Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2020, RV/7103031/2020

§ 40 EStG 1988 hat ab 1.1.2016 keinen Anwendungsbereich mehr (StRefG 2015/16)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103031/2020-RS1
Das besondere Erstattungsverfahren des § 40 EStG 1988 wurde mit Budgetbegleitgesetz 2009 eingestellt, wonach aus Gründen der Verwaltungsökonomie die Erstattung von Absetzbeträgen ausschließlich mit Veranlagung erfolgen sollte. Ab dem Steuerreformgesetz 2015/2016 legt bereits § 33 Abs 8 Z 5 EStG 1988 die Art und Weise der Erstattung des Alleinverdiener- und des Alleinerzieherabsetzbetrages sowie der SV-Rückerstattung abschließend fest. Demnach hat eine Erstattung zwingend gem § 41 EStG 1988 zu erfolgen. Das gilt unabhängig davon, ob im relevanten Veranlagungszeitraum überhaupt veranlagungsfähiges Einkommen erzielt worden ist. Für eine Veranlagung gem § 39 bleibt kein Raum. § 33 Abs 8 Z 5 derogiert dem § 40 vollständig, sodass diese Bestimmung ab keinen Anwendungsbereich mehr hat (Jakom/Peyerl EStG 2019, § 40 Rz 1 und 2 mwN). Ebenso wird die neue Rechtslage von Doralt beurteilt (Kirchmayr/Sturma in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 40 Rz 2).
RV/7103031/2020-RS2
Wurden der Familienbonus Plus und einer der Absetzbeträge nach § 33 Abs 4 Z 1 oder 2 EStG 1988 beantragt und werden die materiellen Voraussetzungen des §§ 33 Abs 3a, Abs 4 Z 1 oder 2 EStG 1988, erfüllt, so hat die Abgabenbehörde über den Antrag jedenfalls mit Abgabenbescheid, der auch die Inhaltserfordernisse des § 198 BAO aufweist, abzusprechen. Diesfalls fließt die Entscheidung über die Absetzbeträge des § 33 Abs 4 Z 1 und 2 EStG 1988 in den Abgabenbescheid mit ein, sodass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung (Allgemeinveranlagung) nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 nicht abgewiesen werden darf. Lediglich wenn auch ein materielles Tatbestandsmerkmal des § 33 Abs 3a EStG 1988 nicht erfüllt wäre, käme die Abweisung des Antrages auf Durchführung der Allgemeinveranlagung in Betracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, unvertreten, über die Beschwerde vom gegen den "BESCHEID 2019" des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom , mit dem der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 abgewiesen wurde, Steuernummer ****, zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

  • An die Stelle der bisherigen Überschrift "BESCHEID 2019" tritt die Überschrift "Bescheid über die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2019"

  • An die Stelle des bisherigen Spruches "Ihr Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 wird abgewiesen." tritt:

  • "Die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2019 wird mit EUR 0,00 festgesetzt.
    Berechnung:

  • Gesamtbetrag der Einkünfte … EUR 0,00
    Einkommen … EUR 0,00

  • Steuer nach Tarif § 33 Abs 1 EStG 1988 … EUR 0,00
    Familienbonus Plus nach § 33 Abs 2 Z 1, Abs 3a EStG 1988 … EUR 0,00

  • Festsetzte Einkommensteuer 2019 … EUR 0,00"

Entscheidungsgründe

Verfahrenshergang

Die Beschwerdeführerin (Bf) erzielte im Kalenderjahr 2019 keine Einkünfte. Sie bezog für ein Kind Familienbeihilfe. Mit der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Kalenderjahr 2019 vom beantragte die Bf den Alleinerzieherabsetzbetrag und den ganzen Familienbonus.

Der angefochtene Bescheid vom trägt die Überschrift "BESCHEID 2019".

Der Spruch lautet:
"Ihr Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 wird abgewiesen."

Die Begründung lautet:
"Der Alleinerzieherabsetzbetrag konnte nicht gewährt werden, da Sie im Veranlagungsjahr 2019 länger als sechs Monate mit einem Partner im gleichen Haushalt gelebt haben.

Wir müssen Ihren Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung abweisen, weil Sie im Veranlagungszeitraum keine steuerpflichtigen Bezüge hatten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Bescheidbeschwerde vom , mit der sie höflich ersucht, den Steuerausgleich unter Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages und des Familienbonus Plus für ein Kind noch einmal zu berechnen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerdebeschwerde als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus:

"Im Jahr 2019 waren Sie noch nicht Alleinerzieherin. Sie haben im Jahr 2019 mehr als sechs Monate mit Ihrer nunmehrigen Exgatten in einer Lebensgemeinschaft gelebt.

Vollständigkeitshalber wird angeführt, dass Ihnen auch der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zusteht. Dieser steht nur einem der Ehepartner zu und wurde bereits Ihrem Exgatten gewährt, da er die höheren Einkünfte erzielt hat.

Der Bezug des Kindermehrbetrag[es] ist an den Abzug des Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrags geknüpft und steht Ihnen daher nicht zu.

Der Familienbonus kann die Einkommensteuer nicht unter Null reduzieren. Die Einkommensteuer beträgt bei Ihnen bereits 0 Euro. Die Berücksichtigung eines allfälligen Familienbonus führt daher zu keiner Gutschrift.

Da Sie kein steuerpflichtiges Einkommen im Jahr 2019 hatten, kann eine Veranlagung nur erfolgen, wenn Sie Anspruch auf den Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrages hätten. Da Sie den Anspruch darauf nicht haben, erfolgte die Abweisung Ihres Antrags auf Veranlagung zu Recht.

Ihre Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen."

Gegen den Beschwerdebescheid wurde form- und fristgerecht der Vorlageantrag vom erhoben, womit die Bf höflich ersucht, den Alleinverdienerabsetzbetrag zu berücksichtigen.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und deren Abweisung als unbegründet beantragt. Darin führt die belangte Behörde aus, dass eine Veranlagung auch bei Steuerpflichtigen erfolge, die kein Einkommen, aber Anspruch auf den Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag hätten und die Erstattung dieser Absetzbeträge beantragen würden (§ 40 EStG). Da kein Anspruch auf diese Absetzbeträge bestehe, sei die Abweisung des Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu Recht erfolgt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen:

§ 39 Absatz 1 EStG 1988 trägt die Überschrift "Allgemeine Veranlagung und Veranlagungszeitraum" und lautet auszugsweise:

"Die Einkommensteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen. ..."

§ 40 EStG 1988 idF vom , BGBl (Budgetbegleitgesetz 2009) trägt die Überschrift "Erstattung von Absetzbeträgen in der Veranlagung" und lautet auszugsweise:

"Eine Veranlagung nach § 39 erfolgt auch bei Steuerpflichtigen, die kein Einkommen, aber Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag oder auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben und die Erstattung dieses Absetzbetrages beantragen. …"

§ 198 Bundesabgabenordnung (BAO) lautet:

"(1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

"(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit."

§ 33 Abs 1 EStG 1988 lautet:

"Die Einkommensteuer beträgt jährlich

für die ersten 11 000 Euro … 0%

für Einkommensteile über 11 000 Euro bis 18 000 Euro ... 25%

für Einkommensteile über 18 000 Euro bis 31 000 Euro ... 35%

für Einkommensteile über 31 000 Euro bis 60 000 Euro … 42%

für Einkommensteile über 60 000 Euro bis 90 000 Euro … 48%

für Einkommensteile über 90 000 Euro … 50%

Für Einkommensteile über eine Million Euro beträgt der Steuersatz in den Kalenderjahren 2016 bis 2020 55%."

§ 33 Abs 2 EStG 1988 in der ab geltenden Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl I 62/2018, (Jahressteuergesetz 2018 - JStG 2018) lautet

"Von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag sind Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:

  • Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.

  • Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6.

§ 33 Abs 3a EStG 1988 idF JStG 2018 lautet auszugsweise:

"Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

  • Der Familienbonus Plus beträgt

  • bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro, …

  • Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

  • Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

  • Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

  • beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

  • Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

  • Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

  • beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

  • Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

  • (Ehe-)Partner im Sinne der Z 3 ist eine Person, mit der der Familienbeihilfenberechtigte verheiratet ist, eine eingetragene Partnerschaft nach dem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz - EPG begründet hat oder für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Lebensgemeinschaft lebt. Die Frist von sechs Monaten im Kalenderjahr gilt nicht, wenn dem nicht die Familienbeihilfe beziehenden Partner in den restlichen Monaten des Kalenderjahres, in denen die Lebensgemeinschaft nicht besteht, der Unterhaltsabsetzbetrag für dieses Kind zusteht.

  • In der Steuererklärung ist die Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder die persönliche Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) jedes Kindes, für das ein Familienbonus Plus beantragt wird, anzugeben.

  • …"

§ 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 regelt die materiellen Voraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag und definiert den Begriff "Alleinverdiendende". Die Bestimmung lautet auszugsweise:

"Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich …

Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. … Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt. … Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu."

§ 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 regelt den Alleinerzieherabsetzbetrag und definiert den Begriff des "Alleinerziehenden" wie folgt:

"Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben."

§ 33 Abs 8 Z 1 und 5 EStG 1988 regelt:

Ziffer 1: "Ergibt sich nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten."

Ziffer 5: "Die Erstattung erfolgt im Wege der Veranlagung gemäß § 41 und ist mit der nach Abs. 1 und 2 berechneten Einkommensteuer unter null begrenzt."

§ 41 Abs 1 EStG 1988 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Steuerpflichtige zu veranlagen sind, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind (2)

§ 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 lautet:

"Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung). ..."

§ 48a Bundesabgabenordnung (BAO) lautet auszugsweise:

"(1) Im Zusammenhang mit der Durchführung von Abgabenverfahren, Monopolverfahren (§ 2 lit. b) oder Finanzstrafverfahren besteht die Verpflichtung zur abgabenrechtlichen Geheimhaltung.

(2) Ein Beamter (§ 74 Abs. 1 Z 4 Strafgesetzbuch) oder ehemaliger Beamter verletzt diese Pflicht, wenn er

b) den Inhalt von Akten eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens oder

unbefugt offenbart oder verwertet.

(3) …

(4) Die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen ist befugt,

a) wenn sie der Durchführung eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens dient,

b) wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt oder wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist …"

Sachverhalt

1 Die Bf hat im Jahr 2019 kein Einkommen erzielt. Im Jahr 2019 war die Ehe der Bf mit dem Kindesvater noch eine Zeit lang aufrecht und sie hat mit dem Kindesvater zumindest mehr als sechs Monate in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Die Eheleute haben ein gemeinsames Kind, dass Ende 2018 geboren wurde. Die Bf hat die Familienbeihilfe für dieses Kind das ganze Jahr bezogen. Als Zeitpunkt der Trennung wird der herangezogen.

2


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Aus Einkommensteuerbescheid 2019 des Ehemannes:
in Euro
Gesamtbetrag der Einkünfte
1.955,08
10,89
SV-Beitrag sonstige Bezüge
-1,53
Einkünfte gem § 33 Abs 4 EStG 1988
1.964,44

Nach den Feststellungen der belangten Behörde "wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag "bereits dem Ehemann gewährt".

3 Die Bf hat die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages und des Familienbonus Plus bereits mit dem Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2019 ordnungsgemäß beantragt. Es existiert kein Antragsformular für eine Veranlagung nach § 40 EStG 1988.

Beweiswürdigung

4 Die Bf verwendete für ihre Antragstellung die amtlichen Formulare L1-WAI-2019 und L1k-WAI-2019 (in Folgenden: L1 und L1k), die sei beide am unterfertigte. Im Formular L1 trug sie im Punkt 15. Beilagen bei "Anzahl der Beilagen L 1k für ein Kind (es ist für jedes Kind eine eigene Beilage L 1k zu verwenden)" eine "1" ein. Im Formular L1k hat die Bf im Punkt 3. Familienbonus Plus" unter 3.2 den ganzen Familienbonus Plus durch Ankreuzen beantragt. Das Formular L1 trägt den Eingangsstempel "CC-SCAN "; das Formular L1k trägt keinerlei Eingangsvermerk, was bei Konvoluteingängen üblich ist.

5 Die Ausführungen im Vorlagebericht, dass die Bf mit der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung den Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt habe und vergessen habe, den Familienbonus Plus zu beantragen, wird von der zuvor dargestellten Aktenlage nicht getragen. Da die Bf bereits im Formular L1 in den Beilagen auf das Formular L1k hingewiesen hat, beide Formulare am selben Tag unterfertigt wurden, dem Vorlagebericht keine Erklärungen für einen abweichenden Eingang bei der belangten Behörde zu entnehmen sind, die Protokollierung wie bei Konvoluten üblich erfolgt ist und die Nachreichung des Formulars L1k in keinem Schriftsatz erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass die Bf mit der ArbeitnehmerInnenveranlagung die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages und des Familienbonus Plus gemeinsam beantragt hat. Der angefochtene Bescheid hat die anhängige Sache daher nicht zur Gänze erledigt.

6 Nach der Aktenlage stehen eine Scheidung und die damit einhergehende tatsächliche räumliche Trennung der Eheleute im Raum. Weder den gegenständlich angefochtenen Bescheiden noch dem vorgelegten Veranlagungsakt oder dem Vorlagebericht noch dem elektronischen Veranlagungsakt der Bf lässt sich entnehmen, dass dazu Beweismittel angefordert worden wären. Erst im Vorlagebericht erwähnt die belangte Behörde den " (ZMR)", ohne jedoch die ZMR-Auskunft vorzulegen.

7 Aus Meldedaten ergeben sich nicht notwendigerweise die tatsächlichen Wohn- und Lebensverhältnisse.

8 Die Einsichtnahme in den elektronischen Akt des Kindesvaters ergab, dass das für ihn zuständige Finanzamt mit Vorhalt vom Ermittlungen zu dessen Unterhaltsleistung gepflogen und im Akt festgehalten hat, dass die Geldunterhaltsleistungen mit begonnen haben. Bei lebensnaher Interpretation dieser Beweislage ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Trennung der Bf vom Kindesvater bereits Ende August 2019 erfolgte, weil mit der räumlichen Trennung der Eltern die Verpflichtung zur Leistung des Geldunterunterhalts des einen Elternteils für das gemeinsame Kind entsteht. Der Eöternteil, zu dessen Haushalt das Kind gehört, erfüllt seine Unterhaltpflicht durch Leistung auf Naturalebene. Im Übrigen ist die Bf der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, dass sie länger als sechs Monate mit einem Partner im gleichen Haushalt gelebt habe, nicht entgegengetreten. Gleiches gilt für die Feststellung, dass sie im Streitjahr "keine steuerpflichtigen Bezüge hatte".

9 Obige Beweiswürdigung stützt sich auf folgende Beweismittel:

Aktenvorlage, Vorhalt vom an den Kindesvater zu dessen Unterhaltsleistungen, Einkommensteuerbescheid 2019 des Kindesvaters vom , Eintrag im elektronischen Veranlagungsakt des Kindesvaters unter Beziehungen "Unterhaltsl. für ***1*** -"; Homepage des BMF, Formulare.

Rechtzeitigkeit, Formerfordernisse

10 Sowohl die Bescheidbeschwerde als auch der Vorlageantrag wurden form- und fristgerecht erhoben. Im Beschwerdeverfahren ist über die Bescheidbeschwerde, die sich auf den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Familienbonus Plus bezieht, in der Fassung des Vorlageantrages, mit dem die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages begehrt wird, abzusprechen, zumal erst mit der Absprache über den Familienbonus Plus der Antrag zur Gänze erledigt wird.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt II - Abänderung

11 Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Durchführung der "Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019" abgewiesen, weil der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zustehe, und diesen Ausspruch mit der Beschwerdevorentscheidung auf den Familienbonus Plus erstreckt, indem sie die Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat. Darüber hinaus hat die belangte Behörde mit der Beschwerdevorentscheidung "vollständigkeitshalber" Ausführungen über den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Kindermehrbetrag getätigt, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht Gegenstand des Verfahrens waren.

12 Die Ausführungen im Vorlagebericht werden dahingehend verstanden, dass statt einer Arbeitnehmerveranlagung eine Veranlagung nach § 40 EStG 1988 zutreffend sei, weil die Bf kein Einkommen erzielt habe. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass die Bf auch den Familienbonus Plus beantragt hat, über den ebenfalls bescheidmäßig abzusprechen ist. Sah die belangte Behörde das Verfahren nach § 40 EStG 1988 als das zutreffende an, so hätte sie dieses auf Grundlage des gestellten Antrages durchführen müssen, weil für ein Verfahren nach § 40 EStG 1988 kein eigenes Formular aufgelegt ist. Über den Familienbonus Plus wäre bei dieser Rechtsanschauung in einem gesonderten Veranlagungsverfahren nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 abzusprechen gewesen.

13 Jedoch wurde das besondere Erstattungsverfahren des § 40 EStG 1988 mit Budgetbegleitgesetz 2009 eingestellt, wonach aus Gründen der Verwaltungsökonomie die Erstattung von Absetzbeträgen ausschließlich mit Veranlagung erfolgen sollte. Ab dem Steuerreformgesetz 2015/2016 legt bereits § 33 Abs 8 Z 5 EStG 1988 die Art und Weise der Erstattung des Alleinverdiener- und des Alleinerzieherabsetzbetrages sowie der SV-Rückerstattung abschließend fest. Demnach hat eine Erstattung zwingend gem § 41 EStG 1988 zu erfolgen. Das gilt unabhängig davon, ob im relevanten Veranlagungszeitraum überhaupt veranlagungsfähiges Einkommen erzielt worden ist. Für eine Veranlagung gem § 39 bleibt kein Raum. § 33 Abs 8 Z 5 derogiert dem § 40 vollständig, sodass diese Bestimmung ab keinen Anwendungsbereich mehr hat (bereits Jakom/Vogt EStG 2016, § 40 Rz 1 und 2 mwN, weiterhin Jakom/Peyerl EStG 2020, § 40 Rz 1 und 2 mwN). Ebenso wird die neue Rechtslage von Doralt beurteilt (Kirchmayr/Sturma in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 40 Rz 2).

14 § 40 EStG 1988 ist daher für den Veranlagungszeitraum 2019 nicht mehr anwendbar, sodass mit dem im Vorlagebericht getroffenen Hinweis auf § 40 EStG 1988 die Rechtslage verkannt wird.

15 Mit dem angefochtenen Bescheid wird explizit über den "Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2019" abgesprochen, sodass der Bescheid in einem Veranlagungsverfahren nach § 41 EStG 1988 ergangen ist. (Ein Veranlagungsbescheid nach § 40 EStG 1988 wäre mit Erkenntnis ersatzlos aufzuheben.) Ab der Veranlagung 2016 erfolgen die Erstattung der Absetzbeträge gemäß § 33 Abs 4 Z 1 und 2 EStG 1988 und die Rückerstattung von Sozialversicherungsprämien aufgrund der Verweisung in § 33 Abs 8 zwingend im Rahmen einer Antragsveranlagung nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 durch Festsetzung einer Negativsteuer [Jakom/Kanduth-Kristen, EStG 2019, § 33 Rz 71 mwN; Jakom/Peyer, EStG 2019, § 41 Rz 26 Fall (7)]. In einem antragsgebundenen Veranlagungsverfahren nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 besteht die Befugnis, auch über den beantragten Familienbonus Plus abzusprechen.

16 Zum Verwaltungshandeln ist allgemein zu sagen: Erfüllt der vom Steuerpflichtigen verwirklichte Sachverhalt die in einer Norm geforderten Tatbestandsmerkmale und ordnet die Norm die Antragstellung an, so ist dem Antrag als (zwingende) Rechtsfolge stattzugeben und das in der Norm Gesagte anzuordnen. Sieht die Norm eine Begünstigung vor, so ist die Begünstigung zu gewähren/zu bewilligen/zuzuerkennen. Erfüllt der vom Steuerpflichtigen verwirklichte Sachverhalt nicht die in einer Norm geforderten Tatbestandsmerkmale, so ist der Antrag als (zwingende) Rechtsfolge abzuweisen.

17 Das erscheint iZm dem Alleinverdiener- und dem Alleinerzieherabsetzbetrag, deren materiellen Tatbestandsmerkmale in § 33 Abs 4 Z 1 und 2 EStG 1988 normiert sind, unproblematisch. Die Abweisung des Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung, weil die Voraussetzungen für den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht erfüllt seien, spricht der angefochtene Bescheid aus.

18 Fraglich ist also, ob ein Antrag auf Gewährung des Familienbonus Plus mit der Begründung abgewiesen werden darf, dass kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt wurde. Damit verbunden ist die Frage, ob ein steuerpflichtiges Einkommen - in ausreichender Höhe - Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung des Familienbonus Plus ist.

19 Bereits aus dem Wortlaut des § 41 Abs 1 Z 2 EStG 1988 ergibt sich, dass die Abgabenbehörde bei Erfüllung der Voraussetzungen leg.cit. mit Veranlagungsbescheid abzusprechen hat (argumento "hat das Finanzamt eine Veranlagungvorzunehmen"). Nach einer Wortinterpretation des § 41 Abs 1 Z 2 EStG 1988 müssen für eine Antragsveranlagung nur ein (formloser) Antrag und die Einhaltung der Frist von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums vorliegen. Auf die Erwirtschaftung eines positiven Einkommens kommt es nicht an, wird doch auf § 41 Abs 2 Z1 EStG 1988 auch der Antrag auf Verlustveranlagung gestützt ();

20 Die Bf erfüllt laut Sachverhaltsfeststellung die materiellen Voraussetzungen des § 33 Abs 3a EStG 1988 für den Familienbonus Plus. Dieser wirkt sich allein deshalb nicht zu ihren Gunsten aus, weil sich nach § 33 Abs 1 EStG 1988 keine Einkommensteuer ergeben hat, was daran liegt, dass kein Einkommen bzw keine Einkünfte erzielt wurden, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat. Darauf wird bereits im Formular L1k hingewiesen, wo es heißt: "Der Familienbonus Plus … reduziert die Einkommensteuer höchstens auf Null". Diese Rechtsfolge wird aber erst bei tatsächlicher Berechnung der Einkommensteuer für das jeweilige Kalenderjahr sichtbar. Daraus folgt, dass die Erzielung eines ausreichendend hohen Einkommens nicht Tatbestandsvoraussetzung für den Familienbonus Plus ist, sondern Teil der Abgabenfestsetzung auf der Stufe der Berechnung der Einkommensteuer.

21 Wurden der Familienbonus Plus und einer der Absetzbeträge nach § 33 Abs 4 Z 1 oder 2 EStG 1988 beantragt und werden die materiellen Voraussetzungen des §§ 33 Abs 3a, Abs 4 Z 1 oder 2 EStG 1988, erfüllt, so hat die Abgabenbehörde über den Antrag jedenfalls mit Abgabenbescheid, der auch die Inhaltserfordernisse des § 198 BAO aufweist, abzusprechen. Diesfalls fließt die Entscheidung über die Absetzbeträge des § 33 Abs 4 Z 1 und 2 EStG 1988 in den Abgabenbescheid mit ein, sodass der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung (Allgemeinveranlagung) nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 nicht abgewiesen werden darf. Lediglich wenn auch ein materielles Tatbestandsmerkmal des § 33 Abs 3a EStG 1988 nicht erfüllt wäre, käme die Abweisung des Antrages auf Durchführung der Allgemeinveranlagung in Betracht.

22 Der in § 33 Abs 3a Z 1 lit a EStG 1988 genannte Monatsbetrag von EUR 125,00 ist kein absoluter Betrag, sondern wirkt sich nur bei entsprechender Steuerbelastung aus, was erst auf der Stufe der Steuerberechnung im Rahmen der Veranlagung deutlich wird.

23 Aus dem Gesagten folgt, dass die belangte Behörde über den Antrag vom mit Abgabenbescheid abzusprechen hatte.

Zum Alleinerzieherabsetzbetrag:

24 Die Bf erfüllt die Voraussetzung, dass sie im Jahr 2019 mehr als sechs Monate mit einem Kind in einem Haushalt gelebt hat. Nach dem Wortlaut des § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 ist darüber hinaus erforderlich, dass sie "mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem Ehepartner gelebt hat". Da sie das zweite Kriterium nicht erfüllt, steht der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu.

Zum Alleinverdienerabsetzbetrag:

25 Das Gesetz sieht mehrere Voraussetzungen vor, die die Bf UND ihr Ehemann erfüllen. Beide Eheleute erfüllen auch das Erfordernis, dass die Einkünfte des jeweils anderen Ehepartners höchstens EUR 6.000,00 betragen dürfen. Die Bf hat laut Sachverhalt gar keine Einkünfte erwirtschaftet, der Ehemann solche iHv EUR 1.964,44. Die bloß aufgrund gesonderter Tarifvorschriften bei der Veranlagung nicht zu berücksichtigen Einkünfte, wie insbesondere der 13. und 14. Monatsbezug, gelten nicht als steuerfreie Einkünfte, und erhöhen daher den Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehemannes (Jakom/Kanduth-Kristen, EStG 2019, § 33 Rz 27 mwN). Damit liegt eine Kollision auf der Sachebene vor, weil § 33 Abs 4 EStG 1988 vorsieht, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nur einem der (Ehe-)Partner zusteht.

26 Das Gesetz ordnet für Sachverhaltskollisionen an, dass zunächst die Kollisionsregel der höheren Einkünfte zum Tragen kommt. Laut Sachverhalt hat der Ehemann die höheren Einkünfte erwirtschaftet, sodass der Anspruch des Ehemannes auf den Alleinverdienerabsetzbetrag dem Anspruch der Bf vorgeht. Da bereits die erstgenannte Kollisionsregel den Konflikt löst, kommt es auf die Haushaltsführung nicht an. Aus diesem Grund hat die Bf keinen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag.

27 Hingegen kommt es nicht darauf an, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag dem Ehemann auch tatsächlich gewährt wurde, wie der belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt hat (argumento "jener … hat Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte … erzielt hat). Es ist daher weder erforderlich, dass für den anderen (Ehe)Partner in dessen Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren ein Bescheid ergangen ist, noch, dass mit diesem der Alleinverdienerabsetzbetrag gewährt (oder zu Unrecht nicht gewährt) wurde. Es besteht im Veranlagungsverfahren des einen (Ehe)Partners keine Bindungswirkung an die im Veranlagungsbescheid des anderen (Ehe)Partners getroffenen Feststellungen und gewährten Steuerbegünstigungen ( mwN). Eine solche Bindungswirkung scheitert bereits an der fehlenden Personenidentität in den Verfahren. Daher steht dem einen (Ehe)Partner auch dann der Alleinverdienerabsetzbetrag zu, wenn er dem anderen (Ehe)Partner zu Unrecht gewährt wurde und bei diesem eine Bescheidänderung (§§ 293ff BAO) nicht möglich ist.

28 Zur steuerlichen Geheimhaltungsverpflichtung (Amtsverschwiegenheit) nach § 48a BAO ist auszuführen, dass leg.cit. nicht verletzt wird, soweit durch Einsichtnahme in den (elektronischen) Steuerakt des (Ehe)Partners jene Daten erhoben werden, die für die Durchführung des Abgabenverfahrens des anderen (Ehe)Partners abgabenrechtlich relevant sind. Die abgabenrechtliche Relevanz der durch Akteneinsicht in den Steuerakt eines anderen Steuerpflichtigen gewonnenen Daten bestimmt sich nach den Merkmalen der anzuwendenden Norm im durchzuführenden Abgabenverfahren. Im konkreten Fall besteht für die Abgabenbehörde iSd § 48a Abs 4 lit a BAO die gesetzliche Verpflichtung, die Einkünfte des anderen (Ehe)Partners iSd § 33 Abs 4 Z 1 und 2 EStG 1988 zu erheben. Wurde im anderen Abgabenverfahren bereits ein rechtskräftiger Bescheid erlassen, bestehen keine Bedenken, sich an die Bescheiddaten anzulehnen. Von den steuerfreien Einkünften sind nur die in leg.cit. ausdrücklich genannten steuerfreien Einkünfte (zB Wochengeld) hinzuzählen. Die steuerpflichtigen Einkünfte des (Ehe)Partners und besonderen steuerfrei geltenden Einkünfte des anderen (Ehe)Partners dürfen im Abgabenverfahren der Bf offenbart werden. Über Arbeitslosengeld und Notstandshilfe beispielsweise dürfen keine Aussagen getroffen werden. Da es vor dem Hintergrund des § 33 Abs 4 Z 1 und 2 EStG 1988 auf die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages nicht ankommt, unterfällt dieser Umstand der Geheimhaltung.

Familienbonus Plus:

29 Wie bereits oben ausgeführt wurde, erfüllt die Bf die materiellen Voraussetzungen des § 33 Abs 3a EStG 1988 für den Familienbonus Plus. Der Wortlaut des § 33 Abs 2 EStG 1988 "der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt" bringt zum Ausdruck, dass der Familienbonus Plus als bloße Steuerminderung gestaltet ist. Der in § 33 Abs 3a Z 1 lit a EStG 1988 genannte Monatsbetrag von EUR 125,00 ist kein absoluter Betrag, sondern wirkt sich nur bei entsprechender Steuerbelastung als Steuerminderung bis maximal EUR 125,00 je Kind je Monat aus. Da die Einkommensteuer bereits EUR 0,00 beträgt, kann diese nicht weiter gemindert werden. Darauf weist bereits die Beschwerdevorentscheidung zu Recht hin.

30 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Aus der Bescheidabänderung ist die steuerliche Wirkung der Steuerbegünstigungen sichtbar: Der Familienbonus Plus vermindert nicht die Einkommensteuer, weil diese schon EUR Null beträgt. Der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag scheint in der Steuerberechnung nicht auf, weil bereits die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt werden.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da - soweit festgestellt werden konnte - zur Veranlagung nach § 33 Abs 8 iVm § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 und der damit verbundenen Rechtsfrage nach der Bescheidgestaltung sowie zur Reichweites der Wortfolge "hat das Finanzamt eine Veranlagung vorzunehmen" in § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt, war die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103031.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at