Abweisung eines Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab dem zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom stellte der Bf. mit der Begründung, dass er an ***9*** leide, den Antrag auf rückwirkende Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des (fachärztlich festgestellten) Eintritts der erheblichen Behinderung höchstens rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung. Aus einem dem Antrag beigefügten, mit datierten Befundbericht des ***1*** geht hervor, dass der Bf. seit dem 17. Lebensjahr an psychischen Beschwerden leide. Nämliche Beschwerden hätten sich im Anschluss an die - mit vermehrten Anstrengungen positiv absolvierte AHS- Matura - in einem deutlichen, eine universitäre Ausbildung unmöglich machenden Leistungsknick und fehlenden Sozialkontakten geäußert, wobei sich der Bf. nunmehr nach vielen Jahren, sprich ab dem in Behandlung begeben habe. Dessen ungeachtet bestünden nach wie vor starke Einschränkungen in vielen Bereichen der Alltagsfertigkeiten und konnte seitens des Bf. infolge eingeschränkter Belastbarkeit, respektive Frustrationstoleranz ein geplantes Arbeitstraining nicht angetreten werden.
Mit Vorhalt vom wurde der Bf. aufgefordert der belangten Behörde bekanntzugeben, ob er sich im Februar 2019 in Berufsausbildung befunden habe, wobei dieser Status im Antwortschreiben vom verneint wurde.
In der Folge wurde mit Bescheid vom der Antrag des Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab dem mit nachstehender Begründung abgewiesen:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Da Sie sich in keiner Berufsausbildung befunden haben, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag. Ihre Anträge vom (eingebracht am ) sind daher abzuweisen."
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Bf. - im Vorfeld der Erlassung oben angeführten Bescheids - sprich am im Sozialministeriumservice untersucht wurde, wobei die begutachtende Fachärztin für Psychiatrie unter Berücksichtigung des eine psychiatrische Behandlung des Bf. ab dem dartuenden Befundberichts vom zur Überzeugung gelangte, dass der Bf. ab Februar 2019 einerseits einen Behinderungsgrad von 50% aufweist, respektive dieser ab nämlichem Zeitpunkt voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
In der gegen den Abweisungsbescheid gerichteten Beschwerde vom ausgehend - von der Anmerkung im Sachverständigengutachten, wonach in der Person des Bf. anamnestisch eine, bereits vor dem Februar 2019 länger andauernde Symptomatik vorgelegen sei, aber mangels Vorliegen entsprechender Befunde eine Vorverlegung des Eintrittszeitpunkts der Erwerbsunfähigkeit nicht möglich sei, - auf den Umstand verwiesen, dass der Bf. laut nachgereichter Honorarnoten vom , bzw. vom insgesamt 20 psychotherapeutische Sitzungen bei einem - das Vorliegen einer y - diagnostizierenden Facharzt für Psychiatrie und Neurologie belegt habe, bzw. nachweislich beim ***2*** drei, im Zeitraum vom bis zum angesiedelte fachärztliche Termine wahrgenommen habe.
In Ansehung der Tatsache, dass vorangeführte, als Folge eines Berufseignungstests empfohlene Therapiesitzungen sowie fachärztliche Behandlungen samt und sonders vor dem 21. Geburtstag des Bf. angesiedelt gelegen seien, werde um nochmalige Prüfung der Sach- und Rechtslage ersucht.
In der Folge wurde der Bf. am neuerlich in der Landesstelle der Sozialministeriumservices untersucht, wobei der begutachtende Facharzt für Neurologie - in Abweichung vom Vorgutachten - zur Überzeugung gelangte, dass in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Bf. laut dem mit datierten Befundes des ***5*** im Vorfeld seines im Februar 2019 erfolgten Erstbesuchs der Einrichtung seit 2018 im ***1*** in Behandlung gestanden ist, sowohl der Eintritt des Behinderungsgrad von 50% sowie jener der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit mit bestätigt werden kann. Demgegenüber kann eine vor diesem Datum eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bestätigt werden, da einerseits die im Jahre 2014 erfolgten fachärztlichen Konsultationen beim ***2*** keine Diagnose, respektive die fachärztliche Bestätigung der ebenfalls im Jahr 2014 statt gefundenen psychotherapeutischen Behandlungen dezidiert die Diagnose y anstelle von z beinhaltet. Darüber hinaus mangelt es betreffend die im Bescheid der PVA vom getroffenen Feststellung, wonach im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung Berufsunfähigkeit vorliegt, an einem nämliche Feststellung stützenden ärztlichen Gutachten.
Die belangte Behörde wies das Rechtsmittel des Bf. mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom mit nachstehender Begründung ab:
"Sie stellten am den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Monat der Antragstellung September 2019. Laut amtsärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde Ihr Behinderungsgrad im Ausmaß von 50 v.H. und Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen ab Februar 2019, also nach Vollendung Ihres 21. Lebensjahres festgestellt. Demnach wurde der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Monat Februar 2019 abgewiesen.
Sie legten am form-und fristgerecht Beschwerde ein. In Ihrem Beschwerdebegehren erklärten Sie, dass Sie bereits seit dem Jahr 2014 unter psychischen Problemen litten und sich in psychotherapeutischer Behandlung begaben. Auch wurde Ihnen vom ***4*** empfohlen, auf Grund eines Berufseignungstestes, sich psychotherapeutischen Behandlungen zu unterziehen. Sie seien den Empfehlungen nachgegangen und absolvierten Therapiesitzungen bereits vor Vollendung Ihres 21.Lebensjahres. Weiters standen Sie danach im ***3*** in ***6*** in fachärztlicher Behandlung. Daher ersuchten Sie, Ihren Fall im Zuge des Beschwerdeverfahrens noch einmal zu überprüfen.
§ 6 Abs. 5 1. Satz: Kinder haben einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 bis 3),
■ sofern ihre Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und
■ ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder des Wohnbedarfs getragen wird.
§ 6 Abs. 5 2. Satz: Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c haben einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 bis 3),
■ sofern ihre Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und
■ sie einen eigenständigen Haushalt führen.
§ 6 Abs. 6: kein Eigenanspruch Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Personen,
■ im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes auf sie Anwendung finden.
§ 55 Abs. 39: § 6 Abs. 5 und Abs. 6 in der Fassung des BGBl. Nr. 77/2018 tritt mit in Kraft.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gleichgestellten volljährigen Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21.Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres (bis x.2011 vor Vollendung des 27.Lebensjahres), eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behindertes Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.
Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist nach der geltenden Rechtslage § 8 Abs. 6 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung BGBl Nr. 105/2002 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Bei der Einschätzung des Grades der Behinderung wird die Verordnung über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) angewendet.
Ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 1. und 2. Satz Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der mit geltenden Fassung des BGBl Nr. 77/2018 wäre unter den vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen dann gegeben, wenn bei Ihnen im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen vor Vollendung Ihres 21. Lebensjahres festgestellt worden wäre.
Tritt die Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres ein, besteht weder Anspruch auf Familienbeihilfe, noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblichen Behinderung zu.
Die medizinischen Sachverständigengutachten vom und vom gehen davon aus, das Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen nicht vor Vollendung Ihres 21. Lebensjahres beziehungsweise während einer späteren Berufsausbildung, eingetreten ist.
Da die amtsärztlichen Gutachten in schlüssiger und nachvollziehbarer Art zum gleichen Ergebnis führen, ist das Finanzamt daran gebunden.
Hinsichtlich Ihres Argumentes, die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei bereits viel früher eingetreten, wird auf das Erkenntnis des verwiesen, in dem der Gerichtshof zum Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit ausführt, dass § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 auf den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit abstellt. Eine solche Behinderung "kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit Längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 erfüllt. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt."
Im gegenständlichen Fall wurde Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, nach Vollendung Ihres 21.Lebensjahres festgestellt.
Mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 1. und 2. Satz Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der mit geltenden Fassung des BGBl Nr. XX/2018, bestand die Abweisung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblichen Behinderung ab dem Monat September 2019 zu Recht.
Ihrem Beschwerdebegehren konnte demnach nicht entsprochen werden."
In dem gegen die BVE gestellten Vorlageantrag vom wurde nochmals auf den Inhalt des Befundes des ***7*** vom , demgemäß der Bf. bereits seit 6 Jahren an psychischen Beschwerden leide, verwiesen.
Anzumerken sei, dass diese Leiden auch dazu geführt hätten, dass sich der Bf. zu keinem früheren Zeitpunkt in medizinische Behandlung habe begeben können.
Nach Abschluss von Matura und Zivildienst habe sich der Bf. in drei verschiedenen Studienrichtungen versucht, ohne jedoch eine einzige Prüfung abzulegen.
Im Anschluss daran habe der Bf. acht verschiedene Arbeitsstellen gehabt, wobei diese samt und sonders via Kündigung durch den Arbeitgeber verloren gegangen seien und sich ergo dessen der Bf. die übrige Zeit in Arbeitslosigkeit befunden habe.
Aus vorgenannten Gründen sei evident, dass der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei.
Schlussendlich sei auf den, den Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ablehnenden Bescheid der PVA vom hinzuweisen, welcher ausführt, dass bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung originäre Berufsunfähigkeit vorgelegen sei.
In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass das vom zweitbegutachtenden Facharzt "vermisste", jedoch dem Antrag auf Berufsunfähigkeitspension beigelegte Gutachten des ***7*** vom bis dato nicht nachgereicht worden sei, da es inhaltlich nahezu gleichlautend zu jenem, mit datierten von vorgenannter Einrichtung erstellten, ausgestaltet sei.
Der Vollständigkeit halber werde das mit datierte Gutachten nunmehr nachgereicht.
Im Übrigen sei das Fehlen früherer ärztlicher Gutachten nicht verwunderlich, da - so die Ausführungen des Gutachtens vom - es dem Bf. ob seiner bereits seit 6 Jahren bestehender Leiden nicht möglich gewesen sei, bis jetzt, sprich vor dem auf eine medizinische Behandlung einzulassen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt
In der Folge legt das BFG dem Erkenntnis nachstehenden, auf der Aktenlage und dem Parteienvorbringen basierenden Sachverhalt zu Grunde:
Aus Anlass der am erfolgten Antragstellung auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe wurde der am ***8*** geborene, einen eigenständigen Haushalt führende Bf. im Sozialministeriumservice untersucht, wobei diesem auf Grund des vorgelegten Befundes, wonach der Bf. seit dem in ständiger medizinischer Betreuung stehe, via Gutachten vom ein ab bestehender Behinderungsgrad von 50% sowie eine in nämlichem Zeitpunkt eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, attestiert wurde.
In Anbetracht der Tatsache, dass der Bf. in der gegen den, den Antrag abweisenden Bescheid erhobenen Beschwerde unter Nachreichung weiterer Dokumente, vor allem aus dem Jahre 2014 stammende Honorarnoten betreffend die Absolvierung psychotherapeutischer Sitzungen ins Treffen führte, dass der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit lange vor dem Februar 2019 anzusiedeln sei, wurde dieser neuerlich beim Sozialministeriumservice, untersucht, mit dem Ergebnis, dass seitens des begutachtenden Facharztes der Eintrittszeitpunkt der Erwerbsunfähigkeit ob erstmalig nachweislicher im Jahr 2018 erfolgter Behandlungen im ***1*** auf den vorverlegt wurde.
Der Bf. tritt im Vorlageantrag der abweisenden BVE, mit den Argumenten seiner per Versicherungsdatenauszug ausreichend bestätigen Misserfolge im Arbeitsleben, sowie einer auf Vorlage eines mit datierten Gutachtens, des Inhalts, wonach er sich vor dem auf Grund seiner Leiden nicht auf eine medizinische Behandlung habe einlassen können, seitens der PVA vermittels Bescheid vom anerkannten originären, bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen (im August 2009 erfolgten) Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung vorliegenden Berufsunfähigkeit entgegen.
2. Rechtsgrundlagen
Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für volljährige Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 Satz 2 FLAG 1967 gleichgestellte volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen. Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
3. Rechtliche Würdigung:
Entscheidend ist im Beschwerdefall, ob der Bf. infolge seiner Erkrankung bereits vor Vollendung des 21. bzw. 25. Lebensjahr in einem Ausmaß behindert war, sodass er schon damals voraussichtlich dauernd außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung ist dagegen ohne Bedeutung (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 21).
3.1. Dauernde Erwerbsunfähigkeit
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2007/15/0019, ausdrücklich auf den klaren Wortlaut des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2002 verwiesen. Die bisherige Judikatur, wonach eine mehrjährige berufliche Tätigkeit des Kindes die für den Anspruch auf Familienbeihilfe notwendige Annahme, das Kind sei infolge seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, widerlege, habe im Rahmen der durch das BGBl. I Nr. 105/2002 geschaffenen neuen Rechtslage (ab ) keinen Anwendungsbereich.
Der Gerichtshof (sh. auch ) bezieht sich dabei offensichtlich auf das Erkenntnis des , in dem der VfGH ausführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich somit der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das Bundefinanzgericht für seine Entscheidungsfindung das ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern dieses als schlüssig anzusehen ist. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob das erstellte Sachverständigengutachten diesem Kriterium entspricht.
3.2. Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom
Einleitend ist festzuhalten, dass die Sachverständigen im Bundessozialamt (nunmehr Sozialministeriumservice) bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. um den Zeitpunkt des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit feststellen zu können, neben den Untersuchungsergebnissen und ihrem Fachwissen regelmäßig die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heranziehen. Hilfreich sind dabei vor allem "alte" Befunde, Arztbriefe etc., die darauf schließen lassen, dass die Erkrankung bereits vor dem 21. Lebensjahr bzw. dem 25. Lebensjahr während einer schulischen Ausbildung aufgetreten ist; aber derartige Befunde stehen den Sachverständigen erfahrungsgemäß kaum zur Verfügung, vermutlich auch deswegen, weil sich viele Erkrankungen mit zunehmendem Alter verschlechtern und demgemäß ärztliche Hilfe erst später in Anspruch genommen wird. Vorgelegt werden daher häufig Befunde, die kaum älter als drei oder vier Jahre alt sind.
In Ansehung vorstehender Ausführungen und den Angaben des Bf. im Rahmen der fachärztlichen Untersuchungen sämtliche Befunde vorgelegt worden sei, respektive - so die Ausführungen im Vorlageantrag, wonach frühere ärztliche Gutachten ob leidensbedingter Unmöglichkeit des Bf. sich vor dem auf eine Behandlung einlassen zu können, nicht existieren, vermag des Verwaltungsgericht in der unter Bezugnahme auf das eine für das Jahr 2018 eine ambulante Behandlung des Bf. bestätigenden Befundes vom gutachterlichen Festlegung des Eintritts der dauernden Erwerbungsfähigkeit mit keine Unschlüssigkeit zu erkennen.
Zu beachten ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die vom Gesetzgeber geforderte Feststellung des tatsächlichen Eintritts der Erwerbsunfähigkeit eines Antragstellers immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen kann (; ).
Liegen keine Befunde vor einem bestimmten Zeitraum vor, ist es einem Gutachter nicht möglich, bereits davor eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festzustellen, sofern kein Leidenszustand vorliegt, der eindeutig eine Erwerbsunfähigkeit bereits von vorneherein ausschließt ().
Der Vollständigkeit halber ist der Bf. darauf zu verweisen, dass die im Bescheid der PVA vom zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung anerkannte originäre Berufsunfähigkeit der schlüssigen gutachterlichen Festlegung des Eintritts der dauernden Erwerbsunfähigkeit mit aus nachstehend angeführten Gründen nicht abträglich ist.
Ungeachtet der Tatsache, dass ex lege eine Bindung der Abgabenbehörden respektive des BFG an schlüssige Gutachten des Sozialministeriumsservice besteht ergo dessen der Bescheid der PVA nicht einschlägig ist, erscheint nach dem Dafürhalten des Verwaltungsgerichtes die Festlegung des Zeitpunktes mit August 2009 auf Basis einer fachärztlichen Stellungnahme vom , der gemäß sich der Bf. ob seiner seit sechs Jahren andauender Leiden nicht vor dem auf eine medizinische Behandlung habe einlassen können per se als unschlüssig.
Aus voranführten Gründen vermag das BFG in der Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab dem keine Rechtswidrigkeit zu erblicken und war daher wie im Spruch zu befinden.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Sowohl VfGH als auch VwGH bejahen eine Bindung an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten. Die vom Bundesfinanzgericht durchzuführende Schlüssigkeitsprüfung betrifft keine Rechtsfrage, sondern ist Ausfluss der dem BFG obliegenden freien Beweiswürdigung.
Wien, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104200.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at