TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.11.2020, RV/7103575/2018

Abweisung eines mit der Rechtsunkenntnis der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 begründeten Wiedereinsetzungsantrages wegen Fehlens eines unmittelbaren Anspruchs aus Art. 4 Abs. 4 der MwSt-RL (EuGH 16.07.2015, Rs C-108/14 und C-109-14 Larentia und Minerva)!

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Wolfgang Pavlik, den Richter Dr. Wolfgang Aigner sowie die fachkundigen Laienrichter Erwin Agneter und Mag. Belinda Maria Eder über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 der A. Bau GmbH & CO KG abgewiesen wurde, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , in Anwesenheit der Schriftführerin Mag. Katharina Moravec zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Mag. N.N. als Masseverwalter der in weiterer Folge kurz als A-GmbH bezeichneten A. Bau GmbH als Gesamtrechtsnachfolger der A. BAU GmbH & Co KG (=A-GmbH & Co KG =A-KG).
Der Gegenstand des mit Vertrag vom errichteten Unternehmens war das reglementierte Baumeistergewerbe, insbesondere im Bereich Hochbau und die Tätigkeiten des Dachdeckers, Spenglers, Schwarzdeckers, Elektrikers sowie Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen. Der Geschäftsführer der A-GmbH - M.M.A. - war auch Geschäftsführer der Fa. B. Bauträger GmbH & Co (=B-GmbH & Co KG=B-KG). Seit der Gründung der A-KG war diese Firma wegen ihrer Bautätigkeiten für die Bauträgerfirma voll ausgelastet und die Akquirierung von Aufträgen von fremden Dritten somit nicht erforderlich.
Auch die mit Vertrag vom errichtete Personengesellschaft B-KG ist eine Firma mit Sitz in Österreich gewesen. Das Unternehmen im Bauträgergewerbe hat Immobilien erworben bzw. errichtet, um sie sodann zu vermieten oder zu veräußern.
Mit der nachfolgenden Übersicht wird die Struktur der beiden Gesellschaften in den Jahren 2010 bis 2013 dargestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
A-KG (FN ***1***)
B-KG (FN ***3***)
Komplementärin
A-GmbH, Sitz Ö (FN ***2***)
B-GmbH, Sitz Ö (FN ***4***)
Kommanditistin
C-GmbH
mit Sitz in Deutschland
C-GmbH mit Sitz in Deutschland
Beteiligungsverhältnisse
A-GmbH und C-GmbH: je 50%
B-GmbH und C-GmbH: je 50%
A-GmbH (FN ***2***)
B-GmbH (FN ***4***)
Beteiligung
M.M.A. Alleingesellschafter
M.M.A. Alleingesellschafter
1% Anteil: Treuhänder*)
Geschäftsführer
M.M.A.: alleinzeichnungsberechtigt
M.M.A.: alleinzeichnungsberechtigt

*) Mag. X.Y..

Über die beim Firmenbuch am eingelangten Anträge hinauf sind die Übernahme des Vermögens der A- KG mit Sitz in Wien gemäß § 142 UGB und die B- KG als nunmehrige alleinige Gesellschafterin der A-GmbH im Firmenbuch registriert worden.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , 2S==/19, wurde der Konkurs über die A-GmbH eröffnet und die A-GmbH aufgelöst.

Seit der Gründung der A-KG im Jahr 2010 wurden die Leistungen dieser KG an die B-KG unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer verrechnet. Die A-KG wurde für die Jahre 2010 bis 2013 umsatzsteuerlich abgabenerklärungsgemäß veranlagt, die Umsatzsteuerbescheide für diese Jahre sind rechtskräftig.

Angefochten ist der Bescheid vom , mit dem der Wiedereinsetzungsantrag der
A- KG gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 abgewiesen wurde. Aufgrund des (Rechtssache C-108/14 und C-109/14) vertritt der steuerliche Vertreter nämlich die Rechtsmeinung, dass der österreichische Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 dem Unionsrecht widerspricht. Die A-KG und die B-KG sind unter unmittelbare Berufung auf das für die Gesellschaften günstigere EU-Recht als einheitlicher Steuerpflichtiger iSd Art. 11 MwSt-Syst-RL zu betrachten, womit die Umsätze zwischen den in Rede stehenden Personengesellschaften in abgabenrechtlicher Hinsicht "nicht steuerbare Innenumsätze" wären.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 308 BAO vom

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde nach Bestätigung dessen, dass eine Organschaft im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG zwischen der A-KG und der B-KG gemäß dem österreichischem Gesetzeswortlaut nicht vorliegt, damit begründet, dass § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 dem Unionsrecht widerspreche und sich Abgabepflichtige sohin unmittelbar auf das insoweit günstigere EU-Recht berufen könnten. Art. 11 MwSt-Syst-RL verlange lediglich das Vorliegen enger finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Beziehungen, die bei der Bf. vorliegen würden.
Die A-KG und die B-KG wären hinsichtlich der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 einem Rechtsirrtum unterlegen. Die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Bescheide für die Jahre 2010 bis 2013 sei aufgrund des irrtümlichen Ausgehens von einer unionsrechtskonformen Übertragung der Bestimmung in österreichisches Recht versäumt worden. Die Nichterreichbarkeit einer Qualifikation der Umsätze zwischen B-KG und A-KG als nicht steuerbar im Wege einer Beschwerde stelle einen Rechtsnachteil für die Bf. dar.
Der Antrag sei aufgrund der Kenntniserlangung vom Widerspruch des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 zum Unionsrecht erst Mitte 12/2014 und somit von der Möglichkeit, eine Beschwerde zu erheben, rechtzeitig erfolgt. Dieser Zeitpunkt ergebe sich nachweislich aus den umgehend eingeleiteten Schritten-wie die Information des zuständigen Finanzamts (erste Besprechung am ).
Nach allgemeinen Ausführungen betreffend Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum unter Bezug auf Lehre (z.B. Ritz, BAO5, § 308 Rz 12), höchstgerichtliche Rechtsprechung (,8 Ob A 2045/96), Fink ("Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zivilprozessrecht", Wien, 1994) und (BMF-010103/ 0019-VI/2006) wurde bezüglich der A-KG vorgebracht, dass beiden Personengesellschaften weder an der Fristversäumnis, noch an dem vorliegenden Rechtsirrtum grobes Verschulden treffe. Der Rechtsirrtum und die daraus resultierende Fristversäumnis wären daraus entstanden, dass sich die A-KG und die B-KG an den Wortlaut des österreichischen Umsatzsteuergesetzes (§ 2 Abs 2 Z 2 UStG) gehalten hätten. Die Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmung sei zum Zeitpunkt der Frist nur für einen ausgewiesenen Fachexperten auf dem Gebiet des Unionsrechts zu erkennen gewesen.
Wider grobes Verschulden der Bf. als u.a. Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von § 308 Abs.1 BAO wurde nach den Hinweisen darauf, dass a) ein minderer Grad des Versehens leichter Fahrlässigkeit gleichzusetzen sei, b) nach herrschender Ansicht von leichter Fahrlässigkeit bei Unterlaufen eines Fehlers auszugehen sei, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe, vorgebracht, dass in der vollständigen Einhaltung der österreichischen Gesetzeslage unstrittig keinerlei Verschulden, egal welchen Grades, vorliege. Aber auch im Irren dahingehend, dass § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG unionsrechtswidrig sei und auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne, sei kein grobes Verschulden zu erblicken. Ein solches Versehen werde auch sorgfältigen Menschen gelegentlich unterlaufen.
Gleiches gelte im Hinblick auf den Rechtsirrtum an sich. Da A-KG und B-KG den genauen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 befolgt hätten, worin keine grobe Fahrlässigkeit zu erkennen sei, wären die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 in den vorigen Stand einzusetzen.
Mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde gleichzeitig die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 mit dem Streitpunkt Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 erhoben. In der zusammenfassenden Würdigung der antragsbegründenden Ausführungen einerseits unter Bezugnahme zum Art.11 MwSt-System-Richtlinie 2006/112, zur EuGH-Rechtsprechung (, Kommission/Irland, , Kommission/Schweden) und der Literaturmeinung von Kanduth-Kristen, EuGH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft: Besteht legistischer Anpassungsbedarf?, taxlex 2014, 44 mwN), andererseits zu den Punkten "Einschränkung auf juristische Personen", "Erfordernis der Über- und Unterordnung", "finanzielle-, wirtschaftliche und organisatorischem Beziehungen" wurde festgehalten, dass eine Organschaft nach § 2 Abs 2 UStG 1994 zwischen der B-KG und der A-KG nicht vorliege, allerdings widerspreche die Bestimmung dem Unionsrecht; Abgabepflichtige könnten sich unmittelbar auf das insoweit günstigere EU-Recht berufen.
Art 11 MwSt-Syst-RL verlange lediglich das Vorliegen enger finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Beziehungen, die im konkreten Fall vorliegen würden. Insofern seien die
B-KG und die A-KG unter unmittelbarer Berufung auf das für sie günstigere EU-Recht als einheitlicher Steuerpflichtiger iSd Art 11 MwStSyst-RL zu betrachten. Umsätze zwischen den beiden Gesellschaften seien daher als nichtsteuerbare Innenumsätze zu behandeln. Daraus ergebe sich, dass die Umsatzsteuerbescheide 2010 - 2013 der Personengesellschaften für die Jahre 2010 bis 2013 mit Rechtswidrigkeit behaftet seien, weil sie ausgehend von zwei selbständigen Unternehmen erlassen worden wären. Richtigerweise liege aber unter unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts nur ein Unternehmen mit sich als nicht steuerbaren Innenumsätzen darstellenden Umsätzen zwischen den beiden Gesellschaften vor.
In analoger Anwendung der Bestimmungen bei ausländischen Organträgern wäre die Bauträger-KG als bedeutenderer Unternehmensteil als Unternehmer zu betrachten, die Umsatzsteuer beider Gesellschaften wären somit bei der B-KG zu erfassen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Angefochtener Abweisungsbescheid vom

Mit dem Abweisungsbescheid wurde die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 308 BAO damit begründet, dass das Umsatzsteuergesetz 1994 mit § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 (Bestimmung betreffend Selbständigkeit/Unselbständigkeit natürlicher Personen sowie das Vorliegen einer Organschaft) die in Österreich gültige Rechtsnorm zur Umsatzsteuer sei, an die auch das Finanzamt gebunden sei. Mit der Berücksichtigung und Einhaltung dieser Vorschriften durch den Bf. liege Rechtsunkenntnis nicht vor. Die Rechtsunkenntnis stehe auch nicht in Zusammenhang mit einer Fristversäumnis betreffend Rechtmittelfrist für die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2010-2013.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beschwerde

Mit der Beschwerde wurde nochmals die Tatsache, dass eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG zwischen der B-GmbH & Co KG und der A-GmbH & Co KG nach österreichischem Gesetzeswortlaut nicht vorliege, bestätigt und die Stattgabe des in Rede stehenden Antrags wegen Vorliegens der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO beantragt. Als Begründung für diesen Antrag wurde nach Wiederholung der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemäß § 308 BAO wider den Abweisungsbescheid vom ins Treffen geführt, dass die abgabenbehördliche Behauptung des Nichtvorliegens von Rechtsunkenntnis und des Nichtbestands eines Zusammenhangs zwischen dieser mit einer Fristversäumnis nicht korrekt sie, weil die Ansicht des Finanzamts lediglich mit dem Charakter des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 als geltendes österreichisches Umsatzsteuerrecht begründet werde. Diese Tatsache könne aber keinesfalls zwangsläufig bedeuten, dass diese (österreichische) Rechtslage unionsgerecht umgesetzt sei oder interpretiert werden könne. Wie bereits im Antrag vom begründet und mit EuGH-Rechtsprechung und Literaturmeinung belegt, entspreche die österreichische Organschaftsregelung des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 nicht dem Unionsrecht. Zwischenzeitlich hätte daher u.A. auch eine Anpassung in den Umsatzsteuerrichtlinien zu erfolgen gehabt.
Es sei zu kurz gegriffen, sich bei der Prüfung von Rechtsunkenntnis als Wiedereinsetzungsgrund darauf zu beschränken, ob eine Norm gültiges lokales Recht darstelle oder nicht. Auch die abgabenbehördliche Ausführung, dass das Finanzamt an die gültige Rechtsnorm gebunden sei, ändere nichts an der Tatsache der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994. Dieser Umstand sei auch nicht geeignet, Rechtsunkenntnis zu verneinen. Vielmehr sei anzuerkennen, dass ein durchschnittlicher Abgabepflichtiger im beschwerdegegenständlichen Zeitraum gerade keine Kenntnis der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 haben konnte. A-KG und B-KG wären daher einer Rechtsunkenntnis unterlegen, die Fristversäumnis zur Folge gehabt hätte.
Die Ansicht der steuerlich vertretenen A-KG werde vom ) gestützt, weil in dieser Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Wiedereinsetzung insbesondere die Tatsache, dass eine Materie derart komplex sei, dass der EuGH für eine Entscheidung angerufen werden müsse, für entscheidungswesentlich befunden worden sei. Mit dem zitierten Urteil sei zwar über einen NoVA - Sachverhalt zu entscheiden gewesen, dennoch sei dieses Urteil auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die hohe Anzahl der EuGH-Entscheidungen zur Frage der Interpretation bzw. Umsetzung der Organschaftsregelung in den einzelnen Mitgliedstaaten offenbare die Komplexität der Regelung; hervorzuheben sei dabei, dass ein großer Teil der Verfahren durch die EU-Kommission (als "Hüterin der Verträge") angestrengt werde. Mit dem die außerordentliche Amtsrevision in obiger Sache abweisenden Erkenntnis vom (Ra 2017/16/0021) habe der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass das Finanzamt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzeigen habe können und implizit ausgesagt, dass das BFG mit seinem zitierten Urteil nicht von der ständigen VwGH-Rechtsprechung abweiche.
Die Komplexität der Sachlage zeige sich auch im C-108/14 Larentia + Minerva, in dem der EuGH die Meinung vertreten habe, dass die unionsrechtliche Bestimmung über die Mehrwertsteuergruppe (Österreich: Organschaft) einer Präzisierung auf nationaler Ebene bedürfe und demnach nicht die Voraussetzungen erfülle, um unmittelbare Wirkung zu entfalten. In seinem diesbezüglichen Folgeurteil (XI R 17/11 vom ) stelle der deutsche BFH hingegen klar: Die entsprechende nationale Regelung könne unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" (jedenfalls) auch eine GmbH & Co KG umfasse.
Aufgrund der steuer- und unternehmensrechtlich weitestgehend vergleichbaren Rahmenbedingungen seien diese Überlegungen des deutschen BFH auf die österreichische Rechtslage übertragbar. Dies entspreche offensichtlich auch der Meinung der Finanzverwaltung. Trotz der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z.2 UStG 1994 habe zwar der Gesetzgeber noch keine Änderung der zitierten Bestimmung vorgenommen, jedoch habe die Finanzverwaltung bei der Wartung der UStR im Jahr 2016 bereits reagiert und Personengesellschaften, bei denen neben dem Organträger nur solche Personen Gesellschafter seien, die finanziell in den Organträger eingegliedert seien, ab als Organgesellschaft eingestuft, sofern alle sonstigen Voraussetzungen für die Organschaft vorliegen würden. Hauptanwendungsfall der nunmehr auch in den UStR vertretenen Ansicht sei unzweifelhaft die Rechtsform der GmbH & Co KG, also jene Rechtsform, in der die A-KG und die B-KG in den Streitjahren organisiert gewesen wären.
Laut dem VwGH-Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0031, sei hinsichtlich § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Eingliederung mit dem betriebswirtschaftlichen Zusammenhang erfüllt, ohne dass es einer wirtschaftlichen Unterordnung bedürfe. Der Wortlaut des nationalen Rechts verschließe sich dabei in dieser Hinsicht laut VwGH nicht einer richtlinienkonformen Interpretation.
Der BFG-Rechtsprechung (RV/7101602/2014) folgend könne A-KG und B-KG somit nicht zur Last gelegt werden, dass sie die - nur für ausgewiesene Experten des Umsatzsteuerrechts erkennbare - Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 nicht erkannt hätten bzw. noch viel weniger, dass die EuGH-Ansicht, wonach keine direkte Berufung auf das Unionsrecht möglich sein solle, antizipiert worden sei. Zumal diesbezügliche Meinungen in der Literatur vermehrt hauptsächlich erst ab dem Jahr 2013 (=dem letzten des beschwerdegegenständlichen Zeitraums) publiziert worden wären - was ein Erkennen der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 durch A-KG und B-KG erheblich verzögert hätte. Auch dieser Umstand, nämlich die mangelnde "breitenwirksame" Behandlung einer Thematik sei ein entscheidungswesentlicher Aspekt im zitierten BFG-Urteil gewesen.
Wenn die Behörde behaupte, zwischen Rechtsunkenntnis und Fristversäumnis bestünde kein Zusammenhang, verkenne die Behörde die direkte kausale Beziehung. Ohne Kenntnis der Unionsrechtswidrigkeit einer zentralen Bestimmung des österreichischen Umsatzsteuergesetzes habe aus der Sicht der A-KG und der B-KG kein Anlass bestanden, gegen die Veranlagung als zwei getrennte Umsatzsteuersubjekte im Rechtsmittelwege vorzugehen. Gerade, weil keine Kenntnis der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 vorgelegen sei, hätte die Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels ungenutzt verstreichen können. Die Rechtsunkenntnis habe die Fristversäumnis daher als direkte Konsequenz verursacht.
Im Falle des Folgens der abgabenbehördlichen Ansicht wäre der Steueranwender in doppeltem Ausmaß benachteiligt. Zum einen komme er nicht in den Genuss des günstigeren Unionsrechts, da § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 nicht unionsrechtskonform umgesetzt sei. Zum anderen verwehre ihm die Behörde nach Kenntnis dieses Umstands seine verfahrensrechtlichen Rechte, indem das Wiedereinsetzungsansuchen mit der Begründung abgewiesen werde, dass Rechtsunkenntnis keine Gültigkeit habe, wenn sie in der Unionsrechtswidrigkeit einer Bestimmung des österreichischen Umsatzsteuergesetzes bestehe.
Entgegen der Ansicht der Behörde seien die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO gegeben, weil ein Rechtsnachteil durch die unstrittige Versäumung der Frist für Erhebung einer Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 entstanden sei, da die Bf. mangels Möglichkeit, die befristete Prozesshandlung vorzunehmen, das günstigere Unionsrecht nicht zur Anwendung bringen hätte können. Dies liege in einem unvorhergesehenen Ereignis in Form eines "Sich irren" begründet. Die Bf. trage daran unter Einhaltung der geltenden Gesetzeslage unzweifelhaft keinerlei Verschulden. Der Antrag vom sei nachweislich rechtzeitig nach Erkennen des Irrtums eingebracht worden.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beschwerdevorentscheidung

Mit der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wiederholte die belangte Behörde die bisherigen Ausführungen betreffend Nichtvorlage einer Rechtsunkenntnis als Folge der Berücksichtigung und Einhaltung des § 2 Abs 2 Z 2 UStG 1994 und das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen dieser Unkenntnis und einer Fristversäumnis betreffend Rechtmittelfrist für die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2010-2013 und hielt der steuerlichen Vertretung den Ausführungen zur dem § 2 Abs 2 Z 2 UStG 1994 entsprechenden EU-Regelung entgegen, dass sich aus der Formulierung des Art 11 der Richtlinie, dernach Interpretationen durchaus möglich und zulässig seien, ergebe, dass das "günstigere Unionsrecht" nicht unmittelbar anwendbar sei, womit das UStG 1994 für den streitgegenständlichen Zeitraum gültig sei. Es liege somit kein Rechtsirrtum vor, die Voraussetzungen des § 308 BAO seien nicht erfüllt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vorlageantrag

In weiterer Folge wurde der Vorlageantrag gestellt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenbehördliche Stellungnahme zum Vorlageantrag

Mit der im Vorlagebericht enthaltenen Stellungnahme der belangten Behörde zum Vorlageantrag wurde die Abweisung der Beschwerde mit folgender Begründung beantragt:
"Mit dem Urteil vom in der Rs C-108/14 und C-109-14,
Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG, stellt der EuGH klar, dass
"bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie nicht davon ausgegangen werden kann, dass er
unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber
ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten......."
Die Bestimmung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der MwSt-RL in der Fassung 2006/69/EG
ist in der aktuellen Fassung 2006/112/EG unter Art. 11 zu finden. Das Finanzamt
beantragt daher die Abweisung der Beschwerde, da die Voraussetzungen des § 308 BAO
nicht vorliegen. Auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung wird zusätzlich
verwiesen
."


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Senatsverhandlung am

Anlässlich der Senatsverhandlung am brachte der Masseverwalter nach Verweis auf das bisherige Vorbringen, insbesondere das Rechtsmittel, vor, dass sich nach Erachten des Masseverwalters der Bestand eines Rechtsanspruchs des Einzelnen auf Wiedereinsetzung aus den beiden Mehrwertsteuerrichtlinien aus 1977 bzw. 2006 ableiten lasse, verwies dazu auch auf das Erkenntnis des Larentia + Minerva C 108/14 und C 109/14, und vertrat, was den Rechtsirrtum betrifft, die Auffassung, dass eine Wiederaufnahme dann zuzulassen sei, wenn sich später aufgrund eines EuGH-Urteils herausgestellt habe oder herausstelle, dass damals eine Mehrwertsteuergruppe existiert habe, dies auch dann, wenn ein Steuerberater involviert gewesen sei, (vgl. Österreichische Steuerzeitung aus 2017, S. 176).
Der Amtsvertreter fügte nach Verweis auf das bisherige Vorbringen diesem hinzu, dass die Gründe (u.a. die nicht unmittelbare Anwendbarkeit des EU-Rechts in diesem Fall) in der Beschwerdevorentscheidung vom dargelegt worden wären. Mit der Nichterfüllung der finanziellen Eingliederung zwischen den beiden Schwestergesellschaften seien somit auch die Voraussetzungen für eine Organschaft nicht gegeben.
Der Masseverwalter bestritt den Bestand einer Schwestergesellschaft zu dem in Rede gestellten Zeitpunkt mit der Begründung, dass es nicht einmal eine Muttergesellschaft gegeben hätte, und erklärte, dass es sich um eine bestehende Umsatzsteuergruppe aufgrund der Unterordnung der damaligen A. Bau GmbH & Co KG und später A. Bau GmbH handle.
Abschließend verkündete der Vorsitzende den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass der mit datierte Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer 2010 bis 2013 nach Rechtskraft der Umsatzsteuerbescheide der A-KG für die Jahre 2010 bis 2013 vom (2010), (2011), (2012) und 2013 (), mit denen das Finanzamt die Abgaben abgabenerklärungsgemäß festgesetzt hatte, gestellt worden ist. In abgabenrechtlichen Angelegenheiten ist die A-KG von der Steuerberatungsgesellschaft Pölzleithner Wirtschaftstreuhand KG in den Jahren 2010 bis 2013 stets vertreten gewesen. Zwischen den Verfahrensparteien steht außer Streit, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft zwischen der Bauträger KG und der Bau-KG im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 dadurch, dass a) die KGs als Personengesellschaften nicht Organgesellschaft sein können, b) keine finanzielle Unterordnung, sondern eine Nebenordnung besteht, nicht gegeben sind.
Mit dem Urteil vom Rs C-108/14 Larentia + Minerva, hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass sich ein Steuerpflichtiger nicht direkt auf Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie berufen kann. Bis dato ist eine gesetzliche Änderung der Bestimmung des § 2 UStG 1994 als Folge des zuvor genannten Urteils nicht erfolgt.

Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den Umsatzsteuererklärungen, den in Rechtskraft erwachsenen Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2010 bis 2013 und den Ausführungen des steuerlichen Vertreters der A-KG und der B-KG im Wiedereinsetzungsantrag und der Beschwerde gegen den antragsabweisenden Bescheid.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist, ob die Abweisung über die Wiedereinsetzungsanträge betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 (Organschaft) gemäß § 308 BAO rechtmäßig ist. Begründet wurden die Wiedereinsetzungsanträge mit der "Rechtsunkenntnis der Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG" und der Möglichkeit der Bf., sich unmittelbar auf das für sie günstigere Unionsrecht zu berufen.

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 308 Abs. 1 BAO lautet:

"Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

§ 308 Abs. 3 BAO lautet:

"Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen."

Wie aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu entnehmen ist, ist das Ziel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat (vgl. VwGH 16.11.2011, 2007/17/0073).
Nach Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 308, Rz 8ff., ist ein Ereignis jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sich irren usw. (z.B. ; ; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Tz 34 und 35; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 308 Anm 8).
Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (z.B. VwGH 17.2.1994, 93/16/0020; 25.1.1995, 94/13/0236; 27.9.2012, 2009/16/0098; 26.2.2014, 2012/13/0051).
Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (z.B. VwGH 31.10.1991, 90/16/0148; 25.1.1995, 94/13/0236; 27.9.2012, 2009/16/0098; 26.2.2014, 2012/13/0051).
Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum sind zwar nach ständiger Rechtsprechung keine Wiedereinsetzungsgründe (z.B. VwGH 15.6.1993, 93/14/0011; , 0312; , 2005/14/0076), könnten jedoch in Ausnahmefällen einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen (vgl. Frauenberger, ÖJZ 1992, 117 f; VfGH 6.3.1995, B 2378/94, ZfVB 1996/1/488; VwGH 2.10.2014, 2011/15/0192; Ra 2017/16/0021; ; offenbar auch B 203, 204/97, ZfVB 1998/2/535, wonach ein nach den Umständen leicht zu vermeiden gewesener Rechtsirrtum die Voraussetzung der Unabwendbarkeit nicht erfüllt), etwa wenn der Irrtum von der Behörde veranlasst wurde ().
Nach Fink (Wiedereinsetzung, 86) stellt ein Irrtum über Rechtsvorschriften oder deren Unkenntnis nur dann keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn den Wiedereinsetzungswerber hieran zumindest grobes Verschulden trifft. Auch das BMF vertrete in seinem Erlass vom (BMF-010103/ 0019-VI/2006) diese Ansicht unter Bezugnahme auf das zitierte ,8 Ob A 2045/96.
Nach Ansicht des OGH kann ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (, RdW 1997, 33; ebenso BMF, AÖF 2006/123, Abschn. 3; vgl. auch , ZfVB 1997/5/1775; 24.6.2010, 2010/15/0001).
Nach Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 308, Rz 12 sind keine Wiedereinsetzungsgründe nach der Rechtsprechung mangelnde deutsche Sprachkenntnis, Arbeitsüberlastung und familiäre Probleme (VwGH 25.9.1991, 91/16/0046).
Nach Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 308, Rz 13ff. steht seit (BGBl 1987/312) nicht mehr jedes Verschulden einer Wiedereinsetzung entgegen. Liegt nur ein minderer Grad des Versehens vor, so schließt dies eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus. Die diesbezügliche Novellierung des § 308 Abs. 1 ist mangels abweichender Inkrafttretensregelung ab bei allen offenen Wiedereinsetzungsanträgen anzuwenden (vgl zu § 167 FinStrG ).
Ein minderer Grad des Versehens ist leichter Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB gleichzusetzen (z.B. VwGH 2.9.2009, 2009/15/0096; 27.9.2012, 2009/16/0098; 26.2.2014, 2012/13/0051). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (zB VwGH 22.11.1996, 95/17/0112; , B 1948/97; , B 2290/96, G 176/96).
Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (z.B. VwGH 15.6.1993, 93/14/0011). Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (zB VwGH 17.3.2005, 2004/16/0204; 2.9.2009, 2009/15/0096; 27.9.2012, 2009/16/0098; 26.2.2014, 2012/13/0051). An rechtskundige Parteienvertreter ist hiebei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (OGH 29.8.1990, 9 ObA 199/90, RZ 1991, 200; ; OGH 22.5.1997, 10 ObS 116/97z, RZ 1998, 68; vgl auch , 0078, strengerer Maßstab bei Rechtsanwalt als bei rechtsunkundigen Personen).
Ob ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt bzw ob ein grobes Verschulden anzunehmen ist, ist stets nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Wiedereinsetzungswerbers (bzw seines Vertreters) zu beurteilen (vgl Frauenberger, ÖJZ 1992, 116). Die folgenden aus der Judikatur übernommenen Aussagen sind daher nicht als starre Regeln anzusehen.
Das Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (vgl. z.B. VwGH 2.9.2009, 2009/15/0096; 11.3.2010, 2008/16/0034; , 2010/15/0149; 26.2.2014, 2012/13/0051). Dies gilt nicht nur für den Parteienvertreter selbst, sondern auch für seinen Substituten () und etwa auch für Organe juristischer Personen (vgl. VwGH 8.10.1990, 90/15/0134).
Nach Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 308, Rz 19 ff ist der behauptete Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen (zB VwGH 20.2.1996, 94/13/0082) bzw sind bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (; , 97/02/0093, ZfVB 1998/2/389).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (VwGH 23.4.1993, 92/17/0067; , 96/13/0173, 0174; , 2006/15/0109); teilweise ergänzt der VwGH durch "im Wiedereinsetzungsantrag abgesteckt" (16.2.1994, 90/13/0004), teilweise stellt er auf die Wiedereinsetzungsfrist ab (z.B. 16.3.1993, 89/14/0254; 30.6.1994, 92/15/0211; 12.8.1994, 91/14/0018, 0042). Eine Auswechslung des Wiedereinsetzungsgrundes im Rechtsmittelverfahren ist daher unzulässig (VwGH 26.1.1998, 96/17/0302).
Nach Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 308, Rz 22 ist der Wiedereinsetzungsantrag nur rechtzeitig, wenn er spätestens drei Monate nach Wegfall des Hindernisses gestellt wurde.
Fristrelevant ist, wann erstmals die Fristversäumung erkennbar wird (z.B. ; 16.12.1997, 97/14/0106: "spätestens ab Erkennen der Fristversäumung"). Dies kann z.B. aus einem wegen Verspätung des Anbringens zurückweisenden Bescheid der Fall sein, außer der Fristablauf war bereits vorher erkennbar (VwGH 7.3.1990, 90/03/0030, ZfVB 1991/2/778; auf Erkennbarkeit bei gehöriger Aufmerksamkeit abstellend , ZfVB 1997/5/1821; , ZfVB 1998/4/1297).
Besteht bei der Wiedereinsetzung das Hindernis in einem Irrtum, so beginnt die Frist mit Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist, zu laufen (, 0287, ZfV B 2004/224; vgl VwGH 18.10.2004, 2004/17/0152; 16.3.2005, 2003/14/0005; BMF, AÖF 2006/123, Abschn 3).
Die Drei-Monatsfrist des § 308 Abs. 3 BAO ist eine gesetzliche Frist und somit dem § 110 Abs. 1 BAO zufolge nicht verlängerbar.

§ 2 Abs. 1 und 2 UStG 1994 lauten:

"(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
1. soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen derart eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen, verpflichtet sind;
2. wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, dass sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, dass sie keinen eigenen Willen hat (Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist. Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als Unternehmer
."

Die Umsatzsteuer innerhalb der Europäischen Union ist aufgrund der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), die am die bis dahin geltende 6. EG-Richtlinie ersetzt hat, einheitlich geregelt. Jedes Land hat die Umsatzsteuer als Mehrwertsteuer ausgestaltet. Die Mitgliedstaaten müssen einen Regelsteuersatz von mindestens 15 % haben. Eine Obergrenze für die Steuersätze ist nicht vorgegeben. Auch ist es ihnen gestattet, für bestimmte Leistungs- und Warengruppen geringere Steuersätze vorzusehen. Der Mindeststeuersatz für den ermäßigten Steuersatz ist 5%. Nach Maßgabe der Richtlinie können Leistungsgruppen von der Mehrwertsteuer befreit werden oder es kann für sie ein Nullsatz eingeführt werden. Leistungen, auf die eine Nullsatzregelung anwendbar ist, unterliegen weiterhin den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften und berechtigen insbesondere auch zum Vorsteuerabzug. Eine konsolidierte Fassung, d. h. Fassung der 6. EG-Richtlinie, ist in EUR-Lex zu finden.
Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 beruhte auf Art. 4 Abs. 4 EG-Richtlinie, welcher in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 6. EG-Richtlinie, demnach als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis, folgende Bestimmungen enthielt:
"Der in Absatz 1 verwendete Begriff "selbständig" schließt die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.
Ein Mitgliedstaat, der die in Unterabsatz 2 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch nimmt, kann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehung oder -umgehung durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen
."

Die Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage wurde mehrfach erheblich geändert.
Nach https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/mehrwertsteuersystemrichtlinie-51572/version-274733 ist die im Jahre 2006 in Kraft getretene, umfassende Neufassung der früheren 6. EG-Richtlinie über die Umsatzsteuern von 1977 und einiger anderer europarechtlicher Richtlinien über die Umsatzsteuer die Mehrwertsteuersystemrichtlinie.
Wie aus dem Lexikon hinsichtlich Inhalt und Funktion der Richtlinie zu entnehmen ist, fasst diese in etwa 400 Artikeln die geltenden Vorgaben der EU über die Ausgestaltung der nationalen Umsatzsteuergesetze zusammen. Die Umsatzsteuergesetze der Mitgliedsstaaten müssen entsprechend der Richtlinie gestaltet und ihre Bestimmungen im Zweifel entsprechend den Vorgaben der Richtlinie ausgelegt werden (gemeinschaftskonforme Auslegung); damit ist die Richtlinie praktisch ein mehrwertsteuerrechtliches Grundgesetz in der Europäischen Union. Das in der Richtlinie enthaltene System wird laufend durch Änderungen im Detail weiterentwickelt. TITEL III STEUERPFLICHTIGER der RICHTLINIE 2006/112/EG DES RATES vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet daher wie folgt:

"Artikel 9

(1) Als "Steuerpflichtiger" gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Als "wirtschaftliche Tätigkeit" gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.

(2) Neben den in Absatz 1 genannten Personen gilt als Steuerpflichtiger jede Person, die gelegentlich ein neues Fahrzeug liefert, das durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung an den Erwerber nach einem Ort außerhalb des Gebiets eines Mitgliedstaats, aber im Gebiet der Gemeinschaft versandt oder befördert wird.

Artikel 10

Die selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.

Artikel 11

Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend "Mehrwertsteuerausschuss" genannt) kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
Ein Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch nimmt, kann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.

Artikel 12


Tabelle in neuem Fenster öffnen
(1) Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere einen der folgenden Umsätze bewirken:
a) Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt;
b) Lieferung von Baugrundstücken.
(2) Als "Gebäude" im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gilt jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk.
Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten der Anwendung des in Absatz 1 Buchstabe a genannten Kriteriums des Erstbezugs auf Umbauten von Gebäuden und den Begriff "dazugehöriger Grund und Boden" festlegen
.
Die Mitgliedstaaten können andere Kriterien als das des Erstbezugs bestimmen, wie etwa den Zeitraum zwischen der Fertigstellung des Gebäudes und dem Zeitpunkt seiner ersten Lieferung, oder den Zeitraum zwischen dem Erstbezug und der späteren Lieferung, sofern diese Zeiträume fünf bzw. zwei Jahre nicht überschreiten.
(3) Als "Baugrundstück" im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten.
Artikel 13…."

Die Rechtsgrundlage der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist Art. 93 EG-Vertrag; die Verabschiedung der Richtlinienbestimmungen und evtl. Änderungsbeschlüsse muss einstimmig im Rat der EG-Finanzminister erfolgen. Damit diese ihrerseits überhaupt Beschluss fassen können, muss zuvor die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet haben.

Wie aus https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/steuerharmonisierung-der-eu-43711/version-267037 zu entnehmen ist, ist Steuerharmonisierung die Bezeichnung für das Vorhaben, unterschiedliche steuerliche Regelungen und Steuersätze zwischen den Ländern (der EU) anzugleichen, um so einen Steuerwettbewerb zu vermeiden, bzw. den Handel auf dem Binnenmarkt zu verbessern. Ab 2006 wurde für fast alle bisherigen Schritte im Bereich der Umsatzsteuerharmonisierung eine Zusammenfassung in einem einheitlichen, leichter lesbaren Text (die Mehrwertsteuersystemrichtlinie) verwirklicht. Für die Praxis folgt aus der Steuerharmonisierung in der Europäischen Union im Bereich der Umsatzsteuer, dass fast alle Fragen, die sich bei der Auslegung von Umsatzsteuergesetzen ergeben, in die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs fallen.

Im gegenständlichen Beschwerdefall war die Beschwerde gegen den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 als unbegründet abzuweisen, weil die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO mit der Erfüllung folgender Kriterien "die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung", "ein hiedurch entstandener Rechtsnachteil", "ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis", "kein grobes Verschulden" sowie "ein rechtzeitiger Antrag auf Wiedereinsetzung" verbunden ist und das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers im Wiedereinsetzungsantrag gesteckt wird, zu untersuchen ist (vgl. u.a. und die dort angeführte Vorjudikatur).
Zwischen den Verfahrensparteien ist unbestritten, dass eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 zwischen der Bauträger GmbH & Co KG und der A-Bau GmbH & Co KG nach österreichischem Gesetzeswortlaut nicht vorliegt. Dennoch wird im Administrativ- und Rechtsmittelverfahren ein Widerspruch zwischen der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 und Art. 11 MwSt-Syst-RL als Wiedereinsetzungsgrund thematisiert, welcher darin besteht, dass der letztgenannte Artikel lediglich das Vorliegen enger finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Beziehungen verlange. Der Bf. nimmt mit diesem Vorbringen Bezug auf das (Larentia + Minerva) und die auf diese Entscheidung bezügliche Rechtsprechung des deutschen BFH und des Verwaltungsgerichtshofs, aufgrund dieser die nationale Umsetzung der Organschaft dahingehend zu interpretieren ist, dass eine GmbH & Co KG sehr wohl eine Organgesellschaft sein kann (Es haben zwar enge finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen zu bestehen, aber kein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis). Vor diesem Hintergrund stellt sich somit die Frage, ob die A-KG einen unmittelbaren Anspruch auf Anwendung des Art. 11 MwSt-Syst-RL hat, wenn der Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer zufolge jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln KANN.
Was das Verhältnis des § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 zum EU-Recht anbelangt, beruht die letztgenannte Bestimmung des UStG 1994 auf Art 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie. Ein Vergleich der Bestimmungen zur Organschaft des § 2 in den Fassungen des UStG 1972 und 1994 verschafft Gewissheit darüber, dass die Wirkungen der Organschaft bei der in Rede stehenden Bestimmung des UStG 1994 sich insoweit von jener des UstG 1972 unterscheidet, als sie auf das Inland beschränkt sind. Der Unternehmerbegriff ist der 6.EG-RL dadurch, dass diese vom Steuerpflichtigen spricht, fremd. Bereits Art. 4 Abs. 4 6.EG-RL hat klar und eindeutig festgestellt: "Eine Unselbständigkeit juristischer Personen (Organschaft) vorzusehen, ist den Mitgliedstaaten nach Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses zwar freigestellt, jedoch können einen Organkreis nur im Inland ansässige Personen bilden". Im Übrigen sei auf Zehetner, ÖStZ 1995, 180, wonach Österreich die Beibehaltung der Regelung zugestanden wurde, verwiesen.

Art. 11 in der im Jahre 2006 in Kraft getretenen, umfassenden Neufassung der früheren 6. EG-Richtlinie über die Umsatzsteuern von 1977 und einiger anderer europarechtlicher Richtlinien über die Umsatzsteuer ist jene EU-Regelung, die nunmehr dem § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 entspricht, und lässt als Kann-Bestimmung keinen Zweifel daran bestehen, dass sie keine Vorschrift im strengen Sinne, sondern eine Bestimmung darstellt, bei der die Formulierung des Art. 11. MwSt-Syst-RL bedeutet, dass freies Ermessen bei der Rechtsanwendung dem Mitgliedstaat gewährt wird.

Auch diese EU-Richtlinie im Recht der Europäischen Union ist genauso wie die 6. EG-Richtlinie ein Rahmengesetz, das die Mitgliedsstaaten zur Verwirklichung eines bestimmten Ziels verpflichtet, und sich als "Arbeitsauftrag" an die nationalen Gesetzgeber der EU-Staaten richtet, damit diese hierzu richtliniengemäßes nationales Recht schaffen, womit sie erst unmittelbar gilt. Setzt der nationale Gesetzgeber die EU-Richtlinie nicht bis zum in der Richtlinie vorgegebenen Termin in nationales Recht um, so kann eine EU-Richtlinie auch, ganz oder teilweise, unmittelbar gelten.
§ 2 UStG 1994 hat über Art. 4 der 6.EG-Richtline bzw. die Artikel 9ff. MwSt-SystemRL hinaus auch dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 B-VG), demnach alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind, zu entsprechen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet, dass Steuergesetze gleichmäßig angewendet und durchgesetzt und somit alle Steuerpflichtigen gleichbehandelt werden. Exekutive und Judikative, d. h. insbesondere die Finanzbehörde und das Bundesfinanzgericht, haben nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Gesetze gleichmäßig anzuwenden (sog. Rechtsanwendungsgleichheit), allerdings gibt es keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht. Steuerpflichtige können sich daher nicht auf eine rechtswidrige Praxis von Finanzämtern berufen, durch die z. B. andere Steuerpflichtige rechtswidrig begünstigt werden.
Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 114 1.Satz BAO) ist zum Teil eine einfachgesetzliche Wiederholung verfassungsrechtlicher Grundsätze, nämlich des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 2 StGG, Art. 7 Abs. 1 B-VG) und des Legalitätsgrundsatzes (Art. 18 Abs. 1 B-VG, vgl auch § 5 F-VG), sowie eine Interpretationsrichtlinie, womit ihm z.B. bei der Ermessensübung Bedeutung zukommt, und erfordert, Fehler bei der Steuerbemessung mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu vermeiden oder zu beseitigen ().
Das EU-Recht hat Vorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Aus dem Vorrang des überstaatlichen Unionsrechts folgt die Verpflichtung aller Organe der Mitgliedstaaten, d. h. vor allem der Gerichte und Behörden, nationales Recht im Sinne der Vorgaben des EU-Rechts, also unionskonform auszulegen. Sichert die europarechtskonforme und somit integrationsfreundliche Auslegung die Übereinstimmung der österreichischen Normen mit dem Europarecht, so kann es durch die richtlinienkonforme Auslegung zu einer quasi-unmittelbaren Wirkung von Richtlinien kommen. Da die meisten Vorgaben des EU-Rechts in Richtlinien der Europäischen Union sind, sind die österreichischen Gesetze richtlinienkonform auszulegen, weshalb Österreichische Gerichte beispielsweise österreichische Verbraucherschutz- und Arbeitnehmerschutzgesetze so auszulegen haben, dass Sinn und Zweck der EU-Richtlinien auf diesen Gebieten verwirklicht werden.
Art 11 der Richtlinie ist die dem § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 entsprechende EU-Regelung, die zwar nach Ansicht des Bf. nicht eingehalten wurde, weshalb der Bf. sich in der Beschwerde auf dieses - für ihn günstigere - Unionsrecht beruft, jedoch beinhaltet dieser Artikel eine KANN- Bestimmung und wurde daher so formuliert, dass Interpretationen durchaus möglich und zulässig sind, woraus sich für das gegenständliche Beschwerdeverfahren ergibt, dass das "günstigere Unionsrecht" nicht unmittelbar angewendet werden kann. Gültig ist daher für den streitgegenständlichen Zeitraum das Umsatzsteuergesetz 1994 in der dem entsprechenden Streitjahr gültigen Fassung. Das heißt, dass die gesetzliche Bestimmung des § 2 Abs. Z. 2 UStG 1994 sowohl vor dem Ergehen als auch nach dem Ergehen des (Larentia + Minerva) unverändert nur für juristische Personen angewandt werden kann, da bis dato eine diesbezügliche gesetzliche Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1994 nicht erfolgt ist. Aus diesem Grund hat sich die in abgabenrechtlichen Angelegenheiten in den Streitjahren steuerlich vertretene A-GmbH & Co KG im Zeitraum vor und nach dem Ergehen des EuGH-Urteils den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechend verhalten. Wird der Aussage der Behörde, wonach eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 zwischen der Bauträger GmbH & Co KG und der A-KG nach österreichischem Gesetzeswortlaut nicht vorliegt, deren Korrektheit sowohl im mit datierten Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 308 BAO betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2013, als auch in der mit datierten Beschwerde gegen den zuvor genannten Antrag abweisenden Bescheid bescheinigt, so ist die Antwort auf die Frage, ob und zu welchen Zeitpunkt die steuerlich vertretene A-KG Kenntnis über welche Rechtsmeinung zum Verhältnis des § 2 UStG 1994 zum EU-Recht erlangt hat, für die Entscheidung über die Beschwerde vom ohne Bedeutung.
Auch der Angabe, wonach es der A-KG möglich wäre, sich unmittelbar auf das für die Personengesellschaft günstigere Unionsrecht zu berufen, ist der abgabenrechtliche Charakter eines Wiedereinsetzungsgrundes abzusprechen, weil der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom , C 108/14 und C 109/14, Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG, unmissverständlich festgestellt hat, dass "bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie nicht davon ausgegangen werden kann, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten......." und damit zu dem Ergebnis kommt, dass bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie eben nicht davon ausgegangen werden kann, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten.
Mit den vorangegangenen Ausführungen zur Kann-Bestimmung des Art. 11 MwSt-Syst RL ist der Beschwerdefall bereits entschieden. Aufgrund der fehlenden Adressierung des Art. 11 MwSt. an den Bf. war eine Ableitung eines Rechtsanspruches unmittelbar aus der dem § 2 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 entsprechenden EU-Regelung in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie unzulässig. Der Wiedereinsetzungsantrag war daher schon deshalb abzuweisen, weil der behauptete Wiedereinsetzungsgrund nicht vorlag.
Aufgrund der obigen Ausführungen, insbesondere aus dem Adressatenkreis der "Kann-Bestimmung des Art. 11 MwSt-Syt-RL", zu denen die A GmbH & Co KG und die B GmbH & Co KG eben nicht gehören, war den Ausführungen in der Beschwerde, was die Kriterien "die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung" und "ein hiedurch entstandener Rechtsnachteil" anbelangt, entgegen zu halten, dass die Finanzonlinedaten Gewissheit über Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 verschaffen, denen die fristgerechte Übermittlung jener elektronischen Abgabenerklärungen an das für die A-GmbH & Co KG zuständige Finanzamt vorausgegangen war, gemäß diesen die Abgabenbescheiden erlassen wurden. Darüber hinaus wurden die elektronischen Umsatzsteuererklärungen der A-GmbH & Co KG für die Jahre 2010 bis 2013 vom steuerlichen Vertreter erstellt, folglich dessen ein in welcher Form auch immer erwachsener Rechtsnachteil der A-KG, der in dem anhängigen Wiedereinsetzungsverfahren mit dem genannten Wiedereinsetzungsgrund behoben werden könnte, aufgrund der Aktenlage nicht festzustellen war. Waren die den in Rede stehenden Wiedereinsetzungsantrag begründenden Ausführungen nicht geeignet, einen dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhalt offen zu legen, anhand dessen die Erfüllung auch der Kriterien "ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis", "kein grobes Verschulden" sowie "einen rechtzeitigen Antrag auf Wiedereinsetzung" nachgewiesen werden hätte könnte, so waren die Kriterien für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 nicht erfüllt. Das Fehlen der Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 308 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 ist der Beweis für das Verfehlen des Ziels der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rechtsnachteile der A-GmbH & Co KG zu beseitigen, die der Personengesellschaft daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat.
Sofern der Bf. sich auf die Umsatzsteuerrichtlinien beruft, ist diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen (z.B. , , mwN), mit der Erlässen oder Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen, wie den vom Bf. angesprochenen Umsatzsteuerrichtlinien, die Eignung, eine maßgebende Rechtsquelle darzustellen, abgesprochen wird. Wird mit Richtlinien bloß die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen mitgeteilt, so kommt derartigen Erledigungen normative Bedeutung nicht zu ( mit Hinweis B ). Sind Umsatzsteuerrichtlinien für die A-KG nicht verbindlich, so war auch das Bundesfinanzgericht nicht an sie gebunden.
Da die Voraussetzungen des § 308 BAO im gegenständlichen Beschwerdefall nicht vorgelegen waren, war über die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag gemäß §308 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2013 abgewiesen wurde, spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht abweicht und es ihr an einer diesbezüglichen Rechtsprechung nicht fehlt (vgl. ). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
EuGH, Rs C-108/14
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103575.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at