Keine triftigen medizinischen Gründe für eine Entbindung in einer Privatkrankenanstalt - Verneinung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Karoline Windsteig in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig .
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Jahr 2018 Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit. Für seine damalige Ehegattin bezahlte der Bf. erhöhte Kosten für die Geburt des zweiten gemeinsamen Kindes. Diese wären nach einer ärztlichen Bestätigung medizinisch notwendig gewesen, da infolge einer vorangegangenen Sectio bei der Erstgeburt sowie des Alters der Ehegattin des Bf. ( 42. Lebensjahr) für sie die Geburt ein erhöhtes Geburtsrisiko dargestellt hätte, das eine umfangreiche wahlärztliche Betreuung erforderte, um eine problemfreie Spontangeburt zu ermöglichen. Die erhöhten Geburtskosten waren somit indiziert.
Den Akten ist dazu zu entnehmen, dass der Bf. in seinem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung folgende Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der Geburt seines zweiten Kindes geltend machte:
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Geburt/Goldenes Kreuz | 2.156,90 € |
Kosten/Kreissaal | 1.055,21 € |
Kosten/Nabelschnurblut | 195,00 € |
Kosten/Einlagerung Stammzellendepot | 2.300,00 € |
Gesamtbetrag | 5.707,11 € |
Weitere vom Finanzamt als a.g. B mit Selbstbehalt anerkannte Kosten wurden beantragt:
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Allgemeine Krankheitskosten | 1.477,10 € |
Krankheitskosten für das zweite Kind | 265,24 € |
Krankheitskosten für das erste Kind | 109,83 € |
Das Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid 2018 jene Aufwendungen in Höhe von 5.707,11 €, die dem Bf. anlässlich der Geburt seines zweiten Kindes in einem Privatspital und der Behandlung durch einen Privatarzt entstanden sind, nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Es liege keine zwangsläufig erwachsene außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor. Diese sei nur gegeben, wenn die Behandlung bzw. Operation grundsätzlich medizinisch erforderlich gewesen wäre und diese aus medizinischen Gründen nicht in einem öffentlichen Krankenhaus, sondern in einem Privatspital durchgeführt werden hätte können. Da dies auf den gegenständlichen Fall nicht zutreffe liege keine medizinische Notwendigkeit für diese Behandlung bzw. Operation vor.
Der Bf. erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 Beschwerde und übermittelte dem Finanzamt eine Bestätigung eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit folgendem Inhalt:
"Gerne bestätige ich folgenden Umstand als Grundlage der erhöhten Geburtskosten:
Eine vorangegangene Sectio bei der Erstgeburt sowie das Alter der Mutter (42. Lebensjahr)
stellten für Frau Mag. ***1*** ein erhöhtes Geburtsrisiko dar, das eine umfangreiche wahlärztliche Betreuung erforderte, um eine problemfreie Spontangeburt zu ermöglichen. Die erhöhten Geburtskosten waren somit indiziert."
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte in rechtlicher Hinsicht unter Hinweis auf § 34 EStG 1988 aus:
Nur wenn alle Merkmale des § 34 EStG 1988 kumulativ zusammentreffen, liege eine abzugsfähige außergewöhnliche Belastung vor.
Durch Krankheit verursachte Aufwendungen erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Die Zwangsläufigkeit sei nach der Judikatur des bei Krankheitskosten, die jene durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, jedoch nur dann gegeben, sofern sie aus triftigen medizinischen Gründen anfallen.
Im gegenständlichen Fall wurde die Geburt Ihres Kindes von einem Wahlarzt in einem Privatspital durchgeführt. Laut Bestätigung des Wahlarztes stellten gewisse Faktoren Geburtsrisiken bei Ihrer Gattin dar. Triftige medizinische Gründe, die eine ausschließliche Betreuung im Privatspital veranlasst hätten, wären allerdings nicht genannt worden.
Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung durch einen bestimmten Arzt ("freie Arztwahl") sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellten jedoch keine triftigen medizinischen Gründe dar, welche es rechtfertigen, jene Krankenhauskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, als außergewöhnliche
Belastung zu behandeln (; GZ RV/0364-F/08) und durch die Allgemeinheit mitfinanzieren zu lassen."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt /Beweiswürdigung
Aus der Aktenlage ergibt sich unstrittig, dass der Bf. erhöhte Kosten für die Geburt seines zweiten Kindes finanziert hat, die ihm dadurch entstanden waren, dass seine damalige Ehegattin in einer Privatklinik entbunden hat. Ebenso wurde aus dem Nabelschnurblut eine Stammzelleneinlagerung vorgenommen.
Einer ärztlichen Bestätigung zufolge sei die Geburt und die Betreuung der Mutter des Kindes während der Geburt in einem Privatspital medizinisch notwendig gewesen. Infolge einer vorangegangenen Sectio bei der Erstgeburt sowie des Alters der damaligen Ehegattin des Bf. (42. Lebensjahr), habe die Geburt für sie ein erhöhtes Geburtsrisiko dargestellt, das eine umfangreiche wahlärztliche Betreuung erforderte, um eine problemfreie Spontangeburt zu ermöglichen.
Für das Bundesfinanzgericht wird mit diesen Ausführungen die Zwangsläufigkeit der Ausgaben nicht aufgezeigt. In unserer Gesellschaft ist erkennbar, dass immer mehr Frauen die Familienplanung auf ihre späteren Lebensabschnitte (35 bis 40 Jahre und auch danach) verschieben. Infolgedessen muss ganz allgemein für Mütter ab einem Alter von 35 Jahren eine erfolgreiche Betreuung der sich daraus ergebenden Risiken mit einer darauf abgestellten modernen Geburtenhilfe erreicht werden. Es wird daher generell in solchen Fällen ein erhöhtes Geburtenrisiko anzunehmen sein. Desgleichen wird für Frauen nach einer sectio bei der Erstgeburt eine normale Entbindung beim nächsten Kind, wenn auch unter einem erhöhten Risiko, möglich sein. Eine Entscheidung dafür wird höchst individuell getroffen werden. Allerdings wird in diesen Fällen, wie die ärztliche Bestätigung auch insbesondere in Bezug auf das Alter der Mutter des Kindes aufzeigt, darauf zu achten sein, mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die vorliegende ärztliche Bestätigung diese Entwicklung mit den sich daraus ergebenden Folgen eines erhöhten Geburtenrisikos allgemein attestiert. Dagegen wurden keine triftigen medizinischen Gründe konkret genannt, die feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, oder während der Geburt konkret befürchtete Komplikationen medizinischer Art für die Mutter des Kindes aufgezeigt hätten, welche ohne die im Rahmen einer mit höheren Kosten in einem Privatspital verbundene wahlärztliche Betreuung eintreten würden.
Der Bf. hat außerdem nicht nachgewiesen, dass die Kosten für die Entnahme von Nabelschnurblut und für die Lagerung von in diesem Blut enthaltenen Stammzellen im Zusammenhang mit der Behandlung von gegenwärtigen Krankheiten bzw. der Heilung von Krankheiten gestanden wären. Die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen muss daher verneint werden, da diese Kosten keine krankheitsbedingten Aufwendungen darstellten. Eine Einlagerung von Nabelschnurblut für eine eventuell später anfallende Stammzellentherapie, die somit vorbeugend verwendet werden, erfüllt nicht die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen (Abs. 1): Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Außergewöhnlich können nur Aufwendungen sein, die der Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH , III R12/92, BStBl II 95, 774); sie dürfen nicht "gewöhnlich" sein, dh unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffen (; Kfz-Wartung). Aufwendungen, die bei niedrigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen außergewöhnlich sind, können bei gehobenen Verhältnissen im Bereich der normalen Lebensführung liegen (/ 0192; LStR 827).
Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind außergewöhnlich (), sie erwachsen aus tatsächlichen () bzw bei Unterhaltsverpflichtung aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Peyerl in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 34 Tz 90). Sie müssen mit einer Heilbehandlung bzw -betreuung typischerweise verbunden sein (); es genügt jedoch, wenn sie den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen (; BFH , III R 296/84, BStBl II 88, 137), dh zu lindern bzw das Fortschreiten einer Beeinträchtigung (Behinderung) zu vermeiden.
Entbindungskosten sind keine Krankheitskosten, aber wie solche zu behandeln (Schmidt/Loschelder § 33 Rz 35). Aufwendungen für die Sonderklasse sind agB, wenn triftige medizinische Gründe vorliegen (; LStR 896 sowie "Krankheitskosten"; vgl. Peyerl in Jakom 2020, § 34 Tz 90; ebenso Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 2020, § 34 Tz 78). Aufwendungen iZm einer Entbindung stellen dann eine zwangsläufige Belastung dar, wenn die Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen anfallen und durch Kostenersätze nicht gedeckt sind (vgl ). Bei Vorliegen triftiger medizinischer Gründe (konkrete Gefahr von Komplikationen medizinischer Art) werden auch Aufwendungen für eine Geburt in der Sonderklasse (Betreuung durch einen eigenen Arzt) anerkannt (LStR 2002 Rz 896).
Zu Spruchpunkt I.
Nach dem festgestellten Sachverhalt muss die Zwangsläufigkeit der gelten gemachten Aufwendungen verneint werden, da nach der zitierten VwGH-Rspr. triftige medizinischen Gründe auf Basis einer ärztlichen Bestätigung weder feststanden noch sich konkret abzeichneten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werden triftige medizinische Gründe dann vorliegen, wenn sie in feststehenden oder sichkonkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen (vgl VwGH13.5.1986, 85/14/0181). Unter diesen Voraussetzungen lassen auch höhere Aufwendungen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten als zwangsläufig erscheinen.
Der VwGH brachte allgemein im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zum Ausdruck, dass nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung und Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl zB ). Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen (vgl. ). Bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit sind ärztliche Bestätigungen nach ihrem Inhalt zu beurteilen. Im Beschwerdefall ist unter Zugrundelegung der oben wiedergegebenen schriftlichen Bestätigung des Arztes im Rahmen der Beweiswürdigung davon auszugehen, dass damit allgemeine Risiken zum Ausdruck gebracht wurden, wonach nach einer Sectio bei der Erstgeburt Probleme bei einer folgenden Spotangeburt möglich wären. Nicht dargelegt wurde, dass für die damalige Ehegattin des Bf. ernsthafte konkrete gesundheitliche Nachteile folgten, wenn sie nicht die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung gewählt hätte. Daher reicht diese ärztliche Bestätigung nicht für die Annahme des Vorliegens der die Zwangsläufigkeit begründeten triftigen medizinischen Gründe aus.
Desgleichen wurde die Einlagerung von Stammzellen im Nabelschnurblut für keine gegenwärtige Krankheit vorgenommen, sodass auch aus diesem Grund eine Zwangsläufigkeit verneint werden musste. Die Anerkennung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 5.707,11 € waren daher nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Beschwerdefall wurde der Rechtsprechung des VwGH zum Vorliegen von triftigen medizinischen Gründen im Falle einer Entbindung gefolgt (vgl. ), sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag und die Revision als nicht zulässig erklärt wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | VwGH, 2001/15/0109 BFH, III R 296/84 VwGH, 85/14/0181 VwGH, 93/13/0272 BFG, RV/2100567/2012 -F/08 UFS, RV/1317-L/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102830.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at