Schätzung von Einkünften gemäß § 184 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Aufgrund einer Kontrollmitteilung erlangte das Finanzamt im Mai 2017 Kenntnis davon, dass der Beschwerdeführer neben seinem Bruder zu 50% beteiligter Gesellschafter und Geschäftsführer der im August 2016 in der Schweiz gegründeten X GmGH ist und übermittelte dem Beschwerdeführer, der bis dahin keine Einkünfte erklärt hatte, eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016.
2. Am langte beim Finanzamt eine (abgesehen von den persönlichen Daten) leere Einkommensteuererklärung 2016 samt ebenfalls leerer Beilage E 1a ein.
3. Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführer ersucht, die Höhe der Geschäftsführerbezüge und allfälliger Ausschüttungen bekanntzugeben bzw. im Falle fehlender Einkünfte mitzuteilen, wie der Lebensunterhalt finanziert werde und den Schweizer Abgabenbescheid vorzulegen.
4. Mit Erinnerungsschreiben vom ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer neuerlich um Beantwortung des Vorhaltes.
5. Nachdem auch darauf keine Reaktion erfolgt war, brachte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2016 vom im Schätzungswege ermittelte Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 26.100,00 € (30.000,00 € abzüglich Gewinnfreibetrag) in Ansatz.
6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Beschwerde. Er habe im Jahr 2016 keine Einkünfte von der X GmbH bezogen und habe, da er noch zu Hause bei seinen Eltern wohne und von diesen unterstützt werde, auch keine Fixkosten zu tragen.
7. Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer zu einer Vorsprache beim Finanzamt vorgeladen und ersucht, die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der X GmbH (Schweiz) sowie der Y d.o.o. (Kroatien) für die Jahre 2014 bis 2016 vorzulegen.
8. Im Zuge der am erfolgten Vorsprache legte der Beschwerdeführer die Jahresabschlüsse der Y d.o.o. der Jahre 2014, 2015 und 2016 sowie einen Handelsregisterauszug der X GmbH vor und gab zusammengefasst an, dass er arbeitslos sei, aber kein Arbeitslosengeld erhalte. Er konzentriere sich darauf, zusammen mit seinem Bruder die X GmbH in der Schweiz aufzubauen. Es seien bereits Spieler unter Vertrag genommen worden und es sei auch zu (minimalen) Provisionszahlungen an die X GmbH gekommen. Er sei - ebenso wie sein Bruder - zu 50% beteiligter Gesellschafter und Geschäftsführer, habe von der Gesellschaft aber weder Geschäftsführerbezüge noch Ausschüttung erhalten. Auch habe er in den letzten Jahren keine Reisekostenvergütungen erhalten. Die Y d.o.o. sei in Kroatien gegründet worden. Die Gesellschaft übe keine Tätigkeit mehr aus, sei aber noch nicht gelöscht worden. Er lebe derzeit bei seinen Eltern, die ihn finanziell unterstützten. Zum Leben benötige er maximal 120,00 bis 150,00 € im Monat. Anfallende Fixkosten, zB für das Telefon, würden von seinen Eltern übernommen. Aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug sei ersichtlich, dass die X GmbH erst am gegründet worden sei. Im Jahr 2016 sei daher kein separater Jahresabschluss zu erstellen gewesen, jener für das Jahr 2017 sei noch nicht fertig.
9. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer bekämpfe zwar die Höhe der Schätzung, habe die tatsächliche Höhe der Einkünfte aber ungeachtet auch der ihn treffenden erhöhten Mitwirkungspflicht nach wie vor nicht offengelegt. Ebenso sei er eine Antwort auf die Frage, von welchen Einkünften er den Lebensunterhalt bestritten habe, schuldig geblieben. Er habe im Zuge der persönlichen Vorsprache angegeben, über keine Einkünfte zu verfügen und von seinen Eltern mit monatlich 120,00 € bis € 150,00 € unterstützt zu werden. Diese Zahlungen seien nicht belegt worden. Auch sei die bloße Behauptung, es würden keine Einkünfte erzielt, nicht glaubhaft. Zudem sei der Jahresabschluss der Schweizer GmbH nicht vorgelegt worden. Die Schätzung der Einkünfte entspreche nach gängiger Verwaltungspraxis dem üblichen Wirtschaftsleben und könne damit der Lebensunterhalt finanziert werden. Zudem sei anlässlich der Gründung der GmbH im Jahr 2016 eine anteilige Stammeinlage in Höhe von 10.000,00 CHF geleistet worden und sei auch diesbezüglich die Mittelherkunft nicht dargelegt worden.
10. Mit als Vorlageantrag zu wertendem Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
II. Sachverhalt
Der im Inland ansässige Beschwerdeführer und sein Bruder sind zu je zur Hälfte an der am im Schweizer Handelsregister eingetragenen, am Standort einer Advokatur- und Notariatskanzlei domizilierten X GmbH beteiligt. Das Stammkapital der Gesellschaft ist mit 20.000,00 CHF angegeben, der Unternehmenszweck besteht im Betrieb einer Sportagentur.
Als Geschäftsführer sind im Handelsregister der Beschwerdeführer, sein Bruder und ein weiterer in der Schweiz ansässiger österreichischer Staatsbürger eingetragen. Auf der Homepage der Gesellschaft sind als Kontaktdaten die E-Mail-Adressen sowie die Handynummern des Beschwerdeführers und seines Bruders angegeben. Zwischenzeitig wurde die seit 2019 in Liquidation befindliche Gesellschaft von Amtes wegen als aufgelöst erklärt (siehe Handelsregistereintrag vom tt.mm.jjjj).
Der Beschwerdeführer hat im Streitjahr keine Einkünfte erklärt. Ein Geschäftsführervertrag wurde ebenso wie der Jahresabschluss der X GmbH nicht vorgelegt. Die Herkunft der Mittel für die Deckung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten wurde nicht belegt.
III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Nach § 22 Z 2 EStG 1988 zählen Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden, zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt.
Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt (der zweite Satz wurde der Bestimmung durch BGBl. I Nr. 136/2017 angefügt).
Der amtlichen Ermittlungspflicht gegenüber steht die nach § 119 Abs. 1 BAO den Abgabepflichtigen treffende Verpflichtung, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen. In Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht haben die Abgabepflichtigen gemäß § 138 Abs. 1 BAO auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen oder, falls ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden kann, glaubhaft zu machen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes findet die amtswegige Ermittlungspflicht dort ihre Grenzen, wo der Abgabenbehörde weitere Nachforschungen nicht mehr zugemutet werden können und wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (). In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Ver-pflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (vgl. Ritz, BAO6, § 115 Tz 9, mwN). Behauptet die Partei des Abgabenverfahrens das Vorliegen ungewöhnlicher Umstände, so unterliegt sie bei Feststellung dieser Verhältnisse einer erhöhten Mitwirkungspflicht (vgl. , mwN). Weiters trifft den Abgabepflichtigen nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (nunmehr auch gesetzlich normiert) eine erhöhte Mitwirkungspflicht, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben (vgl. , mwN, , mwN, und , mwN). Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihm, Beweise für die Aufklärung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen und hat die Partei diesfalls durch konkrete und vollständige Aufklärung der Tatsachen den Anschein zu widerlegen, der sich für die Abgabenbehörde aufgrund der ihr zur Kenntnis gelangten Umstände bot (vgl. ).
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände zu schätzen. Insbesondere ist dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind (§ 184 Abs. 2 BAO).
Ist eine Schätzung zulässig, steht der Abgabenbehörde die Wahl der Schätzungsmethode nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich frei, wobei im Einzelfall jener Methode der Vorzug zu geben ist, die zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. ua. , und , mwN). Die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit muss dabei aber derjenige hinnehmen, der zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt (vgl. , mwN). Insoweit befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens den Abgabepflichtigen auch im Rahmen einer Schätzung gemäß § 184 BAO nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (vgl. ).
In dem über die Beschwerde des Bruders des Beschwerdeführers, dessen Einkünfte in gleicher Weise geschätzt wurden, absprechenden Erkenntnis vom , RV/1100505/2018, hat das Bundesfinanzgericht die Rechtmäßigkeit der Schätzung dem Grund nach mit der Begründung bejaht, es sei nicht glaubwürdig, dass keinerlei Einkünfte erzielt würden und der Lebensunterhalt ausschließlich mittels finanzieller Unterstützung der Eltern bestritten werde, zumal auch der Aufforderung des Finanzamtes, die Jahresabschlüsse und die Steuererklärungen der X GmbH vorzulegen, nicht entsprochen worden sei. Hinsichtlich der Höhe der im Schätzungswege ermittelten Einkünfte hat das Bundesfinanzgericht ausgeführt, dass Geschäftsführerbezüge in Höhe von 2.500,00 € monatlich (30.000 € jährlich) grundsätzlich nicht als überschießend anzusehen seien, im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft erst im August des Streitjahres gegründet worden sei, eine Hinzurechnung von Geschäftsführerbezügen aber erst ab August erfolgen könne und der Ermittlung der Einkünfte daher Bezüge in Höhe von 12.500,00 € zugrunde zu legen seien.
Das Bundesfinanzgericht hegt aus den im genannten Erkenntnis angeführten Gründen und aufgrund des gleich gelagerten Sachverhaltes auch im Beschwerdefall keine Zweifel bezüglich der Schätzungsberechtigung. Ebenso stellte sich die Schätzung der Höhe nach als nicht unschlüssig dar, zumal der Beschwerdeführer keine anderen Einkünfte erklärt hat und weder konkrete Angaben über seine Lebenshaltungskosten gemacht noch die Zahlungen von seinen Eltern belegt hat und zudem weder einen Jahresabschluss der X GmbH vorgelegt noch belegte oder nachprüfbare Angaben über vermittelte Spieler und vereinnahmte Provisionen gemacht hat.
Der Beschwerde war somit insoweit teilweise Folge zu geben, als die Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Streitjahr ausgehend von Bezügen in Höhe von 12.500,00 € unter Berücksichtigung des Gewinnfreibetrages (13%) mit 10.875,00 € in Ansatz zu bringen waren.
IV. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Schätzung der Einkünfte des Beschwerdeführers beruht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach auf nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird dadurch nicht berührt und ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100506.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at