Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2020, RV/5100678/2016

Außergewöhnliche Belastung: 1. Kosten für Fahrten zwischen dem Familienwohnsitz und der Betreuungseinrichtung für beeinträchtigte Personen, 2. Mehraufwendungen bei zwingenden Unterbrechungen einer zustehenden Vollverpflegung in einem Vollinternat

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/15/0005. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/5100212/2023 erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5100678/2016-RS1
Die Kosten der Fahrten zwischen dem Familienwohnsitz und der Betreuungseinrichtung für mehrfach beeinträchtigte Personen mit einer Tagesstruktur für fähigkeitsorientierte Aktivität sind entweder als Fahrtkosten zu einer Behindertenwerkstätte iSd § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010, oder wegen ihres positiven therapeutischen Zwecks, als Kosten der Heilbehandlung iSd § 4 der genannten VO im nachgewiesenen Ausmaß als außergewöhnliche Belastung abzuziehen ().
RV/5100678/2016-RS2
Mehraufwendungen iSd § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010, iZm Abholungen einer unterhaltsberechtigten Person, der eine ganzjährige Vollverpflegung in einem Vollinternat zusteht, aus dieser Einrichtung zum Familienwohnsitz sind nur insoweit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen als diese Mehraufwendungen zwangsläufig erwachsen und außergewöhnlich sind. Für die Tage, an denen die mögliche Unterbringung im Vollinternat aus zwingenden Gründen nicht in Anspruch genommen wird, kann ohne Nachweis der Außergewöhnlichkeit und des Anfalles von Kosten ein Dreißigstel des Pauschales gem. § 5 Abs. 1 der genannten VO (€ 262,00; Dreißigstel: € 8,73) in Abzug gebracht werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 und 2013 und gegen den Bescheid vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist die Nichtanerkennung gewisser Aufwendungen, die Bf (in der Folge: Beschwerdeführer: Bf) im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagungen der Jahre 2012 bis 2014 als außergewöhnliche Belastungen (in der Folge: agBel) im Zusammenhang mit einer Behinderung seines Sohnes und seiner eigenen Behinderung berücksichtigt haben wollte. Bei sämtlichen in diesem Erkenntnis angeführten Geldbeträgen handelt es sich um Euro-Beträge.

Da letztlich infolge eines Mängelbehebungsauftrages des BFG die Beschwerden auf folgende Änderungsanträge konkretisiert wurden, werden auch in diesem Erkenntnis nur die Ausführungen der Parteien und Erhebungsergebnisse zu diesen verbliebenen strittigen Punkten dargestellt:

A) Änderungsantrag hinsichtlich angefallener Kosten iZm der Behinderung des Sohnes (2012, 2013 und 2014: je 2.730,00)
A.1. Beantragt wurden in der Beschwerde 1.050,00 für 2.500 km für 100 Fahrten a 25 km vom "W für mehrfach beeinträchtigte Menschen mit der Möglichkeit einer fähigkeitsorientierten Aktivität nachzugehen" (in der Folge: W) zum Familien - Hauptwohnsitz (nach VfGH sind 2.500 km a 0,42 ergibt 1.050,00 als agBel anzuerkennen; bisher nach Erstbescheid 0,00)
A.2. Beantragt wurden zusätzliche 1.680,00 für 4.000 km für Fahrten iZm therapeutisch notwendiger Sport- und Freizeitgestaltung und aus familiären Anlässen (420,00 für 1000 km bereits im Erstbescheid als glaubhaft gemacht anerkannt)

B) Änderungsantrag hinsichtlich eines anteiligen Pauschalbetrages für den Sohn: 150 Dreißigstel von 262,00 (2012, 2013 und 2014: je 1.310,00) (vom Finanzamt bisher 0,00)

C) Im Jahr 2012 vom Finanzamt berücksichtigter Selbstbehalt iHv 1.617,40 wegen der behaupteten unrichtig verspäteten Ausstellung des Behindertenpasses im Jahr 2013 und der damit im Jahr 2012 behaupteten Nichtanerkennung der eigenen Behinderung möge laut Änderungsantrag entfallen. Dieser Streitpunkt entfällt nachdem dem Bf telefonisch am vermittelt werden konnte und dieser zur Kenntnis genommen hatte, dass dieser abgezogene Selbstbehalt nicht Kosten seiner Behinderung sondern Zahnarztkosten seiner Gattin betrifft. Da das Finanzamt die Behinderung des Bf bereits für das Jahr 2012 anerkannt hat (siehe auch Freibetrag wegen eigener Behinderung in 2012 berücksichtigt), wurde für Kosten iZm der Behinderung des Bf auch kein Selbstbehalt berücksichtigt. Auf diesen Streitpunkt wird daher auch in weiterer Folge nicht mehr eingegangen.

I. Bisheriger Verfahrensgang

Verwaltungsbehördliches Verfahren

Das Finanzamt hat mit den Einkommensteuerbescheiden vom für 2012 und 2013 und vom für 2014 die beantragten agBel nur zum Teil steuermindernd berücksichtigt. In den einzelnen Jahren wurden folgende Beträge in den Bescheiden als agBel anerkannt:

Pauschbetrag wegen eigener Behinderung nach der VO über agBel iHv 2.784,00 (2012 - 2014, Magendiät: 42,00 x 12; KFZ-Pauschale: 190,00 x 12).

Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der VO über agBel iHv 3.524,52 (2012); 3228,06 (2013); 2.535,55 (2014)

Nachgewiesene Kosten aus der Behinderung eines Kindes nach der VO über agBel iHv 3.120,55 (2012); 2.910,05 (2013); 2.623,95 (2014). Dieser Betrag ergibt sich aus den nachgewiesenen und vom Finanzamt anerkannten Kosten laut Aufstellung sowie einem weiteren Betrag von monatlich 150,00 (vom FA als Schulgeld aus den monatlich an W zu zahlenden 310,00 anerkannt). In den bisherigen Anträgen des Bf wurden an Fahrtkosten 1.470,00 für 2500 km Fahrten W zu HWS und 1000 km Fahrten zu Therapien und Ärzten beantragt. Davon wurden seitens des Finanzamtes ohne weitere Nachweise die 1000 km (420,00) berücksichtigt. Die Kosten für die Fahrten W - HWS wurden bisher nicht als agBel anerkannt.

Außer im Jahr 2014 wurde auch ein Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 iHv 507,00 berücksichtigt. Im Jahr 2014 erfolgte keine Berücksichtigung mehr, da für das gesamte Kalenderjahr Pflegegeld bezogen wurde.

Weiters sind in den Bescheiden jeweils Aufwendungen angeführt, die den gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigenden Selbstbehalt nicht übersteigen (2012: 1.617,40; 2013: 43,32; 2014: 16,96) und daher betraglich ohne Auswirkung blieben. So würden die Zahnarztkosten der Gattin und die Beiträge für die Zahnbehandlung agBel mit Selbstbehalt darstellen (2012, 2013, 2014).

Hinsichtlich der nicht anerkannten weiteren agBel führten die Bescheide zusätzlich in den Begründungen an:

Die als agBel geltend gemachten Beträge seien um eine Haushaltsersparnis iHv 240,58 (2012) zu kürzen.

Die beantragten Fahrtkosten zu Ärzten und dergleichen könnten nur in Höhe des Km-Geldes ohne Zuschlag für mitbeförderte Personen berücksichtigt werden (2012, 2013, 2014).

Die Pflege durch die Gattin sei nicht außergewöhnlich sondern im täglichen Leben durchaus üblich. Außerdem sei durch fiktive Kosten das Einkommen des Bf nicht belastet (2012, 2013).

Hinsichtlich der tatsächlichen Kosten sei eine Berücksichtigung nur möglich gewesen, soweit die Beweismittel (Belege) dafür vorgelegen wären (2012).

Die laufenden, nicht mit einer Behinderung zusammenhängenden Aufwendungen für ein behindertes Kind (zB für Bekleidung, Taschengeld (monatlich 160,00) des Kostenbeitrages an W seien nicht absetzbar, da diese -wie bei nicht behinderten Menschen- mit der Familienbeihilfe und dem Kinderabsetzbetrag abgegolten seien (2012, 2013, 2014).

Hinsichtlich der nicht anerkannten Fahrtkosten zwischen HWS und W werde auf das Erkenntnis des verwiesen (2012, 2013, 2014).

Anm.d.Ri. zu diesen Fahrtkosten: Das BFG hatte in seinem Erkenntnis RV/5100721/2013 zunächst entschieden, dass diese Fahrtkosten nicht abzugsfähig seien, da sie nicht iZm einer Heilbehandlung stehen würden und daher nicht zwangsläufig erwachsen seien. Diese Rechtsauffassung führte aber zur Aufhebung durch das VfGH Erkenntnis vom , E 2556/2015, nach dem derartige Fahrtkosten als agBel ohne Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld (Hinweis auf 2007/15/0309) anzuerkennen sind. Dieser Rechtsansicht folgte das BFG im fortgesetzten Verfahren mit seinem teilweise stattgebenden Erkenntnis vom , RV/5101730/2016.

Die Kosten für das Hygiene-Material seien durch das Pflegegeld abgegolten (2013, 2014).

Nach dem im Finanzamtsakt aufliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten vom März 2013 und dem Behindertenpass des Bf (ausgestellt am ) beträgt der Grad der Behinderung des Bf 90%. Aus dem Gutachten und den vom Bf dazu vorgelegten Beilagen ergibt sich schlüssig, dass die Behinderung großteils auch schon in den Vorjahren bestand. Eine ausdrückliche Rückwirkung wurde nicht ausgesprochen.

In den am gegen die angeführten Bescheide eingebrachten Beschwerden brachte der Bf neben umfangreichen allgemeinen Ausführungen zu den verbliebenen strittigen Punkten im Wesentlichen vor:

Zu Punkt A.1. (Fahrten W - HWS): Zu diesem Streitpunkt verweist der Bf auf das zu diesem Zeitpunkt noch beim VfGH anhängige Beschwerdeverfahren.

Zu Punkt A.2. (Fahrten zu therapeutischen Zwecken): finden sich in der ursprünglich eingebrachten Beschwerde keine Ausführungen

Zu Punkt B. (anteiliger Pauschbetrag): Da das Pflegegeld für den Sohn bis auf das dem Sohn gebührende Taschengeld iHv 44,29 (10% der Stufe 3) nach der Mitteilung der OÖ Landesregierung aufgrund der erfolgenden Vollbetreuung auf den Kostenträger übergehe, müssten ihm anteilig 130 Dreißigstel des Pauschbetrages von 262,00 (in Summe 1.135,30) als agBel zustehen. (Anm. d. Ri.: Wie sich aus späteren Eingaben -zB. Beilage "Freie Meinungsäußerung" zum Vorlageantrag- ergibt, ist der Bf der Ansicht, dass ihm der Pauschbetrag anteilig für jene Tage zustehen müsste, an denen der behinderte Sohn nicht in Vollbetreuung im W sondern im Haushalt des Bf lebt.)

Konkrete zusammenfassende betragliche Änderungsanträge zu den einzelnen Bescheiden wurden in der Beschwerde nicht gestellt.

Diese Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als unbegründet abgewiesen. Zu den noch strittigen Punkten wird dazu neben allgemeinen Erläuterungen der Rechtslage ausgeführt, dass

Zu Punkt A.1. (Fahrten W - HWS): Die dafür anfallenden Kosten würden keine agBel darstellen, da diese Fahrten in keinem Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehen würden. Derartige Fahrtkosten könnten nach § 4 der genannten VO nur berücksichtigt werden, wenn sie Fahrten zu Ärzten, Therapien und dergleichen betreffen würden.

Zu Punkt A.2. (Fahrten zu therapeutischen Zwecken): Mangels Geltendmachung in der Beschwerde wurde darauf in der BVE nicht eingegangen.

Zu Punkt B. (anteiliger Pauschbetrag): Nach § 5 Abs. 1 der VO über agBel idF BGBl. 416/2001 könne der Pauschbetrag von monatlich 262,00 nur insoweit berücksichtigt werden, als er erhaltene pflegebedingte Geldleistungen übersteige. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, könne der Pauschbetrag nicht berücksichtigt werden.

Im daraufhin am eingebrachten Vorlageantrag (der Post am übergeben) beantragte der Bf eine Entscheidung durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und wies in einer Beilage "Freie Meinungsäußerung" zum Vorlageantrag auf diverse Diskriminierungen seines Sohne und von Menschen mit Beeinträchtigungen im allgemeinen hin.

Verwaltungsgerichtliches Verfahren

Das Finanzamt legt die Beschwerde dem BFG mit einem Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor.

In einer Eingabe des Bf vom verwies der Bf mehrmals auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis des (siehe oben) sowie auf diverse Erkenntnisse des VwGH. Überdies wurden nun erstmals Ausführungen zu Streitpunkt A.2. (Fahrten zu therapeutischen Zwecken) gemacht. Es gäbe dafür zwar keine Aufzeichnungen, weil die Berücksichtigung derartiger Kosten im ESt-Bescheid 2007 abgelehnt worden sei. Aber vergleichbar mit den Fahrten vom HWS zum W handle es sich auch bei den Fahrten zur Freizeitgestaltung, zu sportlichen Aktivitäten oder zu familiären Anlässen aufgrund der besonderen Situation des Sohnes um äußerst wichtige Fahrten zu Therapiezwecken. Nur durch die Anerkennung der Kosten für derartige Fahrten könne ein dem VfGH Erkenntnis entsprechender Zustand hergestellt werden.

Am erging durch das BFG ein Beschluss zur Mängelbehebung.

Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 85 Abs 2 iVm. § 269 Abs. 1 BAO aufgetragen, die Erklärung, welche Änderungen konkret beantragt werden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO), nachzureichen. Falls Änderungen beantragt werden, für die in den bisherigen Eingaben noch keine Begründung vorgebracht wurde möge auch eine Begründung (§ 250 Abs 1 lit d BAO) angeführt werden

Da der Bf steuerlich nicht vertreten ist, führte der Richter ergänzend Hinweise und Erläuterungen für die Behebung des oben dargestellten Mangels an.

Die Mängel wurden innerhalb verlängerter Frist mit einer Eingabe des BF vom behoben. Die Änderungen wurden nun wie im Einleitungsteil dieses Erkenntnisses dargestellt beantragt.

In weiterer Folge wurde in der Absicht in einem persönlichen erläuternden Gespräch eine Streitbeilegung und gegenseitiges Verständnis zwischen den Parteien herbeiführen zu können, die Durchführung eines Erörterungstermines vereinbart. Zur Vorbereitung auf diesen Termin wurden den Parteien mit Mail vom die Rechtsansicht des Richters und ein mögliches Ergebnis der Erörterungen als Diskussionsgrundlage mitgeteilt.

Der Bf teilte in weiterer Folge aber mit, dass er aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung und der "corona-bedingten" Umstände an keinem Erörterungstermin teilnehmen möchte. Im Schreiben vom nahm der Bf dann seine Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurück.

In diesem Zusammenhang übermittelte der Bf dem BFG noch weitere Unterlagen, die großteils bereits aktenkundig waren und auch bereits vom Finanzamt berücksichtigt wurden. Neu vorgelegt wurde eine Bestätigung des W vom , nach der der Sohn des Bf sowohl an Wochenenden, an seinem Urlaub und auch bei Krankheit am Familienwohnsitz bei seinen Eltern gewesen sei. 14-tägig sei er auch zu therapeutischen Zwecken (Sprachtraining, Training der Selbständigkeit, …) abgeholt worden. Diese Form der Betreuung sei aufgrund der speziellen Beeinträchtigung des Sohnes des Bf unbedingt erforderlich gewesen. Übermittelt wurde auch ein Ambulanzabschlussbericht eines Krankenhauses vom . Nach diesem Bericht hätte sich der Sohn des Bf "erstaunlich selbständig" gezeigt, habe in ein teilbetreutes Wohnen wechseln können und arbeite in einer Werkstätte der Lebenshilfe. Insgesamt geht aus dem Bericht hervor, dass der Sohn des Bf offensichtlich eine sehr positive Entwicklung erzielen konnte.

Seitens des Richters wurde sodann versucht, auf telefonischem Weg bzw. per Mail die restlichen verbliebenen Fragen zu klären und eventuelle eine einvernehmliche Einigung hinsichtlich der Streitpunkte zu erreichen.

Mit der Amtsvertreterin wurde -wie im Einleitungsteil dargestellt- geklärt, welche Beträge iZm den Änderungsanträgen vom Finanzamt bereits anerkannt wurden. Hinsichtlich der verbliebenen strittigen Punkte vertrat die Amtsvertreterin folgende abschließende Positionen:

A) Änderungsantrag hinsichtlich angefallener Kosten iZm der Behinderung des Sohnes (2012, 2013 und 2014: je 2.730,00)

A.1. Beantragt wurden in der Beschwerde 1.050,00 für 2.500 km für 100 Fahrten a 25 km W - Hauptwohnsitz (nach VfGH sind 2.500 km a 0,42 ergibt 1.050,00 als agBel anzuerkennen; bisher nach Erstbescheid 0,00) Finanzamt: Der Ansicht des VfGH ist zu folgen und die Kosten iHv 1.050,00 sind zu berücksichtigen.

A.2. Beantragt wurden zusätzliche 1.680,00 für 4.000 km für Fahrten iZm therapeutisch notwendiger Sport- und Freizeitgestaltung und aus familiären Anlässen (420,00 für 1000 km bereits im Erstbescheid als glaubhaft gemacht anerkannt) Finanzamt: Obwohl derartige Kosten nur im nachgewiesenen Ausmaß anerkannt werden können, wurden bereits 1000 km anerkannt. Ohne konkrete Nachweise für Fahrten zu nachgewiesenen therapeutischen Zwecken können keine weiteren Kosten als agBel anerkannt werden.

B) Änderungsantrag hinsichtlich eines anteiligen Pauschalbetrages für den Sohn: 150 Dreißigstel von 262,00 (2012, 2013 und 2014: je 1.310,00) (vom Finanzamt bisher 0,00) Finanzamt: Die Amtsvertreterin stimmte der unten dargestellten Rechtsansicht des Richters und einem jährlichen Ansatz iHv 523,80 als agBel zu (je Tag des zwangsläufig erforderlichen Aufenthaltes im Haushalt des Bf, an dem außergewöhnliche Kosten anfallen, müsste ein Dreißigstel von 262,00 anerkannt werden: geschätzt 60 Tage (26 Wochenenden plus Feiertage) mal 8,73: 523,80.)

Dieses Ergebnis wurde dem Bf mit Mail vom und mitgeteilt, in weiterer Folge auch telefonisch erläutert und vom Bf ebenfalls mit Mail vom zur Kenntnis genommen. Neuerliche Einwendungen seitens des Bf wurden bis zum Abfertigung dieses Erkenntnisses nicht vorgebracht.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Letztlich ist der dem Erkenntnis unterstellte Sachverhalt iZm den zuletzt strittig gebliebenen Punkten zwischen den Parteien weitgehend unstrittig und ergibt sich auch aus dem oben dargestellten verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren und der Aktenlage.

Der schwer behinderte Sohn des Bf, für den der Bf erhöhte Familienbeihilfe bezieht, lebte im streitgegenständlichen Zeitraum ganzjährig im W in Vollbetreuung. Sein Anspruch auf Pflegegeld geht mit Ausnahme der ihm als Taschengeld verbleibenden 44,29 (10% der Stufe 3) an den Kostenträger dieser Vollbetreuung über. Wöchentlich finden Fahrten zwischen W und dem Familienwohnsitz statt, wofür Kosten für 2500 km anfallen. Weiters finden Fahrten zu therapeutischen Zwecken (Arztbesuche und dergleichen) im Ausmaß von jährlich 1000 km statt. Den Bf treffen auch zwangsläufig und außergewöhnlich Kosten iZm Aufenthalten des Sohnes am Familienwohnsitz. Die Tage, an denen sich der Bf insbesondere aus sittlichen Grünen diesen Kosten nicht entziehen konnte und an denen außergewöhnliche Kosten anfielen, die der Mehrzahl anderer Steuerpflichtigen nicht anfallen, werden mit 60 Tagen/Jahr geschätzt. Dies stimmt auch mit der Mitteilung durch W überein, nach der der Sohn 14-tägig von seinen Eltern zu therapeutischen Zwecken abgeholt wurde. Insgesamt ergibt sich aus dem Akt, dass sich der Gesundheitszustand des Sohnes des Bf auch durch den sehr engagierten Einsatz der Eltern und insbesondere auch durch die mit dem Sohn am gemeinsamen Hauptwohnsitz verbrachte Zeit verbessert hat.

Der im Jahr 2012 vom Finanzamt berücksichtigte Selbstbehalt iHv 1.617,40 betraf Zahnarztkosten der Gattin.

Rechtsgrundlage

§ 34 EStG 1988 lautete in der im strittigen Zeitraum anzuwendenden Fassung: Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

……….

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

……

Die VO über agBel, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010 bestimmt zum gegebenen Zusammenhang:

……..

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

……

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Ad A.1. Fahrten W - HWS

Die für diese Fahrten anfallenden Kosten sind unstrittig aufgrund des angeführten VfGH Erkenntnisses vom , E 2556/2015, in Höhe von (2500 Km x 0,42 ergibt) 1.050,00 anzuerkennen.

Die Hauptaussage des VfGH lautete: "Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sind aber Fahrtkosten für ein behindertes Kind für den Besuch einer Sonder- oder Pflegeschule als außergewöhnliche Belastungen iSd §5 Abs3 der VO über außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Gleiches gilt für Fahrtkosten anlässlich der Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte. Sofern Kosten für ein Wohnheim mit "Tagesstruktur (Fähigkeitsorientierte Aktivität)" nicht als für eine Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte anfallend qualifiziert werden können - von letzterem geht das Bundesfinanzgericht ohne weitere Ermittlungen und Sachverhaltsfeststellungen zum Inhalt der Tätigkeit im Rahmen einer Tagesstruktur mit "Fähigkeitsorientierter Aktivität" aus - rechnen Fahrtkosten, die, wie im vorliegenden Fall, der Erzielung eines positiven therapeutischen Effektes dienen, in gesetzeskonformer Interpretation zu den Kosten für die Heilbehandlung gemäß §4 der VO über außergewöhnliche Belastungen (vgl. nochmals VfSlg 16.839/2003 und )."

Nach Zorn in ÖStZB 2018, 146, zählen derartige Fahrtkosten entweder zu den Fahrtkosten zu einer Behindertenwerkstätte oder wegen ihres positiven therapeutischen Zwecks- zu den Kosten der Heilbehandlung iSd § 4 der VO.

Ad A.2. Fahrten zu therapeutischen Zwecken:

Nach den Ausführungen im Änderungsantrag des Bf hätten sich weitere Fahrtkosten für weitere 3000 km/Jahr aus Fahrten mit dem beeinträchtigten Sohne ergeben. Diese Fahrten würden Ausflüge mit dem Sohn zu von diesem besonders geschätzten Orten oder zu bestimmten familiären Anlässen betreffen und hätten ebenso der Erzielung eines positiven therapeutischen Effektes gedient und würden daher auch Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO über ag Bel darstellen.

Dem Bf wird zugestanden, dass der Sohn nach den vorgelegten Unterlagen im allgemeinen Lebensbereich gewisse Fortschritte und Entwicklungen in eine positive Richtung gemacht hat. Anerkannt wird auch, dass diese Fortschritte auch auf die familiäre Eingliederung und Beschäftigung der Eltern mit dem Sohn zurück zu führen ist. Fraglich ist aber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, damit die dafür angefallenen Kosten aufgrund ihres zwangsläufigen Anfalles und ihrer Außergewöhnlichkeit von der Allgemeinheit getragen werden müssen.

Nach § 4 der genannten VO können Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß berücksichtigt werden. Zu diesen Kosten würden auch Fahrten zu Heilbehandlungen fallen, sofern diese Fahrten und die stattgefundenen Therapien nachgewiesen werden.

Als nachgewiesen anerkannt wurden als agBel Fahrten zu Ärzten, Apotheken, Therapien iHv 420,00 für 1.000,00 km in jedem Jahr. Weitere Kosten bzw Fahrten und Therapiebesuche wurden nicht nachgeweisen.

Weiters könnten gem. § 5 Abs. 3 der VO über agBel zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 Entgelte für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß berücksichtigt werden.

Da die vom Bf behaupteten Fahrten zu Lieblingsplätzen oder familiären Anlässen keinesfalls als Kosten für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte qualifiziert werden können, bliebe nur die Beurteilung nach dem Erkenntnis des VfGH als "Fahrtkosten, die der Erzielung eines positiven therapeutischen Effektes dienen, und in gesetzeskonformer Interpretation zu den Kosten für die Heilbehandlung gemäß §4 der VO über außergewöhnliche Belastungen zu zählen wären.

Damit kämen aber allenfalls noch Fahrten zu Heilbehandlungen im weiteren Sinn (alternativmedizinische Behandlungen, Kurse zum Erlernen von Entspannungstechniken,…) in Frage, wenn deren Durchführung und positiver therapeutischer Zweck in irgend einer Weise nachgewiesen (die Durchführung) oder glaubhaft gemacht (positive Auswirkung) werden kann. Bloßen Ausflügen zu Plätzen, die der Sohn besonders gerne besucht, oder zu familiären Anlässen fehlt aber jedenfalls das Moment der Außergewöhnlichkeit. Nur Mehraufwendungen aus der Behinderung können als ag Bel in Frage kommen, nicht aber bloße regelmäßig auch in Familien ohne beeinträchtigte Mitglieder anfallende Kosten.

Nach Ansicht des Richters betont der VfGH im oben zitierten Erkenntnis auch, dass in dieser wohl als Ausnahmefall anzusehenden Konstellation in gesetzeskonformer Interpretation des § 4 der VO jedenfalls eine ag Bel vorliegen müsse. IdR beurteilt der VwGH Fahrtkosten dann als Kosten der Heilbehandlung iSd § 4 der VO, wenn die Fahrten nachweislich iZm einer Heilbehandlung stehen. Bloße Ausflüge oder Fahrten zu familiären Anlässen können selbst bei positiven therapeutischen Auswirkungen nicht als Heilbehandlung qualifiziert werden.

Der Richter versteht die Aussagen des VfGH so: Wenn es sich um Fahrtkosten handelt zu einer Einrichtung, die vergleichbar mit einer Behindertenwerkstätte ist, handelt es um die in § 5 Abs. 3 gesondert angeführten Kosten der Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte. Wenn die angefahrene Einrichtung keine mit einer Behindertenwerkstätte vergleichbare Einrichtung ist, dann würde es sich in diesem Fall aufgrund des positiven therapeutischen Zweckes um Aufwendungen gem. § 4 der VO handeln ("Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß"). Dies ist aber schon der Grenzfall, bei dem von einer Heilbehandlung gesprochen werden kann und dies wohl auch nur wegen der mit einer Behindertenwerkstätte jedenfalls vergleichbaren Situation. Ausflüge an Lieblingsorte des Sohnes oder zu familiären Anlässen sind keine außergewöhnlichen Maßnahmen. Derartige Aktivitäten werden auch in Familien ohne beeinträchtigte Mitglieder ausgeführt und tragen auch dort zum Wohlbefinden der Teilnehmer bei. In diesem Sinn sind etwa die Kosten eines Fitnessstudio-Besuches nach nur in Ausnahmefällen abzugsfähig, etwa bei Einbettung in einen ärztlich verordneten Therapieplan mit Überwachung durch einen Physiotherapeuten.

Gemäß § 4 und auch gem. § 5 Abs. 3 der VO könnten derartige Kosten auch nur im nachgewiesenen Ausmaß berücksichtigt werden. Nach und genügt eine Glaubhaftmachung nicht.

Da somit die vom Gesetzgeber aufgestellten Kriterien des Nachweises und der Außergewöhnlichkeit für die Übernahme derartiger Kosten durch die Allgemeinheit bzw für die Anerkennung als agBel nicht erfüllt sind, kann dem Mehrbegehren des Bf nicht gefolgt werden.

Ad B: Änderungsantrag hinsichtlich eines anteiligen Pauschalbetrages gem. § 5 VO über ag Bel BGBl. 303/1996 idf BGBl. II 430/2010 für den Sohn: 150 Dreißigstel von 262,00 (2012, 2013 und 2014: je 1.310,00) (vom Finanzamt bisher 0,00)

Zunächst hatte der Bf die Anerkennung von 130 Dreißigstel beantragt, in Befolgung des Mängelbehebungsauftrages erhöhte der Bf seinen Änderungsantrag auf 150 Dreißigstel.

Nach dem oben wörtlich wiedergegebenen § 5 der VO BGBl. 303/1996 sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten Mehraufwendungen mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen. Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

Ursprünglich wandte sich der Bf gegen die Verrechnung des Pflegegeldes mit dem Pauschbetrag 262,00/Monat. Diese Gegenverrechnung muss aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erfolgen (siehe auch ), was der Bf mittlerweile grundsätzlich akzeptiert hat.

Nach dem nunmehr zahlenmäßig deklarierten Änderungsantrag beantragt der Bf den anteiligen Pauschalbetrag für den Sohn aber iHv 150 Dreißigstel von 262,00 (2012, 2013 und 2014: je 1.310,00). Dieser Betrag ergebe sich dadurch, dass der Sohn an diesen Tagen im Haushalt des Bf ist (Feiertage, Wochenenden usw: ca 52 Wochen x 3 Tage) und er dafür keine zu verrechnende pflegebedingte Geldleistung erhält.

Hinsichtlich der 1/30 von den 262,00 Pauschale vertrat das FA gegenüber dem BFG zunächst die Ansicht, dass vom Bf das Pflegegeld an das Land OÖ abgetreten wurde und damit der behinderte Sohn im Wohnheim eine 365 Tage Betreuung haben kann. Wenn die Eltern ihren Sohn zusätzlich zu sich nach Hause holen, würden allenfalls Unterhaltskosten anfallen, die nicht außergewöhnlich sind, also auch bei einem nicht behinderten Kind anfallen und somit nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Anders wäre es nur dann, wenn der Bf konkrete weitere Kosten der Heilbehandlung oder der Pflege an diesen Tagen anhand konkreter Belege nachweisen könnte. Da die Vollunterbringung grundsätzlich das ganze Jahr bestehe, könnten keine zusätzlichen Dreißigstel geltend gemacht werden.

Nach Mitteilung der folgenden Rechtsansicht des Richters stimmte die Amtsvertreterin auch im Interesse einer verwaltungsökonomischen Streitbeilegung dieser zu.

Nach § 5 Abs 2 der VO vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag bei einer Unterbringung in einem Vollinternat "pro Tag des Internataufenthaltes" um je ein Dreißigstel.

Der Bf holt den behinderten Sohn aber zwangsläufig aus sittlichen Gründen an bestimmten Tagen zu seiner Familie. Diese Zeit bei der Familie ist nicht nur sittlich geboten und somit zwangsläufig erfolgt sondern hatte offensichtlich auch einen hohen therapeutischen Nutzen für den Sohn (siehe dazu die Bestätigung von W vom und den Ambulanzabschlussbericht vom ). Nach § 5 der VO können bei den gegebenen Voraussetzungen ohne Nachweis angefallener Kosten Mehraufwendungen in pauschaler Höhe von 262 € anerkannt werden. Je Tag der Vollunterbringung in einem Internat, für den dem Bf keine Kosten anfallen, ist der Pauschbetrag um 1/30 von 262,00 zu verringern. Dies gilt nach § 5 Abs 2 der VO ausdrücklich nur "pro Tag des Internataufenthaltes". Wenn der behinderte Sohn zwangsläufig bestimmte Tage nicht im Internat verbringt, erwachsen dem Bf zwangsläufig Kosten, die ohne Nachweis in Höhe eines Dreißigstel von 262,00 je Tag des zwangsläufigen Nichtaufenthaltes erwachsen.

Nach wird durch § 5 Abs 2 der VO eine Kürzung des Pauschales nur für den Fall der Unterbringung des Kindes in einem Vollinternat angeordnet, bei der grundsätzlich alle Mehraufwendungen einer Behinderung abgedeckt sind. Mit der Kürzungsregel soll offensichtlich nur eine Doppelberücksichtigung von Mehraufwendungen verhindert werden. Nach Ansicht des Richters werden aber keine Mehraufwendungen doppelt berücksichtigt, wenn dem Bf zwangsläufig an bestimmten Tagen zusätzliche Mehraufwendungen für die Pflege des behinderten Sohnes in seinem Haushalt erwachsen.

So wird etwa auch in ausgeführt: § 5 Abs. 2 der VO definiert zwar den Begriff "Vollinternat" nicht. Aus der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verminderung des Pauschbetrages ist aber zu erschließen, dass jene spezifischen, durch eine Behinderung verursachten Mehraufwendungen, die durch den Pauschbetrag des § 5 Abs. 1 abgegolten werden sollen, an jenen Tagen nicht vorliegen, welche die unterhaltsberechtigte Person nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in einem Internat zubringt. Während auswärtiger Unterbringung werden bestimmte - sonst im Elternhaus anfallende - behinderungsbedingte Mehraufwendungen, etwa im Zusammenhang mit Haushaltsführung und Betreuung, erspart (vgl. -F/06).

Auch in der Entscheidung des -F/06, kommt eindeutig die Ansicht zum Tragen, dass die Pauschale nur um die Tage des tatsächlichen Aufenthaltes im Wohnheim zu kürzen ist.

Nach Ansicht des Richters muss aber auch die Ansicht des Finanzamtes, nach der nur außergewöhnlich und zwangsläufig anfallende Kosten anerkannt werden können, berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist der Sohn des Bf ja an 365 Tagen des Jahres mit Vollverpflegung im W untergebracht. Aus dem Zusammenspiel von § 34 Abs. 1 und Abs. 6 EStG 1988 sowie § 5 der VO über agBel ergibt sich, dass nur Mehraufwendungen des Bf für seinen Sohn, für den erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, die außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen als agBel abgezogen werden können.

Der Begriff "Mehraufwendungen" stellt klar, dass Aufwendungen, die aus der Behinderung des Kindes erwachsen, der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung (ohne Abzug des Selbstbehaltes nach § 34 Abs. 4 EStG 1988) unterliegen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 785/02, VfSlg. 16839). Nur solche Aufwendungen und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) werden auch durch die im § 5 der VO vorgesehenen Pauschbeträge abgedeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0261, VwSlg. 7678/F, zur (Vorgänger-)VO BGBl. Nr. 675/1988).

Wenn eine Person somit grundsätzlich einen Anspruch auf volljährige Unterbringung und Vollverpflegung in einem Internat oder sonstigem Wohnheim hat, ist daher festzustellen, in wie weit durch Abholungen in den privaten Haushalt de Bf nicht außergewöhnliche und nicht zwangsläufig erwachsende Unterhaltskosten und in wie weit außergewöhnlich und zwangsläufig erwachsende Mehraufwendungen iZm der Behinderung des Sohnes vorliegen. Mit anderen Worten: Festzustellen ist, an wie vielen Tagen die Vollunterbringung aus sittlichen oder anderen Gründen zwangsläufig nicht genutzt werden konnte. Die Außergewöhnlichkeit der an diesen Tagen anfallenden Mehraufwendungen und deren Anfall überhaupt wird von der VO für agBel im Ausmaß eines Dreißigstel von 262,00 pauschal vermutet. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass an jedem Tag, an dem der Sohn aus dem W nach "Hause" geholt wird derartige Mehraufwendungen anfallen. Dies würde im Extremfall dazu führen, dass der volle Pauschbetrag trotz der möglichen Vollbetreuung im W zustehen würde.

Im Ergebnis liegen Mehraufwendungen iSd § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010, iZm Abholungen einer unterhaltsberechtigte Person, der eine ganzjährige Vollverpflegung in einem Vollinternat zusteht, aus dieser Einrichtung zum Familienwohnsitz nur insoweit vor als diese Mehraufwendungen zwangsläufig erwachsen und außergewöhnlich sind. Für die Tage, an denen die mögliche Unterbringung im Vollinternat aus zwingenden Gründen nicht in Anspruch genommen wird, kann ohne Nachweis der Außergewöhnlichkeit und des Anfalles von Kosten ein Dreißigstel des Pauschales gem. § 5 Abs. 1 der genannten VO (€ 262,00; Dreißigstel: € 8,73) in Abzug gebracht werden.

Im konkreten Fall geht das Gericht davon aus, dass das Verbringen bei der Familie an zwei Tagen alle zwei Wochen und an einigen Feiertagen die oben genannten Voraussetzungen erfüllen und an diesen Tagen nicht nur nicht außergwöhnliche Unterhaltsleistungen anfielen. An diesen Tagen wurde der Sohn des Bf sowohl aus sittlichen als auch aus gesundheitlichen Gründen zum Familienwohnsitz geholt, sodass an diesen Tagen anzuerkennende Mehraufwendungen iZm der Behinderung des Sohnes entstanden. Es ergibt sich somit ein anzuerkennender Mehraufwand iHv 523,80 (26 x 2 Tage plus Feiertage: 60 Tage im Jahr: 8,73 mal 60 ergibt eine agBel iHv 523,80/Jahr). Dem Mehrbegehren des Bf konnte daher nicht gefolgt werden.

Eine Anrechnung des dem Sohn verbleibenden Taschengeldes auf diesen Betrag kommt nicht in Betracht, da dieser Betrag nach § 13 Bundespflegegesetz der pflegebedürftigen Person (also nicht dem Vater) iHv 10% des Pflegegeldes der Stufe 3 als Taschengeld zusteht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, wie weit Mehraufwendungen bei zwingenden Unterbrechungen einer zustehenden Vollverpflegung in einem Vollinternat zu außergewöhnlichen Belastungen führen, fehlt, war die Revision zuzulassen.

Linz, am

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