Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.10.2020, RV/3100462/2013

Widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen: In Gesamtbetrachtung der Umstände ist von einer monatlichen Verbringung ins Ausland (Deutschland) auszugehen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dkfm. Anton Hörmann, Haslacher Straße 20, 83278 Traunstein, Steuerberater, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom , StrNr, betreffend die Festsetzung von 1. Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum November 2011 und Verspätungszuschlag und 2. Kraftfahrzeugsteuer für die
Monate 1 - 6/2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Bei einer Zollkontrolle am wurde beobachtet, dass das auf ***Bf1***
(= Beschwerdeführer, Bf) zugelassene Fahrzeug Nissan Pickup mit dem deutschen Kennzeichen X1 um 9.30 Uhr in A/XX, XWeg1, abgestellt war. Laut Zentralem Melderegister (ZMR) ist der Bf an dieser inländischen Adresse seit mit Nebenwohnsitz sowie die Ehefrau B seit mit Hauptwohnsitz gemeldet. Bei einer weiteren Kontrolle durch die Finanzpolizei wurde erhoben, dass das Fahrzeug wiederum an dieser Wohnadresse abgestellt war. Der Bf wurde angetroffen und ihm die Übermittlung eines Vorhaltes bzw. Ergänzungsersuchens (samt Fragebogen und Anforderung von ua. technischen Unterlagen zum Fahrzeug) angekündigt, welches der Bf lt. Finanzpolizei nicht beantwortet habe. Es sei davon auszugehen, dass sich der Bf überwiegend bei der Familie am inländischen Wohnsitz aufhalte und somit den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich habe.
Festzuhalten ist, dass in der betr. Sachverhaltsdarstellung kein Datum zur Kontrolle durch die Finanzpolizei genannt wird und der gesamte Akt keinen an den Bf ergangenen Vorhalt enthält.

2. Laut ZEVIS-Abfrage zum Fahrzeug handelt es sich um einen Nissan D40, Fahrzeugklasse "LKW offener Kasten", FIN xxx, Erstzulassung , zugelassen am mit dem Kennzeichen X1 auf den Bf an der deutschen Adresse in D/AA, AStr2.

3. An weiteren Fahrzeugdaten wurde von der Finanzpolizei teils durch Einsicht in die EurotaxGlass-Fahrzeugbewertung erhoben, teils mangels Unterlagen im Rahmen der Schätzung angenommen:
Nissan 2,5 16V Di, Leistung 98 Kw, Diesel, komb. Verbrauch 8,9 l, CO2-Wert 202 g, dzt. Km-Stand 100.000, Mittelwert Kaufpreis € 4.908,50.

4. Mit Festsetzungs-Bescheiden vom , StrNr, hat das Finanzamt dem Bf für das Fahrzeug Nissan, FIN xxx,

a) für den Zeitraum November 2011:
- ausgehend von der Bemessungsgrundlage € 3.588,08 die Normverbrauchsabgabe (NoVA) inkl. Malus und Erhöhung im Betrag von gesamt € 1.164,59 sowie
- gemäß § 135 BAO hievon einen 10%igen Verspätungszuschlag im Betrag von € 116,46,
vorgeschrieben; dies wegen unterbliebener Selbstberechnung der Abgabe bzw. wegen nicht entschuldbarer Unterlassung der Einreichung der Erklärung.

b) für die Monate 1 - 6/2012:
die Kraftfahrzeugsteuer im Betrag von gesamt € 266,40 vorgeschrieben, dies wegen unterbliebener Selbstberechnung der Abgabe.

Nach Darstellung der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen führt das Finanzamt begründend im Wesentlichen aus, dass aufgrund des erhobenen Sachverhaltes, wonach der Bf am Hauptwohnsitz der Gattin mit Nebenwohnsitz gemeldet sei, vom Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf in Österreich und in der Folge von einer "widerrechtlichen Verwendung" des Fahrzeuges im Inland iSd § 82 Abs. 8 KFG auszugehen sei (zur Begründung und zur Berechnung der Abgaben im Einzelnen wird auf die Ausführungen in den Festsetzungsbescheiden vom samt Beilagen verwiesen).

5. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde eingewendet:

Der Bf habe an der inländischen Adresse einen Zweitwohnsitz, der lediglich rund 500 m von der deutsch-österreichischen Grenze entfernt sei, sodass die inländischen Fahrten nur wenige Kilometer betragen würden. Ansonsten halte sich der Bf an seiner deutschen Adresse in D/AA auf und würden ca. 90 % der Fahrten in Deutschland stattfinden. Die Ehe mit der in A/XX lebenden Gattin sei seit Jahren nicht mehr aufrecht. Die Bescheide seien daher ersatzlos aufzuheben.

6. Laut Telefonat mit einem Versicherungsvertreter (Aktenvermerk des FA v. November 2012) beabsichtige der Bf eventuell die Typisierung und Ummeldung des Fahrzeuges nach Österreich; allerdings handle es sich bei dem Pickup um einen NoVA-befreiten LKW.
Diesbezügliche Unterlagen wurden anschließend nicht beigebracht.

7. Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung gegen beide Bescheide als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensablaufes und des festgestellten Sachverhaltes kommt das Finanzamt im Wesentlichen zur folgenden rechtlichen Beurteilung:

Der Bf und seine Ehegattin hätten ab 2004 Wohnsitze in A/XX genommen. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei der Bf bei mehreren Kontrollen der Zollstreife am inländischen Wohnort angetroffen worden, wo auch das Fahrzeug abgestellt gewesen sei. Aufgrund der Entfernung zur Ortsmitte und zu Einkaufsmöglichkeiten sei das Fahrzeug für Fahrten des täglichen Lebens erforderlich. Nach dem Gesamtbild der Fakten sei von einem inländischen Standort auszugehen, diesfalls auch eine überwiegende Verwendung im Ausland ohne Belang wäre. Die vorgebrachte LKW-Typisierung sei nicht nachgewiesen worden. Bei Ausmessung des Verspätungszuschlages seien im Rahmen des Ermessens die mangelnde Mitwirkung des Bf, der Zeitverlauf und der daraus gezogene Zinsgewinn zu berücksichtigen (im Einzelnen: siehe Berufungsvorentscheidung vom ).

8. Im Vorlageantrag samt nachgereichter gesonderter Begründung wird seitens des Bf, vertreten durch C, Steuerberater in D/BB, ua. vorgebracht:

Abgesehen von der bestrittenen NoVA-Pflicht in Österreich sei der Pickup des Bf von der NoVA befreit, da dieser lt. NoVA-Richtlinie bis als LKW einzustufen und lt. weiterhin als solcher zu behandeln sei. In der Liste des BMF zu "Pritschenwagen" gemäß VO aus 1996 und § 4 VO 2002, die als LKW gelten, seien "Nissan Navara" und "Nissan Pickup" als Pritschenwagen aufgeführt. Zwei Kfz-Werkstätten und die Zulassungsstelle in A/XX hätten bestätigt, dass gegenständliches Fahrzeug in Österreich als LKW zuzulassen und damit von der NoVA befreit wäre. Dazu wurde die deutsche Zulassungsbescheinigung vom vorgelegt, wonach das Fahrzeug Nissan als "LKW Offener Kasten" auf den Bf zugelassen wurde.
Der Bf habe von 1976 bis 2002 in D/CC/Deutschland gewohnt, wo er eine Vielzahl von noch aufrechten sozialen Kontakten sowie seinen Hausarzt DrD und den Physiotherapeuten E habe, die er nach wie vor aufsuche. Bei diesen Gelegenheiten besuche er ebenso seine von ihm getrennt lebende Frau und manchmal deren behinderte Nachbarin und helfe diesen bei der Gartenarbeit. Seit 2002 sei er dauernd in D/AA/Deutschland aufhältig. Vorgelegt wurde eine Anmeldung bei der deutschen Meldebehörde, woraus hervorgeht, dass der Bf ab seine "Hauptwohnung" an der Adresse BStr3 in D/D/AA angemeldet und die bisherige Hauptwohnung in D/D/CC, CStr4, bestanden hat.
Der Bf habe im Mai 2012 in D/EE/Deutschland eine Hirnblutung erlitten, damit verbunden lange Krankenhausaufenthalte und eine mehrmonatige Reha in Deutschland. Beigebracht wurden zwei diesbezügliche, ua. auch an den Hausarzt des Bf, DrD in D/D/CC, gerichtete Arztbriefe, wonach der Bf von 11.5. bis stationär in einer Neurochirurgischen Klinik in D/D/FF und vom 5.6. bis zur stationären neurologischen Rehabilitationsbehandlung in einer Einrichtung in D/D/GG aufhältig war.
Das Wohnhaus in A/XX sei tatsächlich - entgegen dem Finanzamt - nur rund 500 m von Einkaufsmöglichkeiten entfernt, dh. diese seien mühelos mit Fahrrad oder zu Fuss erreichbar.

9. Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat folgende Erhebungen durchgeführt:

a) aktuelle ZMR-Abfrage:
Demnach ist der Bf, geb. 1936, deutscher Staatsbürger, seit aufrecht mit Nebenwohnsitz am Hauptwohnsitz der Ehegattin in Ö/A/XX, XWeg1, gemeldet;

b) Abfragen im Internet/Google:
DrD als Allgemeinmediziner sowie E, Physiotherapie, scheinen je mit Adresse in D/D/CC auf;

c) Abfragen im Internet in Google-maps:
- Daraus geht hervor, dass die Entfernung vom Wohnort in A/XX bis zur deutschen Grenze im Norden in Richtung D/HH ca. 1 Kilometer sowie im Osten Richtung D/CC ca. 2 Km und von dort bis D/CC nochmals 1 Km beträgt.
- Die Entfernung bis zur deutschen Grenze im Westen bei I bzw. J beträgt rund 20 Km und insgesamt von A/XX bis zum deutschen Wohnsitz in D/AA rund 52 Km, Fahrtzeit ca. 49 Minuten.
- Der deutsche Ort D/BB, östlich des D/HH, ist von A/XX auf der Straße rund 25 Km entfernt.

II. Sachverhalt:

Der Bf, geb. 1936, ist deutscher Staatsbürger und seit Juli 2004 mit Nebenwohnsitz im Inland in A/XX gemeldet, an welcher Adresse die Ehegattin B, deutsche Staatsbürgerin, seit Juni 2004 mit Hauptwohnsitz angemeldet ist (ZMR-Abfragen).
Im November 2002 ist der Bf vom bisher gemeldeten Hauptwohnsitz in D/D/CC - wo er laut eigenen Angaben vorher ca. 26 Jahre lang gewohnt habe - nach D/D/AA als "Hauptwohnung" umgezogen (lt. Anmeldung bei der deutschen Meldebehörde).
Die Entfernung zwischen beiden gemeldeten Wohnorten beträgt ca. 52 Km mit einer Fahrtdauer von rund 49 Minuten, wobei der inländische Wohnsitz von der deutschen Grenze in I/J ca. 20 Km entfernt ist (Google-maps).
In D/D/CC befinden sich sein Hausarzt DrD und sein Physiotherapeut Hr. E (lt. vorliegenden Arztbriefen, eigenen Angaben und Internet -Abfragen); die Entfernung zu diesem Ort vom inländischen Wohnsitz aus über die deutsche Grenze (Osten) beträgt rund 3 Km (Google-maps).
Der Bf wird im Verfahren von einem deutschen Steuerberater mit Sitz in D/BB, rund 25 Km vom inländischen Wohnsitz, vertreten (vorl. Schriftsätze; Google-maps).
Der Bf war aufgrund einer schweren Erkrankung im Mai und Juni 2012 insgesamt einen Monat in deutschen Kliniken stationär zur Behandlung und Rehabilitation aufhältig (zwei deutsche Arztbriefe).

Das Gebraucht-Fahrzeug Nissan Navara Pickup, Erstzulassung , FIN xxx, wurde am unter dem deutschen Kennzeichen X1 auf den Bf an der deutschen Adresse in D/AA, AStr2, als "LKW Offener Kasten" zugelassen (deutsche Zulassungsbescheinigung; ZEVIS-Abfrage).
Erstmals am sowie bei einer anschließend nochmaligen Kontrolle durch Zollorgane wurde der Bf am inländischen Wohnsitz in A/XX angetroffen, wo auch das Fahrzeug Nissan Pickup jeweils abgestellt war (Kontrollmitteilung des Zollamtes v. und Sachverhaltsdarstellung der Finanzpolizei, undatiert). Laut eigenen Angaben besucht der Bf dort seine Ehegattin und hilft ihr ua. bei Gartenarbeiten.

III. Beweiswürdigung:

Obige Sachverhaltsfeststellungen konnten aufgrund des Akteninhaltes, konkret aufgrund der obangeführten Unterlagen, der weiters durchgeführten Erhebungen und teils anhand der eigenen Angaben des Bf getroffen werden.

Zum Vorbringen ua. zu einer Vielzahl von sonstigen sozialen Kontakten in D/D/CC ("Freund- oder Mitgliedschaften" lt. Vorlageantrag) können keine Feststellungen getroffen werden, da diesbezüglich keine konkreten Angaben gemacht und keine Nachweise beigebracht wurden.

IV. Rechtslage:

Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

A) Normverbrauchsabgabe:

Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz 1991 (NoVAG), BGBL 1991/695 idF BGBl. I 2010/111, unterlag im hier gegenständlichen Zeitraum der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 oder Z 2 eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Zulassung eines Fahrzeuges, das bereits im Inland zugelassen war, aber nicht der Normverbrauchsabgabe unterlag oder befreit war sowie die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

Gemäß § 2 Z 2 NoVAG 1991 gelten als Kraftfahrzeuge Personenkraftwagen und andere hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaute Kraftfahrzeuge (Anm.: nach Position 8704 der Kombinierten Nomenklatur/Zolltarif).

Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem KFG zuzulassen wäre (§ 1 Z 3) sind der Zulassungsbesitzer und der Verwender des Fahrzeuges als Gesamtschuldner (gem. § 4 Z 3 NoVAG).

B) Kraftfahrzeugsteuer:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG), BGBl 1992/449 idgF., unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer: Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

Steuerschuldner ist die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet (§ 3 Z 2 KfzStG, "in allen anderen Fällen").

Die Steuerpflicht dauert bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 1 Z 3) vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, und dauert bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet (§ 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992).

C) Kraftfahrgesetz:

Die hier jeweils zum Tragen kommenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967, BGBl 267/1967 idgF., haben folgenden Inhalt:

Gemäß § 36 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 KFG 1967 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr [Anm.: im Inland] zugelassen sind (§§ 37 bis 39).

Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 KFG 1967eingehalten werden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 idgF. sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen (= Standortvermutung). Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monates ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren öffentlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

Mit dem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG 1967 entspricht, sodass die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginnt. Diese Rechtsprechung bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis .
Nach Ergehen des Erkenntnisses des , erfolgte mit BGBl I 2014/26 eine am kundgemachte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967, wonach eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet die Monatsfrist nicht unterbricht. Gemäß § 135 Abs. 27 KFG 1967 idF BGBl I 2014/26 trat § 82 Abs. 8 in dieser Fassung mit in Kraft.
Diese Rückwirkungsanordnung wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 72/2014, als verfassungswidrig aufgehoben. Damit ist die mit BGBl I 2014/26 erfolgte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 erst am in Kraft getreten. Der durch das BGBl I 2014/26 in diese Bestimmung eingefügte Satz "Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht" ist hingegen erst auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem verwirklicht wurden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung beginnt somit in Fällen, in denen ein Fahrzeug regelmäßig monatlich in das Ausland bzw. übrige Gemeinschaftsgebiet ausgebracht wird, die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen und es entsteht keine Zulassungsverpflichtung im Inland. Solche Fahrzeuge "wären somit nicht zuzulassen" im Sinne des NoVAG bzw. werden nicht "ohne die erforderliche (inländische) Zulassung" im Sinne des KfzStG 1992 im Inland verwendet. In derartigen Fällen liegt somit keine widerrechtliche Verwendung vor, an die die Steuerpflicht nach dem NoVAG 1991 anknüpft.
Es kann somit dahingestellt bleiben, wer Verwender des Fahrzeuges ist und wo der Standort des Fahrzeuges ist; in derartigen Fällen kann auch nicht § 79 KFG 1967 greifen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Verwenders bzw. dessen Sitz oder eine mögliche Widerlegung einer Standortvermutung sind demgemäß ohne Belang.

D) Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.

V. Erwägungen:

1. Dauernder Standort, widerrechtliche Verwendung:

Hat ein Fahrzeug seinen dauernden Standort in Österreich, was nach § 82 Abs. 8 KFG bei Verwendung durch eine Person mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland - unabhängig von einem weiteren Wohnsitz im Ausland - grundsätzlich (Standortvermutung) anzunehmen ist, so ist die Verwendung ohne inländische Zulassung nur für die Dauer von einem Monat nach Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Der "ordentliche Wohnsitz" einer Person ist an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen.
Bei mehreren Wohnsitzen vereinigt jeweils einer die stärksten persönlichen Beziehungen auf sich; demnach gibt es nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse (). Dies trifft im Normalfall für den Familienwohnsitz zu.

Selbst dann, wenn wie im Gegenstandsfall in Deutschland ein weiterer Wohnsitz, dieser angemeldet als "Hauptwohnung", vorhanden ist, ist in Anbetracht der geltenden Judikatur und Literatur bei Vorliegen von mehreren Wohnsitzen nur einer hievon als "Mittelpunkt der Lebensinteressen" anzusehen. Dabei ist im Rahmen einer objektiven Betrachtung auf den "faktischen Lebensmittelpunkt" bezogen primär auf die engsten persönlichen Verhältnisse - regelmäßig auf den Familienwohnsitz - abzustellen. Dieser ist nach Ansicht des BFG grundsätzlich dort zu sehen, wo eine Person mit eigener Familie, also mit Ehepartner oder Lebensgefährten und ev. gemeinsamen Kindern als den nächsten Familienangehörigen, zu dem oder denen wohl die engsten persönlichen Verhältnisse bestehen, zusammen lebt.

Im Hinblick auf den im Streitzeitraum zusammen mit der Ehegattin bestehenden inländischen Wohnsitz in A/XX, wo sich der Bf offenkundig wiederholt und regelmäßig aufgehalten hat, sowie der laut durchgeführten Zollkontrollen und auch nach eigenen Angaben erwiesenen und unstrittigen Verwendung des Fahrzeuges im Inland wären sohin sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen nach § 82 Abs. 8 KFG erfüllt und läge demnach vorderhand eine "widerrechtliche Verwendung" iSd § 1 Z 3 NoVAG bzw. nach § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG vor.

2. Unterbrechung der Monatsfrist:

Bei Einbringung der Berufung/Beschwerde im September 2012 war nach herrschender Rechtsansicht zwecks Beurteilung, ob eine widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeuges vorliege, primär maßgebend auf den "Mittelpunkt der Lebensinteressen" abzustellen und war dieser vom Finanzamt - wie oben dargestellt - wohl zu Recht am Wohnsitz im Inland angenommen worden, weshalb vom dauernden Standort des Fahrzeuges im Inland auszugehen war.
Allerdings gilt im Gegenstandsfall bei dem in Streit gezogenen Festsetzungszeitraum November 2011 (NoVA) bzw. 1 - 6/2012 (Kraftfahrzeugsteuer) zu beachten, dass nach der laut Obigem bis geltenden Fassung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 die Monatsfrist bei regelmäßiger monatlicher Verbringung ins Ausland immer wieder neu zu laufen beginnt.

Gegenständlich ist an Sachverhalt insbesondere nicht zu übersehen, dass nach der geographischen Lage des inländischen Wohnsitzes in A/XX die Entfernung bis zur deutschen Grenze nach Norden und Osten nur 1 - 2 Km sowie insgesamt zum vormaligen, langjährigen Wohnsitz des Bf in D/D/CC lediglich 3 Km beträgt. Dort befinden sich erwiesenermaßen sein Hausarzt und glaublich auch der Physiotherapeut des Bf. Im Hinblick auf das hohe Alter des Bf, geb. 1936, sowie dessen schlechten Gesundheitszustand, der wohl zu der schweren Erkrankung ab Mai 2012 und diesbezüglich wochenlangen Aufenthalten in deutschen Kliniken geführt hatte, kann nach Ansicht des BFG nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Bf laufend in ärztlicher Behandlung war und ua. seinen Hausarzt in Deutschland regelmäßig aufgesucht hat. Daneben können auch Termine beim Physiotherapeuten und die regelmäßige Pflege dortiger sonstiger sozialer Kontakte (zB Besuch von Freunden) im Hinblick auf den in D/CC langjährigen Wohnsitz - unabhängig von hiezu fehlenden Nachweisen - nicht völlig ausgeschlossen werden; ebensowenig allfällige zB Einkaufsfahrten, Ausflugsfahrten oä. nach Deutschland, da diesbezügliche Ziele aufgrund der Grenznähe von nur 1 - 2 Km in nur wenigen Minuten erreichbar sind und sich geradezu anbieten. Nicht zu übersehen sind auch die langen Aufenthalte in deutschen Kliniken sowie die rechtliche Vertretung in gegenständlichem Verfahren durch einen in D/D/BB ansässigen Steuerberater, was ebenso für regelmäßige Grenzübertritte nach Deutschland spricht. Zudem ist in Betracht zu ziehen, dass der Bf in D/D/AA den "Hauptwohnsitz" gemeldet und sich vermutlich hin und wieder auch um diesen in Deutschland befindlichen Haushalt bekümmert hat.

Bei einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände kann sohin - insbesondere im Hinblick auf die außerordentlich nah gelegene deutsche Grenze zum inländischen Wohnsitz - nach dem Dafürhalten des BFG davon ausgegangen werden, dass zu verschiedensten Zwecken eine zumindest einmalige monatliche Verbringung des Fahrzeuges in das Ausland bzw. ins übrige Gemeinschaftsgebiet stattgefunden hat.

Aufgrund der monatlichen Verbringung des Fahrzeuges in das Ausland/übrige Gemeinschaftsgebiet (Deutschland), die nach oben dargestellter höchstgerichtlicher Judikatur (insbesondere ) letztlich entscheidungswesentlich ist, hatte aber die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen begonnen und ist damit gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung keine Zulassungsverpflichtung im Inland entstanden. Aus diesem Grund wäre das Fahrzeug daran anknüpfend auch weder im Sinne des NoVAG noch des KfzStG "zuzulassen" gewesen, diesfalls der Tatbestand der widerrechtlichen Verwendung gemäß § 1 Z 3 NoVAG bzw. gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG jeweils nicht verwirklicht wurde.

Aus vorgenannten Gründen erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen und kann es dahingestellt bleiben, ob gegenständliches Fahrzeug (Nissan Pickup) allenfalls als Lastkraftwagen einzustufen und folglich gemäß § 2 Z 2 NoVAG von der Normverbrauchsabgabe befreit wäre.

3. Verspätungszuschlag:

Aufgrund des formell akzessorischen Charakters des Verspätungszuschlages ist dieser an die bescheidmäßige Festsetzung einer Stammabgabe gebunden.
Mangels Verwirklichung eines NoVA-pflichtigen Tatbestandes hatte weder eine Selbstberechnung noch eine bescheidmäßige Festsetzung der NoVA zu erfolgen, folglich keine der gemäß § 135 BAO erforderlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Verspätungszuschlages vorliegt und einer solchen jede Grundlage entzogen ist.

VI. Ergebnis:

Aufgrund des Nichtvorliegens der Steuerpflicht war der Bf nicht zur Selbstberechnung der gegenständlichen Abgaben, Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer, verpflichtet. Die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für November 2011 und der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1 - 6/2012 durch die Behörde nach § 201 BAO war demzufolge unzulässig.
Damit fehlte auch für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages jede Grundlage.

In Anbetracht der Sach- und Rechtslage war daher der Beschwerde insgesamt Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Maßgeblich war die im Einzelfall relevante Würdigung des Parteienvorbringens und der vorgelegten Beweismittel in Zusammenhalt mit den vom BFG noch durchgeführten Erhebungen zum Sachverhalt, dh. die Klärung von Tatfragen. Zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage besteht die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (; ). Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100462.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at