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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2020, RV/5200053/2016

Liegt eine Notsituation iSd Art. 214 Buchstabe c UZK-DA vor?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom Zl. ***B2***, betreffend Eingangsabgaben zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zl. ***B2***, setzte das Zollamt Linz Wels dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, im Grunde des Art. 79 Unionszollkodex (UZK) und gem. Art. 102, 104 Abs. 1 und 105 Abs. 1 UZK iVm § 2 Abs. 1 Zollrechtsdurchführungsgesetz (ZollR-DG) für den im Bescheid näher bezeichneten PKW die Zollschuld in der Höhe von € 5.299,20 (€ 1.656,00 an Zoll und € 3.643,20 an Einfuhrumsatzsteuer) fest.

Der Bf. habe das genannte Beförderungsmittel am über einen nicht bekannten Grenzübergang in das Zollgebiet der Union eingeführt, ohne eine (ausdrückliche) Zollanmeldung abzugeben.

Der Bf. habe hinsichtlich dieses Beförderungsmittels die Befreiung von Eingangsabgaben gem. Art. 250 UZK iVm Art. 212 ff der Delegierten-Verordnung (UZK-DA) in Anspruch genommen, obwohl die dafür erforderlichen Bedingungen nicht gegeben gewesen seien.

Im Zuge der Ermittlungen des Zollamtes sei hervorgekommen, dass sich der Wohnsitz des Bf. als Verbringer bzw. Verwender des Beförderungsmittels in Österreich befinde. Er sei daher nicht berechtigt gewesen, das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung der Einfuhrabgaben in Anspruch zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende als Einspruch bezeichnete Beschwerde vom . Der Bf. sei vom bis in Bosnien gewesen um dort mit seiner Familie eine Hochzeitsfeier zu besuchen. Während dieses Aufenthaltes habe er am in Bosnien einen schweren Verkehrsunfall gehabt. Sein Fahrzeug habe dabei einen Totalschaden erlitten. Entsprechende Fotos könne er - wenn erforderlich - nachreichen.

Zum Zwecke der Rückreise nach Österreich habe ihm ein Freund den verfahrensgegenständlichen in Bosnien zum Verkehr zugelassenen PKW geliehen. Da seine Freundin schwanger gewesen sei und sie einen wichtigen Termin bei einem Arzt wahrzunehmen gehabt habe bzw. weil seine mitgereiste Familie (Vater, Schwester) außerdem am wieder arbeiten mussten, sei er über das geliehene Fahrzeug sehr froh gewesen.

Der Fahrzeugbesitzer habe ihm eine Bestätigung ausgehändigt, aus der sich ergebe, dass er (der Bf.) das Fahrzeug lenken dürfe. Am sei der Besitzer des Fahrzeuges wie vereinbart nach Österreich gekommen und habe den PKW zurück nach Bosnien gebracht.

Er habe im Zusammenhang mit der Einreise gutgläubig gehandelt und sei sich keiner Schuld bewusst. Er habe keinerlei Absichten gehabt, gegen Zollbestimmungen zu verstoßen. Es habe sich lediglich um eine Notlösung für ihn und seine Familie gehandelt. Auch im Rahmen der Zollkontrollen bei der Fahrt von Bosnien über Kroatien nach Slowenien sei er nicht auf die Übertretung hingewiesen worden.

Es sei ihm derzeit nicht möglich den Strafbetrag (gemeint wohl: Abgabenbetrag) aufzubringen und er hoffe, dass auf seine Situation Rücksicht genommen werde.

Das Zollamt Linz Wels wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***BVE03***, als unbegründet ab.

Der Bf., der das verfahrensgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt der Einfuhr verwendet habe, habe seinen gewöhnlichen Wohnsitz damals in Österreich gehabt. Es seien somit nicht alle gesetzlich geforderten Voraussetzungen erfüllt gewesen, um den PKW durch Abgabe einer konkludenten Zollanmeldung in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung überführen zu können.

Der vom Bf. angesprochene Unfall stelle zwar ein unvorhergesehenes Ereignis dar, er könne aber nicht als Grundlage dafür dienen, die spätere Einreise nach Österreich als Notsituation zu bewerten. Dies gelte umso mehr für die Verwendung des Fahrzeuges durch den Bf. am Tag der Betretung, dem .

Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom erkennbar den Vorlageantrag.

Am reichte der Bf. dem Bundesfinanzgericht verschiedene Unterlagen nach (Fotos vom verunfallten Fahrzeug, Geburtsurkunde der Tochter und Heiratsurkunde).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der dem vorliegenden Abgabenverfahren zu Grunde liegende Ablauf des Geschehens ergibt sich aus den o.a. Feststellungen des Zollamtes und den Vorbringen des Bf.

Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in den vom Zollamt Linz Wels elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt in Verbindung mit den ergänzenden Angaben des Bf. Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

Die sachverhaltsbezogenen Feststellungen des Zollamtes werden seitens des Bf. mit keinem Wort in Zweifel gezogen. Die Richtigkeit der Angaben des Bf. wird durch die von ihm dem Bundesfinanzgericht nachgereichten Unterlagen unter Beweis gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Rechtslage:

Art. 79 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABlEU Nr. L 269 vom (Unionszollkodex - UZK) lautet:

"Artikel 79 Entstehen der Zollschuld bei Verstößen

(1) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:

a) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,

b) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,

c) eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren.

(2) Für das Entstehen der Zollschuld ist folgender Zeitpunkt maßgebend:

a) der Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht oder nicht mehr erfüllt ist,

b) der Zeitpunkt, zu dem die Zollanmeldung der Waren zum Zollverfahren angenommen worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in das Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren nicht erfüllt war.

(3) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b ist Zollschuldner,

a) wer die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte,

b) wer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war, und für Rechnung der Person handelte, die diese Verpflichtung zu erfüllen hatte, oder an der Handlung beteiligt war, die zur Nichterfüllung der Verpflichtung führte,

c) wer die betreffenden Waren erworben oder in Besitz genommen hat und zum Zeitpunkt des Erwerbs oder der Inbesitznahme der Waren wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war.

(4) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstabe c ist Zollschuldner, wer die Voraussetzungen für die Überführung der Waren in ein Zollverfahren oder die Pflichten aus der Zollanmeldung der Waren zu diesem Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren zu erfüllen hat.

Werden Zollanmeldungen zu einem der in Absatz 1 Buchstabe c genannten Zollverfahren erstellt und werden den Zollbehörden nach den zollrechtlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Überführung der Waren in dieses Zollverfahren erforderliche Angaben übermittelt, die dazu führen, dass die Einfuhrabgaben nicht oder nur teilweise erhoben werden, so ist Zollschuldner auch, wer die für die Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass sie unrichtig waren."

Art. 250 Abs. 1 UZK lautet:

"Artikel 250 Geltungsbereich

(1) In der vorübergehenden Verwendung können für die Wiederausfuhr bestimmte Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein, ohne dass sie Folgendem unterliegen:

a) sonstigen Abgaben nach anderen geltenden Vorschriften oder

b) handelspolitischen Maßnahmen, soweit diese nicht das Verbringen oder den Ausgang von Waren in das oder aus dem Zollgebiet der Union untersagen.

(2) Die vorübergehende Verwendung ist nur zulässig, wenn

a) keine Veränderungen der Waren beabsichtigt ist, außer der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs,

b) die Nämlichkeit der in das Verfahren übergeführten Waren gewährleistet ist, außer wenn angesichts der Beschaffenheit der Waren oder der beabsichtigten Verwendung bei einem Verzicht auf Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherung nicht mit einem Missbrauch des Verfahrens zu rechnen ist, oder im Falle des Artikels 223, wenn nachgeprüft werden kann, ob die für Ersatzwaren vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind,

c) der Inhaber des Verfahrens außerhalb des Zollgebiets der Union ansässig ist, es sei denn, anderweitig ist etwas anderes vorgesehen,

d) die in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Anforderungen für die vollständige oder teilweise Befreiung von Abgaben erfüllt sind."

Artikel 136 Abs. 1 Buchst. a) der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union, AblEU L 343 vom (UZK-DA) lautet:

"(1) Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung können für folgende Waren mündlich abgegeben werden:

a) Paletten, Container und Beförderungsmittel sowie Ersatzteile, Zubehör und Ausrüstung für diese Paletten, Container und Beförderungsmittel gemäß den Art. 208 - 216)"

Artikel 139 Abs. 1 UZK-DA lautet:

"(1) Die in Artikel 136 Absatz 1 Buchstaben a bis d, Buchstaben h und i genannten Waren gelten gemäß Artikel 141 als zur vorübergehenden Verwendung angemeldet, sofern sie nicht mit anderen Mitteln angemeldet werden."

Artikel 141 Abs. 1 UZK-DA lautet auszugsweise:

"(1) Für die in Artikel 138 Buchstaben a bis d, Artikel 139 und Artikel 140 Absatz 1 genannten Waren gilt jede der folgenden Handlungen als Zollanmeldung:

a) ...;

b) Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge;

c) ...

d) …"

Art. 179 Abs. 1 UZK-DA lautet:

"(1) Waren, die in eine aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung oder Endverwendung übergeführt wurden, können zwischen verschiedenen Orten innerhalb des Zollgebiets der Union ohne Zollförmlichkeiten, andere als die in Art. 178 Abs. 1 Buchst. e) genannten, befördert werden."

Art. 212 UZK-DA lautet:

"Artikel 212

(1) Für die Zwecke dieses Artikels schließt der Begriff "Beförderungsmittel" normale Ersatzteile, Zubehör und Ausrüstung für Beförderungsmittel ein.

(2) Erfolgt die Anmeldung der Beförderungsmittel zur vorübergehenden Verwendung gemäß Artikel 136 Absatz 1 mündlich oder mittels einer Handlung gemäß Artikel 139 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 141 Absatz 1, wird die Bewilligung zur vorübergehenden Verwendung der Person erteilt, in deren tatsächlicher Verfügungsgewalt sich die Waren zum Zeitpunkt ihrer Überführung in die vorübergehende Verwendung befinden, es sei denn, diese Person handelt für Rechnung einer anderen Person. In diesem Fall wird die Bewilligung dieser anderen Person erteilt.

(3) Die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel gewährt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

a) Sie sind außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen oder gehören, falls sie nicht amtlich zugelassen sind, einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person;

b) sie werden unbeschadet der Artikel 214, 215 und 216 von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet.

Werden diese Beförderungsmittel von einer dritten, außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet, wird die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben gewährt, sofern diese Person durch den Bewilligungsinhaber schriftlich zur Verwendung des Beförderungsmittels ermächtigt wurde."

Artikel 214 UZK-DA lautet:

"Artikel 214 Voraussetzungen für die Gewährung der vollständigen Befreiung von den Einfuhrabgaben an im Zollgebiet der Union ansässige Personen (Artikel 250 Absatz 2 Buchstabe d des Zollkodex)

Im Zollgebiet der Union ansässige Personen können die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen, sofern eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a) Solchen Personen werden aufgrund eines Abkommens, nach dem jede Person im Rahmen des Abkommens die Fahrzeuge des anderen verwenden darf, Schienenbeförderungsmittel zur Verfügung gestellt;

b) an ein im Zollgebiet der Union zugelassenes Straßenbeförderungsmittel ist ein Anhänger gekoppelt;

c) die Beförderungsmittel werden im Zusammenhang mit einer Notsituation verwendet;

d) die Beförderungsmittel werden von einem professionellen Vermietungsunternehmen zum Zweck der Wiederausfuhr verwendet."

Artikel 215 UZK-DA lautet:

"(1) Natürliche Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union haben, können die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben für Beförderungsmittel in Anspruch nehmen, die sie zum eigenen Gebrauch und gelegentlich auf Ersuchen des Zulassungsinhabers verwenden, sofern sich der Zulassungsinhaber zum Zeitpunkt der Verwendung im Zollgebiet der Union befindet.

(2) Natürliche Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union haben, können die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben für Beförderungsmittel in Anspruch nehmen, die sie im Rahmen eines schriftliches Vertrags gemietet haben und zum eigenen Gebrauch verwenden, um

a) an ihren Wohnsitz im Zollgebiet der Union zurückzukehren oder

b) das Zollgebiet der Union zu verlassen."

Art. 218 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK-DVO) bestimmt:

"Artikel 218 Zollförmlichkeiten, die durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 141 Absätze 1, 2, 4, 4a, 5 und 6 bis 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 als erfüllt gelten (Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a Zollkodex, Artikel 139 Zollkodex, Artikel 158 Absatz 2 Zollkodex, Artikel 172 Zollkodex, Artikel 194 Zollkodex und Artikel 267 des Zollkodex)

Für die Zwecke der Artikel 138, 139 und 140 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 gelten die folgenden Zollförmlichkeiten als durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 141 Absätze 1, 2, 4, 4a, 5 und 6 bis 8 Absätze 1, 2, 4, 4a, 5 und 6 bis 8 dieser Delegierten Verordnung erfüllt:

a) die Beförderung der Waren gemäß Artikel 135 des Zollkodex und die Gestellung der Waren gemäß Artikel 139 des Zollkodex;

b) die Gestellung der Waren gemäß Artikel 267 des Zollkodex;

c) die Annahme der Zollanmeldung durch die Zollbehörden gemäß Artikel 172 des Zollkodex;

d) die Überlassung der Waren durch die Zollbehörden gemäß Artikel 194 des Zollkodex."

Art. 219 UZK-DVO bestimmt:

"Ergibt eine Kontrolle, dass eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 141 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 erfolgt ist, die verbrachten oder ausgeführten Waren aber nicht die Voraussetzungen der Artikel 138, 139 und 140 der Delegierten Verordnung erfüllen, so gilt die Zollanmeldung für diese Waren als nicht abgegeben."

Rechtliche Erwägungen:

In einem ersten Schritt ist zunächst zu prüfen, ob dem Umstand, dass der Bf. im Vorlageantrag die Geschäftszahl der Beschwerdevorentscheidung durch Anführung einer zuzutreffenden Subzahl (falsch 04 statt richtig 03) unrichtig bezeichnet hat, entscheidungsmaßgebliche Bedeutung zukommt.

§ 264 Abs. 1 BAO normiert:

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Für die Beurteilung von Anbringen im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO (zu denen auch Rechtsmittel und somit auch Vorlageanträge zählen) kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (z.B. ; , 2006/17/0360; , 2009/15/0152; , 2010/17/0053, 0054).

Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (zB -0289; , 2006/16/0129). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (; , 2009/15/0152).

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, es kommt also darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (; , 2006/16/0129); , 2010/15/0188).

Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (z.B. ; , 2010/15/0035; , 2009/15/0152; , 2010/15/0188).

Die vorliegende Eingabe vom enthält zur Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung folgende Angaben:

"Betrifft: Auf Aussetzung bzw. Vollziehung des Abgabenbescheides

Zahl: ***B2***

Betrifft: Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung

Zahl: ***zzz04***"

In der Begründung bringt der Bf. ausschließlich jene Einwände vor, die seiner Ansicht nach gegen die Festsetzung der Abgabenschuld sprechen.

Der Bf. hat mit Eingabe vom einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eingebracht, deren Begründung mit dem vorliegenden Antrag vom wortwörtlich übereinstimmt. Die vorliegende Eingabe vom unterscheidet sich vom eben erwähnten Schreiben vom ausschließlich im Betreff, wo u.a. zusätzlich die Worte "Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung" aufscheinen.

Da dem Bf. wohl nicht unterstellt werden kann, er habe vorgehabt, mit zwei verschiedenen Eingaben an zwei verschiedenen Tagen den gleichen Antrag zu stellen und das erkennbare Ziel der beiden Parteischritte ausreichend klar erkennbar ist, spricht alles für die Richtigkeit der Einschätzung des Zollamtes, wonach es sich beim Schreiben vom um einen Aussetzungsantrag und beim Schreiben vom um einen Vorlageantrag handelt.

Dafür spricht auch die Tatsache, dass laut Auskunft des Zollamtes Linz Wels vom eine Beschwerdevorentscheidung unter der Zl. ***zzz04*** nicht ergangen ist.

Es ist daher davon auszugehen, dass sich der (nicht vertretene und abgaben- und verfahrensrechtlich offensichtlich nicht sehr versierte) Bf. mit der Bezeichnung der Subzahl der Beschwerdevorentscheidung (falsch 04 statt richtig 03) schlicht geirrt hat und dass ein gültiger und rechtswirksamer Vorlageantrag vorliegt.

Der Bf. hat damit den Erfordernissen des § 264 Abs. 1 letzter Satz BAO entsprochen. Denn als Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt der Antragsbeschreibung hervorgeht, wogegen sich der Vorlageantrag richtet, und das Verwaltungsgericht aufgrund des Antragsvorbringens nicht zweifeln kann, welche Beschwerdevorentscheidung angefochten ist (Ritz, BAO6, Rz. 4a zu § 264). Bemerkt wird, dass nach der Aktenlage eine weitere Beschwerdevorentscheidung an den Bf. nicht ergangen ist und die vorliegende Eingabe somit auch aus diesem Grund eindeutig zuzuordnen ist.

Angesichts all dieser Umstände und unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung hat das Zollamt im Ergebnis zu Recht die Eingabe vom als Vorlageantrag gewertet, der sich auf die Beschwerdevorentscheidung des Zollamtes Linz Wels vom , Zl. ***BVE03*** bezieht.

Zu prüfen bleibt, ob dem Bf. im Streitfall ein vorschriftswidriges Verbringen anzulasten ist.

Gemäß Art. 250 Abs. 1 UZK können für die Wiederausfuhr bestimmte Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein.

Die vorübergehende Verwendung stellt ein besonderes Verfahren gemäß Art. 5 Z 16 Buchst. b) i.V.m. Art. 210 UZK dar. Dieses Verfahren ist bewilligungspflichtig (Art. 211 UZK).

Wenn die betreffenden Voraussetzungen für die Bewilligung der vorübergehenden Verwendung vorliegen, gilt die Handlung gemäß Art. 141 UZK-DA (Art. 139 UZK-DA) als Antrag und das Nichttätigwerden der Zollbehörde als Bewilligung.

Zum Vorbringen des Bf., er habe sich nach dem oben geschilderten Unfall in einer Notsituation befunden und die Verwendung des auf seinen Freund in Bosnien zugelassenen Fahrzeuges sei eine Notlösung für ihn und seine Familie gewesen wird ausgeführt:

Die Bestimmungen des Art. 214 Buchstabe c UZK-DA sehen vor, dass im Zollgebiet der Union ansässige Personen die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen können, wenn die Beförderungsmittel im Zusammenhang mit einer Notsituation verwendet werden.

Unter Notsituation ist ein unvorhergesehenes Ereignis zu verstehen, bei dem bei unbeeinflusstem Fortschreiten der Ereignisse eine Gefahr für bedeutende Güter, insbesondere Leben und Gesundheit von Menschen besteht. Die Nutzung eines Fahrzeugs im Zusammenhang mit einer Notsituation muss der Abwendung dieser Gefahr dienen. Dies wären etwa Fälle, in denen das Fahrzeug genutzt wird, um einen Menschen ärztlicher Versorgung zuzuführen (FG Hamburg , 4 K 204/14 und FG Hamburg , 4 K 278/09).

Die EU-Kommission wertet insbesondere "den Ausfall des eigenen KFZ im Ausland" als eine derartige Notsituation (); das Bundesministerium für Finanzen sieht den "Ausfall des Rückfluges wegen Sperre des Luftraums" als damit vergleichbaren Fall an.

Der Bf. schildert durchaus glaubwürdig, dass er den in Rede stehenden PKW nur deshalb zur Rückreise nach Österreich benützt habe, weil sein eigenes (in Österreich zum Verkehr zugelassenes) Fahrzeug bei einem Unfall in Bosnien schwer beschädigt worden sei.

Dieses Vorbringen deckt sich mit der Verantwortung des Bf. im Zuge seiner ersten Einvernahme durch Organe der Finanzpolizei und wird durch zahlreiche Fotos von dem verunfallten Fahrzeug mit dem Kennzeichen ***zzz*** unter Beweis gestellt.

Da das Fahrzeug des Bf. nach der Aktenlage auf Grund des Unfalles in Bosnien nicht mehr fahrbereit war, er selbst und seine mitgereiste Familie (Vater, Schwester) am wieder zur Arbeit mussten und seine damalige Freundin (und nunmehrige Ehefrau) einen Termin beim Frauenarzt wahrzunehmen hatte, spricht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts bei Gesamtbetrachtung all dieser Umstände alles dafür, dass sich der Bf. damals in einer Notsituation iSd Art. 214 Buchstabe c UZK-DA befand.

Eine alternative Möglichkeit der Rückkehr zum etwa 600 km entfernten Wohnsitz in Österreich war den vier Reisenden unter Bedachtnahme auf die konkrete Situation des hier vorliegenden Einzelfalles und der nur schlechten Anbindung Bosniens an das öffentliche Verkehrsnetz wohl nicht zumutbar. Der Bf. war daher trotz seines gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet der Gemeinschaft ausnahmsweise berechtigt, das Verfahren der vorübergehenden Verwendung für das in Rede stehende Fahrzeug seines Freundes in Anspruch zu nehmen.

Er hat durch das Passieren der Zollstelle ohne Abgabe einer ausdrücklichen Zollanmeldung zulässiger Weise eine Zollanmeldung in konkludenter Form gem. Art. 141 Abs. 1 Buchstabe b UZK-DA abgegeben. Denn die in Art. 139 Abs. 1 UZK-DA iVm Art. Art. 136 Abs. 1 Buchstabe a UZK-DA normierten Voraussetzungen zur Anmeldung zum Verfahren der vorübergehenden Verwendung lagen nach der Aktenlage vor.

Die Voraussetzungen für die Überführung von Nicht-Unionswaren in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung waren somit entgegen den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid erfüllt.

Damit liegt auch das dem Bf. seitens der belangten Behörde zur Last gelegte vorschriftswidrige Verbringen des verfahrensgegenständlichen Beförderungsmittels am in das Zollgebiet der Union nicht vor.

Die Vorgängerbestimmung zu Art. 214 Buchstabe c UZK-DA erlaubte im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Personen die Inanspruchnahme der vollständigen Befreiung von den Einfuhrabgaben, wenn die Beförderungsmittel im Zusammenhang mit einer Notsituation verwendet wurden und die Verwendung fünf Tage nicht überschritt (siehe Art. 579 Buchstabe c ZK-DVO).

Eine derartige Befristung besteht nach dem nunmehr geltenden Recht nicht mehr.

Der Umstand, dass der in Bosnien wohnhafte Fahrzeughalter vereinbarungsgemäß am (also 10 Tage nach der Einreise) das Fahrzeug wieder abholte und nach Bosnien zurückbrachte, stellt somit für sich alleine keinen Verstoß gegen die Bestimmungen der vorübergehenden Verwendung dar. Denn die Wiederausfuhr erfolgte nach der Aktenlage innerhalb der in Art. 217 Buchstabe c lit. iii) UZK-DA genannten Frist von 6 Monaten.

Eine Prüfung dahingehend, ob der Bf. durch die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges in Österreich nach seiner Einreise (z.B. bei seiner Fahrt anlässlich der Betretung) allenfalls gegen die Bestimmungen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung verstoßen hat, etwa, weil zu diesem Zeitpunkt unter Umständen keine Notsituation mehr vorlag, erübrigt sich. Denn Sache des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die Festsetzung der Zollschuld wegen vorschriftswidrigen Verbringens wodurch auch die Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens (§ 279 Abs. 1 BAO) darauf beschränkt ist (siehe auch ).

Die allfälige Nichterfüllung der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die vorübergehende Verwendung war hingegen nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes können die vom Bf. vorgebrachten Argumente (beengte finanzielle Verhältnisse, Gutgläubigkeit, Notsituation, Wiederausfuhr des Fahrzeuges etc.) bei einer Gesamtbetrachtung auch als Antrag auf Erstattung/Erlass der Abgabenschuld gem. Art. 116 Abs. 1 Buchstabe b UZK verstanden werden.

Eine Entscheidung über einen solchen Billigkeitsantrag im Rahmen des vorliegenden Erkenntnisses ist dem Bundesfinanzgericht allerdings ebenfalls mangels Sachidentität verwehrt, zumal das Zollamt im angefochtenen Bescheid darüber nicht abgesprochen hat.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu der im Streitfall entscheidenden Rechtsfrage, ob Umstände wie im vorliegenden Fall bei einer Gesamtbetrachtung als Notsituation iSd Art. 214 Buchstabe c UZK-DA zu werten sind, besteht - soweit ersichtlich - noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die Revision war daher als zulässig zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 79 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200053.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at