Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.10.2020, RV/2100142/2020

Normalarbeitszeit bei einem im Wechseldienst tätigen Feuerwehrmann

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0006. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH, Neubaugasse 24, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 und 2016 und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) ist als Feuerwehrmann beim Magistrat Graz beschäftigt und im 24-Stunden Wechseldienst tätig.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob bei der Arbeitnehmerveranlagung der Streitjahre der erhöhte Freibetrag nach § 68 Abs. 6 EStG 1988 zu berücksichtigen ist.

Vom Finanzamt wurde der erhöhte Freibetrag - wie in den Jahren 2012 bis 2014 - nicht zuerkannt.

Dagegen wandte sich der Bf mit dem Rechtsmittel der Beschwerde. Darin konkretisiert der rechtsfreundliche Vertreter des Bf seine bereits in dem die Vorjahre betreffenden Verfahren getätigten Ausführungen zu den Mehrdienstleistungen des Bf aufgrund dessen Zustimmungserklärung zur Opt-Out Regelung und bringt diese Mehrleistungen als eine "dritte Zeitart", neben den üblichen zwei Arbeitszeiten (Normalarbeitszeit und Überstunden), ins Spiel, die, so die Ausführungen in der Beschwerde "völlig ungebräuchlicher Natur ist, da sie sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens ansiedelt."

Im § 68 EStG 1988 werde nur auf diese zwei Arten der Arbeitszeit Bedacht genommen. Im Falle des Bf gebe es aber noch eine dritte Zeitart, nämlich den Begriff der sogenannten Mehrdienstleistung. Der Bf erhalte zusätzlich zur Wechseldienstentschädigung auch eine Überstunden-Vergütung.

Da der Gesetzgeber im Einkommensteuergesetz nur zwei Arbeitszeiten berücksichtige, müsse der Frage auf den Grund gegangen werden, warum nur die Normalarbeitszeit (in Höhe von max. 40 Wochenarbeitsstunden) Gegenstand der Formulierung des Gesetzestextes in § 68 Abs. 6 EStG 1988 gewesen wäre.

Der Grund dafür sei einfach und einleuchtend. Die einzige "Arbeitszeit", welche das gesetzliche Höchstausmaß von 40 Wochenstunden lt. Auffassung des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzestextes im Jahr 1988 zu übersteigen vermochte, seien Überstunden. Laut Auffassung des Bf seien die Zeitanteile (der dritten Zeitart) seiner Mehrleistung zweifellos mit jenen aus seiner Normalarbeitszeit gleich zu stellen.

Ein weiterer Punkt, der beweise, dass die vom Bf erbrachte Mehrdienstleistung nicht als Überstunden zu werten seien, gehe aus ihrer Entschädigungshöhe hervor. Während die Abgeltungshöhe von Überstunden immer über dem Stundensatz von Normalarbeitszeit liege, sei es bei der Vergütung der Mehrdienstleistung sogar so, dass diese unterhalb der Entschädigungshöhe seiner Normalarbeitszeit liege. Der Bf selbst hätte anfänglich seine Gesamtarbeitszeit mit der in § 68 Abs. 6 EStG1988 angeführten Normalarbeitszeit verwechselt und gleichgesetzt. Diese anfängliche Fehleinschätzung zeige zugleich aber auf, dass diese nur deshalb überhaupt zustanden kommen konnte, weil es dem Wesen nach keinen Unterschied zwischen den Zeitanteilen der 40 Stunden Normalarbeitszeit und den 21,4 Stunden Mehrdienstleistungszeit, die der Bf wöchentlich erbringe, gebe.

Somit seien die wöchentlich vom Bf erbrachten Nachtarbeitsstunden jene Quantität, welche den 20 Stunden (der Hälfte seine Normalarbeitszeithöhe) gegenüberzustellen seien.

Dies sei jener Kardinalfehler, welcher das Wesen der Normalarbeitszeit (im Sinne einer Legaldefinition) völlig verkenne und die Verhältnismäßigkeit der tatsächlich wöchentlich geleisteten Nachtarbeit in Höhe von 30,7 Stunden bei einer Gegenüberstellung zu der aus dem Höchstmaß der Normalarbeitszeit abgeleiteten Stundenanzahl ("mehr als die Hälfte = über 20) verzerre. Dieser Fehler sei zuvor einem Wiener Berufsfeuerwehrmann passiert, der völlig verkannte, dass seine Gesamtarbeitszeit nicht mit der Normalarbeitszeit gleichzusetzen sei.

In weiterer Folge stellte die rechtsfreundliche Vertretung Überlegungen an, die Rückschlüsse auf die vom Gesetzgeber bei der Verfassung des Wortlautes des § 68 Abs. 6 EStG 1988 dahinterstehende Absicht geben könnten. Der Bf stelle zur (nachträglichen) Bestimmung der gesetzlichen Ratio von § 68 Abs. 6 EStG 1988 die Behauptung in den Raum, dass der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung seines Gesetzestextes die 40-Stunden Höchstgrenze mit im Sinn gehabt hätte.

Fest stehe, dass sich die maximale Höhe der Normalarbeitszeit auch beim Bf auf 40 Wochenarbeitsstunden und die Höhe seiner wöchentlich geleisteten Nachtarbeitsstunden auf rund 30,7 Nachtstunden belaufe. Stelle man die Menge der wöchentlichen Nachtarbeitsstunden in Vergleich zur vorliegenden Höhe der Normalarbeitszeit, so sei unleugbar ein deutliches Überwiegen gegeben, zumindest, wenn man dem Sinngehalt der gesetzlichen Ratio von § 68 Abs. 6 EStG 1988 Folge leiste.

Mit Hilfe einer der Beschwerde beiliegenden visuellen Veranschaulichung (Balkendiagramm, Tortendiagramm) werde die im Normalfall notwendige und vergleichsweise vom Bf geleistete Nachtarbeitsmenge aufgezeigt.

Nach Ansicht und Rechtsauffassung des Bf sei die gesetzliche Ratio des § 68 EStG 1988 gänzlich negiert und vernachlässigt worden, da ausschließlich nach dem Wortlaut, nicht jedoch nach dem Ziel dieser Bestimmung entschieden worden sei. Der Grund dafür sei, dass das Gesetz nicht berücksichtige, dass es drei Arbeitszeitarten gebe. "Eine Verwehrung der Zuerkennung des erhöhten Steuerfreibetrages für Nachtarbeit ist nur unter völliger Negierung der tatsächlichen Quantität der über 30 Wochennachtstunden möglich, und ist zwar eine zwar mögliche Rechtsauslegung, die aber den Wortlaut des § 68 Abs. 6 EStG 1988 über dessen Sinngehalt stellt und darum der dahinterstehenden gesetzlichen Ratio nicht ausreichend Rechnung trägt".

Die seiner Meinung nach verfassungswidrige steuerliche Schlechterstellung zeigte der Bf in der Folge an Hand eines Rechenbeispiels, unter der Annahme er wäre Nachtwächter, auf.

In der Folge setzte sich der Bf in seiner Beschwerde mit dem in seinem Fall vorliegenden öffentlichen Interesse und dem Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die falsche Auslegung bzw. Anwendung des § 68 Abs. 6 EStG 1988 durch das Finanzamt Graz-Stadt auseinander.

In seiner Conclusio führte er abschließend an, dass im Falle einer Negierung der Nachtarbeitszeitleistung des Bf und der damit einhergehenden Versagung der Zuerkennung der Anspruchsberechtigung für den erhöhten Steuerfreibetrag für Nacharbeit auch der gesamte Berufsstand aller Berufsfeuerwehrmänner in Österreich von einer derartigen Rechtsprechung mit betroffen wäre. Eine Verweigerung der Zuerkennung des erhöhten Steuerfreibetrages für all jene, die wöchentlich (weit) mehr als die Hälfte ihrer Normalarbeitszeithöhe an Nachtarbeit leisten würde auch gesellschaftspolitische und zugleich (gesellschaftskritische Fragen) aufwerfen. Die jüngste Änderung des Nachtschwerarbeitergesetzes beweise, dass es durchaus möglich sei auf sachlich nicht begründete und im Lichte des Art. 7 B-VG verfassungswidrige Schlechterstellungen gesetzgeberseitig angemessen zu reagieren und mittels Novellierung veralteter oder als unzureichend erkannter Teile der Gesetzgebung diese bedarfsgerecht neu auszurichten und anzupassen.

Dass dies auch für den angefochtenen Wortlaut des § 68 Abs. 6 EStG zutreffe, gehe daraus hervor, dass im Jahr 2013 bereits einmal eine notwendig erscheinende Anpassung des Gesetzestextes vorgenommen worden sei, als nach der Novelle BGBL.I 53/2013 die Textpassage "auf Grund der Beschaffenheit ihrer Arbeit" im Abs. 6 entfallen sei. Somit sei unter Beweis gestellt, dass der Gesetzgeber durchaus in der Lage sei Änderungen vornehmen zu wollen, wann immer ihm eine diesbezügliche Notwendigkeit zur Kenntnis gebracht worden sei.

Dass es im vorliegenden Fall jedoch keiner Anpassung des Gesetzestextes bedürfe sondern lediglich einer Rechtsauslegung im Sinne der gesetzlichen Ratio, sei aus der Formulierung im Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom zu GZ: E 2602/2017-5 entnehmbar, wo von einer -allenfalls grob -unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes die Rede sei.

Die Entscheidung zu GZ: 2005/14/0087 könne mit dem nunmehr gegenständlichen Fall nicht verglichen werden, da die Argumentation eine gänzlich andere gewesen sei und auch wesentlich weniger Informationen zu den Besonderheiten des Dienstverhältnisses zur Verfügung gestellt worden seien. Der VwGH hätte in dieser Entscheidung schlichtweg nicht ausreichende Kenntnis von der einzigartigen und besonderen Arbeitssituation der Berufsfeuerwehrmänner gehabt. Der diesem Erkenntnis zugrundeliegende Sachverhalt berücksichtige individuelle Regelungen bei der Dienstübergabe und ändere nichts daran, dass die Wiener Berufsfeuerwehr-Bediensteten im Wechseldienst wöchentlich 30,95 Nachtarbeitsstunden, zusammenhängend durchgehend im Zeitraum von 19.00 Uhr bis 07.00 Uhr des Folgetages und somit weitaus mehr als das im § 68 Abs. 6 EStG 1988 geforderte Höchstausmaß der Hälfte der 40 Stunden maximaler Normalarbeitszeithöhe, leisten würden.

In der in der Folge ergangenen Beschwerdevorentscheidung setzte sich das Finanzamt mit diesen Ausführungen auseinander und wies die Beschwerde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der Beschwerdeausführungen als unbegründet ab und gab dabei im Wesentlichen die Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes in der Entscheidung vom , RV/2101377/2015, wieder und kam neuerlich zu dem Ergebnis, dass beim Bf die Normalarbeitszeit nicht überwiegend im Zeitraum zwischen 19 und 7 Uhr liege.

Dagegen richtet sich der Bf mit Antrag vom auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Diesem Antrag legte er seine gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 -2017 gerichtete Beschwerde vom bei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtliche Grundlagen:

§ 68 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"(1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

(4) Als Überstunde gilt jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. Als Normalarbeitszeit gilt jene Arbeitszeit, die auf Grund

1. gesetzlicher Vorschriften,

2. von Dienstordnungen der Gebietskörperschaften

3. …

festgesetzt wird oder die

7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern allgemein übliche Normalarbeitszeit.

(6) Als Nachtarbeit gelten zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die auf Grund betrieblicher Erfordernisse zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden müssen. Für Arbeitnehmer, deren Normalarbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum auf Grund der Beschaffenheit ihrer Arbeit überwiegend in der Zeit von 19 Uhr bis 7 Uhr liegt, erhöht sich der Freibetrag gemäß Abs. 1 um 50%."

Nach der Novelle BGBl. I 53/2013 (für die Veranlagungen ab 2013) entfiel die Passage "auf Grund der Beschaffenheit ihrer Arbeit" im Abs. 6., die auf das Berufsbild eines typischen Nachtarbeiters (zB Bäcker, Drucker und technisches Personal bei Tageszeitungen, Personal in Nachtbars, Diskotheken, Casinos, Nachtportiere) abstellte.

Der Bf ist Feuerwehrmann bei der städtischen Berufsfeuerwehr und arbeitet dort im Schichtdienst-System. Ein Wechseldienst dauert 24 Stunden, wobei die Feuerwehrleute jeden zweiten Tag Schichtdienst haben. Der Dienst beginnt um 7:30 in der Früh mit der Geräteübernahme und endet um 7:30 des nächsten Tages. Bis um 7:30 des darauf folgenden Tages haben die Feuerwehrleute dienstfrei.

Jeder Feuerwehrmann der Branddienstmannschaft, der im 24-stündigen Wechseldienst beschäftigt ist, ist fix einer der beiden Dienstgruppen zugeordnet. Jede Dienstgruppe hätte an 182,5 Kalendertagen (365.2, da zwei Dienstgruppen) im Jahr Dienst zu versehen. Da dies zu einer Wochenarbeitszeit von 84 Stunden führen würde, hat jeder Feuerwehrmann 49 dienstfreie Tage im Jahr, weshalb er auf 133,5 Wechseldienste jährlich oder 11,125 monatlich kommt. Durchschnittlich leistet er 61,5 Wochenarbeitsstunden oder 267 Stunden im Monat, was durch eine Opt-Out-Erklärung ermöglicht wird. Die im Rahmen des 24-Stunden Wechseldienstes zu erbringenden quantitativen Mehrleistungen werden durch dienstfreie Tage und durch die Wechseldienstentschädigung abgegolten. Diese wird in zwei gleich großen Teilen monatlich als Wechseldienstentschädigung Tag und Wechseldienstentschädigung Nacht ausbezahlt. Auch wird monatlich eine Gefahrenzulage ausbezahlt. Die Normalarbeitszeit beträgt 40 Wochenstunden.

Sowohl der Unabhängige Finanzsenat als auch das Bundesfinanzgericht haben sich mit der Frage beschäftigt, ob ein erhöhter Freibetrag für Nachtarbeit bei 24-Stunden-Wechseldienst zusteht und allesamt abschlägige Rechtsmittelentscheidungen erlassen. Dabei wurde die Rechtsauffassung vertreten, wonach es bei einem 24-Stunden-Dienst in der Natur der Sache liegt, dass die eine Hälfte der 12 Stunden in den Zeitraum 7 Uhr bis 19 Uhr und die andere Hälfte der 12 Stunden in den Zeitraum 19 bis 7 Uhr entfällt und es daher kein Überwiegen der Nachtarbeit im Sinne des § 68 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 geben kann (, vom , RV/1917-W/04, vom , RV/1063-W/04, sowie , vom , RV/2101377/2015 und vom , RV/2100152/2016).

Im Beschwerdefall ist von einem identen Sachverhalt auszugehen.

In dem die Jahre 2012 bis 2014 betreffenden Beschwerdeverfahren des Bf hat das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/2101377/2015, Nachstehendes erwogen:

"Bei dem Begriff "Normalarbeitszeit" handelt es sich um eine Legaldefinition des Einkommensteuergesetzes. Wesentlich für die Gewährung des erhöhten Freibetrages ist das zeitlich überwiegende Tätigwerden des Arbeitnehmers innerhalb seiner Normalarbeitszeit in der steuerlichen Nacht (19 Uhr bis 7 Uhr). Kurz gesagt: die Normalarbeitszeit muss überwiegend in der steuerlichen Nacht liegen.

Dabei hat die Betrachtung den Lohnzahlungszeitraum zu umfassen. Als Lohnzahlungszeitraum ist nach § 77 Abs. 1 EStG 1988 grundsätzlich der Kalendermonat anzusehen. Für den Bf. als Beamten der Stadt findet die Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Stadt 1956, LGBl 30/1957, Stand , Anwendung. § 17 definiert darin die Arbeitszeit folgendermaßen: "(1) Die regelmäßige Arbeitszeit ist nach den besonderen Bedürfnissen für die einzelnen Verwendungen vom Stadtsenat festzusetzen." Der Bf. behauptet selbst eine Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden und verweist auf Ausführungen des Personalamtes, wonach die über die "Normalleistung von 40 Wochenstunden hinaus erbrachten Mehrleistungen mit einem Stundensatz von …. vergütet werden.", weshalb auch das BFG diese unstrittige Feststellung seiner Betrachtung zu Grunde legt. Bei einer 40 Stunden-Woche beträgt die monatliche Normalarbeitszeit durchschnittlich 173 Stunden, was auch dem Stundenteiler für die Ermittlung des Grundlohnes entspricht (vgl. auch LStR 2002 Rz 1148).

Der Bf. leistet - nach eigenen Angaben - an durchschnittlich 11,125 Tagen pro Monat einen 24-Stunden Wechseldienst. Dies entspricht einer Anzahl von 267 erbrachten Arbeitsstunden im Monat oder ca. 61,45 Wochenstunden. "Normalarbeitszeit" sind aber nicht die 267 mtl. tatsächlich geleisteten Stunden, sondern 173 Stunden. Die darüber hinausgehenden Stunden sind einkommensteuerlich Überstunden im Sinne des § 68 Abs. 4 EStG 1988, die gesondert neben dem Grundlohn unter der Bezeichnung Wechseldienst C Tag und C Nacht abgegolten werden (siehe auch zur Wechseldienstentschädigung bei einem Wiener Berufsfeuerwehrmann).

Der Anteil der Normalarbeitszeit an einem 24-Stunden-Wechseldienst beträgt - wie dies auch der Bf. errechnete - ca. 65%, ds 15,6 Stunden. Der Anteil der Mehrleistungsarbeitszeit ist demnach 35% oder 8,4 Stunden. Dies entspricht in etwa auch den Angaben des Personalamtes, das grundsätzlich bei einem 24-Stunden-Dienst von einer Normalarbeitszeit von ca. 15 Stunden und einer Mehrdienstleistung von 9 Stunden ausging.

Für die Anwendung der Bestimmung des § 68 Abs. 6 EStG 1988 ist es nun aber wesentlich, in welchen Zeitabschnitt die Normalarbeitszeit fällt, dh ob sie zeitlich überwiegend in die steuerliche Nacht fällt.

Bei einem 24-Stunden Wechseldienst liegt es in der Natur der Sache, dass die eine Hälfte in den Zeitraum 7 - 19 Uhr und die andere Hälfte in den Zeitraum 19 - 7 Uhr entfällt und es daher kein Überwiegen der Nachtarbeit im Sinne von § 68 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 gibt (vgl. die in Doralt, EStG14, § 68 Tz 32 zitierte UFS Entscheidung vom , RV/1063-W/04). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "überwiegend" mehr als 50%. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Normalarbeitszeit im maßgeblichen Lohnzahlungszeitraum in die begünstigte Nachtzeit fallen muss. Die Normalarbeitszeit beträgt 40 Wochenstunden, die real geleistete Arbeit 61,45 Wochenstunden. Der Anteil der Normalarbeitszeit liegt daher bei 65%. Bei einem 24-Stunden-Dienst entspricht der Anteil der Normaldienstzeit damit 15,6 Stunden, die verbleibenden 8,4 Stunden sind einkommensteuerrechtlich Überstunden. Zu betrachten ist ausschließlich die zeitliche Lage der Normalarbeitszeit. Während der Nachtzeit erbrachte Überstunden rechtfertigen keine Freibetragserhöhung (LStR 2002 zitiert in Doralt, EStG14, § 68 Rz 32).

Bei einem 24-Stunden-Dienst ist es angezeigt, dass die Normalarbeitszeit von 15,6 Stunden gleichmäßig auf den Zeitraum des Tages und der Nacht aufgeteilt wird. Dass die Normalarbeitszeit überwiegend in die steuerliche Nacht fällt - wie dies der Bf. in seiner Stellungnahme vom lediglich andeutet -, ist im Hinblick darauf, dass der Schichtdienst mit dem Arbeits- und Übungsbeginn um 7:30 Uhr angesetzt ist und dieser um 18 Uhr endet, (woran sich ein Bereitschaftsdienst anschließt), nicht plausibel.

Der Bf. geht selbst davon aus, dass der real geleisteten Arbeitszeit von 30,731 Wochenstunden in der Nacht eine gleich große Anzahl an Tagesarbeitsstunden gegenübersteht. Die Anspruchsberechtigung auf den erhöhten Freibetrag sieht er allerdings deshalb als gegeben an, weil er vermeint, lediglich mehr als 20 Stunden Nachtarbeit wöchentlich leisten zu müssen, um den erhöhten Freibetrag zu erhalten und er der Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden seine "real" geleistete Arbeitszeit von 61,45 Wochenstunden gegenüberstellt. Die Bestimmung des § 68 Abs. 6 EStG 1988 stellt aber ausschließlich auf die Normalarbeitszeit ab, für die im Steuerrecht eine Legaldefinition besteht. Zeiten der "real" geleisteten Arbeitsstunden beinhalten Überstunden, die außer Betracht zu bleiben haben."

Dem hält der Bf im Beschwerdefall ausschließlich das Argument entgegen, es sei im § 68 EStG 1988 nicht auf den Umstand, dass es sich bei der von ihm geleisteten Mehrdienstleistung um eine dritte Zeitart handle, Bedacht genommen worden. Diese dritte Zeitart sei völlig ungebräuchlicher Natur, da sie sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens ansiedelt. Im vorliegenden Fall kämen somit drei Arbeitszeiten zur Anwendung: Normalarbeitszeit, Mehrleistung und Überstunden. Die Zeitanteile (der dritten Zeitart) seiner Mehrdienstleistung seien mit der Normalarbeitszeit gleich zu stellen.

Um zu klären, ob die Nachtarbeitszeitanteile aus der Mehrdienstleistungszeit (in Höhe von wöchentlich 10,7 Nachtstunden) in die Bemessung der gesamten Nachtarbeitszeit miteinzurechnen bzw. zusätzlich zu den Nachtarbeitszeitanteilen, die aus seien Normalarbeitszeitanteilen hervorgehen (in Höhe von wöchentlich 20,0 Nachtstunden) mit anzurechnen seien, sei der Frage auf den Grund zu gehen, warum nur die Normalarbeitszeit (in Höhe von max. 40 Wochenarbeitsstunden) Gegenstand der Formulierung des Gesetzestextes in § 68 Abs. 6 EStG 1988 gewesen sei.

Nach der in der Beschwerde vertretenen Ansicht des Bf sei in seinem Fall die "gesetzliche Ratio des § 68 EStG 1988 gänzlich negiert und vernachlässigt worden, da ausschließlich nach dem Wortlaut, nicht jedoch nach dem Ziel dieser Bestimmung entschieden worden ist. "Dies hat seinen Grund wohl darin, dass im Gesetz nicht auf die Besonderheit Bedacht genommen wurde, dass jemand über das Höchstausmaß der maximal zulässigen Normalarbeitszeit hinaus arbeiten und dass es überhaupt drei "Arbeitszeitarten" (statt der geläufigen 2) geben könne."

Zur Ergründung der Absicht des Gesetzgebers bei der Verfassung des Wortlautes des § 68 Abs. 6 EStG 1988 werden vom Bf in der Beschwerde zahlreiche Überlegungen angestellt.

Das Bundesfinanzgericht vertritt dazu folgende Auffassung:

Aus den verschiedenen Lösungsansätzen des Bf ergibt sich eindeutig, dass sich nur bei Berücksichtigung einer dritten Arbeitszeit ein Überwiegen der Nachtarbeitszeit ergeben könnte. Wie der Bf jedoch selbst zugestehen muss, ist diese dritte Zeitart völlig ungebräuchlicher Natur und außerhalb des gesetzlichen Rahmens angesiedelt.

Gemäß § 68 Abs. 4 EStG 1988 gilt als Überstunde jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. Als Normalarbeitszeit gilt jene Arbeitszeit, die auf Grund

1. gesetzlicher Vorschriften,

2. von Dienstordnungen der Gebietskörperschaften,

3. aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,

4. der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,

5. von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,

6. von Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden, festgesetzt wird oder die

7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern allgemein übliche Normalarbeitszeit. Als Überstunde gilt jedoch nur jene Arbeitszeit, die 40 Stunden in der Woche übersteigt oder durch die die Tagesarbeitszeit überschritten wird, die sich auf Grund der Verteilung einer mindestens 40 stündigen wöchentlichen Normalarbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage ergibt.

Sowohl das Bundesfinanzgericht als auch der Unabhängige Finanzsenat haben in den oben zitierten Entscheidungen bzw. Erkenntnissen ausgeführt, dass die Normalarbeitszeit von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zu unterscheiden ist. Der die Normalarbeitszeit überschreitende Teil der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit ist durch Zeitausgleich oder mittels Überstundenentgelts abzugelten; die tatsächliche geleistete Arbeitszeit wird dadurch aber nicht zur Normalarbeitszeit.

Auch der Verwaltungsgerichtshof trifft im Erkenntnis vom , 2005/14/0087 die grundsätzliche Aussage, dass unter "Normalarbeitszeit" nicht die gesamte Dienstzeit zu verstehen sei, sondern nur die in der Dienstordnung festgelegte Normalarbeitszeit.

Für den vorliegenden Fall heißt dies, wie bereits im Erkenntnis des ausgeführt, dass die Normalarbeitszeit 40 Wochenstunden beträgt und die real geleistete Zeit des Bf 61,45 Wochenstunden. Der Anteil der Normalarbeitszeit an einem 24 Stunden Wechseldienst liegt bei 65%, das sind 15,6 Stunden. Die verbleibenden 8,4 Stunden sind einkommensteuerliche Überstunden. Diese Normalarbeitszeit von 15,6 Stunden ist bei einem 24-Stunden Wechseldienst gleichmäßig auf den Zeitraum des Tages und der Nacht aufzuteilen.

Dem Vorschlag des Bf, die Interpretation einer eindeutigen Bestimmung (§ 68 Abs. 6 leg.cit.) dahingehend vorzunehmen, einen außerhalb der gesetzlichen Norm stehenden Begriff (dritte Zeitart) zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden.

Es trifft zwar zu, dass (einfache) Gesetze möglichst verfassungskonform auszulegen sind. Aber nur dann, wenn ein Gesetzestext überhaupt in verschiedener Weise auslegbar ist, engt sich die Wahl auf jene Auslegung (oder Auslegungen) ein, die das Gesetz verfassungskonform erscheinen lassen (vgl. mit Hinweis auf Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, Rz 135). Da der äußerst mögliche Wortsinn einer Bestimmung die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (z.B. ), kann einer Bestimmung auch in verfassungskonformer Interpretation nicht ein Inhalt unterstellt werden, der ihr nach dem klaren und eindeutigen Wortsinn nicht zukommt (vgl. und die dort zitierte Judikatur). Auch den Entscheidungen des VfGH folgend, ist von einem Vorrang der Wortinterpretation auszugehen, sodass eine verfassungskonforme Auslegung bei einem eindeutigen Wortlaut ausgeschlossen ist (Kotschnigg, ÖStZ 1997, Heft 3, S.37).

Im vorliegenden Fall lässt der Wortlaut des Gesetzes nur eine Auslegung zu. Somit ist nicht nach einem Sinn zu forschen, der sich mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht vereinbaren lässt.

Auf Basis der gegebenen Sach- und Rechtslage - auch nach Auffassung des Bf steht der Begriff "dritte Zeitart" außerhalb der Rechtslage - war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100142.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at