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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.11.2020, RV/7106568/2019

"Operative Privatleistung" als außergewöhnliche Belastung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***Finanzamtes A*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
    Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) - Frau ***Bf1*** - machte in der elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 4.460,32 € als außergewöhnliche Belastungen geltend, beanspruchte den erhöhten Pensionistenabsetzbetrag und erklärte einen Grad der Behinderung von 50 %.

Mit Vorhalt vom wurde die Bf ersucht, eine Kostenaufstellung und Zahlungsbelege betreffend die tatsächlichen Kosten zu übermitteln. Es wurde darauf hingewiesen, dass für Leistungen durch nichtärztliches Personal die Zwangsläufigkeit durch Vorlage einer, vor Beginn der jeweiligen Behandlung ausgestellten, ärztlichen Verordnung oder durch den Nachweis eines erhaltenen Kostenersatzes durch eine der gesetzlichen Sozialversicherungen zu belegen sei.

Mit Schriftsatz vom (persönlich abgegeben) teilte die Bf mit, dass keine Kostenersätze durch gesetzliche Sozialversicherungen gewährt worden seien und übermittelte Kopien von 23 Rechnungen sowie die folgende Aufstellung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1
Apotheke
41,30
2
Apotheke
47,75
3
Apotheke
24,00
4
Apotheke
37,50
5
Apotheke
30,20
6
Apotheke
30,00
7
Apotheke
33,15
8
Apotheke
58,45
9
Apotheke
75,90
10
Apotheke
22,50
11
Apotheke
55,90
12
Apotheke
30,00
13
***B***
80,00
14
Apotheke
4,75
15
Apotheke
12,00
16
Apotheke
4,35
17
Apotheke
14,40
18
Apotheke
18,00
19
Reha ***C***
138,97
20
Orthotech
34,20
793,32
21
Orthopädie (OP)
2.600,00
22
Orthopädie (Reha Behandlung)
270,00
23
Fielmann (Brille)
797,00
3.667,00
Gesamt
4.460,32

Im Einkommensteuerbescheid 2018 vom wurden der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag mangels Zutreffens der Voraussetzungen nicht und die Kosten eines Sehbehelfes in Höhe von 797 €, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung stünden, als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt, berücksichtigt, wobei der Selbstbehalt in Höhe von 1.644,02 € die Aufwendungen für den Sehbehelf überstieg. Die Kosten für eine FSME-Impfung in Höhe von 45,10 € wurden mit der Begründung nicht in Abzug gebracht, dass Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten nicht abzugsfähig seien. Die Kosten für die Privatoperation in Höhe von 2.600 € und jene für eine "Cranio Sacral"-Behandlung in Höhe von 80 € wurden nicht berücksichtigt, da Kosten für privatärztlich durchgeführte Operationen bzw für Leistungen durch nichtärztliches Personal nur dann begünstigt seien, wenn die bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung oder durch einen geleisteten Kostenzuschuss durch eine der gesetzlichen Sozialversicherungsanstalten nachgewiesen werde. Da aus den vorgelegten Nachweisen eine Zwangsläufigkeit nicht hervorgehe, hätten die Kosten der Privatoperation und jene für die "Cranio Sacral"-Behandlung nicht berücksichtigt werden können.

Mit Schreiben vom erhob die Bf Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 vom und begründete die Notwendigkeit der privatärztlich durchgeführten OP mit Hinweis auf ein beigelegtes Schreiben von Dr. ***D***. Aus dem erwähnten Schreiben ("Vormerkung für Operation") vom geht im Wesentlicher hervor, dass die Bf in der Ordination "Orthopädie ***E***" für einen Eingriff vorgemerkt sei, die Bf zum Aufklärungsgespräch bestimmte Unterlagen mitzubringen ersucht worden sei und mindestens 10 Tage vor dem Operationstermin die Einnahme bestimmter Medikamente zu beenden sei. Weiters folgen Ausführungen bezüglich der Diagnose und der Operationsplanung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten überstiegen, nur dann gegeben sei, wenn diese Krankheitskosten aus triftigen medizinischen Gründen erfolgten. Solche triftigen medizinischen Gründe müssten als feststehende oder sich konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile vorliegen, welche ohne die teure medizinische Behandlung eintreten würden. Die durch die Bf vorgelegten Schreiben, eine Honorarnote und eine "Vormerkung für Operation" der Gruppenpraxis "Orthopädie ***E***", ließen keine Gründe für die Annahme von bereits feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen erkennen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene privatärztliche Operation eintreten würden. Der Honorarnote sei eine Bestätigung der Zahlung für die Behandlung zu entnehmen und die "Vormerkung für Operation" beinhalte neben allgemeinen Informationen über die bevorstehende Narkose, einer Diagnose und einer Operationsplanung, keine triftigen medizinischen Gründe für die private Vornahme der Operation gegenüber einer kassenärztlichen Behandlung. Triftige medizinische Gründe für die privatärztliche Operation sowie feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären, hätten somit nicht dargelegt werden können. Eine Berücksichtigung der Ausgaben von 2.600 € für die privatärztliche Operation als außergewöhnliche Belastung sei daher nicht möglich gewesen.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht und verwies darauf, dass die gegenständliche private Operation notwendig, zwangsläufig und ärztlich verordnet worden sei. Als Beweise übermittelte die Bf drei Befundberichte von Dr. ***D*** vom , und , Röntgenbefunde der Ordination ***F*** vom , und und einen Auszug aus der Kartei von Dr. ***D*** vom , wobei letzterer im Wesentlichen der mit Beschwerde übermittelten "Vormerkung für Operation" vom entspricht. Keine einzige der übermittelten Unterlagen (Befundberichte, Röntgenbefunde, Auszug aus der Kartei) enthält Hinweise auf triftige medizinische Gründe für die privatärztliche Operation bzw feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Die Bf führte aus, dass auf Grund ihrer Pensionshöhe im Jahre 2018 von monatlich 1.255,97 € die Ausgabe der privaten OP von 2.600 € ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigten und zwangsläufig erwachsen seien. Im Krankenhaus hätte sie zB für die OP rund ein Jahr Wartezeit gehabt. Es sei daher nicht auszudenken, wie die Beweglichkeit ihres rechten Armes nach dieser Wartezeit gewesen wäre.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Strittig ist, ob die Kosten einer "operativen Privatleistung" zwangsläufig erwachsen und demnach als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind, oder ob diesen Kosten mangels Zwangsläufigkeit eine steuerliche Anerkennung zu versagen ist.

Die Bf unterzog sich am einer Operation. Für die "operative Privatleistung" bezahlte die Bf einen Betrag von 2.600 €.

In der Honorarnote wurde darauf hingewiesen, dass kein Anspruch auf Rückerstattung durch den Kostenträger bestehe. Ein Kostenersatz durch die gesetzliche Sozialversicherung wurde nicht geleistet.

Der von der Bf in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachte Betrag von 2.600 € wurde im Einkommensteuerbescheid 2018 nicht berücksichtigt.

Keiner der von der Bf der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen ist ein Hinweis zu entnehmen, dass eine Behandlung, die nicht als Privatleistung vorgenommen worden wäre, bei der Bf zu einem sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteil geführt hätte. Dass die Bf "z.B. für die OP im Krankenhaus rund 1 Jahr Wartezeit gehabt hätte" wurde von der Bf nicht nachgewiesen bzw glaubhaft gemacht.

Außer Streit steht, dass die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Kosten des Sehbehelfes (797 €) nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behinderung der Bf (50 %) stehen sowie die Kosten der FSME-Impfung (45,10 €) und jene der "Cranio Sacral"-Behandlung (80 €) nicht zu berücksichtigen sind.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen und der folgenden Beweiswürdigung:

Beweiswürdigung

In der Honorarnote der Gruppenpraxis "Orthopädie ***E***", mit der der Bf für eine "operative Privatleistung" ein Betrag von 2.600 € in Rechnung gestellt wurde, wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass kein Anspruch auf Rückerstattung durch den Kostenträger bestehe.

In der Begründung des Einkommensteuerbescheid 2018 vom wurde diesbezüglich ausgeführt, dass Kosten für privatärztlich durchgeführte Operationen nur dann begünstigt seien, wenn die bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung oder durch einen geleisteten Kostenzuschuss durch eine der gesetzlichen Sozialversicherungsanstalten nachgewiesen werde. Da aus den vorgelegten Nachweisen eine Zwangsläufigkeit nicht hervorgehe, hätten die Kosten einer Privatoperation in Höhe von 2.600 € als außergewöhnliche Belastungen nicht berücksichtigt werden können.

Wenn die Bf in ihrer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid ausführt, dass "die privatärztlich durchgeführte OP notwendig" gewesen sei und als Beweis dafür ein Schreiben von Dr. ***D*** übermittelt, ist dem entgegenzuhalten, dass diesem kein Hinweis zu entnehmen ist, dass eine Behandlung, die nicht als Privatleistung vorgenommen werde, bei der Bf zu einem sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteil geführt hätte.

In der Beschwerdevorentscheidung wurde ausführlich darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten überstiegen, nur dann gegeben sei, wenn diese Krankheitskosten aus triftigen medizinischen Gründen erfolgten. Solche triftigen medizinischen Gründe müssten als feststehende oder sich konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile vorliegen, welche ohne die teurere medizinische Behandlung eintreten würden. Die Abgabenbehörde brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass die durch die Bf vorgelegten Schreiben, eine Honorarnote und eine "Vormerkung für Operation" der Gruppenpraxis "Orthopädie ***E***", keine Gründe für die Annahme von bereits feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen erkennen ließen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene privatärztliche Operation eintreten würden. Der Honorarnote sei eine Bestätigung der Zahlung für die Behandlung zu entnehmen und die "Vormerkung für Operation" beinhalte neben allgemeinen Informationen über die bevorstehende Narkose, einer Diagnose und einer Operationsplanung keine triftigen medizinischen Gründe für die private Vornahme der Operation gegenüber einer kassenärztlichen Behandlung. Die Abgabenbehörde verwies ausdrücklich, dass triftige medizinische Gründe für die privatärztliche Operation sowie feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären, nicht hätten dargelegt werden können.

Nach der Judikatur kommt einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltecharakter zu (). Hat das Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung das Ergebnis seiner Ermittlungen dargelegt, ist es Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinanderzusetzen und den Feststellungen des Finanzamtes durch entsprechende Sachbeweise entgegenzutreten.

Mit ihrem Vorlageantrag übermittele die Bf drei Befundberichte von Dr. ***D***, Orthopädische Gruppenpraxis OG, drei Röntgenbefunde der Röntgenordination ***F***, Fachärzte für Radiologie und einen Karteiauszug von Dr. ***D***, wobei - wie bereits den bis dahin vorgelegten Unterlagen - keiner einzigen dieser Unterlagen zu entnehmen, ist, dass triftige medizinische Gründe für die privatärztliche Operation sowie feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären, dargelegen sind. Ebenso unbelegt blieb das Vorbringen der Bf, wonach sie "für die OP im Krankenhaus rund 1 Jahr Wartezeit gehabt hätte".

Soweit die Bf in ihrem Vorlageantrag ausführt, dass es nicht auszudenken sei, wie die Beweglichkeit ihres rechten Armes nach einer Wartezeit von rund einem Jahr gewesen wäre, wird darauf verwiesen, dass allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen darstellen, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen.

Im Vorlagebericht - der auch der Bf übermittelt wurde - führte die Abgabenbehörde aus, dass sich weder aus dem Vorbringen im Vorlageantrag noch aus den damit vorgelegten Unterlagen ernsthafte medizinische Nachteile erkennen ließen, die ohne die Vornahme der streitgegenständlichen Privatoperation eingetreten wären.

Der Bf ist es damit nicht gelungen, einen Nachweis für eine aus medizinischer Sicht notwendige Inanspruchnahme einer operativen Privatleistung bzw einen Nachweis dafür zu erbringen, dass eine medizinische Behandlung in der allgemeinen Gebührenklasse zu ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen geführt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muß außergewöhnlich sein (Abs 2).

  • Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs 3).

  • Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs 2 leg cit). Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs 3 leg cit). Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einem vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 iVm Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs 4 leg cit).

Voraussetzung ist, dass sämtliche Merkmale des § 34 EStG kumulativ vorliegen (). Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein. Liegt daher beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht vor, so erübrigt sich eine Prüfung der Außergewöhnlichkeit.

Die Abgabenbehörde führte bereits, gestützt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/14/0181, zutreffend aus, dass ausnahmsweise auch höhere Aufwendungen als die vom Sozialversicherungsträger finanzierten zwangsläufig sein können, wenn sie auf triftige medizinische Gründe (zB bei erwarteten Komplikationen) zurückzuführen sind und ohne die teurere Behandlung erhebliche gesundheitliche Nachteile zu erwarten wären.

Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.

Die Beweislast dafür, dass ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung solche triftigen, medizinischen Gründe (zB erwartete medizinische Komplikationen) eingetreten wären, trifft den Steuerpflichtigen (vgl Renner, in: BFGjournal 172/2015).

Können durch eine Behandlung in der allgemeinen Gebührenklasse konkret drohende medizinische Nachteile nicht nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden, sind Sonderklassegebühren mangels Zwangsläufigkeit keine außergewöhnliche Belastung.

In seinem Erkenntnis vom , 87/14/0116 führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass bloße Wünsche und Vorstellungen der Betreffenden über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen darstellen, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen.

Nicht jeder gesundheitliche Nachteil führt dazu, höhere Aufwendungen als solche, die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind, beim Steuerpflichtigen als zwangsläufig erwachsen anzusehen; es muss sich vielmehr um erhebliche gesundheitliche Nachteile handeln, die ohne die teurere Behandlung zu erwarten wären.

Den Beweis, dass solche triftigen medizinischen Gründe (zB erwartete medizinische Komplikationen) im gegenständlichen Fall ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären, hat die Bf - mit Hinweis auf die oben dargelegte Beweiswürdigung - nicht erbracht. Für den Entschluss, den Eingriff an der Schulter im Rahmen einer "operativen Privatleistung" von ihrem Wahlarzt durchführen zu lassen, waren daher keine triftigen medizinischen Gründe erkennbar, weshalb nicht von einer Zwangsläufigkeit auszugehen ist und die von ihr geltend gemachten Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der Zwangsläufigkeit der der Bf in Zusammenhang mit einer "operativen Privatleistung" erwachsenen Kosten wurde im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet. Im vorliegenden Fall war daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Zwangsläufigkeit
Wahlarzt
triftige medizinische Gründe
Verweise




Renner, in: BFGjournal 172/2015
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106568.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at