Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.11.2020, RV/6100360/2020

Ersatzlose Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung, der keine Beschwerde zugrunde liegt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom (Wiederaufnahme des Verfahrens betreffen Einkommensteuer 2015) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom wird gemäß § 279 Abs 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Salzburg-Stadt (FA) die beschwerdeführende Partei (bP) zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 veranlagt.

Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom hat die bP ua die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2015 beantragt.

Mit Bescheid vom hat das FA diesen Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass von der bP bereits am ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt und dieser mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen worden sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom hat die bP Beschwerde "innerhalb offener Frist gegen den Einkommensteuerbescheid" erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA diese Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 am ergangen, dieser ein Monat später in Rechtskraft erwachsen und sohin die Beschwerde außerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist eingebracht worden sei.

Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragt und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständliche Beschwerde vom gegen den "Einkommensteuerbescheid 2015 vom " - entgegen der Begründung in der Beschwerdevorentscheidung - fristgerecht eingebracht worden sei.

Mit Vorlagebericht vom hat das FA die Beschwerde vom dem BFG elektronisch zur Entscheidung vorgelegt und deren Zurückweisung beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Die bP hat am eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom eingebracht, welcher vom FA als gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom gerichtet gewürdigt und in der Folge als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen wurde.

Beweiswürdigung

Aus den vorgelegten Akten geht hervor, dass die bP am einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für 2015 gestellt hat, welcher 7 Tage später am zurückgewiesen wurde. Begründend führt darin das FA aus, dass bereits am ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt und dieser mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen worden sei. Bereits am hat die bP "innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid" erhoben und darin im Wesentlichen wortident den Inhalt des og Antrages wiederholt.

Bei diesem zeitlichen Ablauf und dem Inhalt der Beschwerde konnte das FA nicht davon ausgehen, dass die Textierung "Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid" gegen einen Bescheid gerichtet ist, der vor nahezu 4 Jahren erlassen wurde. Vielmehr hätte sich das FA vergewissern müssen, gegen welchen Bescheid sich die gegenständliche Beschwerde tatsächlich richtet.

Anstatt dessen hat das FA die Beschwerde als gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom gerichtet gewürdigt und mit Beschwerdevorentscheidung vom als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Spätestens mit dem 4 Tage später eingebrachten Vorlageantrag vom ist offenkundig, dass die gegenständliche Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom gerichtet ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiezu nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. (, , Ritz, BAO5, Rz 6 zu § 279).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes. ().

Ein Vorlageantrag setzt zwingend eine im Rechtsbestand befindliche Beschwerde-vorentscheidung voraus. ().

Der Beschwerdevorentscheidung vom , die in ihrem Spruch die mit datierte Beschwerde gegen den "Einkommensteuerbescheid 2015 vom " (Anm: gemeint war wohl der ) anführt, lag demzufolge keine Beschwerde zugrunde.

Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge von Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

Der Vorlageantrag vom ist grundsätzlich zulässig, da eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt.

Daher ist die Beschwerdevorentscheidung vom durch das BFG zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrensstandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben. Die Beschwerde vom , welche gegen den Zurückweisungsbescheid vom gerichtet ist, ist (weiterhin) unerledigt.

Ergänzende Hinweise: Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Arbeitnehmerveranlagung vom betrifft die Jahre 2014 und 2015. Den vorgelegten Akten sowie den aktuellen Abfragen in den Datenbanken der Finanzverwaltung ist keine Erledigung des Antrages betreffend 2014 zu entnehmen.
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das FA unabhängig vom gegenständlichen Verfahren zu überprüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen gegeben sind.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist ().

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100360.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at