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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2020, RV/5100605/2017

Fehlende Kontrolle in der Büroorganisation

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1alt***, ***Bf1-Adralt***, nunmehr: ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***VertrBf1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend Säumniszuschlag 2017, Steuernummer ***BF1StNr1*** (Steuernummer neu: ***BF1StNrneu***) zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Säumniszuschlag 2017 wird mit € 940,25 (2 % von 47.012,55) festgesetzt. Das Mehrbegehren wird als unbegründet abgewiesen.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Verfügung vom wurde die gegenständliche Beschwerde gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der Gerichtsabteilung **** wegen Versetzung in den Ruhestand abgenommen und der Geschäftsabteilung **** zugeteilt.

Mit Bescheid vom wurde ein Säumniszuschlag iHv € 1.535,37 festgesetzt, weil die Umsatzsteuer 12/2016 iHv. € 76.768,64 nicht fristgerecht bis entrichtet worden war.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Begründet wurde ausgeführt, dass die Buchhalterin der Gesellschaft üblicherweise nach Abgabe der UVA im Internetbanking einen Terminauftrag zur Überweisung der Zahllast hinterlege. Da sie nach Abgabe der Dezember UVA erfahren habe, dass die UVA berichtigt werden müsse (zur Abgabenminderung siehe Steuerkonto), habe sie diesen Auftrag wieder storniert. Die Voreingabe der Zahlung sei eine seit langem praktizierte Vorgehensweise der Gesellschaft und somit habe die Buchhalterin zur Frist nicht mehr an die Begleichung der Zahllast gedacht. Als seitens der Steuerberatung bei der Berichtigung der Klient auf den Rückstand hingewiesen worden sei, sei die Begleichung umgehend veranlasst worden. Da es sich hierbei um kein grobes Verschulden gehandelt und die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit die Abgaben stets fristgerecht entrichtet habe, werde um Aufhebung des Säumniszuschlages ersucht. Es werde noch einmal um Kenntnisnahme ersucht, dass die mit festgesetzten Säumniszuschläge ein Versehen seitens des Finanzamtes gewesen wären und umgehend storniert worden seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde vom teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert. Der Säumniszuschlag für die Umsatzsteuer Dezember 2016 wurde mit € 940,25 festgesetzt (bisher war vorgeschrieben € 1.535,37).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die nachträgliche Minderung mittels Bescheid vom durch die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung aus EDV-technischen Gründen bei der Säumniszuschlag-Vorschreibung nicht berücksichtigt worden sei. Aus diesem Grund werde die Vorschreibung des Säumniszuschlages abgeändert.
Nach Abgabe der ersten Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2016 am sei festgestellt worden, dass sich zu dieser eine Änderung ergeben würde. Dieser Sachverhalt wäre sobald bekannt gewesen, dass die Stornierung des Terminauftrages für die Überweisung der Umsatzsteuer-Zahllast noch möglich gewesen wäre. Nach Ansicht der Abgabenbehörde hätte nach Stornierung der Überweisung entweder bei noch längerer Zeit bis zur Fälligkeit eine entsprechende Maßnahme gesetzt werden können, um das Übersehen des Termins nach menschlichem Ermessen zu verhindern oder bei einer kurz vor Fälligkeit durchgeführten Stornierung wäre ein besonderes Augenmerk auf den kurz bevorstehenden Zahlungstermin zu richten gewesen. Nicht erklärlich sei, dass die Einreichung der berichtigten Voranmeldung und die Zahlung erst am - somit sehr lange nach Fälligkeit - erfolgt sei. Dies ließe darauf schließen, dass die Wahrung der gesetzlichen Termine und Fristen nicht mit der entsprechenden Sorgfaltspflicht wahrgenommen würden. Da anlässlich der Stornierung des Terminauftrages kurz vor der Fälligkeit keinerlei Handlungen zur Vermeidung gesetzt worden seien, ließe sich im Zusammenhang mit der Gestaltung der Büroorganisation ein Mangel der Sorgfaltspflicht sehen. Wenn bis zum Fälligkeitstag die berichtigten Daten der Voranmeldung nicht ermittelt werden könnten, wären eine Überweisung des "falschen" Betrages laut erster Umsatzsteuervoranmeldung und das Lukrieren einer Gutschrift bei Berichtigung, Überweisung zumindest eines (adäquaten) Betrages also a-conto oder auch die Einbringung eines Zahlungserleichterungsansuchens bis zur Fälligkeit Möglichkeiten zur Minderung oder auch Vermeidung des Zuschlages gewesen. Das Finanzamt sei der Ansicht, dass die Gesamtheit der angeführten Faktoren nicht ausreichen könnten, um eine nur leichte Fahrlässigkeit zu begründen, um dem vom Gesetzgeber wohlüberlegten Interesse an einer ordnungsgemäßen Finanzgebarung und der damit verbundenen unabdingbaren Sicherstellung der pünktlichen Tilgung von Abgabenschulden entgegenzuwirken. Ebenso stelle die dargelegte Erstmaligkeit der Säumnis für sich allein keinen Grund dar, die Abschreibung des gegenständlichen Säumniszuschlages zu rechtfertigen. Seitens des Gesetzgebers würden hierfür keinerlei Bestimmungen geschaffen. Dazu werde ausgeführt, dass auf dem Abgabenkonto Verspätungen bei der Bezahlung der Kammerumlage für 2016 aufscheinen würden. Die dargelegte "stets fristgerechte Bezahlung" der Abgaben könnte nicht belegt werden. Die Büroorganisation müsste so gestaltet sein, dass die Fristen genau vorgemerkt würden und Kontrollen zur Vermeidung von Fehlern infolge menschlichen Versagens weitgehend ausgeschlossen werden könnten. Es liege grobes Verschulden vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB anzusehen sei. Grobe Fahrlässigkeit würde mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt werden. Auffallend sorglos handle, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lasse. Bei der Beurteilung des groben Verschuldens sei auch zu berücksichtigen, ob ein ansonsten pünktliches Zahlungsverhalten darauf schließen ließe, dass die Finanzamtszahlungen mit der gebotenen Sorgfaltspflicht erfüllt würden. Eine andere Beurteilung sei dann geboten, wenn bereits (wiederholt) Fehler unterlaufen wären. Die Voraussetzungen zur Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO sei folglich nicht gegeben. Da in der Beschwerdeschrift keine weiteren berücksichtigungswürdigen Gründe vorgebracht worden seien, wäre die Beschwerde betreffend das Mehrbegehren abzuweisen.

Mit Schreiben vom beantragte die steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Zusätzlich zu der in der Beschwerde angeführten Begründung sei noch anzumerken, dass die verursachende Mitarbeiterin erst seit Dezember 2016 bei der Beschwerdeführerin beschäftigt sei. Selbstverständlich sei die Mitarbeiterin gewissenhaft eingeschult worden und ein Fehler aufgrund mangelnder Routine könne diesen weder entschuldigen noch dessen Auswirkungen dezimieren, mache aber besagten Fehler menschlich nachvollziehbarer. Wie in der Beschwerde angeführt habe die Buchhalterin nach Abgabe der UVA mittels Internetbanking einen Terminauftrag zur Zahlung hinterlegt. Diese Vorgangsweise sei bei der Beschwerdeführerin lange praktizierter Usus. In weiterer Folge habe sich abgezeichnet, dass die UVA berichtigt werden müsse. Somit sei der Terminauftrag wieder storniert worden. Da zur Zahlungsfrist die zusätzlichen Lieferantenrechnungen noch nicht geprüft worden wären, seien diese nicht verbucht worden und die UVA konnte noch nicht vermindert werden. Dass der Terminauftrag für den zu diesem Zeitpunkt fälligen Betrag bereits storniert gewesen sei, habe die Mitarbeiterin fehlerhaft nicht bedacht. Als die steuerliche Vertretung bei der Berichtigung die Beschwerdeführerin auf den Rückstand hingewiesen habe, sei die Begleichung umgehend veranlasst worden. Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sei auf Antrag des Abgabenpflichtigen ein Säumniszuschlag herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe. Grobes Verschulden im Sinne dieser Bestimmung liege vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit (minderer Grad des Versehens im Sinne des § 308 Abs. 1 zweiter Satz BAO) zu qualifizieren sei. Eine lediglich leichte Fahrlässigkeit sei anzunehmen, wenn ein Fehler auftrete, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe. Grobe Fahrlässigkeit werde mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handle, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lasse. Dies werde in der Rechtsprechung auch mit extremem Abweichen von der gebotenen Sorgfalt umschrieben, das subjektiv auch in diesem Maße vorwerfbar sei. Es müsse also eine ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung vorliegen. Davon könne im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden, da das dargestellte Vergehen ein solches sei, dass selbst einem sorgfältigen Menschen in der beschriebenen Situation unterlaufen könne. Weiters sei zu beachten, dass der Beschwerdeführerin ein derartiges Versehen erst- bzw. einmalig unterlaufen sei. Es werde daher beantragt, den Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages aus obigen Gründen ersatzlos aufzuheben.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte unter Verweis auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Entscheidungsrelevant ist gegenständlich, ob die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2016 fristgerecht entrichtet worden ist bzw. ob die Beschwerdeführerin an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft.

Die am fällige Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2016 wurde dem Finanzamt mit einer Zahllast von 76.768,64 € gemeldet, ohne dass dieser Betrag zur Einzahlung gelangte.
Da sich herausgestellt hatte, dass die Vorauszahlung unrichtig berechnet worden war, hatte die Buchhalterin den im Internetbanking bereits hinterlegten Zahlungsauftrag wieder storniert.
Am wurde die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung verbucht, die eine Gutschrift von 29.756,09 € ergab. Die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2016 in Höhe von 47.012,55 wurde schließlich durch die Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung Jänner 2017 (26.551,***BF1StNrneu*** €) und einer Zahlung vom verspätet entrichtet.
Mit Bescheid vom wurde ein Säumniszuschlag in Höhe von 1.535,37 € festgesetzt, weil die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2016 in Höhe von 76.768,64 € nicht fristgerecht entrichtet worden war.
Üblicherweise wird nach Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung von der Buchhalterin im Internetbanking ein Terminauftrag zur Überweisung der Zahllast hinterlegt. Die mit dem konkreten Vorgang betraute Mitarbeiterin der Beschwerdeführerin ist seit Dezember 2016 bei der Beschwerdeführerin angestellt und wurde gewissenhaft eingeschult.
Infolge des Antrages vom wurden die Sitzverlegung von ***Bf1-Adralt*** nach ***Bf1-Adr*** und die Namensänderung von ***Bf1alt*** in ***Bf1*** im Firmenbuch eingetragen.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem die zusammengefasst zu verbuchenden wiederkehrenden Abgaben im jeweiligen Buchungszeitraum darstellenden Abgabenkonto (Buchungsabfrage), sowie aus dem entsprechenden Vorbringen in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag und einer hinsichtlich der Beschwerdeführerin durchgeführten Firmenbuchabfrage.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ist, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d leg.cit.), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, ein erster Säumniszuschlag i.H.v. 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten.
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihm an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei Nachabgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Abs. 8 normiert für den Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages.

Gegenständlich wurde der Säumniszuschlag von einer Abgabenschuld (Umsatzsteuer Dezember 2012) i.H.v. € 76.768,64 berechnet. Es kam daher zu einer Vorschreibung eines Säumniszuschlages von € 1.535,37 (2 % von 76.768,64). Aufgrund einer berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung wurde die Umsatzsteuer Dezember 2016 mit einem Betrag von € 47.012,55 festgesetzt. Entsprechend der Bestimmung des § 217 Abs. 8 BAO ist der gegenständliche Säumniszuschlag jedenfalls nur von der nunmehr verminderten Abgabenschuld i.H.v. € 47.012,55 festzusetzen. Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt worden ist, beträgt der Säumniszuschlag somit € 940,25.

Es ist unbestritten, dass die Umsatzsteuervorauszahlung Dezember 2016 in Höhe von € 47.012,55 am 15.02.2017fällig und der Betrag verspätet entichtet worden war. Es liegt kein Aufschiebungsgrund nach § 217 Abs. 4 lit a bis d BAO vor. Nach Aktenlage liegt auch keine ausnahmsweise Säumnis im Sinne des § 217 Abs. 5 BAO vor. Der Tatbestand des § 217 Abs. 1 BAO ist daher unbestritten erfüllt und die belangte Behörde war verpflichtet, einen Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des verspätet entrichteten Abgabenbetrages vorzuschreiben.

Auf Antrag des Abgabenpflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw.nicht festzusetzen als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).

Anträge gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind grundsätzlich unbefristet und können auch in einer Beschwerde oder im Vorlageantrag betreffend den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 217 Anm. 11; -RS1).

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob den Abgabenpflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft.

In einem vom Antragsprinzip beherrschten, auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichteten Verfahren tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Dies bedeutet, dass derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, von sich aus einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegens all jener Umstände aufzuzeigen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Nach Lehre und Rechtsprechung liegt grobes Verschulden vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB anzusehen ist. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (vgl Ritz, BAO6, § 217, Tz 43). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine bloße leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (). Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.

Im Rechtssatz zum Erkentnis vom , 2007/15/0169, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgeführt: "Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Anträge gemäß § 217 Abs. 7 BAO können auch in einer Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (vgl. Ritz, BAO3, § 217 Tz. 65). Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0305). Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. Ritz, aaO, § 217 Tz. 43). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. (Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl. auch hiezu Ritz, aaO, § 217 Tz. 46)."

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass die Büroorganisation dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen muss. Dazu gehören insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, sodass Unzulänglichkeiten zu Folge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind. Das Fehlen jeglicher Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation sei als ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzusehen.

Die Ausführungen in der Beschwerde und im Vorlageantrag können der gegenständlichen Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil einem möglichen Verschulden der Buchhalterin der Beschwerdeführerin keine unmittelbare Bedeutung zukommt. Damit wird nur ein (mögliches) Verschulden der Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin angesprochen. Entscheidend ist jedoch das Verhalten der Beschwerdeführerin selbst (bzw. deren Geschäftsführer) in Bezug auf die organisatorische Einrichtung und die Einhaltung von Fälligkeiten. Dazu fehlen jedliche Ausführungen. In der Beschwerde und im Vorlageantrag wurde vorgebracht, dass die Buchhalterin der Gesellschaft üblicherweise nach Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen im Internetbanking einen Terminauftrag zur Überweisung der Zahllast hinterlegen würde. Es wurde jedoch nicht dargelegt, ob bzw. wie dieser Vorgang auch kontrolliert wird oder ob in irgendeiner Weise garantiert wird, dass dieser Vorgang auch tatsächlich gesetzt wird. Es scheint nicht gesichert zu sein, dass zu den jeweiligen Fälligkeiten tatsächlich die Terminaufträge hinterlegt sind. Gegenständlich wurde ein bereits hinterlegter Terminauftrag storniert, als sich herausgestellt hatte, dass die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2016 unrichtig berechnet worden war. Es wurde für einen derartigen Fall keine Vorsorge getroffen, die garantiert, dass der Zahlungsauftrag neuerlich der Bank übermittelt wird. Hinzu kommt noch, dass die für den Vorgang verantwortliche Buchhalterin erst seit Dezember 2016 für die Beschwerdeführerin tätig war. Das heißt, im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer Dezember 2016 hat sie erst zweieinhalb Monate, die von den Weihnachtsfeiertagen unterbrochen waren, für die Beschwerdeführerin gearbeitet. Die naturgemäß mangelnde Routine der Mitarbeiterin sowie die Außergewöhnlichkeit der Angelegenheit (Stornierung eines bereits durchgeführten Zahlungsauftrages wegen unrichtiger Berechnung) hätten eine besondere Kontrolle und Überwachung der Beschwerdeführerin erfordert. Da diesbezüglich kein Vorbringen erstattet wurde, ist davon auszugehen, dass eben eine entsprechende Vorsorge nicht getroffen worden ist.

Hinzu kommt, dass in der Beschwerdevorentscheidung, der nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltecharakter zukommt, behauptet wurde, dass auch die Kammerumlage 2016 verspätet entrichtet worden sei. Dieser Behauptung wurde von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Wiederholte Säumnis spricht gegen eines positive Ermessensübung.

Da die Beschwerdeführerin somit - von sich aus - nicht nachgewiesen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie an der verfahrensgegeständlichen Säumnis (mangels der dem Geschäftsführer obliegenden Aufsichtspflicht) kein grobes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO getroffen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dies ist, indem die Entscheidung der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, nicht der Fall, sodass die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100605.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at