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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.11.2020, RV/5100913/2018

Zufluss von Einnahmen?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Mag. Johann Essl, Remser Dorfstraße 7 Tür 2, 4300 St. Valentin, und durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Kudlichstraße 41, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom betreffend Einkommensteuer 2015 Steuernummer, ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert: Die Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen (besonderer Steuersatz von 25 %) beträgt € 5,970.929,32 (bisher: € 6,720.929,32), die festgesetzte Einkommensteuer beträgt € 5,972.006,00 (bisher: € 6,722.006,00).

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Veranlagung zur Einkommensteuer 2015 erfolgte mit Bescheid vom erklärungsgemäß. Auf Grund der im Zuge einer Außenprüfung getroffenen Feststellungen nahm die belangte Behörde das Verfahren gemäß § 303 Abs 1 BAO wieder auf und setzte mit Bescheid vom die Einkommensteuer 2015 neu fest.

Die gegen den Sachbescheid erhobene Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Nach Einbringung des Vorlageantrages vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) war als Gründungsgesellschafter im Ausmaß von 10,97 % am Stammkapital der ***A*** GmbH beteiligt. Darüber hinaus erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als deren Managing Director.

Mit Kaufvertrag vom verkaufte der Bf. seine Anteile an der ***A*** GmbH - gleichzeitig mit den anderen Gründungsgesellschaftern - an einen internationalen Konzern. Der Verkaufspreis beinhaltete für den Bf. im Wesentlichen drei Komponenten, nämlich einen sofort bezahlten Betrag von rund 21 Mio €, einen noch nicht bezahlten Betrag von 3 Mio € und zusätzliche Zahlungen, welche vom Erreichen gewisser zukünftiger Unternehmensziele (Earn- Out-Vereinbarung) abhängig waren. Der am Unterzeichnungstag des Kaufvertrages nicht ausbezahlte Betrag von 3 Mio € wurde im Kaufvertrag (Pkt. 7.1.) als Rückbehalt ("Founder Seller Retention Amount") bezeichnet, der automatisch im Zeitpunkt des Closings in ein zinstragendes (2,5 %) Verkäuferdarlehen umzuwandeln war, das vom jeweiligen Gründer ("Founder Seller") an den Käufer gewährt und in weiterer Folge als "Founder Vendor Loan Amount" bezeichnet wurde. Dem Vertrag zufolge, sollte die Zahlung dieses Zurückbehalts in drei vereinbarten Beträgen erfolgen, nämlich 0,5 Mio € am , 1 Mio € am sowie 1,5 Mio € am und war an Bedingungen ("Forfeiture Conditions") geknüpft. So sollte die Auszahlung entfallen, wenn die Gründer als Geschäftsführer abberufen oder sie die Funktion niederlegen würden, wobei aber eine Abberufung aus wichtigem Grund erfolgen müsste (wiederholte böswillige, absichtliche oder schwerwiegende Pflichtverletzung). Diese Bedingungen waren darauf gerichtet, die Gründer - somit auch den Bf. - für eine gewisse Zeit an das verkaufte Unternehmen zu binden. Dabei ging es nicht um das Erreichen gewisser Unternehmensziele (diese waren Teil eines eigenen Earn-Out-Programms), sondern darum, deren Know-How und Management- und Vermarktungsfähigkeiten für das Unternehmen zu erhalten. Es hat daher ein wesentliches Interesse des Käufers bestanden, die Gründer an das Unternehmen zu binden. Tatsächlich ist der Käufer jedenfalls in der Lage gewesen, auch diesen Teil des Vertrages sofort zur Auszahlung zu bringen. Diese Vorgangsweise der Kaufpreisstundung und deren Verzinsung entspricht üblichen Gepflogenheiten bei Firmenübernahmen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen und der in der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zu GZ. RV/5100353/2018 vorgenommenen Beweiswürdigung, welche vom Verwaltungsgerichtshof () nicht beanstandet wurde und auch für den vorliegenden, gleichgelagerten Fall herangezogen wird.

3. Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 27 Abs 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus Kapitalvermögen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (Abs 2), aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalanteilen (Abs 3) und aus Derivaten (Abs 4) soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 gehören.

Davon betroffen sind insbesondere auch Einkünfte aus der Veräußerung von GmbH Anteilen.

Gemäß § 19 Abs 1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

4. Erwägungen

Im gleich gelagerten Beschwerdefall eines anderen Gründungsgesellschafters gab das Bundesfinanzgericht dessen Beschwerde mit Erkenntnis vom (RV/5100353/2018) Folge und änderte den bekämpften Bescheid zur Gunsten des Beschwerdeführers ab. Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht Folgendes aus.

"Einnahmen gelten als zugeflossen, wenn sich das Vermögen des Steuerpflichtigen vermehrt (). Wird in einem Vertrag vereinbart, dass ein Teil des Kaufpreises nicht bezahlt, sondern als verzinsliches Darlehen des Verkäufers an den Käufer anzusehen ist, hat sich das Vermögen des Verkäufers um diese zugeflossene Darlehensvaluta erhöht. Als Ausfluss dieser Vermögensvermehrung fließen ihm auch Zinsen zu. Dementsprechend wird auch die bloße Darlehensrückzahlung nicht mehr als Zufluss, sondern als bloße Vermögensumschichtung angesehen. Als zugeflossen gilt eine Einnahme, sobald der Empfänger darüber tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Wird ein verzinsliches Darlehen gewährt, wird vom Darlehensgeber über die Darlehenshöhe tatsächlich rechtlich verfügt. Das setzt voraus, dass dieser Betrag zuvor zugeflossen ist.

Unstrittig ist, dass der im Jahr 2015 überwiesen Betrag von rd. 21 Mio € dem Beschwerdeführer auch tatsächlich zugeflossen ist.

Des Weiteren gilt ein Betrag als zugeflossen, wenn er darüber bereits verfügen kann, die Auszahlung aber aus bestimmten Gründen nicht durchgeführt wird. Darin würde eine sogenannte "Einkommensverwendung" liegen. Der Zufluss wäre in diesem Fall bereits im Zeitpunkt der "Einkommensverwendung" zu unterstellen, auch wenn der Betrag tatsächlich nicht auf dem Konto des Verkäufers eingegangen ist.

Wie in der mündlichen Verhandlung seitens der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers unwidersprochen dargestellt wurde, ist es vor allem bei Firmenübernahmen jedenfalls auch üblich, dass sämtliche Kaufpreisstundungen und Ähnliches ebenfalls einer Verzinsung unterliegen. Aus der vereinbarten Verzinsung des hier strittigen Betrages kann deshalb nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass ein Darlehen vorliegen würde - also Einkommensverwendung.

Ein Darlehen setzt einen unbedingten Anspruch auf Rückzahlung voraus:

§ 983 ABGB: "Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben."

Gerade dieser unbedingte Anspruch auf Rückzahlung ist gegenständlich nicht gewährleistet (durch die "forfeiture condition"). Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse war davon auszugehen, dass es im Interesse der Käufer gelegen war, die Zahlungen erst nach Erfüllung bestimmter Bedingungen (Verbleib im Unternehmen) tatsächlich zu leisten. Wie oben bereits angeführt, ist die Bindung eines Darlehens an bestimmte Bedingungen nicht zulässig. Um von einem Darlehen ausgehen zu können, müsste eine unmissverständliche Verpflichtung zur Zahlung vorliegen - welche tatsächlich aber nicht vorliegt."

Die dagegen von der belangten Behörde erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom (Ra 2019/15/0094) zurückgewiesen:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Parteienerklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu (vgl. , mwN betreffend Fragen der Auslegung von Parteienerklärungen und deren mangelnde grundsätzliche Bedeutung).

Im Revisionsfall ging das BFG mit nachvollziehbarer Begründung davon aus, dass nach dem festgestellten Gesamtbild und angesichts der im Veräußerungsvertrag vereinbarten und noch zu erfüllenden Bedingungen der streitgegenständliche Zurückbehalt von Vornherein eine Vertragskomponente zur weiteren Bindung der mitbeteiligten Partei an das veräußerte Unternehmen gewesen sei, über die sie im Streitjahr noch nicht tatsächlich und rechtlich verfügen habe können, weshalb noch von keinem Zufluss auszugehen sei (vgl. zur Bestimmung des Zuflusszeitpunkts in Abhängigkeit von der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Gläubigers , mwN).

Dass diese Auslegung der revisionsgegenständlichen Vertragsklausel durch das BFG unvertretbar erfolgt wäre, vermag die Revision mit ihrer alternativen Deutung insbesondere unter Hinweis auf den im Vertrag gebrauchten Begriff "Vendor loan" und mit ihren Verfahrensrügen nicht aufzuzeigen."

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in seinen wesentlichen Punkten sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht jenem Fall, der dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom (RV/5100353/2018) bzw dem dazu ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom (Ra 2019/15/0094) zugrunde liegt.

Das erkennende Gericht kommt in Übereinstimmung mit den Erwägungen des gleichgelagerten Beschwerdefalls zu dem Schluss, dass der am Unterzeichnungstag des Kaufvertrages nicht ausbezahlte Betrag von 3 Mio € ("Founder Seller Retention Amount"; Rückbehalt) nicht als ein vom Bf. dem Käufer im Rahmen seiner Einkommensverwendung eingeräumtes Darlehen anzusehen ist und daher dem Bf. im beschwerdegegenständlichen Jahr auch nicht zugeflossen sein kann, sondern erst in den darauffolgenden Jahren, nämlich im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung (Überweisung).

Der Beschwerde war somit stattzugeben.

Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.

5. Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom (Ra 2019/15/0094) ausgeführt, dass einer Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG nur dann grundsätzliche Bedeutung zukomme, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalls auch eine andere Auslegung einer Parteienerklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine besondere Bedeutung im besagten Sinne zu. Im gegenständlichen Fall liegt folglich keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100913.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at