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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.11.2020, RV/1100297/2019

Keine begünstigte Besteuerung einer Pensionskassenauszahlung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 bei freiem Wahlrecht zwischen einer Kapitalauszahlung und dem Bezug einer Rente

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adr***, vertreten durch ***Stb***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer erklärte im Streitjahr ua. aus einer Teilauszahlung seines Altersguthabens bei der Personalvorsorgeeinrichtung der liechtensteinischen Arbeitgeberin resultierende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei er in Anwendung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 ein Drittel der Kapitalauszahlung als steuerfrei behandelt hat.

2. Im Einkommensteuerbescheid 2017 erfasste das Finanzamt die Auszahlung aus der betrieblichen Pensionskasse zur Gänze. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass keine "Abfindung" vorliege, wenn dem Anwartschaftsberechtigten im Rahmen einer "obligatio alternativa" ein freies Wahlrecht zwischen mehreren Ansprüchen eingeräumt sei.

3. Dagegen erhob der steuerliche Vertreter Beschwerde. Die volle Besteuerung der Kapitalauszahlung widerspreche dem Gesetzestext und dem Willen des Gesetzgebers. Die in das Gesetz aufgenommene Drittelregelung habe den Zweck, die durch die Kapitalauszahlung erhöhte Steuerlast so zu mindern, dass im Falle einer Kapitalauszahlung die gleiche Steuerlast anfalle, wie sie im Falle eines Rentenbezuges in Summe anfallen würde.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichtes ausgeführt, dass ein in "Pensionierungsfällen" bestehendes Wahlrecht zwischen Kapitalauszahlung und Rente der Begünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 entgegenstehe. Im Beschwerdefall ergebe sich ein solches schädliches Wahlrecht aus Art. 11 des Reglements der Pensionskasse, wonach eine Altersleistung in Form einer Altersrente und/oder als Alterskapital ausgerichtet werden könne.

5. Mit Vorlageantrag beantragte der steuerliche Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Die nach ausländischem Recht bestehende Wahlmöglichkeit habe es bei der Einführung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 bereits gegeben und könne daher angenommen werden, dass dieser Umstand auch dem Gesetzgeber bekannt gewesen sei. Wenn der Gesetzgeber die angestrebte Progressionsmilderung erreichen habe wollen, könne er die vom Finanzamt vertretene Auslegung nicht gewollt haben.

Sachverhalt

Nach der Aktenlage ist folgender, zwischen den Verfahrensparteien auch nicht strittiger Sachverhalt als erwiesen anzusehen:

Der im Jahr 1955 geborene Beschwerdeführer war bis in Liechtenstein als Grenzgänger nichtselbständig tätig. Anlässlich der Pensionierung per wurde ihm von der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung der liechtensteinischen Arbeitgeberin auf Antrag ein Teilbetrag (30.000,00 CHF abzüglich Quellensteuer in Höhe von 1.810,00 CHF) des Altersguthabens ausbezahlt. Der die Kapitalauszahlung übersteigende Teil des Altersguthabens wird von der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung als Rente ausgerichtet. Weiters bezieht der Beschwerdeführer seit eine inländische Pension sowie eine Altersrente von der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

§ 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002, lautet:

"Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."

Der letzte Satz wurde der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 mit BGBl. I Nr. 54/2002 angefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) wurde dazu Folgendes ausgeführt:

"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern".

Gesetzliche Grundlage für die berufliche Vorsorge in Liechtenstein ist das Landesgesetz vom über die betriebliche Personalvorsorge (BPVG).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 BPVG entsteht der Anspruch auf Altersleistungen mit Erreichen des ordentlichen Rentenalters nach dem AHVG (seit liegt das ordentliche Rentenalter für Frauen und Männer bis inkl. Jahrgang 1957 bei 64 Jahren; für Frauen und Männer der Jahrgänge 1958 und jünger liegt das ordentliche Rentenalter bei 65 Jahren). Reglementarisch kann auch ein anderes Rentenalter gewählt werden.

Gemäß Art. 9 Abs. 1 BPVG werden Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenleistungen in der Regel als lebenslängliche oder temporäre Renten ausgerichtet.

Gemäß Art. 9 Abs. 1a BPVG (eingefügt durch LGBl. 2016 Nr. 234) hat das Reglement der Vorsorgeeinrichtung vorzusehen, dass die anspruchsberechtigte Person ihre Altersleistung anteilig als Rente und als Kapital beziehen kann.

Gemäß Art. 9 Abs. 2 BPVG kann das Reglement der Vorsorgeeinrichtung vorsehen, dass die anspruchsberechtigte Person anstelle einer Alters-, Invaliden- oder einer Witwen- oder Witwerrente eine Kapitalabfindung verlangen kann, die mindestens 90% des versicherungstechnischen Barwertes der abzulösenden Rente betragen muss. Für die Altersleistung hat die versicherte Person die entsprechende Erklärung spätestens drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs abzugeben, sofern das Reglement keine kürzere Frist festlegt.

Nach Art. 11 des Reglements der beruflichen Vorsorgeeinrichtung der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers entsteht der Anspruch auf eine Altersleistung, wenn der Versicherte das 65. Altersjahr erreicht oder das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 57. Altersjahres aufgelöst wird und der Versicherte in den Ruhestand tritt und keinen Anspruch auf Invalidenleistungen der Pensionskasse hat. Die Altersleistung wird in Form einer Altersrente und/oder Alterskapital ausgerichtet. Die Altersrente wird aufgrund des im Zeitpunkt des Altersrücktrittes vorhandenen Altersguthabens und des Umwandlungssatzes ermittelt. Dabei ist das nach einem allfälligen Bezug von Alterskapital ermäßigte Altersguthaben maßgebend. Der Versicherte hat den Bezug des Alterskapitals bis zu 50% spätestens sechs Monate, bis zu 75% spätestens zwölf Monate und höhere Beträge spätestens drei Jahre vorher der Pensionskasse schriftlich anzumelden, ansonsten er dieses Recht verwirkt. Im Minimum können 10% des Alterskapitals bzw. der Überschuss, die freiwilligen Amortisationsbeiträge und Einmaleinlagen bezogen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem eine antragsgemäße Teilabfindung der einem Wirtschaftstreuhänder nach den Bestimmungen der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gebührenden Alterspension betreffenden Erkenntnis vom , 2009/15/0188, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) verneint, wenn dem Anspruchsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen einer Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) andererseits eingeräumt ist.

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof in jeweils Grenzgänger betreffenden Erkenntnissen wiederholt ausgeführt, § 124b Z 53 EStG 1988 setze voraus, "dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist" (vgl. , mwN, sowie jüngst ua. , und ). Selbst im Falle einer aufgrund des endgültigen Verlassens der Schweiz bzw. des Fürstentums Liechtenstein ausbezahlten Freizügigkeitsleistung ist demnach entscheidend, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung (in den zugrundeliegenden Fällen durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice) hätte aufrechterhalten werden können (betreffend Liechtenstein vgl. ua. , und ; betreffend die Schweiz vgl. ua. , mwN, und , mwN). Es könne nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung - Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 - ausgegangen werden, wenn dem Abgabepflichtigen nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen (vgl. , mwN).

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sohin aber kein Zweifel darüber bestehen, dass eine bestehende Wahlmöglichkeit zwischen dem Bezug einer Rente und einer (teilweisen) Kapitalabfindung der Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 entgegensteht. Klargestellt ist damit weiters, dass die Bestimmung nicht eine allgemeine Progressionsmilderung in Fällen des zusammengeballten Bezuges von Einkünften bezweckt, zumal es wohl auch nur in jenen Fällen, in denen Grenzgänger tatsächlich keine andere Möglichkeit als jene der Kapitalauszahlung haben, unbillig sein kann, eine Pensionsabfindung zur Gänze tarifmäßig zu besteuern, nicht aber dann, wenn der Progressionseffekt durch den dem Abgabepflichtigen möglichen Bezug einer laufenden Rente vermieden bzw. vermindert werden kann (vgl. ). Wäre eine Begünstigung von auf ausländischen gesetzlichen Regelungen beruhenden Pensionsabfindungen im Sinne der Ausführungen des steuerlichen Vertreters beabsichtigt gewesen, wäre es zudem jedenfalls am Gesetzgeber gelegen, auf die einschränkende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. die geänderte Verwaltungspraxis zu reagieren und die gesetzliche Regelung entsprechend zu adaptieren.

Dem Beschwerdeführer stand nach den Bestimmungen des Reglements der Personalvorsorgeeinrichtung (unbestritten) ein Wahlrecht zwischen einer Rentenzahlung und/oder einer (anteiligen) Auszahlung des Alterskapitals offen. Nachdem er die Auszahlung eines Teilbetrages beantragt hat und sich seine Rente aus der betrieblichen Vorsorge infolgedessen entsprechend vermindert hat, liegt eine nach § 124b Z 53 EStG 1988 zu besteuernde "Pensionsabfindung" folglich nicht vor.

Der Beschwerde konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage, ob die (teilweise) Auszahlung eines Altersguthabens im Fall eines (alternativ) bestehenden Anspruches auf eine laufende Rente unter die Begünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 fällt, ist durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100297.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at