Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.10.2020, RV/5100765/2020

Familienbeihilfenanspruch für die Zeit zwischen Matura und Präsenzdienst, wenn nach Ende des Präsenzdienstes zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Berufsausbildung begonnen wird

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100765/2020-RS1
Im Falle der Ableistung eines Präsenz- oder Zivildienstes wird dem § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 durch die lex specialis des § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 insoweit derogiert als die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn der Berufsausbildung betroffen ist. Im Übrigen bleibt die Anwendbarkeit des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 (als lex generalis) jedoch unberührt, sodass dieser für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn eines Präsenz- oder Zivildienstes grundsätzlich anwendbar bleibt. Wird die weitere Berufsausbildung gem § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ nach Abschluss eines verpflichtend zu absolvierenden Präsenz- oder Zivildienstes begonnen, steht auf der Grundlage des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 somit auch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des Präsenz- oder Zivildienstes Familienbeihilfe zu, wenn ein früherer Beginn der Berufsausbildung infolge des Präsenz- oder Zivildienstes nicht möglich war (vgl Lenneis in Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG 2. Auflage § 2 Rz 120). Dies entspricht insbesondere auch dem mit der Einführung dieser Bestimmung verfolgten Zweck der Vermeidung einer familienbeihilfenrechtlichen Lücke während der Zeit zwischen einer Schulausbildung und einer weiterführenden Ausbildung (vgl ErläutRV 981 BlgNR XXIV. GP 224) und dient der Gleichstellung mit jenen Fällen, in denen eine unmittelbar nach Beendigung der Schulausbildung frühestmöglich begonnene weitere Berufsausbildung in Folge der Verpflichtung zur Ableistung eines Präsenz- oder Zivildienstes unterbrochen wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Familienbeihilfe Juli 2018 bis September 2019 zu Recht:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert: Die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe wird auf den Zeitraum Oktober 2018 bis November 2018 eingeschränkt.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit am bei der belangten Behörde eingelangtem Anbringen beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren 1998 geborenen Sohn ab Juli 2018 und begründete dies mit dem Beginn eines Studiums an der FH ***Ort1*** im Herbst 2019.

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens, im Zuge dessen die Beschwerdeführerin der belangten Behörde aufforderungsgemäß eine von der FH ***Ort1*** ausgestellte Inskriptionsbestätigung übermittelte, erließ die belangte Behörde den Abweisungsbescheid vom , mit dem der von der Beschwerdeführerin eingebrachte Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2018 bis September 2019 abgewiesen wurde. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass gem § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung bestehe, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird.

In der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin eingebrachten Beschwerde vom wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin nach dem Bundesheer zum ehestmöglichen Zeitpunkt das Bachelorstudium Verfahrenstechnische Produktion begonnen habe. Laut der der Beschwerde beigelegten Bestätigung der FH ***Ort1*** sei der Einstieg in das 1. Semester des Studiengangs Verfahrenstechnische Produktion nur im Wintersemester möglich.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde nach einer einleitenden Wiedergabe des Wortlautes der Bestimmung des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 ausgeführt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Juni 2018 die Reifeprüfung abgelegt, von bis den Grundwehrdienst absolviert und im Wintersemester 2019 an der Fachhochschule ***Ort1*** das Studium begonnen habe. Da im März 2019 die Inskription einer Studienrichtung möglich gewesen wäre - der spätere Beginn des Wunschstudiums sei nicht maßgeblich - bestehe für den Zwischenzeitraum kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.

Mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde persönlich eingebracht am , stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin innerhalb der vorgesehenen Bewerbungsfrist für das vom ihm angestrebte Studium beworben habe. Im Zuge des Aufnahmeverfahrens habe am das Bewerbungsgespräch an der Fachhochschule stattgefunden. Die Aufnahme für sein Wunschstudium "Verfahrenstechnische Produktion" ab dem Wintersemester 2019 sei ihm mit Schreiben der Fachhochschule ***Ort1*** am schriftlich bestätigt worden. Zum Begriff "frühestmöglich" werde in der Literatur (vgl Hebenstreit in Csaszar/Leinneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 132) die Ansicht vertreten, dass der frühestmögliche Zeitpunkt jener sei, zu dem die "Inskription der gewählten Studienrichtung" vorgenommen werden kann. Durch die im Zuge der Beschwerde vorgelegte Bestätigung der Fachhochschule ***Ort1*** sei bereits nachgewiesen worden, dass ein Einstieg in das 1. Semester des Studiengangs Verfahrenstechnische Produktion nur im Wintersemester möglich sei. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe gar keine Möglichkeit gehabt, die von ihm gewählte Studienrichtung im März 2019 zu beginnen, da der frühestmögliche Studienbeginn nachweislich Oktober 2019 gewesen sei.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl Ra 2020/16/0033 anhängigen Verfahrens ausgesetzt, weil Gegenstand dieses Verfahrens die auch im Beschwerdeverfahren strittige Rechtsfrage war, ob bei der Beurteilung, ob ein Studium gem § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 "zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird", ausschließlich auf das vom Kind tatsächlich begonnene Studium abzustellen ist, oder ob dabei auch die allenfalls gegebene Möglichkeit, bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit einer anderen Berufsausbildung zu beginnen, zu berücksichtigen ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Bundesgebiet. Der im Jahr 1998 geborene und im streitgegenständlichen Zeitraum somit bereits volljährige Sohn der Beschwerdeführerin schloss im Juni 2018 die Schulausbildung mit Ablegung der Reifeprüfung ab.

Ab leistete der Sohn der Beschwerdeführerin den Präsenzdienst und wurde er am vorzeitig entlassen, nachdem er von der Stellungskommission ***Ort1*** am als untauglich eingestuft worden war.

Am nahm der Sohn der Beschwerdeführerin am Aufnahmeverfahren an der Fachhochschule ***Ort1*** teil. Ab dem am beginnenden Wintersemester 2019/20 war der Sohn der Beschwerdeführerin als ordentlicher Studierender des Fachhochschul-Bachelorstudiengangs Verfahrenstechnische Produktion inskribiert. Der Einstieg in das 1. Semester dieses Studiengangs ist nur im Wintersemester möglich; ein Beginn dieses Studienganges im März 2019 war somit nicht möglich.

Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat im Oktober 2019 mit dem Fachhochschul-Bachelorstudiengang Verfahrenstechnische Produktion begonnen. Strittig ist im Beschwerdefall, ob der Sohn der Beschwerdeführerin gem § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Abschluss der Schulausbildung im Juni 2018 bzw gem § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenzdienstes per mit der weiteren Berufsausbildung begonnen hat. Dies sei nach der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung zu verneinen, da der Sohn der Beschwerdeführerin bereits im Sommersemester 2019 mit (irgend)einem Studium hätte beginnen können.

Gemäß § 2 Abs 1 lit d erster Halbsatz FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem Anspruch auf Familienbeihilfe "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird".

Gemäß § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem Anspruch auf Familienbeihilfe "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird".

Die Regelung des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 soll den Gesetzesmaterialien zufolge gewährleisten, dass "während der Zeit zwischen einer Schulausbildung und einer weiterführenden Ausbildung familienbeihilfenrechtlich keine Lücke entsteht" und soll durch diese "insbesondere die Zeit zwischen der Matura und dem frühestmöglichen Beginn eines Studiums abgedeckt werden, zumal die Eltern im Regelfall weiterhin unterhaltspflichtig sind" (ErläutRV 981 BlgNR XXIV. GP 224). Die vergleichbare Regelung des § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 war bereits durch das Bundesgesetz BGBl 1980/269 geschaffen worden. Der Vorschlag zu dieser Bestimmung war in der Regierungsvorlage (312 BlgNR XV. GP) noch nicht enthalten und findet sich ohne nähere Begründung in einem Abänderungsantrag (36. Sitzung NR XV. GP - Stenographisches Protokoll vom , S 3559).

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 1 lit d FLAG erfordert dieser Tatbestand, dass die weitere Berufsausbildung tatsächlich begonnen wird. Dies kann zwar lediglich in einer ex post-Prüfung abschließend beurteilt werden, doch wird bei voraussichtlicher Erfüllung des Tatbestandes die Familienbeihilfe laufend gewährt und bei einer ex post-Prüfung allenfalls zurückgefordert ().

Im Hinblick auf die im Beschwerdefall strittige Rechtsfrage hat der VwGH bereits in seinem Erkenntnis vom , 2012/16/0088, zum Ausdruck gebracht, dass nicht eine beliebige Berufsausbildung begonnen werden muss, um den Tatbestand des § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 zu erfüllen. Dem Erkenntnis lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Sohn des Beschwerdeführers leistete nach Ablegung der Matura im Juni 2009 vom bis zum den Ausbildungsdienst gemäß § 37 Wehrgesetz 2001. Von 6. bis nahm er an einem Vorbereitungskurs für den Eignungstest für das beabsichtigte Medizinstudium teil. Im Sommersemester 2011 inskribierte der Sohn des Beschwerdeführers zur Vorbereitung auf das geplante Medizinstudium das Studium der Biologie an der Universität Salzburg. In der letzten Augustwoche 2011 begann er mit dem Studium der Humanmedizin an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität. Zwar gelangte der VwGH im Zuge seiner Erwägungen zu dem Ergebnis, dass der Sachverhalt hinsichtlich der Frage der konkreten Zulassungsvoraussetzungen für das Studium der Humanmedizin für das Wintersemester 2011/2012 ergänzungsbedürftig sei. Die in diesem Zusammenhang erfolgten Erwägungen sind jedoch auch für den beschwerdegegenständlichen Fall bedeutsam. So führte der VwGH in diesem Zusammenhang wie folgt aus: "Wäre der Beginn der vom Sohn des Beschwerdeführers auch tatsächlich begonnenen Berufsausbildung des Studiums der Humanmedizin an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität nach der Beendigung des Ausbildungsdienstes am wegen der Zulassungsvoraussetzung eines Aufnahmeverfahrens erst im Sommer 2011 frühestens mit dem Wintersemester 2011/12 möglich gewesen, läge ein Fall des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG vor, weshalb für die Zeit zwischen der Beendigung des Ausbildungsdienstes und dem Beginn der Berufsausbildung, Familienbeihilfe zustünde." Habe der Beschwerdeführer nach dem Ausbildungsdienst die ins Auge gefasste Ausbildung des Studiums der Humanmedizin tatsächlich zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen, dann sei der (frühere) Beginn des Biologiestudiums nicht maßgeblich.

Bei der Frage, ob ein Studium iSd § 2 Abs 1 lit d oder lit e FLAG 1967 zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen wird, kommt es somit nach der Rsp des VwGH auf die vom Kind "ins Auge gefasste", tatsächlich begonnene Ausbildung an. Wie der VwGH in seinem Beschluss vom , Ra 2019/16/0131, klargestellt hat, muss daher nach Abschluss der Schulausbildung nicht mit dem zeitlich nächstmöglichen Studium begonnen werden, um zum "frühestmöglichen Zeitpunkt" iSd § 2 Abs 1 lit d FLAG mit der Berufsausbildung zu beginnen. Darin übereinstimmend hat der VwGH auch in seinem Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0033, ausgesprochen, dass nach Abschluss der Schulausbildung nicht irgendeine möglichst früh antretbare Berufsausbildung (irgendein Studium) gewählt werden muss, um die Voraussetzung des Beginns der Berufsausbildung zum frühest möglichen Zeitpunkt zu erfüllen.

Der Beginn des vom Sohn der Beschwerdeführerin besuchten Fachhochschul-Bachelorstudienganges Verfahrenstechnische Produktion ist ausschließlich im Wintersemester möglich. Ein Beginn dieses Studiums im März 2019 war somit nicht möglich. Der Sohn der Beschwerdeführerin hat nach Beendigung des Präsenzdienstes mit an dem für die Teilnahme an diesem Studiengang erforderlichen Aufnahmeverfahren mit Erfolg teilgenommen und im am beginnenden Wintersemester 2019/2020 tatsächlich mit dem angestrebten Studium begonnen. Somit war der Beginn des Studiums im Wintersemester 2019/20 im Beschwerdefall nach der Maßgabe der oa Judikatur nach objektiven Kriterien der iSd § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 frühestmögliche Zeitpunkt für den Beginn der weiteren Berufsausbildung, weshalb nach der Maßgabe des § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 für die Zeit zwischen dem Ende des Präsenzdienstes und dem Beginn des Studiums, somit für die Monate Dezember 2018 bis September 2019 ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Nicht erfasst werden von § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut Zeiten vor dem Ende des Präsenzdienstes. Insoweit ist zu prüfen, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe auf den Tatbestand des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 gestützt werden kann. § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 erfasst "die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung". Erfolgt nach dem Abschluss der Schulausbildung keine weitere Berufsausbildung, wird der Zeitraum zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn eines Präsenz- oder Zivildienstes davon ausdrücklich nicht erfasst (vgl ). Wird - wie im Beschwerdefall - nach dem Ende eines Präsenz- oder Zivildienstes allerdings frühestmöglich mit einer weiteren Berufsausbildung begonnen, erfasst der Wortlaut des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 grundsätzlich den gesamten Zeitraum, der zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn der weiteren Berufsausbildung liegt, somit sowohl die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn der Berufsausbildung als auch die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des Präsenz- oder Zivildienstes. Im Falle der Ableistung eines Präsenz- oder Zivildienstes wird dem § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 durch die lex specialis des § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 insoweit derogiert als die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn der Berufsausbildung betroffen ist. Im Übrigen bleibt die Anwendbarkeit des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 (als lex generalis) jedoch unberührt, sodass dieser für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn eines Präsenz- oder Zivildienstes grundsätzlich anwendbar bleibt. Wird die weitere Berufsausbildung - wie im Beschwerdefall - gem § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" nach Abschluss eines verpflichtend zu absolvierenden Präsenz- oder Zivildienstes begonnen, besteht auf der Grundlage des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 somit auch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des Präsenz- oder Zivildienstes Familienbeihilfe zu, wenn ein früherer Beginn der Berufsausbildung infolge des Präsenz- oder Zivildienstes nicht möglich war (vgl Lenneis in Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG2 § 2 Rz 120). Dies entspricht insbesondere auch dem mit der Einführung dieser Bestimmung verfolgten Zweck der Vermeidung einer familienbeihilfenrechtlichen Lücke während der Zeit zwischen einer Schulausbildung und einer weiterführenden Ausbildung (vgl ErläutRV 981 BlgNR XXIV. GP 224) und dient der Gleichstellung mit jenen Fällen, in denen eine unmittelbar nach Beendigung der Schulausbildung frühestmöglich begonnene weitere Berufsausbildung in Folge der Verpflichtung zur Ableistung eines Präsenz- oder Zivildienstes unterbrochen wird.

Im Beschwerdefall besteht vor diesem Hintergrund gem § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 auch für die Zeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des Präsenzdienstes, somit für die Monate Juli 2018 bis September 2018 ein Anspruch auf Familienbeihilfe (vgl auch ).

Betreffend die in den Monaten Oktober 2018 und November 2018 erfolgte Ableistung des Präsenzdienstes kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe jedoch weder auf § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 noch auf § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 gestützt werden. Dies ergibt sich bei § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, im Übrigen ergibt sich dies (auch) aus dem Gesetzeszweck. Der mit den Regelungen des Familienlastenausgleichsgesetzes verfolgte Zweck, der sich schon aus dem Namen dieses Gesetzes ergibt, liegt in einem Beitrag zum Ausgleich der mit der Versorgung, Erziehung und Berufsausbildung von Kindern verbundenen Lasten durch die öffentliche Hand (). Würde der Beitrag zum Ausgleich dieser Lasten auch während jener Zeit zuerkannt werden, während der die Versorgung von Kindern im Zuge der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes durch die öffentliche Hand selbst vorgenommen wird, ließe sich dies nicht mit diesem Gesetzeszweck vereinbaren (vgl ). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher in stRsp die Auffassung, dass die Ableistung des Präsenzdienstes den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind beseitigt (vgl ).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Betreffend die Frage, ob § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 einen Familienbeihilfenanspruch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn eines Präsenz- oder Zivildienstes vermittelt, wenn nach dem Ende des Präsenz- oder Zivildienstes zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine weitere Berufsausbildung begonnen wird, liegt eine Rechtsprechung des VwGH nicht vor. Es ist daher gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100765.2020

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