Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.09.2020, RS/5100011/2020

Säumnisbeschwerde betreffend Löschung gemäß § 235 BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RS/5100011/2020-RS1
Die Löschung gemäß § 235 BAO ist von Amts wegen zu verfügen. Ein Antrag auf Löschung ist nicht vorgesehen (Ritz, BAO, § 235 Tz 2 mit Hinweis auf ). Ein „Antrag“ auf Löschung kann daher lediglich als Anregung gewertet werden und unterliegt nicht der Entscheidungspflicht (Ellinger, BAO, § 85a Tz 4 und § 235 Tz 10; Stoll, BAO, 2414).
RS/5100011/2020-RS2
Da keine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Löschungsbescheides allein wegen Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 Abs. 1 BAO gegeben ist, sondern in diesem Fall das Ermessen im Sinne des § 20 BAO zu üben ist, gelangt § 284 Abs. 1 zweiter Fall BAO nicht zur Anwendung und ist eine Säumnisbeschwerde damit nicht zulässig. Damit kommt es auch zu keinem Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesfinanzgericht gemäß § 284 Abs. 3 BAO.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***1***, als Vorsitzender des Stiftungsvorstandes, über die Säumnisbeschwerde vom , eingelangt am , in der eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das ***FA*** betreffend Löschung von Abgabenschuldigkeiten gemäß § 235 BAO (Abgabenkontonummer ***2***) behauptet wird, beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Begründung

1) Sachverhalt

Den Eintragungen im Firmenbuch zu FN ***3*** ist zu entnehmen, dass die beschwerdeführende Privatstiftung mit Stiftungsurkunde vom ***4*** gegründet wurde. Stiftungszweck war die Erwirtschaftung möglichst hoher Erträge der Firma ***5*** GmbH & Co KG (FN ***6***), deren Kommanditistin sie war.

Ferner ist den Eintragungen im Firmenbuch zu entnehmen, dass die Privatstiftung mit Vorstandsbeschluss vom aufgelöst wurde.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Kommanditgesellschaft wurde bei der Privatstiftung gemäß § 295 Abs. 1 BAO mit Bescheid vom die Körperschaftsteuer 2011 neu festgesetzt. Aus diesem Bescheid ergab sich eine Nachforderung an Körperschaftsteuer 2011 in Höhe von 1,014.438,00 €, die am fällig war. Ferner wurden Anspruchszinsen in Höhe von 36.543,10 € mit demselben Fälligkeitstermin festgesetzt.

Dem Abgabenkonto ist zu entnehmen, dass am weiters Stundungszinsen in Höhe von 3.405,18 € (fällig am ) und mit Bescheid vom Aussetzungszinsen in Höhe von 1.912,79 € (fällig am ) festgesetzt wurden.

In der verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Vorsitzenden des Stifungsvorstandes, folgendes vor:

Mit Schreiben vom habe ich namens der ***Bf1*** an das ***FA*** den Antrag gestellt, sämtliche Abgabenschuldigkeiten der Stiftung gem. § 235 BAO zu löschen. Die Kopie dieses Antrags, dessen Inhalt hiermit ergänzend zum Inhalt dieser Säumnisbeschwerde erklärt wird, ist beigeschlossen. Über dieses Anbringen hat das ***FA*** nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden und damit seine Entscheidungspflicht nach § 85a BAO verletzt. Die ***Bf1*** erhebt Säumnisbeschwerde nach § 284 BAO gegen das ***FA*** und in dessen Fortsetzung gegen das Finanzamt für Großbetriebe und stellt an das Bundesfinanzgericht den

Antrag,

an die Abgabenbehörde den Auftrag ergehen zu lassen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde durch an die ***Bf1*** gerichteten Bescheid über deren Anbringen vom betreffend die Löschung der Abgabenschulden der ***Bf1*** gem. § 235 BAO zu entscheiden. Der Inhalt des unerledigten Antrags wird im Folgenden dargestellt:

Die ***Bf1*** ist aufgelöst und wurde ordnungsgemäß abgewickelt. Die Abwicklung wurde am abgeschlossen. Wie in § 36 (2) Privatstiftungsgesetz zwingend vorgesehen, wurde das verbleibende Vermögen der aufgelösten Privatstiftung den Letztbegünstigten mit einem Betrag von 17.772,- übertragen und die Kapitalertragsteuer für diese Zuwendung an das Finanzamt überwiesen. Damit trat - wie das PSG zwingend vorsieht - vollständige und dauerhafte Vermögenslosigkeit der Stiftung ein. Alle steuerlichen Verfahren der Stiftung seit ihrer Gründung im Jahr 2000 waren rechtskräftig abgeschlossen und erledigt, alle Steuern bezahlt, und damit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 160 (3) und (4) BAO gegeben.

Der vom Stiftungsvorstand am elektronisch gestellte Antrag auf Ausstellung der für die Löschung der Stiftung im Firmenbuch erforderlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde vom ***FA*** unerledigt gelassen. Erst Wochen später wurde für den Stiftungsvorstand erkennbar, daß das Finanzamt damit bewußt die Löschung der Stiftung im Firmenbuch verhinderte, um noch eine steuerliche Außenprüfung der Stiftung (zuständig ***FA***) und der Kommanditgesellschaft ***5*** GesmbH & Co KG (zuständig Finanzamt ***7***, Steuernr. ***8***), an der die Stiftung als Kommanditistin mit einem Anteil von 99,9 % beteiligt war, durchführen zu können. ln diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß das Finanzamt für eine Prüfung das ganze gesetzlich vorgesehene Sperrjahr lang zwischen der Auflösung und der Beendigung der Abwicklung der Stiftung Zeit hatte und diese Zeit nicht genutzt hat. Die Prüfung begann im April 2014 und führte auf Grund einer von der Stiftung und der Kommanditgesellschaft bestrittenen Gewinnerhöhung des Jahres 2011 der Kommanditgesellschaft zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer 2011 der Stiftung, die mit Bescheid vom vorgeschrieben wurde. Mit dieser durch Rechtsmittel bestrittenen und bis jetzt nicht rechtskräftigen Steuer begründet das ***FA*** seither die Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Löschung der ***Bf1*** im Firmenbuch, sodaß diese - obwohl seit mehr als 6 Jahren materiell untergegangen - weiterhin als existent im Firmenbuch eingetragen ist und damit der Öffentlichkeit fälschlich als noch bestehend dargestellt wird.

Den steuerlichen Prüfern der Stiftung in den Monaten April bis Juni 2014 wurde die Schlußrechnung der Abwicklung mit einem Vermögen von Null vorgelegt. Sie stellten kein Stiftungsvermögen fest und erhoben keine Einwände gegen die steuerliche und stiftungsrechtliche Ordnungsmäßigkeit der am abgeschlossenen Abwicklung der Stiftung.

Trotzdem hat das ***FA*** der ***Bf1***, die seit ordnungsgemäß abgewickelt und vollständig vermögenlos war, fünf Monate nach Beendigung der Abwicklung mit Körperschaftsteuerbescheid vom die bestrittene Steuer vorgeschrieben, die vom Moment ihrer Vorschreibung an vollständig und dauerhaft uneinbringlich war und ist.

Bekanntlich werden in einer steuerlichen Mitunternehmerschaft, die hier vorliegt, die zu versteuernden Gewinnanteile der Gesellschafter durch einen gemeinsamen, an die Gesellschaft gerichteten Feststellungsbescheid festgestellt, von dem die Steuerbescheide aller Gesellschafter abgeleitet werden (§ 188 BAO). Der Feststellungsbescheid kann daher auch von jedem Gesellschafter selbst angefochten werden (§ 246 (2) BAO). In einer Besprechung im Rahmen eines Verfahrens vor dem BFG äußerte der Richter die Meinung, daß die bei der ***Bf1*** bestehende Uneinbringlichkeit der Steuer nicht zu beachten sei, weil der von der Stiftung bekämpfte Feststellungsbescheid nicht an sie, sondern an die Kommanditgesellschaft gerichtet ist, und bei dieser Gesellschaft Uneinbringlichkeit nicht vorliegt. Diese Überlegung ist nicht nachvollziehbar. Im Verfahren, das zur Körperschaftsteuer der Stiftung und nicht zu einer von der Kommanditgesellschaft zu zahlenden Steuer führt, kann es nur von Belang sein, ob die Stiftung als Zahlerin der Körperschaftsteuer zahlungsfähig ist oder nicht. Der Fiskus hat nichts davon, daß die Kommanditgesellschaft zahlungsfähig ist, weil diese die Steuer nicht zu zahlen hat und auch nicht für diese haftet.

Eine andere Begründung für die Außerachtlassung der vollständigen Uneinbringlichkeit der Steuer nach dem materiellen Untergang der abgewickelten Stiftung wurde in allen seither abgeführten und laufenden Verfahren gegen die ***Bf1*** trotz deren dringenden Vorbringens von Finanzämtern und Gerichten nicht gegeben.

Die Voraussetzungen für die Löschung der Abgabenschuldigkeiten der ***Bf1*** nach § 235 BAO sind als Tatsachen gegeben, daß nämlich Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden. Einbringungsmaßnahmen sind aussichtslos, weil kein Vermögen der Stiftung vorhanden ist. Dies ist nicht eine Ermessensannahme des Finanzamtes, sondern eine prüfbare, geprüfte und nicht bestrittene Tatsache.

Ob angenommen werden kann, daß spätere Einbringungsmaßnahmen zu einem Erfolg führen werden oder nicht, erfordert bei einer österreichischen Privatstiftung keine Ermessensentscheidung des Finanzamtes, da ein späterer Einbringungserfolg aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Zum Unterschied von allen anderen juristischen Personen ist eine österreichische Privatstiftung ein eigentümerloses Vermögen (§ 1 PSG). Dies bedeutet, daß im Fall der Abwicklung der Stiftung diese nach der Verteilung des verbleibenden Vermögens an die Letztbegünstigten final endgültig untergegangen ist und von ihr absolut nichts zurückbleibt, kein Vermögen, das ertragbringend sein könnte, keine vorherigen Eigentümer wie etwa bei einer GesmbH, keine Rechtsnachfolger, welche die Stiftung auf irgend eine Weise fortsetzen könnten. Es ist eine Tatsache, daß die rechtliche Existenz der ***Bf1*** seit mehr als 6 Jahren nur mehr fingiert wird (weil sie im Firmenbuch nicht gelöscht ist). Materiell und real ist aber die Stiftung mit der Beendigung der Abwicklung am untergegangen. Es ist daher keine Ermessensausübung des Finanzamtes darüber erforderlich, daß die Uneinbringlichkeit dauerhaft und ein späterer Einbringungserfolg ausgeschlossen ist.

Um einem denkbaren Schutzvorbringen des ohne Angabe von Gründen gegen seine Entscheidungspflicht verstoßenden Finanzamtes vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, daß ein späterer Einbringungserfolg durch Vertreterhaftung, die mit gutem Grund nie Gegenstand der Auseinandersetzung war, ausgeschlossen ist. Die offene Steuer wurde der materiell nicht mehr existierenden Stiftung erst 5 Monate nach Beendigung ihrer geprüften ordnungsgemäßen Abwicklung vorgeschrieben. Ein eigentümerloses Vermögen - das war die Stiftung - besteht nicht mehr, wo kein Vermögen ist. Die strittige Steuer wurde vom Finanzamt wissentlich ins materielle Nichts vorgeschrieben. Daß dort keine Abgabe entrichtet wird und werden kann, ist keine schuldhafte Verletzung der dem Vorstand auferlegten Pflichten, die zu einer Haftung führen würde.

Somit ist die Entscheidung in dieser Sache ausschließlich auf Grund von bekannten Tatsachen zu treffen und bedarf keiner Ermessensausübung des Finanzamtes, weshalb Entscheidungspflicht besteht.

Nach Ritz, Kommentar zur BAO, 6. Aufl. Anm. 9 zu 5 85a ist strittig, ob bei auf Ermessensentscheidungen gerichteten Anbringen eine Entscheidungspflicht auch dann besteht, wenn das Anbringen nicht gesetzlich vorgesehen ist. Nach Anmerkung 7 an gleicher Stelle unterliegen aber Anbringen, auch wenn sie nicht gesetzlich vorgesehen sind, jedenfalls dann der Entscheidungspflicht, wenn die Erledigung nicht im Ermessen liegt, wenn also die Behörde auch ohne Anbringen zur Bescheiderlassung verpflichtet wäre. Wie dargestellt, ist dies hier der Fall. Die Behörde ist aus Gründen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verpflichtet, die Abgabenschulden der ***Bf1*** durch Abschreibung zu löschen. Wäre die Stiftung nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens durch erfolgte Schlußverteilung vermögenslos geworden, würde es sich also um eine schlichte Pleite handeln, wäre es selbstverständlich, daß ihre offenen Abgabenverbindlichkeiten gelöscht werden müssen. Nichts anderes kann auch dann gelten, wenn die Stiftung durch ordnungsgemäße Abwicklung und ohne Zurücklassung offener Steuer- oder sonstiger Verbindlichkeiten in den gleichen Zustand versetzt wurde, in dem sie nach einer Pleite wäre. Wäre es anders, läge ein Widerspruch zu dem sich aus Art 18 B-VG ableitbaren Bestimmtheitsgebot von Gesetzen vor (Ritz, Kommentar zur BAO, 6. Aufl. Anm. 2 und 3 zu § 20 BAO). Das Finanzamt könnte auch mit Sicherheit uneinbringliche Steuern willkürlich ungelöscht lassen, und die tote Stiftung bliebe als Karteileiche auf ewig im Firmenbuch stehen. Eine solche Auslegung des § 235 BAO wäre verfassungswidrig.

Der Ausgang der vor dem Bundesfinanzgericht anhängigen steuerlichen Verfahren gegen die ***Bf1*** ist für die Entscheidung in der Angelegenheit, in der die Säumnisbeschwerde eingebracht wird, nicht von Bedeutung, so daß § 286 BAO nicht anwendbar ist. Auch ein vollständiges Obsiegen des Finanzamtes in diesen Verfahren würde nichts an der dauerhaften Uneinbringlichkeit der Steuer ändern.

Der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der Rücktritt des Vorstandes der ***Bf1*** altersbedingt bevorsteht (Vorstandsvorsitzender 85 Jahre, Mitglieder 80 und 76 Jahre). Der Firmenbuchrichter wird dadurch vor die kuriose und wahrscheinlich gar nicht lösbare Aufgabe gestellt werden, für die materiell seit 6 Jahren nicht mehr existierende Stiftung einen Vorstand zu finden, der ohne Honorar die laufenden umfangreichen und komplizierten steuerlichen Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht fortführt. Auch aus dieser Sicht ist es geboten, durch Löschung der ***Bf1*** im Firmenbuch die sinnlosen kostenträchtigen Rechtsmittelverfahren zu beenden. Der Vorstand der ***Bf1*** weist hier auf diesen Sachverhalt hin, da er sich bei seinem Rücktritt nicht vorhalten lassen wird, zur Unzeit zurückzutreten.

Der Antrag der ***Bf1*** auf Löschung ihrer Abgabenverbindlichkeiten nach § 235 BAO wurde am eingeschrieben an das ***FA*** zur Post gegeben. Eine Erledigung ist bis heute nicht erfolgt. Damit ist die Sechsmonatsfrist des § 284 (1) BAO überschritten und die terminliche Voraussetzung für diese Säumnisbeschwerde gegeben.

Dieser Säumnisbeschwerde war eine Ablichtung des darin erwähnten Antrages vom auf Löschung sämtlicher Abgabenschuldigkeiten der Privatstiftung gemäß § 235 BAO angeschlossen. Begründet wurde dieser Antrag (wie in der Säumnisbeschwerde näher ausgeführt) damit, dass Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos wären und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden könne, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen würden.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde dem Finanzamt gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis spätestens , somit binnen drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde, die versäumte Entscheidung zu erlassen und eine Abschrift dieser Entscheidung (samt Zustellnachweis) vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Ferner wurde zur Frage der noch aufrechten Rechtsfähigkeit der beschwerdeführenden Privatstiftung beispielhaft auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100487/2015 und die darin zitierte Entscheidung der , hingewiesen. Weiters wurde bemerkt, dass auf eine Löschung gemäß § 235 BAO zwar kein Rechtsanspruch der Partei bestehe und ein Antrag auf Löschung nicht vorgesehen sei (Ritz, BAO, § 235 Tz 2 mit Judikaturnachweisen). Durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (BGBl I Nr. 97/2002) sei allerdings die damals geltende Bestimmung des § 311 Abs. 2 BAO dahingehend ergänzt worden, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht nur dann bestand, wenn der Partei Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekannt gegeben wurden, sondern auch dann, wenn die Bescheide nicht binnen sechs Monaten nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben wurden (dazu eingehend ). Diese (ergänzte) Bestimmung sei in den nunmehr in Geltung stehenden § 284 Abs. 1 BAO übernommen worden und werde im Ergebnis von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführt. Es werde daher entscheidend darauf ankommen, ob die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte, amtswegig wahrzunehmende Entscheidungspflicht im Hinblick auf die Bestimmung des § 235 BAO besteht. In diesem Sinne sei auch die im Spruch enthaltene Aufforderung an das Finanzamt zu verstehen, anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Das Finanzamt teilte dazu in seiner Stellungnahme vom mit, dass die Voraussetzungen für eine Löschung gegenständliche noch nicht vorlägen. Die Haftungserfolgsaussichten seien bisher noch nicht ausreichend überprüft worden, da noch Verfahren beim Bundesfinanzgericht anhängig seien, sowohl beim abgeleiteten Bescheid der ***BF1*** als auch beim zugrundeliegenden Bescheid. Ein Löschungsantrag gemäß § 235 BAO sei in der BAO nicht vorgesehen.

Der beschwerdeführenden Privatstiftung wurde diese Stellungnahme am zur Wahrung des Parteiengehörs mit dem Ersuchen übermittelt, eine allfällige Gegenäußerung dazu binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung einzubringen.

In der Gegenäußerung der Privatstiftung vom wurde zu den Ausführungen des Finanzamts wie folgt Stellung genommen:

"Das ***FA*** erweckt in Punkt 1. seiner Stellungnahme den Eindruck, daß sich aus den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren der ***Bf1*** und der Tochterfirma ***5*** GesmbH & Co KG ergeben wird, ob jemand für die Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf1*** haftet. Das ist absolut falsch. Diese Verfahren befassen sich mit der Verfahrenswiederaufnahme nach § 303 BAO, der Einkünftefeststellung bei der Kommanditgesellschaft und der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Stiftung und nicht mit der Frage nach einer Haftung für die Steuer. Es handelt sich im Sinne des § 286 BAO um Verfahren, deren Ausgang nicht von wesentlicher Bedeutung in der Angelegenheit ist, in der die Säumnisbeschwerde eingebracht wurde. Diese Angelegenheit ist die Löschung der Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf1*** nach § 235 BAO wegen Uneinbringlichkeit. Daß diese besteht, ist von mir in allen bisherigen Verfahren immer wieder vorgebracht worden als Argument gegen die von mir bekämpfte Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 BAO über die Steuer aus dem Jahr 2011. Auf die Uneinbringlichkeit sind aber weder die Finanzämter noch das Gericht eingegangen. Insbesondere haben die Finanzämter nie und nirgends behauptet, daß eine Haftungsmöglichkeit besteht. Hätten sie eine solche gesehen, wäre sie zweifellos dem Uneinbringlichkeitsvorbringen der Stiftung entgegengehalten worden. Das geschieht aber jetzt in dem Schreiben des ***FA*** an das BFG zum ersten mal. Ich habe als Vorstandsvorsitzener alle Verfahren für die Stiftung geführt. Ich habe nahezu ununterbrochen auf die Uneinbringlichkeit der Steuer hingewiesen und niemals haben die Finanzämter vorgebracht, daß ich für diese haften soll. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Es war allen klar, daß ich nicht für eine Steuer hafte, die der ordnungsgemäß abgewickelten Stiftung erst vorgeschrieben wurde, als sie als eigentümerloses Vermögen schon nicht mehr existierte.

Das Bundesfinanzgericht darf eingeladen werden, diesen Sachverhalt in allen bei ihm erliegenden Akten betreffend die anhängigen Verfahren der ***Bf1*** (***FA***) und der Tochterfirma ***5*** GesmbH & Co KG (Finanzamt) zu überprüfen.

Im übrigen stünden einer Aussetzung der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde nach § 286 BAO auch überwiegende Interessen der Partei ***Bf1*** entgegen. Diese läuft Gefahr, in Kürze wegen des unausweichlichen Rücktrittes der in sehr hohem Alter stehenden Vorstandsmitglieder führungslos zu werden, worauf ich in der Säumnisbeschwerde hingewiesen habe.

In seinem Schreiben an das BFG gesteht das Finanzamt seine Säumigkeit ein, indem es sich darauf beruft, mehr als sechs Jahre lang nicht überprüft zu haben, ob die Steuer durch Haftung einbringlich ist. Die Behörde wußte zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Steuer, daß diese bei der Steuerschuldnerin ***Bf1*** uneinbringlich ist. Es muß daher als unbegreifliche und extreme Saumnis bezeichnet werden, daß das ***FA*** bei Vorliegen der Beschwerden der Stiftung gegen die Verfahrenswiederaufnahme, den Feststellungsbescheid und den Körperschaftsteuerbescheid, in denen eindringlich auf die Uneinbringlichkeit der Steuer bei der Stiftung hingewiesen wurde, nicht zu allererst die Möglichkeit geprüft hat, ob die Steuer durch Haftung einbringlich sein könnte. Diese Prüfung einer Haftungsmöglichkeit war außerordentlich einfach. Die Außenprüfung bei der Stiftung hatte keine für eine Vertreterhaftung des Vorstandes erforderliche schuldhafte Verletzung der ihm auferlegten Pflichten (§ 9 BAO) zu Tage gebracht, sodaß der Vorstand nicht haftet. Da niemand anders als der Vorstand für eine Haftung in Frage kommt, hätte den Beschwerden schon in den Beschwerdevorentscheidungen der Finanzämter wegen vollständiger und dauerhafter Uneinbringlichkeit der Steuer stattgegeben werden müssen. Dann wären die strittigen Abgabenverbindlichkeiten der Stiftung schon vor sechs Jahren gelöscht worden.

Wäre das Finanzamt aber hinsichtlich der Haftung zu einem anderen Ergebnis gekommen, hätte es spätestens gleichzeitig mit der Erlassung der Bescheide vom an die Kommanditgesellschaft (Wiederafnahme und Einkünftefestsetzung) und an die Stiftung (Körperschaftsteuer) einen Haftungsbescheid gegen mich als einzigen in Frage kommenden Haftungspflichtigen ausstellen müssen. Einen Haftungsbescheid und ein Verfahren über einen solchen gibt es bis heute aber nicht. Die Möglichkeit einer Haftung ist in keinem wie immer gearteten Zusammenhang Gegenstand der laufenden Verfahren.

Das Recht des Finanzamtes, einen Haftungsbescheid für die am bescheidmäßig festgesetzte Steuer der Stiftung zu erlassen und dadurch eine Haftung festzusetzen, ist verjährt. Anfang der Verjährungsfrist für die nicht festgesetzte Haftung ist die bescheidmäßige Festsetzung der Steuer, für welche die Haftung festgesetzt wird. Das ist der . Seither sind mehr als 6 Jahre vergangen, sodaß die fünfjährige Verjährungsfrist für die Festsetzung der Haftung längst abgelaufen ist. Wenn ein Abgabenanspruch des Staates fünf Jahre nach dem Zeitpunkt seines Entstehens noch nicht durch einen Abgabenbescheid festgesetzt ist, ist er verjährt. Es wäre ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot der Verfassung, wenn für den gleichen Abgabenanspruch die Verjährungsfrist für die Festsetzung einer Haftung später abliefe als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Steuer selbst. Als möglicher Zahler der gleichen Steuer wäre der Haftungspflichtige hinsichtlich der Verjährung wesentlich schlechter gestellt als der Steuerschuldner selbst.

Auf die im Beschluß des BFG als entscheidend bezeichnete Frage, ob die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte, amtswegig wahrzunehmende Entscheidungspflicht im Hinblick auf die Bestimmung des § 235 BAO besteht, geht das ***FA*** nicht ein. Hier sei der Versuch gestattet, den Rechtsstandpunkt des Finanzamtes aus seiner Stellungnahme herauszulesen. Aus dem Vorbringen der Behörde, daß die Voraussetzungen für die Löschung noch nicht vorliegen, weil die Haftungserfolgsaussichten bisher noch nicht ausreichend überprüft wurden, läßt sich der Schluß ziehen, daß das ***FA*** die Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf1*** löschen wird, wenn sie nicht durch Haftung einbringlich sind. Daraus ergibt sich, daß die Behörde ihre amtswegig Entscheidungspflicht nach § 235 BAO anerkennt.

Der Gesetzgeber hat in § 235 BAO alle sachlich in Betracht kommenden Voraussetzungen für die Löschung von Abgabenverbindlichkeiten angeführt. Damit ist die Vorstellung nicht vereinbar, daß das Gesetz die Behörde ermächtigt hätte, trotz Erfüllung aller Voraussetzungen nach Belieben zu verfahren (VwGH 2125/61 vom , 0450/65 vom und 1123/65 vom ). Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß das ***FA*** die Löschung der Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf1*** nicht willkürlich nur deshalb einfach unterlassen darf, weil § 235 BAO die Wortfolge "können von Amts wegen gelöscht werden" verwendet und nicht etwa "sind zu löschen". Die Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf1*** sind jetzt und in Zukunft uneinbringlich. Somit sind die im § 235 BAO eindeutig festgelegten Voraussetzungen für ihre Löschung erfüllt und es besteht für das Finanzamt diesbezügliche Entscheidungspflicht. Dies umso mehr als die Behörde unbezweifelbar mit dem Unterlassen der Löschung der Abgabenverbindlichkeiten sachfremde Zwecke verfolgt, nämlich die Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Löschung der Stiftung im Firmenbuch nicht ausstellen zu müssen und so die sinnlosen Verfahren gegen die nur fiktiv weiterexistierende Beschwerdeführerin fortsetzen zu können. Die Beendigung der Verfahren im Interesse der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung und Justiz und die Löschung der ***Bf1*** liegen auch deshalb im Interesse der Öffentlichkeit, weil das Firmenbuch seit mehr als sechs Jahren allen Interessierten die Existenz einer Stiftung vortäuscht, die es in Wirklichkeit als eigentümerloses Vermögen gar nicht mehr gibt.

Durch die Stellungnahme des Finanzamtes vom geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesfinanzgericht über (§ 284 Abs. 3 BAO). Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** stellt an das BFG den folgenden

Antrag:

Das Bundesfinanzgericht möge erkennen, daß alle offenen Abgabenverbindlichkeiten der ***Bf1*** einschließlich aller allenfalls noch vorzuschreibender Beträge (Zinsen, Nebengebühren) durch an die ***Bf1*** zu richtenden Bescheid gem. § 235 BAO wegen Uneinbringlichkeit zu löschen sind.

2) Rechtslage und Erwägungen

§ 284 BAO normiert:

(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),

c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),

d) § 266 (Vorlage der Akten),

e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),

f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),

g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),

h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).

§ 235 BAO lautet:

(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden.

(2) Durch die verfügte Abschreibung erlischt der Abgabenanspruch.

(3) Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.

Zunächst ist die grundsätzliche Frage zu klären, ob die Vornahme einer Löschung im Ermessen der Abgabebehörde liegt oder bei Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eine Verpflichtung zur Löschung besteht und insofern daher eine sogenannte gebundene Entscheidung vorläge. Ermessensbestimmungen räumen - im Unterschied zu gebundenen Entscheidungen - der Behörde bei Verwirklichung der gesetzlich normierten Tatbestandsmerkmale einen Entscheidungsspielraum ein. Gebundenheit liegt dagegen vor, wenn die Behörde durch das Gesetz verpflichtet ist, bei Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einen Verwaltungsakt bestimmten Inhalts zu setzen (vgl. Ritz, BAO, § 20 Tz 1 mwN). Formulierungen wie "kann", "darf", "ist zulässig" sind Hinweise für die Einräumung von Ermessen. Nicht jedes "kann" räumt aber Ermessen ein. Kein Ermessen besteht, wenn alle denkmöglichen Kriterien, die als Voraussetzungen für eine Rechtsfolge in Betracht kommen, im Gesetz bereits angeführt sind (Ritz, BAO § 20 Tz 2 mwN).

Nach herrschender Ansicht liegt die Verfügung der Löschung im Ermessen der Behörde (Ritz, BAO, § 20 Tz 4; Ellinger, BAO, § 235 Tz 10; Fischerlehner, Abgabenverfahren, § 235 Tz 1; Stoll, BAO, 203).

Auch der Verwaltungsgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass auf eine Löschung kein Rechtsanspruch der Partei besteht, was aber bei Annahme einer gebundenen Entscheidung bei Erfüllung aller tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 BAO der Fall wäre (vgl. Ritz, BAO, § 235 Tz 2 mit Hinweis auf ; ; ; ebenso ). Somit geht auch der Verwaltungsgerichtshof erkennbar davon aus, dass die Verfügung der Löschung im Ermessen der Abgabenbehörde liegt. Aus den in der Gegenäußerung vom ins Treffen geführten, die Bestimmung des § 18 GehG 1956 betreffenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes aus den 1960er-Jahren ist für das gegenständliche Verfahren somit nichts zu gewinnen.

Die Löschung ist von Amts wegen zu verfügen. Ein Antrag auf Löschung ist nicht vorgesehen (Ritz, BAO, § 235 Tz 2 mit Hinweis auf ). Ein "Antrag" auf Löschung kann daher lediglich als Anregung gewertet werden und unterliegt nicht der Entscheidungspflicht (Ellinger, BAO, § 85a Tz 4 und § 235 Tz 10; Stoll, BAO, 2414).

Der "Antrag" der beschwerdeführenden Privatstiftung auf Löschung der auf ihrem Abgabenkonto aushaftenden Abgabenschuldigkeiten vom ist somit lediglich als an das Finanzamt gerichtete Anregung zu werten, von Amts wegen eine solche Löschung durchzuführen und unterliegt nicht der Entscheidungspflicht.

§ 311 Abs. 2 erster Satz BAO lautete in der Fassung vor der Änderung durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (BGBl I Nr. 97/2002):

Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekanntgegeben (§ 97), so geht auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über.

Durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz wurde diese Bestimmung wie folgt ergänzt (Hervorhebung durch das BFG):

Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97), so kann jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag).

Der Verwaltungsgerichtshof führte zu dieser Änderung in seiner Entscheidung vom , 2011/15/0064, auszugsweise aus (Hervorhebungen durch das BFG):

§ 311 Abs. 2 BAO idF BGBl I Nr. 97/2002 begründet einen durchsetzbaren Anspruch (ein subjektives Recht) der Partei auf Entscheidung der Behörde, wenn eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht. Es soll ein Schutz vor behördlicher Inaktivität im Zusammenhang mit amtswegigen Maßnahmen dann zur Verfügung stehen, wenn diese Maßnahme nicht auch beantragt werden kann.

Der Regelungsinhalt des § 311 Abs. 2 BAO wurde durch das zweite Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I 105/2014, in die nunmehr in Geltung stehende Bestimmung des § 284 Abs. 1 BAO übernommen, die - wie bereits oben zitiert - lautet:

Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden.

Eine Säumnisbeschwerde kann daher in zwei Fällen eingebracht werden: zum einen dann, wenn über ein Anbringen nicht binnen einer Frist von sechs Monaten ab Einlangen entschieden wird, und zum anderen dann, wenn nicht innerhalb der selben Frist nach dem Eintritt der Verpflichtung zu einer amtswegigen Erlassung eines Bescheides derselbe bekanntgegeben wird.

Da im vorliegenden Fall ein Antrag auf Löschung von Abgabenschulden gemäß § 235 BAO nicht vorgesehen ist und ein solches Anbringen lediglich als Anregung zu werten ist, eine Löschung von Amts wegen vorzunehmen, ist zu prüfen, ob die zweite Fallvariante des § 284 Abs. 1 BAO zur Anwendung gelangt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung vom ausgesprochen hat, besteht ein subjektives Recht der Partei auf Entscheidung der Behörde, wenn eine Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht. Dieses subjektive Recht kann mit Säumnisbeschwerde durchgesetzt werden. Die beschwerdeführende Privatstiftung vertritt die Ansicht, dass eine solche Verpflichtung zur Erlassung eines Löschungsbescheides dann besteht, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 Abs. 1 BAO erfüllt sind.

Das Bundesfinanzgericht teilt diese Auffassung nicht. Der Gesetzgeber hat in § 235 BAO folgende tatbestandsmäßige Voraussetzungen für eine Löschung normiert: es müssen alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sein und es darf auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden können, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden. Dabei ist nicht nur die erfolglose oder offenkundig aussichtslose Einbringung beim Abgabenschuldner zu prüfen, sondern auch bei (potenziellen) Gesamtschuldnern. Es sind daher bestehende oder in Betracht kommende persönliche und sachliche Haftungen zu prüfen (Stoll, BAO, 2411 f.), da durch die Löschung der Abgabenanspruch erlischt und für gelöschte Abgabenansprüche keine Haftung mehr geltend gemacht werden kann (Ritz, BAO, § 235 Tz 4).

Erst wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 BAO erfüllt sind, darf vom Finanzamt das vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen geübt werden. Aber auch in diesem Fall hat die Partei keinen Anspruch auf eine bestimmte Erledigungsart, wie eben die Durchführung der Löschung (siehe neuerlich Stoll, BAO, 2414). Fehlt eine der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, darf ohnehin kein Ermessen geübt werden, sondern kommt eine Löschung schon aus Rechtsgründen (Nichterfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 235 BAO) nicht in Betracht.

Die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale ist damit notwendige Voraussetzung für die Ermessensübung, die sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten muss, die das Gesetz dem Ermessen zieht, und die innerhalb dieser Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Aus der in das Ermessen des Finanzamtes gelegten Entscheidung wird somit allein durch Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 BAO keine gebundene Entscheidung und damit keine Verpflichtung des Finanzamtes, die Löschung durchzuführen, wie dies in der Säumnisbeschwerde vertreten wird.

Es besteht daher ab dem Zeitpunkt der Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 BAO keine Verpflichtung des Finanzamtes, spätestens innerhalb von sechs Monaten eine positive Ermessensübung dahingehend vorzunehmen, dass eine bescheidmäßige Löschung offener Abgabenverbindlichkeiten ausgesprochen wird. Das Finanzamt hat vielmehr das Ermessen zu üben. Gelangt es dabei zur Ansicht, dass allfällige gegen eine positive Ermessensübung sprechenden Billigkeitserwägungen überwiegen, führt das Finanzamt keine Löschung durch. Eine Verständigungspflicht der Partei über diese negative Ermessensübung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen und eine solche würde auch dann nicht eintreten, wenn eine Säumnisbeschwerde im gegenständlichen Fall als zulässig angesehen würde und die Entscheidungspflicht (samt Pflicht zur Ermessensübung) auf das Bundesfinanzgericht übergehen würde.

Da somit keine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Löschungsbescheides allein wegen Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 Abs. 1 BAO gegeben ist, sondern in diesem Fall das Ermessen im Sinne des § 20 BAO zu üben ist, gelangt § 284 Abs. 1 zweiter Fall BAO nicht zur Anwendung und ist eine Säumnisbeschwerde damit nicht zulässig. Damit kommt es auch zu keinem Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesfinanzgericht gemäß § 284 Abs. 3 BAO. Die Zuständigkeit zur Durchführung einer Löschung bleibt daher beim Finanzamt.

Ungeachtet dessen wird unpräjudiziell darauf hingewiesen, dass unter Zugrundelegung des dem Bundesfinanzgericht bisher zur Kenntnis gelangten Sachverhaltes die Voraussetzungen für eine Löschung der Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin vorliegen und auch keine Ermessensgründe ersichtlich sind, die gegen die Durchführung der Löschung durch das Finanzamt sprechen würden.

Die Abwicklung der Privatstiftung wurde nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen in der Säumnisbeschwerde am abgeschlossen. Aus Unterlagen, die der zuständigen Richterin des Bundesfinanzgerichtes zum Beschwerdeverfahren betreffend die Körperschaftsteuer 2011 vorliegen, geht hinreichend deutlich hervor, dass die am durchgeführte Rückzahlung eines Guthabens von 49.635,57 €, welches aus der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2012 resultierte, im Abwicklungsvermögen bzw. dem letztlich verteilten Vermögen berücksichtigt war, was den Vertretern des Finanzamtes von der Richterin auch zur Kenntnis gebracht worden ist. Die Privatstiftung ist daher seit dem tatsächlich vermögenslos. Gegenteilige Feststellungen wurden vom Finanzamt bisher nicht getroffen. Einbringungsmaßnahmen bei der Privatstiftung sind daher offenkundig aussichtslos und es kann aufgrund der Sachlage auch nicht angenommen werden, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen würden.

Eine Heranziehung des Vorstandsvorsitzenden zur Haftung für die offenen Abgabenschulden der Privatstiftung käme gemäß § 9 BAO nur dann in Frage, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne dieser Bestimmung vorläge. Sämtliche für eine allfällige Haftung in Betracht kommenden und eingangs angeführten Abgabenschuldigkeiten weisen Fälligkeitstermine auf, die geraume Zeit nach dem Eintritt der vollständigen Vermögenslosigkeit der Privatstiftung () liegen; insbesondere die Körperschaftsteuernachforderung 2011 war erst am fällig. Dieser Fälligkeitstermin, der sich aus § 210 Abs. 1 BAO ergibt, wird in diesem Bescheid ausdrücklich angeführt. Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (wie etwa der Körperschaftsteuer) ist grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (Ritz, BAO, § 9 Tz 10 mit Hinweis auf ). Werden Abgaben nicht entrichtet, weil der Vertretene (zum Fälligkeitszeitpunkt) überhaupt keine liquiden Mittel (mehr) hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (ständige Rechtsprechung des VwGH seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049; siehe auch Ritz, BAO, § 9 Tz 10 mit Hinweis auf und ; in diesem Sinne auch ; und ). Bei dieser Sachlage scheidet eine Haftungsinanspruchnahme des Vorstandsvorsitzenden der beschwerdeführenden Privatstiftung schon aus Rechtsgründen aus.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird zur Gegenäußerung vom noch bemerkt, dass die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid (§ 224) eine Einhebungsmaßnahme darstellt; sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist (Ritz, BAO, § 238 Tz 5 mit Hinweis auf ; in diesem Sinne auch z.B. ). Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß. Nach der Bestimmung des § 209a Abs. 1 BAO steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Beschwerdevorentscheidung oder in einem Erkenntnis zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen. Solange daher das materielle Beschwerdeverfahren betreffend die Körperschaftsteuer 2011 beim Bundesfinanzgericht anhängig ist, kann insofern keine Festsetzungsverjährung eintreten und damit einhergehend auch keine Einhebungsverjährung, die der Erlassung eines Haftungsbescheides entgegenstünde. Allerdings wird eine Haftungsinanspruchnahme unter Ermessensgesichtspunkten immer weniger begründbar, je länger die Geltendmachung des Abgabenanspruches gegenüber der Primärschuldnerin zurückliegt (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des , 91/13/0038).

Da aber eine Heranziehung des Vorstandsvorsitzenden zur Haftung - wie oben dargelegt - schon aus Rechtsgründen ausscheidet, ist eine Einbringung der offenen Abgabenschulden der Privatstiftung auch im Haftungsweg ausgeschlossen.

Damit sind die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 235 BAO erfüllt. Tatsächlich ermessensrelevante Gründe, die gegen die Durchführung der Löschung sprechen würden, sind weder aktenkundig, noch wurden vom Finanzamt solche vorgebracht. Die bescheidmäßige Durchführung der Löschung, die der Kontenbereinigung dient und im innerbehördlichen Auftrag besteht, auf ohnedies aussichtslos erscheinende Einbringungsmaßnahmen zu verzichten (Stoll, BAO, 2414), wäre daher zweckmäßig im Sinne des § 20 BAO.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob eine Verpflichtung im Sinne des § 284 Abs. 1 BAO zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides gemäß § 235 BAO besteht, ist eine ordentliche Revision zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 235 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RS.5100011.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at