hälfteanteil einer Eigentumswohnung verfüge. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei es Aufgabe des Bf, dafür zu sorgen, dass seine Gattin einer Belastung der Eigentumswohnung zustimme.

Wie aus dem vorgelegten Vermögensverzeichnis zu entnehmen sei, erreichten die monatlichen Ausgaben des Bf, die keineswegs als unverhältnismäßig hoch bezeichnet werden könnten, beinahe die Höhe des monatlichen Nettobezuges. Darüber hinaus verfüge der Bf lediglich über einen halben Mindestanteil an einer unter den Regularien des Wohnungseigentumsgesetzes stehenden Eigentumswohnung. Weiteres Vermögen sei nicht vorhanden.

Zu den Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich Freimachung des halben Liegenschaftsanteils der Gattin sei darauf hinzuweisen, dass gemäß § 13 WEG dazu keine Pflicht bestehe und die Eigentumsanteile aufgrund der aufrechten Ehe ohne Zustimmung der Gattin nicht (auch nicht exekutiv) belastet werden könnten. Sowohl der Bf als auch seine Gattin hätten ein dringendes Wohnbedürfnis, da es sich bei der Eigentumswohnung um die einzige Möglichkeit handle, das Wohnbedürfnis zu befriedigen. Daher sei verständlich und könne dem Bf nicht zum Nachteil gereichen, wenn seine Gattin ihre Zustimmung zu einer allfälligen Belastung der Wohnung nicht erteile.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stehe, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben würden. Die Unbilligkeit nach § 236 BAO könne entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liege insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährde, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedürfe, sondern es genüge, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.

Konkret sei eine derartige Veräußerung des einzig relevanten Vermögens mangels Zustimmung der Gattin des Bf gar nicht möglich.

Aufgrund eines exekutiven Eingriffes der belangten Behörde zur Hereinbringung der Forderung von 28.515,40 € würden dem Bf durch das Drittschuldnerverfügungsverbot monatlich nur ein unpfändbarer Betrag von 1.100,00 € ausbezahlt. Rund 430,00 € gelangten damit zur Abdeckung der offenen Forderung, welche sich durch die Betreibungsmaßnahmen ständig erhöhe.

Bereits die Gegenüberstellung des dem Bf nunmehr verbleibenden Betrages von rund 1.100,00 € mit den im Vermögensverzeichnis angeführten monatlichen Ausgaben von rund 1.432,00 € verdeutliche die Unbilligkeit der gegenständlichen Maßnahmen, da nach der o.a. Rechtsprechung die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers durch diese vermögensrechtlichen Verfügungen einer Gefährdung unterliege.

Erschwerend sei weiters zu beachten, dass der Bf im Jahr 2019 das Pensionsantrittsalter erreichen werde. Aufgrund seines Gesundheitszustandes liege nahe, die Pension nach Erreichen dieser Schwelle auch anzutreten.

Damit würden die monatlichen Nettoeinkünfte auf einen das Existenzminimum geringfügig überschreitenden Betrag schrumpfen, wodurch einerseits weitere finanzielle Einschränkungen eintreten würden und andererseits eine Befriedigung der offenen Finanzamtsforderung durch exekutive Maßnahmen beinahe ausgeschlossen wäre.

Durch die gegenständlichen Einhebungsmaßnahmen sei nicht nur die Existenz des Bf, sondern auch die seiner Gattin gefährdet, der es aufgrund ihres Einkommens nicht möglich sei, die finanziellen Einbußen zu kompensieren.

Weites übergehe die Bescheidbegründung auch den Umstand, dass der Bf in seinem Nachsichtsansuchen eine Befriedigungsquote angeboten habe.

Der Bf sei sich seiner (finanziellen) Verpflichtung bewusst und habe auch stets seinen Willen bekundet, dieser Verpflichtung - soweit ihm dies möglich sei - nachzukommen. Die im Nachsichtsantrag erwähnten, von dritter Seite zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel, welche familienintern aufgebracht werden könnten, würden dem Bf ermöglichen, einen Betrag von 8.550,00 € kurzfristig zu bezahlen. Dieser Betrag könne naturgemäß nur aufgebracht werden, wenn dem Nachsichtsansuchen im Umfang der weiteren 70 % (sohin rund 20.000,00 €) stattgegeben werde, da es dem Bf sonst an jeglichen finanziellen Mitteln mangeln würde, um auch familienintern seine Verpflichtungen bedienen zu können.

Der Nachsichtsantrag sei daher auf den Betrag von 20.000,00 € zu beschränken und nicht, wie im Bescheid angeführt, auf einen Betrag von 28.515,40 € gerichtet.

Durch die beantragte Nachsicht und deren Bewilligung könne ein entsprechender Sanierungseffekt eintreten, da einerseits die einzig offene Verbindlichkeit des Bf, die gegenständliche Finanzamtsforderung, zur Ganze befriedigt werden könnte und andererseits die damit entstehenden familieninternen finanziellen Belastungen über eine entsprechende, mit einem banküblichen Darlehen nicht vergleichbare Tilgung ebenfalls über einen längeren und somit finanziell verkraftbaren Zeitraum erfolgen könnte.

Wenn die belangte Behörde darauf verweise, dass selbst im Fall einer persönlichen Unbilligkeit daran anknüpfend eine Ermessensentscheidung zu treffen sei und bei dieser Ermessensentscheidung auf das bisherige steuerliche Verhalten des Nachsichtswerbers zu achten sei, so sei zu berücksichtigen, dass der Bf während seiner beruflichen Laufbahn stets sämtliche Steuerschulden bezahlt habe.

Einzige Ausnahme stelle, wie die Behörde zutreffend festgestellt habe, die im Rahmen der Betriebsprüfung des Vereins "***1***" festgestellte Verletzung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dar. Der Iange Tatzeitraum resultiere insbesondere daraus, dass der Bf aus damaliger Sicht nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe. Nach Hervortreten der fehlerhaften Finanzgebarung sei diese umgehend eingestellt und in weiterer Folge der gesetzmäßige Zustand in weiterer Folge hergestellt worden.

Auch dies dokumentiere die Rechtschaffenheit des Bf, der stets darum bemüht sei, gesetzmäßig zu handeln. Die lange Tatzeit sei bereits als Erschwerungsgrund berücksichtigt worden und würde im Rahmen der Ermessensentscheidung zu einer Unbilligkeit führen, sollte hier der Tatzeitraum erneut Berücksichtigung finden.

Der Bf stelle daher den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben und in der Sache selbst stattgebend entscheiden, in eventu, die Sache nach Aufhebung des Bescheides an das Finanzamt zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 235 und 236 BAO führte es begründend aus, dass eine Unbilligkeit nach § 236 Abs. 1 BAO sachlich oder persönlich bedingt sein könne; eine sachlich bedingte Unbilligkeit habe der Bf nicht behauptet.

Zur persönlichen Unbilligkeit habe der Bf in der Beschwerde vorgebracht, dass sowohl er als auch seine Gattin ein dringendes Wohnbedürfnis hätten und die Eigentumswohnung die einzige Möglichkeit biete, dieses Wohnbedürfnis zu befriedigen. Dem Bf könne daher nicht zum Nachteil gereichen, wenn seine Gattin ihre Zustimmung zur allfälligen Belastung der Liegenschaft verweigere.

Der Bf habe im Nachsichtsansuchen und in der Beschwerde behauptet, außer beim Finanzamt keine Verbindlichkeiten zu haben. Das Wohnbaudarlehen sei noch mit 24.772,72 € ausständig, die Rückzahlungen dafür seien bei Ermittlung der monatlichen Ausgaben berücksichtigt worden.

Das Finanzamt gehe davon aus, dass der gemeine Wert der Liegenschaft bzw. des Hälfteanteils an der Liegenschaft die rückständigen Abgaben von 28.515,40 € übersteige und die Aufnahme eines Bankdarlehens in Höhe des Rückstandes möglich sei.

Nach internen Ermittlungen des Finanzamtes sei der Wert der Liegenschaft zwischen 200.000,00 € und 250.000,00 € anzusetzen.

Weder eine Veräußerung noch eine Verschleuderung des Grundvermögens sei erforderlich. Auch das Wohnbedürfnis wäre dadurch nicht gefährdet.

Nach den Angaben im Vermögensverzeichnis habe der Bf die Nettobezüge der letzten drei Monate (Oktober, November und Dezember 2017) mit 1.536,84 €, 3.100,63 € und 1.711,48 € beziffert, weshalb ihm durchschnittlich 2.116,00 € monatlich zur Verfügung stünden. Abzüglich der errechneten durchschnittlichen, anteiligen Ausgaben von 1.432,30 € verblieben dem Bf 684,00 €.

Beziehe man die Einkünfte der Ehegattin von monatlich 1.480,00 € in die Berechnung ein und reduziere die Gesamteinkünfte von 3.596,00 € um die Gesamtausgaben von
2.168,70 €, verbleibe dem Ehepaar ein Betrag von 1.427,30 €.

Anzumerken sei, dass das Angebot einer Abschlagszahlung in Höhe von 30 %
(= 8.500,00 €) bei der Beurteilung, ob eine persönliche Unbilligkeit vorliege, nicht relevant sei.

Aus den angeführten Gründen liege die in der Beschwerde behauptete persönliche Unbilligkeit nicht vor. Für eine Ermessensübung verbleibe daher gemäß § 20 BAO kein Raum.

Mit Schreiben vom stellte der Bf durch seine steuerliche Vertreterin einen Vorlageantrag.

Die belangte Behörde negiere trotz entsprechender Ausführungen die Regelungen des WEG, insbesondere dessen § 13. Demnach sei es gesetzlich unzulässig, Mindestanteile, soweit diese durch Eigentümerpartner besessen würden, ungleich zu belasten.

Wenn die belangte Behörde nunmehr meine, die Aufnahme eines Bankdarlehens zur Abdeckung der Verbindlichkeiten wäre dem Antragsteller zumutbar, übersehe sie, dass derartige Kredite üblicherweise nur mit entsprechender Besicherung vergeben würden. Eine hypothekarische Besicherung sei nur möglich, soweit auch der Mindestanteil im Eigentum der Gattin des Antragstellers gleichermaßen belastet werde. Diese Zustimmung liege nicht vor. Eine Darlehensaufnahme sei somit nicht möglich.

Bei einem 61-Jährigen, dessen aktuelles Einkommen zudem gepfändet werde, sei es realitätsfern anzunehmen, dass er ein entsprechendes Darlehen erhalte.

Auch die Berechnung des Durchschnittseinkommens des Antragstellers bewirke Unverständnis:

Gerade der belangten Behörde müsste bekannt sein, dass vorwiegend im November die Weihnachtsremuneration ausgezahlt werde. Das für November ausgewiesene Nettogehalt beinhalte daher diese Weihnachtsremuneration, die auf sechs Monate und nicht, wie es die belangte Behörde gegenständlich versucht habe, auf drei Monate aufzuteilen sein.

In diesem Zusammenhang stelle sich auch die Frage, weshalb die Einkünfte der Ehegattin berücksichtigt würden; dies sei auch aus der Judikatur nicht erkennbar.

Der Antragsteller halte daher die in der Beschwerde gestellten Anträge aufrecht und ergänze diese um den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht den Bf zur Beantwortung nachstehender Fragen auf:

"1) Belegen Sie anhand geeigneter Unterlagen die Höhe Ihres monatlichen Einkommens und das Ihrer Gattin für die letzten drei Monate.

Die Entscheidungsfindung bezüglich des Vorliegens einer persönlichen Unbilligkeit bedingt eine umfassende und detaillierte Kenntnis der gesamten Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Nachsichtswerbers.

Da nach der österreichischen Rechtsordnung für Ehegatten eine - auch materielle - Beistandspflicht besteht, ist es gerechtfertigt, bei Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Nachsichtswerbers auch die Einkommensverhältnisse des Ehepartners zu berücksichtigen (z.B. ; BFH , I B 97/81).

2) Maßgebend sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Nachsichtsansuchen; seit der Antragstellung eingetretene Veränderungen sind daher zu berücksichtigen.

Entsprechen die gegenwärtigen monatlichen Lebenshaltungskosten jenen im Vermögensverzeichnis vom ? Sollten sich die nunmehrigen Kosten (z.B. wegen Ihrer Pensionierung) zwischenzeitig geändert haben, wird um Darlegung der aktuellen Kosten ersucht.

3) Sie teilten dem Finanzamt mit E-Mail vom mit, den am abgelaufenen Bausparvertrag (insgesamt 3.707,50 €) mit einem Teilbetrag von 1.200,00 € zur Begleichung von Rechtsanwaltskosten für Ihr Nachsichtsansuchen verwendet zu haben. Ein Mehrbetrag an Kosten, wie der im Vermögensverzeichnis (ohnedies nur für 2017) angeführte monatliche Betrag von 200,00 € für Rechtsberatung, wäre durch Vorlage entsprechender Belege nachzuweisen.

4) Nach den vorliegenden Unterlagen erwarben Sie und Ihre Gattin im Jahr 1986 je zur Hälfte ein Reihenhaus. Aus welchen Gründen kam es im Jahr 2015 zum Abschluss eines Wohnungseigentumsvertrages?

5) Nach derzeitiger Aktenlage ergibt sich zum zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommen folgendes Bild:

Ihre monatliche Nettopension betrug laut einem Schreiben der PVA vom 1.171,14 €; inklusive Sonderzahlungen daher netto rund 1.360,00 € (1.170,00 € x 14 : 12 = 1.365,00 €)

Die Einkünfte Ihrer Gattin betrugen laut Jahreslohnzettel 2019 ca. 43.600,00 € brutto. Abzüglich ca. 9.300,00 € Sozialversicherung und ca. 5.000,00 € Lohnsteuer ergibt sich ein Nettobetrag von ca. 29.300,00 €, monatlich daher (inklusive Sonderzahlungen) ca.

2.400,00 € (29.300,00 € : 12 = ca. 2.400,00 €).

Das monatlich zur Verfügung stehende Familieneinkommen beträgt rund 3.760,00 €. Dem stehen laut Vermögensverzeichnis Ausgaben von in Summe rund 2.200,00 € gegenüber, sodass ein frei verfügbarer Betrag von rund 1.500,00 € verbleibt.

Dass die sofortige Entrichtung der mehrere Jahre betreffenden Kapitalertragsteuer mit einer erheblichen Härte verbunden ist, trifft zu. Um derartigen Härten zu begegnen, sieht die Bundesabgabenordnung die Möglichkeit einer Zahlungserleichterung gemäß § 212 vor (). Kann eine Zahlungserleichterung Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, bedarf es keiner Abgabennachsicht (; in diesem Sinne auch ).

Obwohl dadurch Ihre Lebensverhältnisse durchaus beeinträchtigt sind, ist die zwangsweise Entrichtung der Kapitalertragsteuer in Teilbeträgen zumutbar; nach derzeitiger Aktenlage liegt eine (persönliche) Unbilligkeit der Abgabeneinhebung daher nicht vor.

6) Sie stellten im Vorlageantrag einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Da im Rahmen einer Stellungnahme zu diesem Vorhalt gegebenenfalls noch ein weiteres Sachvorbringen erstattet werden kann und die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes dargestellt wurde, wird um Mitteilung ersucht, ob der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrechterhalten wird."

Am teilte der Bf durch seine steuerliche Vertretung dazu mit, dass das dargestellte Familieneinkommen von 3.760,00 € zutreffend sei. Zu berücksichtigen sei, dass der Bf aufgrund der gegenwärtigen Gehaltspfändungen ein geringeres monatliches Einkommen beziehe, sodass tatsächlich nur ein Betrag von ca. 3.500,00 € zur Verfügung stehe.

Eine generelle materielle Beistandspflicht des Ehegatten ergebe sich insbesondere aus den seitens des BFG zitierten Entscheidungen nicht, zumal diesbezüglich lediglich noch Rechtssätze abrufbar seien. Zutreffend sei jedoch, dass das gesamte Familieneinkommen zu berücksichtigen sei. Demgegenüber seien naturgemäß auch die gesamten familiären Aufwendungen zu berücksichtigen.

Diese stellten sich gemäß der tabellarischen Übersicht wie folgt dar, wobei insbesondere hinsichtlich Hausinstandhaltung, Rechtsanwaltskosten und dergleichen monatlich Ansparbeträge herangezogen worden seien, welche sich aus den letzten Jahren und den sich daraus ergebenden tatsächlichen Aufwendungen ableiteten. Hinsichtlich Zahnersatz bestehe die dringende gesundheitliche Notwendigkeit, einen solchen in den nächsten Jahren einsetzen zu lassen, wobei diesbezüglich mit Kosten von 8.000,00 € zu rechnen sei.

Die Ehegattin des Bf erfülle daher ihre eheliche Beistandspflicht bereits insoweit, als diese das weitaus höhere Einkommen erziele und sohin dessen gegenwärtig zwar eingeschränkten, aber doch gegebenen Lebensstandard mitfinanziere. Diesem wäre die Aufrechterhaltung der ehelichen Wohnung aus eigenem gar nicht mehr möglich.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rücklage für anstehende Renovierungsarbeiten
300,00 €
Kanal, Wasser, Steuern, Abgaben
200,00 €
Hausinstandhaltung - laufende Kleinreparaturen
100,00 €
Darlehen Hausbau
260,00 €
Strom, Gas
120,00 €
Heizung
100,00 €
Telefon
42,00 €
Fernsehen
20,00 €
Versicherungen
110,00 €
Lebensversicherung - reine Erlebensversicherung
7,00 €
Kirchenbeitrag
50,00 €
KFZ plus Reparatur
400,00 €
Diesel
90,00 €
Urlaub
250,00 €
Lebensunterhalt inkl. Kleidung, Grabpflege
900,00 €
Kosten für Zahnersatz
8.000,00 €
Rechtsanwaltskosten
200,00 €
Unterrichtsmat. Verbrauchsmat. IT, PC Lehrertätigkeit
100,00 €
Gesundheitskosten
100,00 €
Versicherung Selbstbehalt für Krankenversicherung
50,00 €

Wie sich aus der tabellarischen Übersicht ergebe, bestehe ein monatlicher Überschuss der laufenden Kosten im Vergleich zu den Einnahmen. Tatsächlich reichten die Einkünfte nicht, um unter Berücksichtigung der tatsächlich auf die Ehegatten zukommenden finanziellen Belastungen diese aus dem fortlaufenden Einkommen zu bedienen. Die diesbezüglich angeführten Rücklagen etwa für die Hausrenovierung, den Zahnersatz bzw. Urlaube oder auch KFZ-Reparaturen könnten daher nicht gebildet werden.

Die Errichtung des Wohnhauses sei nach dem Erwerb der Liegenschaft 1986 erfolgt. Es handle sich dabei um eine damals zulässige Sonderform des verdichteten Flachbaues im Rahmen der damaligen Wohnbauförderung mit einem höheren Fördervolumen. Zur Inanspruchnahme dieser Förderung sei ein Grundstück gemeinsam erworben worden, damit auf einer Fläche von ca. 1200 m2 drei Häuser in Unterschreitung der sonstigen gesetzlichen Abstandsregeln errichtet hätten werden können. Das Grundstück sei von insgesamt drei Familien zur Errichtung drei getrennter Häuser erworben worden. Die Liegenschaft sei im jeweiligen ideellen Sechstel-Eigentum der jeweiligen Ehegatten gestanden.

Über geraume Zeit sei übersehen worden, den tatsächlich richtigen Zustand herzustellen, da weder eine Benützungsvereinbarung noch sonstige Unterlagen vorgelegen seien, wodurch sich hätte erschließen lassen, dass nicht jeder Eigentümer ein Sechstel ideelle besitze, sondern jede Familie ein Wohnhaus. Dieser Umstand sei mit dem Wohnungseigentumsvertrag berichtigt worden.

Aufgrund der weiter anhaltenden COVID-Situation werde in Folge dieses Vorbringens auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Den verlangten Nachweis seines monatlichen Einkommens und das seiner Gattin für die letzten drei Monate legte der Bf nicht vor.

Auch die tatsächlichen Rechtsanwaltskosten (Punkt 3 des Vorhaltes) wurden nicht belegt.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aktenteilen sowie dem Antwortschreiben des Bf.

Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschulden auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschulden sinngemäß Anwendung. Im Fall bereits entrichteter Abgabenschulden ist kein strengerer Maßstab als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgaben anzulegen. Aufgabe des Antragstellers auf Erteilung der Nachsicht im Sinne des § 236 Abs. 2 BAO ist es, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass die für eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben, wären sie noch nicht entrichtet, sprechenden Umstände durch die Tilgung der Abgabenschuld nicht beseitigt worden sind.

Die in § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.

Eine persönliche Unbilligkeit liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der verfahrensgegenständlichen Abgaben gefährdet wäre. Zur Bewilligung einer Nachsicht aus "persönlichen" Gründen bedarf es nicht unbedingt einer Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Liegenschaften möglich wäre, diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme und den Härten aus der Abgabeneinhebung auch nicht durch Gewährung von Zahlungserleichterungen begegnet werden könnte.

Selbst die Notwendigkeit, Vermögenswerte (wie Bausparverträge, eine Lebensversicherung oder "Erspartes") zur Abgabenentrichtung heranzuziehen oder für die Entrichtung einen Kredit aufnehmen zu müssen, lässt demnach für sich die Abgabenentrichtung noch nicht unbillig erscheinen. Nur wenn die Abstattung alleine durch Veräußerung von Vermögenswerten möglich wäre und diese Veräußerung nach den Gegebenheiten des Falles einer Vermögensverschleuderung gleichkäme, könnte darin nach der strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Unbilligkeit der Einhebung gelegen sein (Stoll, BAO, 2433).

Ein Vermögensverlust für sich allein stellt daher keinen Grund für eine Abgabennachsicht dar. Dabei ist es unerheblich, ob der Verlust durch einen Schicksalsschlag oder durch (grobes) menschliches Fehlverhalten herbeigeführt wurde und ob mit ihm gerechnet werden konnte, oder ob er völlig unerwartet eingetreten ist. Nur dann, wenn sich durch die Vermögenseinbuße oder durch andere Ereignisse die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Abgabepflichtigen derart verschlechtern, dass ihm die Entrichtung von Abgaben nicht mehr zugemutet werden kann, liegen Gründe vor, die die Abgabeneinhebung aus persönlichen Gründen als unbillig erscheinen lassen können ().

Für die Gewährung eines Nachlasses wird vorausgesetzt, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in - allenfalls sehr kleinen - Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen müsste, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigen könnte ().

Bei Beurteilung der Frage, welche Abgabenleistung unter dem Gesichtspunkt einer allenfalls eine Unbilligkeit nach sich ziehenden Existenzgefährdung erbracht werden kann, ist nicht von dem nach der Pfändung verbleibenden Einkommen, sondern von dem um die Abgabenleistung noch nicht verminderten Einkommen auszugehen ().

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Falle eines Nachsichtsansuchens zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Unbilligkeit der Einhebung entspricht. Wird diese Frage verneint, ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr. In diesem Fall ist der Antrag aus rechtlichen Gründen abzuweisen, da eine Ermessensentscheidung das Vorliegen einer Unbilligkeit voraussetzt.

Für die Beurteilung des Nachsichtsantrages sind nicht jene Vermögens- und Einkommensverhältnisse relevant, die zum Zeitpunkt der Festsetzung der Abgaben bzw. des Antrags auf Nachsicht bestanden haben, sondern maßgeblich ist die wirtschaftliche Lage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde bzw. im Falle eines Beschwerdeverfahrens, im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses durch das Verwaltungsgericht.

Gegenstand der Prüfung im Nachsichtsverfahren ist daher eine allenfalls vorliegende Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im gegenwärtigen Zeitpunkt, nicht aber eine allfällige künftige Unmöglichkeit der vollständigen Abgabeneinbringung.

Nach § 90 Abs. 1 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.

Die eheliche Beistandspflicht besteht in der Verpflichtung zur umfassenden Unterstützung des anderen Eheteils in körperlicher, seelischer und materieller Hinsicht und umfasst sowohl materielle als auch immaterielle Hilfe und Unterstützung (Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 90 Rz 26 (Stand , rdb.at).

Die Frage, ob die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Antragstellers gefährdet ist, ist daher unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehegatten zu beantworten (BFH-Beschluss vom , I B 97/81; Stoll, BAO, 2435).

Auch nach dem Erkenntnis des , dürfen bei Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers die Einkommensverhältnisse des Ehegatten nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 236, E 70, (Stand , rdb.at)

Nach § 59 Abs. 1 lit. a Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) kann das Finanzamt auf Antrag des Abgabenschuldners den unpfändbaren Freibetrag (§ 291a EO) erhöhen, wenn dies mit Rücksicht auf besondere Bedürfnisse des Abgabenschuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen geboten ist.

Erwägungen

Der Bf nannte in seinem Nachsichtsgesuch vom keinen bestimmten Betrag, sondern beantragte eine "Quotenzahlung von 30 % der Forderung".

Zum Zeitpunkt des Ansuchens bestand auf seinem Abgabenkonto ein fälliger Abgabenrückstand von 28.515,40 €, der aus der zur Gänze offenen Kapitalertragsteuer für die Jahre 2008 bis 2012 (je 5.552,09 €) und der noch teilweise offenen Kapitalertragsteuer für das Jahr 2007 in Höhe von 754,95 € resultierte.

In der Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid präzisierte der Bf die "relevante Forderung" mit 28.515,40 € und den nachzusehenden Betrag mit 20.000,00 €. Die Begleichung des Restbetrages bot der Bf durch "familienintern zur Verfügung gestellte finanzielle Mittel" an.

Der Bf war zum Zeitpunkt der Antragstellung als Sozialbetreuer beschäftigt und bezog bis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Danach wurden ihm bis zur Zuerkennung eines Pensionsbezuges ab März 2019 Kranken- bzw. Arbeitslosengeld angewiesen.

Daneben war der Bf Obmann des Vereins "***1***".

Im Zuge von sowohl beim Bf als auch beim Verein durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfungen (Niederschriften vom und vom ) stellte der Prüfer u.a. fest, dass der Bf beim Verein nicht erfasste Erträge vereinnahmt hatte.

Im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens wurden die bislang unversteuert gebliebenen Einkünfte als verdeckte Ausschüttung gewertet und gegenüber dem Bf die nachsichtsgegenständliche Kapitalertragsteuer festgesetzt.

Eine Reduktion des Abgabenrückstandes erfolgte zum einen durch eine Gehalts- bzw. Pensionspfändung und zum anderen durch Gutschriften aus Einkommensteuerveranlagungen.

Der zuletzt monatlich pfändbare Betrag betrug rund 180,00 €, in Monaten mit Sonderzahlungen rund 350,00 €.

Der aktuelle Rückstand (Stand ) an Kapitalertragsteuer beträgt 21.758,81 €.

Aufgrund der dem Bf zur Last gelegten Abgabenverkürzungen wurde er mit Strafverfügung vom zu einer Geldstrafe von 6.500,00 € verurteilt. In einer Eingabe vom erklärte er durch seine steuerliche Vertretung, dass das Finanzamt eine Pfändung seiner Pension veranlasst habe und hinsichtlich des der Lohnpfändung zugrundeliegenden Abgabenanspruches ein Nachsichtsverfahren anhängig sei. Mangels pfändbarer sonstiger Vermögenswerte sei von einer Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auszugehen.

Im Einvernehmen mit der Finanzstrafbehörde erbrachte der Bf anstelle einer Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistungen.

Die Gattin des Bf ist beim ***4*** beschäftigt.

Eine sachliche Unbilligkeit hat der Bf nicht behauptet, sodass zu prüfen bleibt, ob im gegenständlichen Fall eine persönliche Unbilligkeit vorliegt.

Zutreffend ist, dass der Pensionsbezug des Bf zur Hereinbringung der gegenständlichen Abgabenschuld in dem vom Gesetz vorgegebenen Umfang gepfändet worden ist, weshalb ihm nur der unpfändbare Teil des Pensionsbezuges ("Existenzminimum") verbleibt. Von diesem wird angenommen, dass der Verpflichtete damit seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann. In diesem Grundbetrag sind auch durchschnittliche Wohnungskosten enthalten (Liebeg, Kommentar zur Abgabenexekutionsordnung, § 53 Tz 59 und § 59 Tz 4). Die Tatsache der zwangsweisen Hereinbringung der Abgabenschuld vermag daher für sich allein noch keine persönliche Unbilligkeit begründen ().

Im vorliegenden Fall darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich das zur Verfügung stehende Einkommen durch die Berufstätigkeit der Ehegattin wesentlich erhöht.

In seiner Stellungnahme vom bestätigt der Bf das durch das Bundesfinanzgericht anhand von aktenkundigen Einkommensnachweisen aus dem Jahr 2019 errechnete monatliche Familieneinkommen von etwa 3.760,00 €. Der Bf hat die geforderten aktuellen Einkommensnachweise nicht vorgelegt, doch wird aufgrund der jährlichen Pensionsanpassungen und Gehaltserhöhungen davon auszugehen sein, dass er und seine Ehegattin aktuell über etwas höhere monatliche finanzielle Mittel verfügen als anhand der Einkommensnachweise für 2019 errechnet.

Da für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend sind, müssen künftige Ausgaben (wie z.B. für einen Zahnersatz oder Renovierungsarbeiten am Haus) unberücksichtigt bleiben.

Im konkreten Fall sind daher die Rücklage für anstehende Renovierungsarbeiten und die Kosten für den künftigen Zahnersatz nicht als (aktuelle) monatliche Belastungen zu berücksichtigen. Dass die monatlichen Rechtsanwaltskosten von 200,00 € entgegen der Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes nicht durch Belege nachgewiesen worden sind, ist nicht entscheidend, weil selbst unter Berücksichtigung dieser Kosten dem monatlichen Familieneinkommen von rund 3.760,00 € monatliche Kosten von rund 3.100,00 € gegenüberstehen. Dem Bf und seiner Ehegattin verbleiben demnach wenigstens 600,00 € zur freien Verfügung.

Da nach der Judikatur nicht von dem nach der Pfändung verbleibenden Einkommen, sondern von dem um die Abgabenleistung noch nicht verminderten Einkommen auszugehen ist, sind die Ausgaben vom genannten Betrag und nicht, wie der Bf meint, von dem um die Gehaltspfändung reduzierten Betrag von 3.500,00 € abzuziehen.

Im Zusammenhang mit künftigen Krankheitskosten oder aus einer Gebrechlichkeit resultierenden Kosten ist der Bf auf die Bestimmung des § 59 AbgEO zu verweisen, wonach das Finanzamt auf Antrag des Abgabenschuldners den unpfändbaren Betrag erhöhen kann, wenn dies mit Rücksicht auf besondere Bedürfnisse des Abgabenschuldners aus persönlichen Gründen geboten ist.

Im Übrigen bilden auch Überlegungen zur Dauer der restlosen Rückstandsabstattung oder einer allfälligen Unmöglichkeit der restlosen Abgabeneinbringung keine taugliche Begründung für ein Nachsichtsgesuch, weil für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich sind.

Dem Bf ist zuzugestehen, dass die sofortige Entrichtung der mehrere Jahre betreffenden Kapitalertragsteuer mit einer erheblichen Härte verbunden wäre. Um derartigen Härten zu begegnen, sieht die Bundesabgabenordnung die Möglichkeit einer Zahlungserleichterung gemäß § 212 vor (). Kann eine Zahlungserleichterung Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, bedarf es keiner Abgabennachsicht (; in diesem Sinne auch ). Derartige finanzielle Schwierigkeiten bedingen daher nicht automatisch die Bejahung einer persönlichen Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO.

Der Bf zeigt nicht auf, welche außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen mit der Pensionspfändung verbunden wären, die über jenes Ausmaß hinausgingen, die mit einer solchen Maßnahme (Pfändung auf das Existenzminimum) regelmäßig verbunden sind.

Eine Veräußerung des nach der Aktenlage dem Wohnbedürfnis des Bf dienenden Reihenhauses wäre aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes aufgrund des Alters des Bf, der sich bereits in Pension befindet, nicht zumutbar. Im Beschwerdefall bedarf es aber weder einer Veräußerung von Vermögen noch einer Kreditaufnahme, weil aufgrund des o.a. Haushaltseinkommens eine ratenweise Abstattung der Abgabenschulden, deren Nachsicht der Bf beantragt hat, möglich wäre.

Dem Bf ist die zwangsweise Entrichtung der Abgabenschuld in Teilbeträgen zumutbar, wenngleich seine Lebensverhältnisse dadurch durchaus beeinträchtigt sind. Sein Vorbringen ist aber nicht geeignet, eine existenzgefährdende Wirkung festzustellen.

Aus den dargestellten Gründen liegt eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten nicht vor und fehlt es damit schon an der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 236 BAO, sodass für eine Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit (§ 20 BAO) kein Raum bleibt.

Die Beschwerde ist daher schon aus Rechtsgründen als unbegründet abzuweisen und die beantragte Teilnachsicht von 20.000,00 € nicht zu bewilligen.

Aber selbst wenn man diesen Rechtsstandpunkt nicht teilen und vom Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ausgehen würde, käme in diesem Fall eine Ermessensentscheidung zugunsten des Bf nicht in Betracht. Im Bescheid über die Abweisung des Nachsichtsgesuches hat das Finanzamt zutreffend darauf verwiesen, dass im Rahmen einer Ermessensentscheidung auch das bisherige steuerliche Verhalten des Nachsichtswerbers berücksichtigt werden müsse, vor allem die Art, wie es zur Entstehung und zum Anwachsen der Steuerrückstände gekommen ist. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung wäre insbesondere bei einem finanzstrafrechtlich relevanten Verhalten eine Nachsicht nicht zu bewilligen. Im vorliegenden Fall resultieren die vom Nachsichtsantrag umfassten Abgaben aus einer Anhäufung von Abgabenschulden wegen Verletzung der abgabenbehördlichen Offenlegungs-, Anzeige- und Wahrheitspflicht über mehrere Jahre. Dieser Umstand spräche gegen eine Nachsicht. Unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit (im Sinne des § 20 BAO) wäre auch die Gleichbehandlung von Abgabepflichtigen, somit keine Benachteiligung ehrlicher Steuerschuldner durch Bevorzugung unehrlicher, zu berücksichtigen (Ritz, BAO6, § 236 Tz 16 f, mit Hinweis auf die dort angeführte Judikatur).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung, ob die Einhebung der festgesetzten Kapitalertragsteuer unbillig ist, folgt der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung werden nicht berührt, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101270.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at