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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2020, RV/2100696/2019

Schätzung eines Busunternehmens im Linienverkehr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, den Richter ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH, Parkring 2, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Umsatzsteuer 2011, Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013, Umsatzsteuer 2014 und Umsatzsteuer 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers ***Sf*** zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Umsatzsteuer 2011 wird festgesetzt mit 16.043,06 Euro.

Die Umsatzsteuer 2012 wird festgesetzt mit 15.850,60 Euro.

Die Umsatzsteuer 2013 wird festgesetzt mit 14.143,75 Euro.

Die Umsatzsteuer 2014 wird festgesetzt mit 15.041,31 Euro.

Die Umsatzsteuer 2015 wird festgesetzt mit 19.483,51 Euro.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bei der Beschwerdeführerin, der ***Bf*** Com NTB (in Folge: Bf.), einem Unternehmen mit Sitz im Kosovo, das im Bereich des internationalen Personenverkehrs zwischen Serbien und Österreich tätig ist, kam es im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung zu folgenden Feststellungen:

Im Zeitraum 2011 - 2015 habe die Bf. einen internationalen Kraftfahrlinienverkehr mit Bussen von Prizren (Kosovo) nach Österreich auf zwei Linien betrieben. Beide Linien seien täglich mit Hin- und Rückfahrt auf folgenden Routen betrieben worden:

Linie 1: Prizren - Peje - Prishtine - Merdare (KS) - Merdare (SRB) - Roszke (H) - Hegyshallom (H) - Nickelsdorf - Wien - Linz.

Linie 2: Prizren - Gjakove - Prishtine - Merdare (KS) - Merdare (SRB) - Batrovci (SRB) - Donji Macel (HR) - Gruskovje (SLO) - Sentilj (SLO) - Spielfeld - Graz - Wien - Linz.

Für beide Linien liegen Konzessionen gemäß der Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über die grenzüberschreitende Beförderung von Personen im nichtlinienmäßigen und linienmäßigen Verkehr (BGBl. III vom - Nr. 161) vor.

Die Fahrtkosten pro einfacher Strecke betragen laut Unterlagen des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (im Folgenden BMVIT) 50 Euro pro Person, Kinder bis zwei Jahre fahren kostenlos und für Kinder von 2-7 Jahren ist eine Ermäßigung von 50% vorgesehen.

Für die Umsätze aus dem Betrieb dieser beiden Linien konnten keine Aufzeichnungen vorgelegt werden.

Der Eigentümer der Bf., Herr ***A*** ***Bf*** wurde am durch die Betriebsprüfung befragt. Er gab an, dass es die Linie von Kosovo nach Linz immer schon gab. Später sei sie nach Braunau verlängert worden. Es werde täglich über Serbien und Ungarn gefahren. Über Graz werde nicht täglich gefahren.
Bezahlt werde im Kosovo.
Den ÖBB würde er für 3 Standplätze 1.600 Euro monatlich bezahlen (2 Plätze ständig, 1 Reserve)
Er selbst wisse nicht, dass er in Österreich steuerliche Pflichten habe. Bücher würden im Kosovo jährlich geführt. Die Finanz könne das jeden Tag verlangen und werde es bekommen. (Tatsächlich wurden jedoch keine Bücher vorgelegt.)
Den Namen ***2*** (Anm.: ***B*** ***2*** ist Komplementär der ***3***, die als Fiskalvertreter fungierte, Frau ***C*** ***2*** ist als Buchhalterin gegenüber den Prüfern als steuerliche Vertreterin aufgetreten) kenne er nicht und höre ihn zum ersten Mal.

Das Finanzamt hat den im Antrag auf Erteilung der Steuernummer angegebenen Geschäftsführer, Herrn ***E*** ***Bf*** geladen. Er leistete der Vorladung des Finanzamtes nicht Folge.
Auch Herr ***F*** ***Bf***, der laut einer vom Ministerium für Handel und Industrie der Republik Kosovo betriebenen Homepage Geschäftsführer der ***Bf*** Com ist, leistete einer Vorladung des Finanzamtes nicht Folge.

Frau ***C*** ***2***, die als Vertreterin der ***3*** die Steuererklärungen der Bf. eingereicht hat, gab an, bei der Verfassung der Umsatzsteuererklärungen die Umsätze lediglich eine der beiden Buslinien herangezogen zu haben (Linie 1). Sie habe für diesen Zweck keinerlei Erlöskonten oder Fahrscheine seitens der Bf. erhalten; die Anzahl der Fahrgäste sei ihr lediglich mündlich mitgeteilt worden. Sie habe dann den Fahrpreis auf die Kilometeranteile der Länder aufgeteilt. Es gebe keine schriftliche Korrespondenz oder E-Mail-Korrespondenz zwischen ihr und Vertretern der Bf.

Das Finanzamt nahm in Folge eine Schätzung der Umsätze nach § 184 BAO vor, weil weder Bücher oder Aufzeichnungen vorgelegt wurden, noch die Vertreter der Bf. Auskünfte über die Besteuerungsgrundlagen zu geben vermochten.

Die Schätzung wurde für beide Linien anhand der vom BMVIT vorgelegten Fahrpläne vorgenommen, anhand derer auch die jeweiligen Kilometerzahlen im In- und Ausland ermittelt wurden.
Entsprechend den erteilten Konzessionen - mit der Auflage einer täglichen Betriebspflicht - wurde davon ausgegangen, dass täglich zwei Linien mit Hin- und Rückfahrt betrieben werden.
Als Preis pro Strecke wurden 50 Euro angenommen, da dies laut BMVIT-Unterlagen den Preis für eine einfache Fahrt darstellt.

Pro Fahrt ging das Finanzamt von einer Personenanzahl von 35 Personen pro Strecke aus, was einer durchschnittlichen Auslastung der eingesetzten Busse von 67,3% entspricht.

Vorsteuern wurden bei der Schätzung nicht berücksichtigt, weil für die Jahre 2014 und 2015 Rechnungen gar nicht vorgelegt werden konnten und die für die Jahre 2011 bis 2013 vorgelegten Rechnungen zunächst als mangelhaft zu betrachten waren und in weiterer Folge dem Finanzamt überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestellt wurden.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom wurde die Umsatzsteuer wie folgt festgesetzt:

[...]

In der dagegen erhobenen Beschwerde wandte sich die Bf. gegen die Schätzungsbefugnis, weil kein vertretungsbefugtes Organ des Unternehmens aufgefordert worden sei, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Schätzung sei auch inhaltlich unrichtig, da die zweite Buslinie tatsächlich nie betrieben worden sei.

In Beantwortung eines Mängelbehebungsauftrages legte die Bf. Umsatzsteuererklärungen und Berechnungen für die Jahre 2011 bis 2015 mit von der Schätzung abweichenden wesentlich geringeren Umsatzzahlen vor. Vorsteuern wurden keine in Abzug gebracht.

[...]

Die Berechnungen fußten auf mitgesendeten handschriftlichen Aufzeichnungen der beförderten Personen.
Buchhaltungsunterlagen aus dem Kosovo, Preislisten, Fahrscheine, Mautrechnungen, Fahrereinteilungen etc. wurden nicht vorgelegt.
Inhaltlich wurde ausgeführt, dass der Österreichanteil der Fahrten geringer sei als von der Betriebsprüfung angenommen, da 90% der Fahrgäste als Ziel Wien und nicht Linz hätten. Zudem seien ermäßigte Fahrpreise für Kinder und Pensionisten zu berücksichtigen worden (Erwachsene 50 Euro, Pensionisten 40 Euro, Kinder 25 Euro). Die fehlende Anerkennung von Vorsteuern blieb unbestritten.

Das Finanzamt änderte die Bescheide im Rahmen der Beschwerdevorentscheidungen vom dahingehend ab, dass der Rechenfehler bei der Berechnung der Inlandskilometer der zweiten Linie richtiggestellt wurde (31,57% Inlandsanteil statt 46,16%) und dass aus den berechneten Inlandsumsätzen eine darin enthaltene Umsatzsteuer im Ausmaß von 10% herausgerechnet wurde.

[...]

An der Schätzungsbefugnis und der Schätzungsmethode an sich hielt das Finanzamt mit ausführlicher Begründung fest.

Das Vorbringen der Bf., sie habe die zweite Linie im Beschwerdezeitraum nicht betrieben wurde, war für das Finanzamt als nicht glaubhaft.

Im Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Behandlung der Beschwerde durch das BFG.

Mit Schreiben vom gab die nunmehrige steuerliche Vertretung ihre Vertretungsbefugnis bekannt und erklärte gleichzeitig, weitere Beweis beibringen zu wollen.

Mit Schreiben vom ergänzte die Bf. ihr Vorbringen wie folgt:

"Die Beschwerdeführerin hält weiterhin an ihrem Vorbringen fest, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde und ungeachtet der in der Konzession vorgesehenen Betriebspflicht für tägliche Fahrten keinesfalls ein regelmäßiger Betrieb auf der Linie 2 stattgefunden hat. Ein regelmäßiger Betrieb fand Iediglich auf Linie 1 statt."

Die betriebene Linie weise eine um ca 2 Stunden kürzere Fahrzeit auf. Grund für die Konzession einer weiteren Linie sei es gewesen, allfälligen Staus, Baustellen, Straßensperren etc. ausweichen zu können bzw. auf politische Konflikte rund um den Kosovo reagieren zu können.

Zum Beweis dafür, dass tatsächlich nur eine Linie betrieben wurde, legte die Bf. Anfragen betr. Einzelleistungsinformationen der ASFINAG vor. Für zwölf Kennzeichen wurde angefragt, welche Abschnitte der österreichischen Autobahnen befahren wurden.

Aus der Antwort der ASFINAG ergibt sich eindeutig, dass 5 der angefragten Kennzeichen den Autobahnabschnitt Nickelsdorf mehrere hundert male passiert haben (Linie 1), während nur ein einziges Befahren des Autobahnabschnittes Spielfeld (Linie 2) registriert wurde.

Hinsichtlich des Vorliegens von Grundaufzeichnungen erklärte die Bf., dass die vorgelegten Unterlagen (Jahreslisten und Einträge auf Kalenderblättern) bei der Schätzung jedenfalls zu berücksichtigen seien und zwar unabhängig davon, ob es sich um so genannte Grundaufzeichnungen handle oder nicht.

Dem BFG wurden abermals folgende Unterlagen vorgelegt:

Jahreszusammenstellung
12 Monatszusammenstellungen
12 Kalenderblätter

Aus den Jahreszusammenstellungen sind jeweils ersichtlich:
- die Anzahl der Kunden (pro Monat);
- ihre Einordnung als Kind, Pensionist oder Erwachsener;
- die verrechneten Einzelpreise je Kundenkategorie
- die erzielten jährlichen Brutto-Umsätze
- der Anteil der erzielten jährlichen Umsätze, der auf in Österreich zurückgelegte Wegstrecken entfällt; sowie
- der Betrag, der in Österreich zu entrichtenden Umsatzsteuer

Bei der Aufteilung der Strecken wurde darauf Bedacht genommen, dass sowohl Wien als auch Linz Zielorte waren. Da 90% der Kunden ab bzw. nur bis Wien gefahren seien, ergibt sich für die Bf. unter Berücksichtigung der Wegstrecken Prizren-Nickelsdorf (1080 km), Nickelsdorf-Wien (70 km) und Wien-Linz (180 km) ein inländischer Streckenanteil von 6,9%.
Aus den ASFINAG Abfragen ergäbe sich auch, dass die Strecke Wien - Linz nicht täglich, sondern nur fallweise zurückgelegt worden sei.

Aus den vorgelegten Aufzeichnungen ergäbe sich bei einer Kapazität von 52 Personen pro Fahrt und zwei Fahrten pro Tag folgende durchschnittliche Auslastung:

[...]

Insgesamt sei den im Rahmen der Beschwerde eingereichten Erklärungen zu folgen.

In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Vertreter der Bf., wie die Abfragen bei der ASFINAG vorgenommen wurden. Sie hätten alle Kennzeichen, die nach Auskunft der ASFINAG unter dieser Kundennummer erfasst sind, bekannt gegeben.
Das Finanzamt hegte Zweifel daran, dass dies sämtliche verwendeten Busse seien, da es aufgrund der schriftlichen Verwarnung des BMVIT vom bzw. durch Angaben von Frau ***2*** Kenntnis von drei Kennzeichen hat, die in der ASFINAG-Aufstellung nicht erfasst sind.

Die Vertreter der Bf. betonten in diesem Zusammenhang, dass sie Frau ***2*** niemals mit der steuerlichen Vertretung beauftragt hätten.
Bei den Bussen könne es sich nur um gelegentlich bei anderen kosovarischen Unternehmern angemietete Busse handeln, um Engpässe, die sich durch defekte Busse ergaben, abzufedern.

Der ermäßigte Preis von 40 Euro für Pensionisten sei zusätzlich zur Ermäßigung laut BMVIT-Bescheid (50% für Kinder) gewährt worden, um alte Menschen zu unterstützen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Bf. grundsätzlich täglich die Linie 1: Prizren - Peje - Prishtine - Merdare (KS) - Merdare (SRB) - Roszke (H) - Hegyshallom (H) - Nickelsdorf - Wien - Linz betreibt.

Streit besteht über den täglichen Betrieb der Linie 2: Prizren - Gjakove - Prishtine - Merdare (KS) - Merdare (SRB) - Batrovci (SRB) - Donji Macel (HR) - Gruskovje (SLO) - Sentilj (SLO) - Spielfeld - Graz - Wien - Linz.

Das Finanzamt geht aufgrund der Konzessionsbedingungen (tägliche Betriebspflicht für zwei Linien), der Aussage von ***A*** ***Bf*** (über Graz = zweite Linie werde gefahren, aber nicht täglich) sowie der am beantragten Wiedererteilung der Konzession betreffend die zweite Linie (Erteilung mit der Auflage, dass der Betrieb gemäß dem Fahrplan fortzuführen bzw. weiterzuführen ist) davon aus, dass beide Linien betrieben werden.

Dabei handelt es sich um eine schlüssige Annahme.

Die Bf. ist dieser Annahme jedoch durch Vorlage von Unterlagen der ASFINAG entgegen getreten, aus denen sich eindeutig ergibt, dass praktisch ausschließlich solche Autobahnabschnitte befahren wurden, die der Linie 1 zuzurechnen sind. Ein einziges Mal wurde auch ein Autobahnabschnitt, der der Linie 2 zuzurechnen ist, passiert.
In diesem Zusammenhang ist das Fahren mit den drei, dem Finanzamt bekannten, nicht abgefragten Kennzeichen durch die Angabe der Bf. (gelegentliche Anmietung bei defekten Bussen) erklärbar.

Die Bf. ist damit den schlüssigen Annahmen des Finanzamtes mit eindeutigen Beweisen begegnet.
Überdies hat Herr ***A*** ***Bf*** bereits in seiner Erstaussage zu Protokoll gegeben, dass die Linie von Kosovo nach Linz täglich über Serbien und Ungarn gefahren werde; über Graz werde sie nicht täglich gefahren.
Zusätzlich dazu ist zu bedenken, dass die beförderten Personen ihre Reise jeweils vom Anfang bis zum Ende der Fahrt antreten ohne dass es zwischenzeitig zu Zu- und Ausstiegen kommt. Bedenkt man, dass die Linien auch nach Schätzung des Finanzamtes nicht voll ausgelastet waren, so erscheint es wirtschaftlich keinesfalls sinnvoll, zwei nicht ausgelastete Linien mit identen Anfangs und Endpunkten an Stelle einer voll ausgelasteten Linie zu führen.

In Anbetracht der vorgelegten Unterlagen der ASFINAG, der Erstaussage des Herr ***A*** ***Bf*** und der wirtschaftlichen Überlegungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich nur eine Linie betrieben wird, größer als die, dass beide Linien betrieben werden.

Für das weitere Verfahren ist damit davon auszugehen, dass die Bf. täglich eine Linie betrieben hat.

Rechtliche Beurteilung

Rechtslage

§ 184 BAO

(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Schätzungsbefugnis

Im Beschwerdefall hat der eingetragene Eigentümer der Bf., Herr ***A*** ***Bf*** angegeben, überhaupt nicht zu wissen, dass er in Österreich abgabenrechtliche Pflichten habe. Dementsprechend konnte er über Umstände, die für die Ermittlung der Grundlagen seiner Abgabenschuld wesentlich sind, auch keine ausreichenden Angaben machen.

Im Laufe des Verfahrens hat die Bf. auch keine Bücher oder Aufzeichnungen, die sie nach den (österreichischen) Abgabenvorschriften zu führen hat, vorlegt.

Die im Rahmen der Mängelbehebung vorgelegten Steuererklärungen vermögen die vom Gesetz geforderten Grundaufzeichnungen nicht zu ersetzen. Trotz Ersuchens des Finanzamtes wurden weder Buchhaltungsunterlagen (Jahresabschlüsse, Buchhaltungsjournale etc.), Steuerbescheide aus dem Kosovo noch Erlösaufzeichnungen jedweder Art (zB Fahrgast- und Grenzübertrittlisten, Fahrkartenabrechnungen) oder Nachweise über Zahlungsflüsse vorgelegt.

Der Versuch der Abgabenbehörde, andere Vertreter der Bf. zu befragen, blieb erfolglos (Ladung von Herrn ***E*** ***Bf*** bzw. Herrn ***F*** ***Bf***).

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (, Stoll, BAO, 1912; vgl. u.a. ; , 2008/15/0027; ).

Da die Bf. keine Unterlagen vorgelegt hat, die es der Abgabenbehörde ermöglichen, die angegebenen Zahlen nachzuvollziehen, ist sie berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

Höhe der Schätzung

Es ist Ziel der Schätzung, die Besteuerungsgrundlagen, soweit sie sich nicht an Hand von Unterlagen des Bf. und dessen Angaben zuverlässig ermitteln oder berechnen lassen, möglichst zutreffend festzustellen (vgl. z.B. ; , 2009/17/0119 bis 0122; , 2007/15/0265; , 2008/15/0122), und zwar so, dass das Ergebnis die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat, um so den tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Ergebnissen und Verhältnissen möglichst nahe zu kommen (z.B. ; , 2012/13/0068).

Wer zur Schätzung begründeten Anlass gibt, muss jedoch die mit jeder Schätzung verbundene Unsicherheit hinnehmen (bspw. ), liegt es doch geradezu im Wesen der Schätzung, dass die auf diese Weise zu ermittelnden Größen die tatsächlich erzielten Ergebnisse nur bis zu einem mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad erreichen können (; ).

Eine Fehlertoleranz (im Ergebnis, nicht im Verfahren und Denkvorgang) muss der Schätzung immanent angenommen werden ().

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Schätzungsmethode zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen, am meisten geeignet erscheint (vgl. zB ).

Das Finanzamt ist bei seiner Schätzung von den beiden aufrechten Konzessionen (verbunden mit der Auflage einer täglichen Betriebspflicht) und dem vom BMVIT mitgeteilten Preis von 50 Euro für eine einfache Fahrt ausgegangen. Pro Fahrt setzte das Finanzamt 35 Personen an, was einer durchschnittlichen Auslastung der eingesetzten Busse von 67,3% entspricht.

Diese Schätzung ist an sich schlüssig. Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse wurden in den angefochtenen Bescheiden dargelegt (vgl dazu beispielsweise ) und den vom Abgabepflichtigen in der Beschwerde vorgebrachten Behauptungen wurde in den Beschwerdevorentscheidungen ausführlich entgegnet.

Im Beschwerdeverfahren vor dem BFG hat die Bf. jedoch Unterlagen beigebracht, die nahelegen, dass das erzielte Ergebnis nicht die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat bzw. den tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Ergebnissen und Verhältnissen nicht entspricht.

Zur Berechnung der Umsatzsteuer hat die Bf. händisch geführte Listen vorgelegt, die die Gesamtzahl der am jeweiligen Tag beförderten Personen sowie die Anzahl der Personen, die zum ermäßigten Preis befördert wurden (Pensionisten, Kinder) ausweisen.
Die Listen sind schlüssig und nachvollziehbar und können so der Schätzung der Umsätze zugrunde gelegt werden.

Die Bf. hat unter Anwendung des Preises von 50 Euro/Erwachsenen, 40 Euro/Pensionist und 25 Euro/Kind folgende Gesamtumsätze angegeben:

[...]

Aus diesen Bruttoumsätzen ist der auf das Inland entfallenden Bruttoanteil herauszurechnen.

Bei Personenbeförderungsleistungen errechnet sich der auf das Inland entfallende Teil anhand der zurückgelegten Kilometer (§ 3a Abs 10 UStG 1994: eine Beförderungsleistung wird dort ausgeführt, wo sie bewirkt wird).

Laut Angaben der Bf. werden auf der Strecke von Prizeren bis Nickelsdorf 1080 Kilometer, auf der Strecke von Nickelsdorf bis Wien 70 Kilometer, auf der Strecke von Wien nach Linz 180 Kilometer zurückgelegt.

Laut dem mit der Bewilligung zusammenhängenden Fahrplan (Genehmigungsnummer RR/H/019/2016) werden von Prizren bis Nickelsdorf 1.108 Kilometer, von Nickelsdorf bis Wien 60 Kilometer, von Wien bis Linz 213 Kilometer und von Linz bis Braunau 90 Kilometer zurückgelegt.

Da im Beschwerdefall die Feststellung des Sachverhaltes unstrittig auf der erteilten Bewilligung beruht, sind für die Ermittlung des Inlandsanteils die in der Genehmigung angegebenen Kilometer maßgeblich.

Bei der Aufteilung sind jedoch, anders als von der Bf. vorgebracht, die gesamten auf das Inland entfallenden Kilometer maßgeblich. Dies deshalb, weil der aufzuteilende Fahrpreis die gesamte Beförderung bis Linz bzw. Braunau (2015) abdeckt (Ermäßigungen bei einem Ausstieg in Wien wurden nicht behauptet).
Die Angaben der Bf., 90% der Fahrgäste seien nur bis Wien gefahren, bleibt mangels Nachweises auf der Behauptungsebene und stellt keine für die Schätzung substantiierte Einwendung dar.
Überdies wird durch die Aufteilung anhand der im Bewilligungsbescheid angeführten Kilometer auch dem Umstand Rechnung getragen wird, dass es im Kosovo drei verschiedene Einstiegsstellen (mit einer Entfernung von 158 Kilometern) gibt, die das Verhältnis ebenfalls beeinflussen würden.

Daraus ergeben sich in den Jahren 2011 - 2014 folgende Anteile:
Gesamtkilometer: 1.381
Prizren bis Nickelsdorf: 1.108 Kilometer entspricht 80,23%
Nickelsdorf bis Linz: 273 Kilometer entspricht 19,77%

Im Jahr 2015 bestand eine Konzession bis Braunau, woraus sich folgende abweichende Aufteilung ergibt:
Gesamtkilometer: 1.507
Prizren bis Nickelsdorf: 1.108 Kilometer entspricht 73,53%
Nickelsdorf bis Braunau: 399 Kilometer entspricht 26,47%

In Zahlen bedeutet das:

[...]

Sicherheitszuschlag

Ein Sicherheitszuschlag gehört zu den Elementen der Schätzung (vgl ), weil davon auszugehen ist, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur nachgewiesenermaßen nicht aufgezeichnete, sondern auch weitere Einnahmen nicht aufgezeichnet worden sind (; ).

Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages geht davon aus, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Aufgabe eines Sicherheitszuschlages ist es also, das Risiko möglicher weiterer Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen; dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen ().

Auch mit Hilfe der Methode des Sicherheitszuschlages soll kein anderes Ergebnis erreicht werden, als jenes, das der wahrscheinlichsten Bemessungsgrundlage nahekommt.
Seine Höhe hat sich nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles und nach den festgestellten Fehlern, Mängeln und vermuteten Verminderungen des Ergebnisausweises, also nach den Gegebenheiten im Bereich des Tatsächlichen, zu richten (vgl Stoll, BAO, § 184, 1941).

Im Beschwerdefall konnte die Bf. überhaupt keine Aufzeichnungen vorlegen.
Die hier vorgenommene Schätzung erfolgte anhand der handschriftlichen Aufzeichnungen der Bf. zu den beförderten Personen.
Diese Hilfsaufzeichnungen eignen sich zwar als Basis der Schätzung, wurden jedoch erst im Rechtsmittelverfahren vorgelegt und können nicht überprüft werden (zB durch gebotene Meldungen an die kosovarische Verkehrsbehörde, nummerierte Fahrscheine etc).
Darüber hinaus bestehen auch Bedenken hinsichtlich der Beförderung auf anderen Strecken bzw. mit anderen Bussen (vgl dazu die schriftliche Verwarnung des BMVIT vom ), die der Vertreter der Bf. nicht gänzlich ausräumen konnte (Herr ***Bf*** musste in der mündlichen Verhandlung eingestehen, dass er gelegentlich andere Busse angemietet hat)
Diese Unsicherheiten

Dem Risiko möglicher weiterer Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen kann im Beschwerdefall mit einem Sicherheitszuschlag im Ausmaß von 10% der festgestellten Umsätze begegnet werden.

Rechnerisch führt dies zu folgendem Ergebnis:

[...]

Da keine Vorsteuern geltend gemacht wurden, entspricht die so berechnete Umsatzsteuer auch der zu zahlenden Umsatzsteuer.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wird nur die Höhe der Schätzung angefochten. Das ist einen Tatsachenfeststellung und keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100696.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at