Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.11.2020, RV/7103047/2013

Unzuständiges Finanzamt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke über die als Beschwerde weiterwirkende Berufung des ***1*** ***2***, ***3*** ***4***, ***5*** u. ***6***, Ungarn, vertreten durch Fidas Eisenstadt Steuerberatung GmbH, 7000 Eisenstadt, Kaiserallee 8a, vom , gegen den Bescheid des Finanzamts Bruck Eisenstadt Oberwart, 7400 Oberwart, Prinz Eugen Straße 3, vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für Jänner bis September 2012, gemäß § 253 BAO weiterwirkend gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 vom , alle zur Steuernummer ***7***, zu Recht erkannt:

I. Der Bescheid vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für Jänner bis September 2012 und der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 vom werden gemäß § 279 BAO wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang 2

Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-9/2012 2

Berufung 3

Berufungsvorentscheidung 4

Vorlageantrag 4

Nachschau 5

Vorlage 6

Nichterledigung durch den UFS 6

Umsatzsteuererklärung 2012 6

Umsatzsteuerbescheid 2012 7

Keine Zustellvollmacht 7

Mündliche Verhandlung 8

Mitteilung an den Beschwerdeführer 8

Vollmachtsvorlage 9

Ladung 10

Ratenzahlung 10

Mitteilung des Finanzamts 10

Information des Bf 10

Mitteilung des Vertreters des Bf 11

Keine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung 11

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen: 11

Sachverhalt 11

Beweiswürdigung 12

Rechtsgrundlagen 12

Kleinunternehmerregelung 16

Unzuständigkeit des Finanzamts Bruck Eisenstadt Oberwart 17

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids 18

Vollstreckung 18

Zusammenfassung 19

Revisionsnichtzulassung 19

Die Zustellung erfolgt an: 21

Verfahrensgang

Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-9/2012

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Berufungswerber (Bw) und späteren Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2*** die Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner bis September 2012 mit 1.600,00 € fest:

Begründend wurde ausgeführt:

Die Festsetzung war erforderlich, weil sich Ihre Selbstberechnung als unrichtig erwiesen hat, bzw. weil Sie, obwohl eine Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung(en) bestand, keine/ unvollständige Voranmeldung(en) eingereicht haben.

Berufung

Gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-9/2012 erhob der Bf durch seine steuerliche Vertretung mit Schreiben vom Berufung:

Namens und Auftrags unserer oben genannten Mandantschaft erheben wir gegen den Umsatzsteuerbescheid vorn 19. November dJ innerhalb offener Frist, das Rechtsmittel der

Berufung

und begründen dies wie folgt:

Bezugnehmend auf unser Schreiben vom beantragen wir die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gem. § 6 (1) Z 27 UStG. Herr ***2*** hat einen Sitz im Inland und seine Umsätze betragen weniger als EUR 30.000,00. Aufgrund dieser Tatsache und der Tatsache dass er keinen Regelbesteuerungsantrag abgegeben hat, sind seine Umsätze umsatzsteuerfrei zu stellen.

Wir beantragen die Aussetzung der Einhebung der Umsatzsteuerschuld gem.§ 212a BAO.

Im Falle der Vorlage der Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen wir eine mündliche Verhandlung.

Berufungsvorentscheidung

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-9/2012 als unbegründet ab:

Kleinunternehmer ist nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 ein Unternehmer u. a. nur dann, wenn er im Inland einen Sitz oder Wohnsitz hat. Ein Zweitwohnsitz ist dabei ausreichend. Durch den gewöhnlichen Aufenthalt wird diese Voraussetzung ebensowenig erfüllt, wie durch das Vorhandensein einer Betriebsstätte.

(siehe §§ 26 und 27 BAO). Laut Bestätigung vom steht dem Pflichtigen ein Zimmer als" Sitz oder Betriebsstätte" in ***8*** ***9*** ***10***, zur Verfügung.

Mangels Vorliegen eines Wohnsitzes ist die Befreiungsbestimmung für Kleinunternehmer nicht anwendbar. Daher ist die Berufung abzuweisen.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom stellte der Bf durch seine steuerliche Vertretung Vorlageantrag:

Im Namen und im Auftrag unseres Klienten wird der

Antrag

gestellt, die Berufung vom der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Wir dürfen wie folgt Stellung nehmen zur Berufungsvorentscheidung erster Instanz:

Die Berufung wurde abgelehnt, da Herr ***2*** in Österreich über keinen Wohnsitz verfügt. Ein Wohnsitz ist Voraussetzung, um die Umsatzsteuerbefreiung als Kleinunternehmer gem. § 6 (1) Z 27 in Anspruch zu nehmen.

Herr ***2*** hat jedoch einen Wohnsitz in ***8*** ***9*** ***10***. Bilder liegen bei, auf denen ersichtlich ist, dass Herr ***2*** an dieser Adresse auch über eine Schlafmöglichkeit verfügt.

Gem. § 26 BAO gilt als Wohnsitz eine Räumlichkeit, die zum Wohnen geeignet ist und über welche man die tatsächliche Verfügungsmacht (Schlüsselgewalt) hat. Beides trifft bei Herrn ***2*** zu. Wir verweisen hier auch auf das .

Wie schon in der ursprünglichen Berufung beantragen wir eine mündliche Verhandlung.

Beigefügt waren Fotos, die ein Zimmer mit einem Sofa, eine Regalwand, einen Schreibtischsessel, einen Schreibtisch mit diversen Utensilien sowie einen Mann auf dem Schreibtischsessel zeigen.

Nachschau

Das Finanzamt führte hierauf in ***8*** ***9*** ***10*** eine Nachschau durch und nahm dort am folgende Niederschrift mit dem Bf auf:

Ich bin ungarischer Staatsbürger und bin in der Nähe von Szombathely, Ungarn gemeinsam mit meiner Gattin wohnhaft.

Ich war bis zum Jahre 2009 ausschließlich in Ungarn nichtselbständig als Gärtner tätig.

Im Jahre 2009 habe ich bei der Wirtschaftskammer in Oberwart erkundigt, ob ich in Österreich eine selbständige Tätigkeit ausüben kann bzw. welche Voraussetzungen zu erfüllen sind.

Die Auskunft war, dass diesbezüglich eine reine Postanschrift in Österreich genügt.

Ich habe dann als Postanschrift die Adresse ***9*** ***10*** (Einfamilienhaus von ***11*** ***12*** und ***13***) in ***9*** ***10*** der Wirtschaftskammer Oberwart bekanntgegeben.

Die Familie ***11*** ist mir seit Jahren persönlich bekannt, deshalb erfolgte die Duldung der Postanschrift unentgeltlich.

Nach Jahren habe ich erfahren, dass eine reine Postanschrift für die Umsatzsteuerbefreiung als Kleinunternehmer nicht genügt.

Mir wurde dann von meiner steuerlichen Vertretung (***14*** Steuerberatung Gmbh in Eisenstadt) geraten, die Postadresse in eine Betriebsstätte umzuwandeln.

Es wurde dann eine schriftliche Vereinbarung zwischen mir und ***11*** ***12*** getroffen, dass ich an der Adresse ***9*** ***10*** eine Betriebstätte habe. Diese schriftliche Vereinbarung wurde an den steuerlichen Vertreter gefaxt.

Die im Steuerakt aufliegenden Fotos wurden im Zusammenhang mit der Betriebsstätte erstellt.

Das Büro (Foto) an der Anschrift ***9*** ***10*** wurde als solches nie benutzt. Es liegt somit keine Betriebsstätte vor.

Ich möchte aber hiezu festhalten, dass für meine Tätigkeit (Hausservice) ein Büro nicht notwendig ist.

Tatsache ist, dass ich an der Anschrift ***9*** ***10*** auch nie gewohnt habe. Es liegt daher auch kein Wohnsitz in Österreich vor.

Ich habe die Räumlichkeiten im Einfamilienhaus der Familie ***11*** in ***9*** ***10*** bisher weder für Wohnzwecke, noch für betriebliche Zwecke benutzt.

Ich bin mit der Familie ***11*** lediglich freundschaftlich verbunden, sodass ich mich öfters bei der Familie aufhalte.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat als damaliger Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor und führte aus:

Der Bw. hat keinen Wohnsitz in Österreich, sodass die Kleinunternehmerregelung nicht anzuwenden ist.

Das Finanzamt beantragt, die Berufung abzuweisen.

Nichterledigung durch den UFS

Die Berufungen wurden vom Unabhängigen Finanzsenat nicht erledigt.

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Umsatzsteuererklärung 2012

Am langte elektronisch die Umsatzsteuererklärung 2012 ein:

Umsatzsteuerbescheid 2012

Das Finanzamt erließ gegenüber dem Bf mit Datum einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012, der der vom Bf eingereichten Umsatzsteuererklärung folgte.

Die Umsatzsteuer wurde mit 1.170,33 € festgesetzt.

Der Bescheid wurde an den Bf zu Handen der steuerlichen Vertretung adressiert.

Keine Zustellvollmacht

Im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung ist eine steuerliche Vertretung und eine Zustellvollmacht nicht ausgewiesen.

Als Anschrift wird (trotz der Niederschrift vom ) ***8*** ***9*** ***10*** angegeben.

Mündliche Verhandlung

Mitteilung an den Beschwerdeführer

Das Bundesfinanzgericht richtete am folgendes Schreiben an den Bf:

Sehr geehrter Herr ***1*** ***2*** !

Das österreichische Finanzamt hat mit Bescheid vom die Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner bis September 2012 mit 1.600,00 € festgesetzt.

Sie haben durch ihre damalige steuerliche Vertretung mit Schreiben vom Berufung mit dem Antrag erhoben, die Steuerbefreiung als Kleinunternehmer anzuwenden, da Sie einen Sitz in Österreich (und zwar in ***8*** ***9*** ***10***) hätten. Gleichzeitig wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Sie selbst haben anlässlich einer Nachschau am angegeben, dass es sich bei der Anschrift ***8*** ***9*** ***10*** um eine "reine Postanschrift" handle. Das Zimmer in diesem Einfamilienhaus der Familie ***12*** hätten Sie jedoch weder für Wohnzwecke noch für betriebliche Zwecke verwendet.

Mit Datum hat das Finanzamt einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 gemäß Ihrer Steuererklärung erlassen und die Jahresumsatzsteuer mit 1.170,33 € festgesetzt.

Für die Entscheidung über Ihre Berufung ist nunmehr das Bundesfinanzgericht zuständig.

Das Bundesfinanzgericht bedauert, dass auf Grund der großen Anzahl an anhängigen Verfahren eine frühere Bearbeitung Ihrer Berufung, die nunmehr als Beschwerde gilt, nicht möglich war.

In den nächsten Wochen wäre die von Ihrer damaligen steuerlichen Vertretung beantragte mündliche Verhandlung durchzuführen.

Auf Grund der infolge der COVID-19-Maßnahmen von Ungarn angeordneten Reisebeschränkungen wird Ihre Teilnahme an einer Verhandlung in Wien voraussichtlich nicht erfolgen können.

Es bestehen daher folgende Möglichkeiten:

1. Die Verhandlung wird für einen Zeitpunkt festgesetzt, zudem voraussichtlich keine COVID-19-Reisebeschränkungen mehr bestehen. Wann das sein wird, ist derzeit völlig offen; Ihre Beschwerde könnte bis dahin nicht erledigt werden.

2. Für Sie nimmt an der Verhandlung eine Person Ihres Vertrauens teil (muss kein Steuerberater, kann auch ein Bekannter sein), die von Ihnen eine Vollmacht erhält, und die mit der Sachlage vertraut ist.

3. Die Verhandlung findet elektronisch im Weg einer Videokonferenz teil. Hierzu benötigen Sie einen Computer mit Mikrofon, Lautsprecher und Webcam sowie eine entsprechend leistungsfähige Internetverbindung und eine E-Mail-Adresse sowie Microsoft Outlook. Die Videokonferenz erfolgt mittels Skype Meetings App.

4. Sie ziehen den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück. Dann entscheidet das Bundesfinanzgericht auf Grund der Aktenlage. Die Entscheidung kann beispielsweise eine Stattgabe sein, d. h. die Vorschreibung beträgt 0,00 €, oder eine Abweisung, d. h. die letzte Vorschreibung von 1.170,33 € wird bestätigt.

5. Sie ziehen Ihre Berufung zurück. Es erfolgt dann keine Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht in der Sache, die Vorschreibung von 1.170,33 € gemäß Ihrer Steuererklärung 2012 wird rechtskräftig.

Bitte teilen Sie dem Bundesfinanzgericht bis mit, wie weiter vorgegangen werden soll.

Wenn keine Antwort erfolgt, erhalten Sie eine Ladung zur mündlichen Verhandlung im November oder Dezember 2020.

Vollmachtsvorlage

Mit E-Mail vom teilte ***17*** ***18*** in Vertretung von ***1*** ***2*** "als persönlich in dieser Angelegenheit bevollmächtigte Person aus dem Bekanntenkreis" mit, dass "die Einspruch erhebende Person der deutschen Sprache nicht mächtig" sei.

In Ihrem Schreiben werden 5 Möglichkeiten erwähnt, wobei Punkt 2 für mich als Vertretungsperson in Frage kommt. Durch meinen Wohnsitz im Inland unterliege ich auch nicht der Reisebeschränkungen aus Ungarn.

Für Anfragen in dieser Angelegenheit stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und halte die Kommunikation in der Muttersprache der vertretenen Person aufrecht.

Sollten noch weitere Unterlagen erforderlich sein, kann ich deren Nachreichung bei Vorhandensein veranlassen. Dieser Schriftverkehr ergeht per CC auch an die vertretene Person.

Über diesbezügliches Ersuchen des Gerichts wurde am eine Vollmacht des Bf vom selben Tag übermittelt, wonach ***17*** ***18*** wie folgt bevollmächtigt werde:

Ladung

Nach Vorabaviso erfolgte am die Ladung zu mündlichen Verhandlung am .

Ratenzahlung

Über Anfrage von ***17*** ***18*** mit E-Mail vom , ob eine Ratenzahlungsvereinbarung mit einer niedrigen monatlichen Rate möglich wäre, teilte das Gericht am diesem und dem Bf mit E-Mail mit, dass das Bundesfinanzgericht für eine Ratenzahlungsbewilligung nicht zuständig sei.

... Dafür wäre ein Antrag von Herrn ***2*** an das Finanzamt um Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO in Form der ratenweisen Entrichtung erforderlich (siehe auch https://www.bmf.gv.at/themen/steuern/fristen-verfahren/beschwerde-zahlungserleichterung-nachsicht.html). Genaue Auskünfte dazu erhalten Sie von der Vertreterin des Finanzamts im gegenständlichen Verfahren, .... Es ist davon auszugehen, dass das Finanzamt keine Einwendungen gegen eine Ratenzahlung hat, da nach der Aktenlage in der Vergangenheit auch Ratenzahlungen (zu 50 € monatlich) bewilligt worden sind.

Um Ratenzahlung geht es aber jetzt nicht.

Vorher muss das Bundesfinanzgericht entscheiden (Herr ***2*** selbst hat sich ja an das Bundesfinanzgericht gewendet), in welcher Höhe die Abgabenfestsetzung des Finanzamts gegenüber Herrn ***2*** auf Grund der Umsatzsteuerfestsetzung 1-9/2012 (in weiterer Folge: des Umsatzsteuerbescheids 2012) zu Recht erfolgt ist. Es ist also möglich, dass die Festsetzung zur Gänze wegfällt, es ist möglich, dass sie teilweise wegfällt, es ist möglich, dass sie zur Gänze bleibt. Erst dann steht fest, ob Herr ***2*** dem Finanzamt noch etwas schuldet. Wenn nach der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ein Rückstand auf dem Abgabenkonto von Herrn ***2*** bleibt, kann Herr ***2*** - bei Bewilligung durch das Finanzamt - in Raten zahlen...

Mitteilung des Finanzamts

Die Vertreterin des Finanzamts teilte mit E-Mail vom dem Gericht mit, dass die für anberaumte Verhandlung seitens des Finanzamt zufolge der aktuellen COVID-19-Riskiosituation und des Umstands, dass seitens des Finanzamts kein neues Vorbringen notwendig sei, seitens der belangten Behörde unbesucht bleiben werde.

Information des Bf

Das Gericht informierte den Bf und seinen Vertreter mit E-Mail vom über die Mitteilung des Finanzamts vom selben Tag sowie über den Inhalt der mit dem Bf. vom Finanzamt am aufgenommenen Niederschrift und führte unter anderem aus:

... Das Finanzamt wird daher an der mündlichen Verhandlung am Montag, nicht teilnehmen.

Sollte Herr ***18*** angesichts der derzeitigen COVID-19-Lage ebenfalls nicht kommen wollen, bitte um kurze Mitteilung mit E-Mail bis Samstag, . Ein Vorbringen von Ihnen, das aus Ihrer Sicht bei der Verhandlung besprochen werden sollte, haben Sie bisher nicht mitgeteilt.

Da das Finanzamt nicht an der Verhandlung teilnimmt, besteht die Verhandlung aus dem Vortrag der Sache (also was das Finanzamt bisher entschieden hat und was Sie bisher dagegen eingewendet haben sowie aus Ihrer Darstellung in der Niederschrift vom ) sowie Ihren in der Verhandlung vorzubringenden Ausführungen bzw. den Ausführungen von Herrn ***18***, was Ihrer Meinung nach der Ansicht des Finanzamts entgegen gehalten wird. Dann wird voraussichtlich, sofern nicht weitere Beweisaufnahmen erforderlich sind, die Verhandlung geschlossen und die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ergeht schriftlich...

Mitteilung des Vertreters des Bf

Mit E-Mail vom teilte ***17*** ***18*** mit:

... zum aktuellen Zeitpunkt und in Rücksprache mit Herrn ***1*** ***2*** kann ich keine weiteren Beweismittel oder Vorbringen zu seinen Gunsten einbringen. Mir war die Niederschrift bis dato noch nicht bekannt, alleine nur die mündliche Überlieferung. Die einzige zusätzliche Information aus meiner Auskunft, die in dieser Niederschrift nicht erwähnt wurde, ist die informationsgebende Kontaktperson zum damaligen Zeitpunkt bei der Wirtschaftskammer Oberwart, Frau ***15*** ***16***.

Aufgrund der derzeitigen COVID-19-Lage und der Tatsache, dass keine neuen Vorbringen vorhanden sind, möchte ich die Bitte äußern, an der persönlichen, mündlichen Verhandlung als Vertretungsperson des Beschwerdeführers nicht teilnehmen zu wollen....

Keine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung

Die mündliche Verhandlung am blieb - wie angekündigt - seitens der Parteien unbesucht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf ***1*** ***2*** ist ungarischer Staatsbürger und wohnt gemeinsam mit seiner Ehegattin in ***3*** ***4***, ***5*** u. ***6***, Ungarn. ***4*** ist von ***9*** etwa 26 km entfernt.

Der Bf war bis zum Jahr 2009 ausschließlich in Ungarn nichtselbständig als Gärtner tätig.

Ab dem Jahr 2009 war der Bf in Österreich als Unternehmer tätig und betrieb ein Hausservice.

Da dem Bf von der Wirtschaftskammer die Auskunft erteilt worden ist, er benötige für eine selbständige Tätigkeit in Österreich eine Postanschrift in Österreich, ersuchte er die ihm bekannte Familie ***11*** in ***9***, deren Einfamilienhaus als Postanschrift verwenden zu dürfen, was ihm - unentgeltlich - gestattet wurde.

Über Anraten seiner steuerlichen Vertretung wurde in den Folgejahren zwischen dem Bf und ***12*** ***11*** vereinbart, dass der Bf im Einfamilienhaus der Familie ***11*** in einem Büroraum mit Schlafgelegenheit eine Betriebsstätte habe.

Der Bf hat - jedenfalls bis zum Jahr 2013 - diesen Raum im Einfamilienhaus der Familie ***11*** nie genutzt, und zwar weder zur Ausübung seines Betriebs als Hausbetreuer noch für eigene Wohnzwecke.

Der Bf hatte - jedenfalls bis zum Jahr 2013 - nicht die Absicht, diesen Raum als Wohnung beizubehalten und zu benutzen oder für seine unternehmerische Tätigkeit zu verwenden.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Niederschrift mit dem Bf vom . Ob nach Aufnahme dieser Niederschrift eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, steht nicht fest, ist aber für die gegenständliche Entscheidung nicht von Bedeutung.

Rechtsgrundlagen

§ 26 Abs. 1 BAO lautet:

§ 26. (1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

§ 29 BAO lautet:

§ 29. (1) Betriebsstätte im Sinn der Abgabenvorschriften ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 31) dient.

(2) Als Betriebsstätten gelten insbesondere

a) die Stätte, an der sich die Geschäftsleitung befindet;

b) Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Warenlager, Ein- und Verkaufsstellen, Landungsbrücken (Anlegestellen von Schiffahrtsgesellschaften), Geschäftsstellen und sonstige Geschäftseinrichtungen, die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Betriebes dienen;

c) Bauausführungen, deren Dauer sechs Monate überstiegen hat oder voraussichtlich übersteigen wird.

§ 50 BAO lautet:

§ 50. Die Abgabenbehörden haben ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

§ 207 BAO lautet:

§ 207. (1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

(3) Das Recht zur Verhängung von Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie zur Anforderung von Kostenersätzen im Abgabenverfahren verjährt in einem Jahr.

(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

(5) Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß für Abgaben, deren vorsätzliche Verkürzung nicht in den Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes fällt.

§ 1 AVOG 2010 lautete:

§ 1. (1) Die sachliche Zuständigkeit regelt den nach der Art der Abgabe- und Verwaltungsangelegenheit umschriebenen Aufgabenbereich der Abgabenbehörde.

(2) Die örtliche Zuständigkeit regelt nach territorialen Gesichtspunkten, welcher Abgabenbehörde im Falle des Vorliegens von mehreren sachlich zuständigen Abgabenbehörden die Amtshandlung obliegt.

§ 6 AVOG 2010 lautete:

§ 6. Die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben endet, außer bei Erlassung eines Delegierungsbescheides, mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Vom Übergang der Zuständigkeit ist der Abgabepflichtige in Kenntnis zu setzen; gegenüber Arbeitnehmern (§ 47 Einkommensteuergesetz 1988, EStG 1988) ist dies nur erforderlich, wenn eine Veranlagung nach § 41 EStG 1988 beim Übergang der Zuständigkeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Solange eine vorgesehene Verständigung nicht ergangen ist, können Anbringen auch noch an die bisher zuständig gewesene Abgabenbehörde gerichtet werden.

§ 13 AVOG 2010 lautete:

§ 13. (1) Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegen für ihren Amtsbereich

1. die Erhebung der Abgaben (§ 49 Abs. 2 BAO), soweit diese nicht durch Abgabenvorschriften anderen Behörden übertragen ist,

2. die Prüfung der Vollständigkeit und Zulässigkeit, die Weiterleitung von Anträgen auf Vorsteuererstattung für im Inland ansässige Unternehmer in Anwendung von Art. 18 der Richtlinie 2008/9/EG zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, ABl. Nr. L 44 vom S. 23, und die Zustellung von Erledigungen der Abgabenbehörden der anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf derartige Anträge sowie

3. die Vollziehung der den Abgabenbehörden erster Instanz mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und dem Glücksspielgesetz zugewiesenen Aufgaben.

(2) Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegt für das gesamte Bundesgebiet die Entgegennahme von Anbringen in den von Finanzämtern zu vollziehenden Abgabenangelegenheiten zur Weiterleitung an das im Anbringen bezeichnete Finanzamt. Ausgenommen davon sind Angelegenheiten der Abgabenvollstreckung. Die Weiterleitung ist nur in jenen Fällen fristwahrend, in denen das für das Anbringen zuständige Finanzamt bezeichnet ist.

§ 17 AVOG 2010 lautete:

§ 17. Dem Finanzamt Graz-Stadt obliegt für das gesamte Bundesgebiet die Erhebung der Umsatzsteuer von Unternehmern, die ihr Unternehmen vom Ausland aus betreiben und im Inland weder eine Betriebsstätte haben noch Umsätze aus der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes erzielen.

§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 lautete i. d. F. BGBl. I Nr. 112/2012:

§ 6. (1) Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

...

27. die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich;

...

Art. 281 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet:

Artikel 281

Mitgliedstaaten, in denen die normale Besteuerung von Kleinunternehmen wegen deren Tätigkeit oder Struktur auf Schwierigkeiten stoßen würde, können unter den von ihnen festgelegten Beschränkungen und Voraussetzungen nach Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung und Steuererhebung, insbesondere Pauschalregelungen, anwenden, die jedoch nicht zu einer Steuerermäßigung führen dürfen.

Art. 283 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet:

Artikel 283

(1) Dieser Abschnitt gilt nicht für folgende Umsätze:

a) die in Artikel 12 genannten gelegentlichen Umsätze;

b) die Lieferungen neuer Fahrzeuge unter den Voraussetzungen des Artikels 138 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a;

c) die Lieferungen von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.

(2) Die Mitgliedstaaten können von der Anwendung dieses Abschnitts auch andere als die in Absatz 1 genannten Umsätze ausschließen.

Art. 290 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet:

Artikel 290

Steuerpflichtige, die für die Steuerbefreiung in Betracht kommen, können sich entweder für die normale Mehrwertsteuerregelung oder für die Anwendung der in Artikel 281 genannten vereinfachten Modalitäten entscheiden. In diesem Fall gelten für sie die in den nationalen Rechtsvorschriften gegebenenfalls vorgesehenen degressiven Steuerermäßigungen.

Kleinunternehmerregelung

Gemäß Art. 283 Abs. 1 Buchst. c RL 2006/112/EG ist unionsrechtlich die Kleinunternehmerregelung nicht anwendbar auf die Lieferungen von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.

Das nationale Recht hat die unionsrechtliche Vorgabe in § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Fassung dahingehend umgesetzt, dass Kleinunternehmer ein Unternehmer ist, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat, und eine bestimmte Umsatzgrenze nicht überschreitet.

Der EuGH hat ausgesprochen, dass die Gültigkeit von Art. 283 Abs. 1 Buchst. c RL 2006/112/EG durch Art. 49 EG nicht berührt wird. Die Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf diejenigen Kleinunternehmen, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, ansässig sind, sei primärrechtlich zulässig (vgl. , Ingrid Schmelz, ECLI:EU:C:2010:345).

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hatte der Bf im Jahr 2012 in Österreich eine Adresse, an der ihn Postsendungen erreichten, aber weder eine Wohnung noch einen Sitz oder eine Betriebsstätte.

Dem Bf stand zwar in einem Einfamilienhaus in Österreich ein Raum zur Verfügung, er hatte aber nicht die Absicht, diesen als Wohnung beizubehalten und zu benutzen oder für seine unternehmerische Tätigkeit zu verwenden. Der Bf hat jedenfalls bis zum Jahr 2013 diesen Raum auch nie genutzt.

Zur Wohnsitzbegründung ist erforderlich, dass die Wohnung tatsächlich zum Wohnen bezogen worden ist. Der Begriff des Wohnsitzes schließt somit ein zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung vor Ort - und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der polizeilichen Anmeldung ist kein entscheidendes Gewicht beizumessen (vgl. ).

Damit war der Bf im Jahr 2012 in Österreich nicht ansässig.

Der Bf hatte auch keine Betriebsstätte in Österreich.

Eine Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung liegt nur dann vor, wenn die Niederlassung eines Steuerpflichtigen einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur hat, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (vgl. z.B. , ARO Lease, ECLI:EU:C:1997:374; , Planzer Luxembourg, ECLI:EU:C:2007:397; , Welmory sp. z o.o., ECLI:EU:C:2014:2298). Dem entspricht nunmehr Art. 11 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (DVO (EU) Nr. 282/2011), der auch für vor seinem Inkrafttreten liegende Zeiträume zu berücksichtigen ist (vgl. , Welmory sp. z o.o., ECLI:EU:C:2014:2298).

Der Unternehmer unterhält dann eine Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung, wenn er umfassenden Zugriff auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistung ermöglicht (vgl. BFH , XI R 3/18).

Der Bf hatte nach seinen eigenen Angaben nicht vor, den Raum im Einfamilienhaus seiner Bekannten für betriebliche Zwecke zu nutzen, zumal die Art seiner Tätigkeit - Haus- und Gartenservice - eine mobil ausgeübte war und eine Betriebsstätte oder feste Niederlassung neben seiner Wohnung in Ungarn nicht erforderte.

Mangels Ansässigkeit, also Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder Wohnsitz in Österreich, war im Jahr 2012 die Kleinunternehmerregelung auf den Bf nicht anwendbar.

Unzuständigkeit des Finanzamts Bruck Eisenstadt Oberwart

Aus den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich ebenfalls, dass der Bf im Jahr 2012 (ebenso wie in den Jahren davor) in Österreich über keine Betriebsstätte (keine feste Niederlassung) verfügt hat.

Der Bf hat zwar in Österreich Umsätze als Haus- und Gartenbetreuer getätigt, sein Unternehmen aber von Ungarn aus betrieben.

Umsätze aus der Nutzung eines in Österreich gelegenen Grundbesitzes hat der Bf nicht erzielt.

Hieraus folgt, dass gemäß § 17 AVOG 2010 in der für den Beschwerdezeitraum maßgeblichen Fassung das Finanzamt Graz-Stadt für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständig war.

Dem Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart als Finanzamt mit allgemeinen Aufgabenkreis gemäß § 13 AVOG 2010 fehlte es zufolge der Spezialzuständigkeit des Finanzamts Graz-Stadt an der Zuständigkeit zur Erlassung sowohl des Umsatzsteuerfestsetzungsbescheids 1-9/2012 als auch des Umsatzsteuerjahresbescheids 2012.

Da das Finanzamt nach der Aktenlage vor dem Jahr 2012 niemals zur Erhebung der Umsatzsteuer hinsichtlich des Bf zuständig war, kommt die Regelung des § 6 AVOG 2010 betreffend Zuständigkeitsübergang nicht zum Tragen.

Das bedeutet, dass sowohl der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-9/2012 als auch der Umsatzsteuerjahresbescheid 2012 durch ein nicht zuständiges Finanzamt erlassen wurden.

Gemäß § 50 BAO haben die Abgabenbehörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.

Die Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Wirksamwerdens (§ 97 BAO) des Bescheides (vgl. ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3. A., § 50 Anm 9).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl. ).

Eine allfällige Unzuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (vgl. Ritz, BAO, 6. A, § 50 Rz 3 unter Hinweis auf ; ; ), somit auch im Rechtsmittelverfahren (vgl. ).

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart hätte spätestens anlässlich der Erlassung der Berufungsvorentscheidung seine Unzuständigkeit wahrnehmen und den Fall an das zuständige Finanzamt Graz-Stadt abtreten müssen.

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Es erweist sich daher sowohl der angefochtene Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-9/2012 als auch der Jahressteuerbescheid 2012 als mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet.

Demzufolge ist gemäß § 279 BAO zunächst der Jahressteuerbescheid 2012, gegen den gemäß § 253 BAO die Berufung gegen den Festsetzungsbescheid weiterwirkt, aufzuheben.

Da der Umsatzsteuerbescheid 2012 (§ 21 Abs. 4 UStG 1994) mit dieser Aufhebung aus dem Rechtsbestand ausscheidet, tritt dieser nicht mehr an die Stelle des Festsetzungsbescheids (§ 21 Abs. 3 UStG 1994) und ist daher auch der Festsetzungsbescheid 1-9/2012 aufzuheben.

Vollstreckung

Gemäß § 25 Abs. 1 BFGG und § 282 BAO ist das Finanzamt verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die entsprechenden Buchungen am Abgabenkonto vorzunehmen. Es wird in weiterer Folge den Akt an das Finanzamt Graz-Stadt abzutreten haben.

Zusammenfassung

Der Bf ***1*** ***2*** hat im Jahr 2012 und in den Vorjahren über keinen Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder Wohnsitz in Österreich verfügt. Die Kleinunternehmerregelung war daher auf die in Österreich erzielten Umsätze nicht anwendbar, allerdings stand dem Bf die mit diesen Umsätzen in Zusammenhang stehende Vorsteuer zu. Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart ist mit seiner Auffassung somit grundsätzlich im Recht.

Der angefochtene Bescheid war aber deswegen aufzuheben, da dieser von einem nicht zuständigen Finanzamt erlassen worden ist. Ob daraus folgt, dass der Bf dem Finanzamt noch etwas schuldet oder ob ein Guthaben des Bf besteht, ist der dem Bf vom Finanzamt zugehenden Buchungsmitteilung zu entnehmen. Sollte diese infolge dieser Entscheidung ein Guthaben ausweisen, kann vom Bf mit Schreiben an das Finanzamt die Rückzahlung des Guthabens auf ein von ihm bekanntzugebendes Konto verlangen.

Ob das Finanzamt Graz-Stadt als zuständiges Finanzamt einen neuen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 erlassen darf, hängt davon ab, ob gemäß § 207 BAO Verjährung eingetreten ist.

Revisionsnichtzulassung

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Bundesfinanzgericht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, ist eine Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 283 Abs. 1 Buchstabe c RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 50 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 13 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010
§ 17 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010
Art. 281 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Art. 283 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Art. 290 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103047.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at