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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.12.2019, RV/7102655/2016

1. Ist eine aufgelöste juristische Person legitimiert, in einem Beschwerdeverfahren einzuschreiten, wenn sie keinen Rechtsnachfolger hat? 2. Das Finanzamt hat keine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102655/2016-RS1
Wird eine juristische Person (hier: eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung), die keinen Rechtsnachfolger hat, aufgelöst, hört sie auf, als Steuersubjekt zu existieren. Wer kein Steuersubjekt ist, ist nicht legitimiert, in einem Beschwerdeverfahren einzuschreiten.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache A, als ehemalige Gesellschafterin der gemäß § 40 Firmenbuchgesetz gelöschten GmbH, c/o Finanzamt Wien 1/23, 1030 Wien, Marxergasse 4, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom , zugestellt am , betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 - 2012 und des Körperschaftsteuerverfahrens 2010, Umsatzsteuer 2010 - 2012, Körperschaftsteuer 2010 und Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Juli 2013 und Juli 2014 beschlossen:

I. Das Bundesfinanzgericht ist wegen der vom Finanzamt rechtswidrig nicht erlassenen Beschwerdevorentscheidung derzeit nicht zuständig, über die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 - 2012 und des Körperschaftsteuerverfahrens 2010 vom zu entscheiden.

Das Beschwerdeverfahren gegen diese Bescheide wird eingestellt.

Gemäß Art 133 Abs 9 B-VG iVm § 25 Abs 2 VwGG sind die ordentliche Revision und die außerordentliche Revision nicht zulässig.

II. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2012, Körperschaftsteuer 2010 und Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Juli 2013 und Juli 2014 wird gemäß § 260 Abs 1 lit a Bundesabgabenordnung als nicht zulässig geworden zurückgewiesen.

Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Mit Beschluss vom Datum1 wurde der Konkurs über das Vermögen der Bf. eröffnet. Mit Beschluss vom Datum2 wurde der Konkurs aufgehoben. Mit Beschluss vom Datum3 wurde die Firma der Bf. gemäß § 40 Firmenbuchgesetz (FBG) wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht. Die Bf. hat keinen Rechtsnachfolger.

Alle im Spruch dieser Entscheidung aufgezählten Bescheide wurden nach einer Außenprüfung erlassen, waren innerhalb eines Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurden mit der Beschwerde vom angefochten. Senat und mündliche Verhandlung wurden in der Beschwerde beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2012, Körperschaftsteuer 2010 und Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Juli 2013 und Juli 2014 abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurde mit dem Vorlageantrag vom angefochten.

Über die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 - 2012 und des Körperschaftsteuerverfahrens 2010 entschied das Finanzamt nicht mit Beschwerdevorentscheidung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1 . Sach- und Beweislage, Rechtslage, rechtliche Würdigung und Entscheidung:

1.1. Dieser Entscheidung ist folgende aus den Verwaltungsakten sich ergebende Sach- und Beweislage zugrunde zu legen:

- Die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtete Bf. ist seit Datum3 wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst. Sie hat keinen Rechtsnachfolger.

- Das Finanzamt hat über die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 - 2012 und des Körperschaftsteuerverfahrens 2010 nicht mit Beschwerdevorentscheidung entschieden.

- Das Finanzamt hat über die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2012, Körperschaftsteuer 2010 und Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Juli 2013 und Juli 2014 mit Beschwerdevorentscheidung entschieden.

1.2. Von dieser Sach- und Beweislage ausgehend ist über die Beschwerde wie folgt zu entscheiden:

1.2.1.Gemäß § 262 Abs 1 Bundesabgabenordnung ( BAO)idgF ist über Beschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit einem als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Erlässt das Finanzamt keine Beschwerdevorentscheidung, ist das Erkenntnis vom , anzuwenden, worin der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass das Bundesfinanzgericht über die vom Finanzamt vorgelegten Beschwerden entscheiden muss; jedoch erst entscheiden darf, nachdem das Finanzamt eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat.

Das Bundesfinanzgericht hat daher auszusprechen und spricht mit diesem Beschluss aus, derzeit nicht zuständig zu sein, über die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 - 2012 und des Körperschaftsteuerverfahrens 2010 zu entscheiden.

1.2.2. Wird eine juristische Person (hier: eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung), die keinen Rechtsnachfolger hat, aufgelöst, hört sie auf, als Steuersubjekt zu existieren. Wer kein Steuersubjekt ist, ist nicht legitimiert, in einem Beschwerdeverfahren einzuschreiten. Die am Datum3 aufgelöste Bf. ist daher seit Datum3 nicht mehr legitimiert, in diesem Beschwerdeverfahren einzuschreiten.

Fällt die Aktivlegitimation vor der Entscheidung über die Beschwerde weg, ist die Beschwerde als nicht mehr zulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO 6, § 260, Tz 7). Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2012, Körperschaftsteuer 2010 und Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Juli 2013 und Juli 2014 wird daher als nicht zulässig zurück gewiesen.

2 . Ad Antrag mündliche Senatsverhandlung

Ist das Bundesfinanzgericht nicht zuständig, über eine Beschwerde zu entscheiden und ist eine Beschwerde zurückzuweisen, muss eine beantragte mündliche Senatsverhandlung nicht durchgeführt werden ( § 272 Abs 4 BAO idgF, § 274 Abs 1 BAO idgF). Diese Entscheidung ergeht daher als nicht mündliche Einzelrichterentscheidung.

3 . Revision

3.1. Da die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2010 - 2012 und des Körperschaftsteuerverfahrens 2010 wegen nicht mehr vorhandener Aktivlegitimation zurückzuweisen ist, sind die ordentliche und die außerordentliche Revision nicht zulässig (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 10 (2014), Rz 1368).

3.2. Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen Erkenntnisse oder Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da das Gesetz die Rechtsfrage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 - 2012, Körperschaftsteuer 2010 und Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Juli 2013 und Juli 2014 zurückgewiesen werden darf, beantwortet. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102655.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at