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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.11.2020, RV/5100897/2013

Schätzung der Bemessungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2010 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Der Umsatzsteuerbescheid 2011 wird wie folgt abgeändert:
Die Lieferungen zum Normalsteuersatz betragen 20.000 Euro.
Die Umsatzsteuer wird für das Jahr 2011 festgesetzt mit - 1.000 Euro.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz BF) war im streitgegenständlichen Zeitraum Unternehmerin und betrieb einen Steinbruch.
Am ergingen auf Basis einer Schätzung durch die belangte Behörde Bescheide bezüglich der Verfahren betreffend die Umsatzsteuer der Jahre 2010 und 2011.

Der Veranlagung 2010 wurden die Umsatzsteuervoranmeldungen Jänner und Feber 2010 und die Werte der EU-MIAS-Datenbank zugrunde gelegt.
Der Umsatz wurde aufgrund der im Schätzungswege ermittelten Abverkäufe in Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe erhöht und mit 50.000 Euro festgesetzt, wodurch eine Gutschrift von 919,26 Euro resultiert.

Auch die Veranlagung 2011 wurde im Schätzungswege vorgenommen.
Bei einem geschätzten Umsatz von 36.000 Euro aus Abverkäufen von Anlagevermögen und Vorsteuern von 5.000 Euro resultiert eine Zahllast von 2.200 Euro.

2. Mit Eingabe vom erhob die BF das Rechtsmittel der Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 und brachte im Wesentlichen Folgendes vor:

Aufgrund der Erkrankung des Ehemannes, der den Gewerbebetrieb leitete, sei es nicht möglich gewesen, die Abschlussarbeiten der Buchhaltung durchzuführen. Der Granitsteinabbau sei behördlich gesperrt worden. Aus den Beendigungsarbeiten würden Vorsteuerguthaben resultieren.

3. Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde dem Unabhängigen Finanzsenat die Berufungen zu Entscheidung vor und ersuchte diese als unbegründet abzuweisen. Auch mit dem Rechtsmittel seien keine Unterlagen vorgelegt worden.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung 6016 zugeteilt.

5. Mit Beschluss vom wurde die BF aufgefordert, geeignete Unterlagen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Umsatzsteuer der Jahre 2010 und 2011 zu übermitteln. Es wurde darauf hingewiesen, dass bisher keine Aufzeichnungen vorliegen und dass derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt, die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen müsse ().

6. Mit Schreiben vom und vom reagierte die BF auf diesen Beschluss und brachte vor, dass die elektronischen Aufzeichnungen durch einen Computerschaden im Jahr 2012 verloren gegangen seien.

Auch die Buchhaltungsunterlagen in Papierform seien nicht mehr vorhanden, da die BF aufgrund einer behaupteten informellen Auskunft des Finanzamtes der Meinung gewesen sei, diese entsorgen zu dürfen. Wegen der massiven gesundheitlichen Probleme des Ehemannes der BF sei übersehen worden, dass noch ein Verfahren offen ist.

Zu den vom Finanzamt angesetzten Umsätzen und in die Schätzung einbezogenen Abverkäufen von Anlagevermögen nahm die BF im Schreiben vom wie folgt Stellung:

"Die öfter angeführten Abverkäufe der damals in Verwendung stehenden Großmaschinen waren bis heute nicht möglich. Diese stehen noch immer an denselben Plätzen am Werksgelände ,Steinbruch ***1***' wie 2011 und wurden von jugendlichen Vandalen (es gibt eine Strafanzeige mit Ausforschung der Täter des Polizeiposten ***2***) so stark beschädigt, dass diese momentan nicht einmal zu starten sind, geschweige zu verkaufen. Diese Aussage kann gerne von einem Organ des FA ***Z*** überprüft werden.… Die Beendigungsarbeiten wurden Ende 2011 und ab März 2012 lt. Vorschreibungen der BH ***3*** durchgeführt und KEINE Erlöse dabei erzielt. Vorsteuern (hauptsächlich für Diesel und Öle) wurden nie an das FA ***Z*** gemeldet, da mir die rechtliche Grundlage nicht ganz klar war."

7. Am fand ein Erörterungstermin statt, bei dem der Ehemann der BF als ihr Vertreter auftrat.
Der Vertreter der BF akzeptierte die Schätzung der 20%-igen Umsätze im Jahr 2010 in Höhe von 50.000 Euro.

Die Schätzung der steuerpflichtigen Umsätze im Jahr 2011 mit 36.000 Euro seien nach Ansicht der BF allerdings deutlich zu hoch gegriffen. Da im Jahr 2011 fast nur mehr Rückbauarbeiten stattgefunden hätten, würden die Umsätze maximal 10.000 Euro betragen. Vorsteuern aus diversen Arbeiten seien angefallen iHv. ca. 25.000 Euro exkl. 20% USt, daher stimme die mit 5.000 Euro geschätzte Vorsteuer.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung 2010)

Die Ermittlung der Umsatzsteuer 2010 erfolgte durch Schätzung des Finanzamtes, weil keine Jahreserklärung und nur zwei Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden. In der Berufung wurde keine konkrete Begründung für die Anfechtung des Bescheides angeführt. Beim Erörterungstermin am akzeptierte der Vertreter der BF diese Schätzung.
Es liegen dem Gericht keine Hinweise vor, die Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung bieten würden.
Daher war die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2010 als unbegründet abzuweisen.

2. Zu Spruchpunkt II. (Abänderung 2011)

Das Bundesfinanzgericht geht aufgrund der vorgelegten Akten des Finanzamtes, den im Verfahrensgang erwähnten Schriftstücken und der Niederschrift anlässlich des Erörterungstermins von folgendem Sachverhalt aus:
Mit Bescheid vom wurden wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung 2011 die Besteuerungsgrundlagen vom Finanzamt gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt.
Die steuerpflichtigen Umsätze wurden mit 36.000 Euro angesetzt, wobei davon ausgegangen wurde, dass Anlagevermögen veräußert worden sei.
Es wurden auch im Rechtsmittelverfahren keine Buchhaltungsunterlagen und Grundaufzeichnungen vorgelegt.
Aufgrund der behördlichen Schließung des Steinbruchs im Jahr 2011 fanden kaum mehr Verkäufe statt, sondern hauptsächlich Rückbauarbeiten, aus denen Vorsteuern resultieren.
Der Vertreter der BF legte beim Erörterungstermin überzeugend dar, dass ein Abverkauf der damals in Verwendung stehenden Großmaschinen bis heute nicht möglich war. Diese stehen noch immer an denselben Plätzen am Werksgelände und wurden von Unbekannten so stark beschädigt, dass diese nicht verkauft werden können.Vom Finanzamt wurde kein Nachweis von Abverkäufen aus dem Anlagevermögen erbracht.
Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Behörde (bzw. das Gericht) im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen ().
Angesichts der beschriebenen Sachlage erscheint dem Bundesfinanzgericht die Annahme eines Jahresumsatzes in Höhe von 20.000 Euro angemessen.

Der Bescheid war daher spruchgemäß in Bezug auf die Umsätze zum Normalsteuersatz abzuändern.

3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Frage der Höhe der schätzungsweise ermittelten Bemessungsgrundlagen handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall, die einer ordentlichen Revision nicht zugänglich ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100897.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at