Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 22.07.2020, RV/4100796/2015

Maßgeblicher Einheitswert bei Vollpauschalierung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Elisabeth Hafner als Vorsitzende, den Richter ***1***, sowie die fachkundigen Laienrichter ***2*** und ***3*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, und zwar über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom betreffend Einkommensteuer 2014 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) unterhält einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (Einheitswert ab Euro 21.200,--). Den Gewinn aus diesem Betrieb ermittelt der BF nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft (LuF-PauschVO 2011, BGBl. II 2010/471).

Strittig ist, ob der BF bei dieser Gewinnermittlungsart Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehen darf. Der BF hat die Zinsen für aufgenommene Kreditmittel entrichtet, die für die Errichtung eines Wohnhauses samt Carport verwendet worden sind.

Verfahrensablauf:

Der BF begehrte erstmals in der Beschwerde die Berücksichtigung der oben angesprochenen Kreditzinsen (Euro 5.050,90).

Das Finanzamt entsprach dem Begehren des BF mit Beschwerdevorentscheidung nicht. Begründet wurde dies damit, dass die Zinsen nicht als Betriebsausgaben, sondern als der Privatsphäre zuzurechnende Sonderausgaben einzustufen seien. Sonderausgaben habe der BF jedoch ohnehin bereits im höchstzulässigen Ausmaß geltend gemacht.

Im Vorlageantrag führte der BF aus, dass das Wohnhaus Wohnzwecken des Betriebsinhabers und somit der land- und forstwirtschaftlichen Zweckbestimmung diene. Die Grundfläche (bebaute Fläche) des Wohnhauses des Betriebsinhabers sei land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Für das Gebäude werde ein Wohnungswert festgestellt, der Teil des land- und forstwirtschaftlichen Einheitswertes, der Grundlage für die Pauschalierung sei.

Zu den Ausführungen des Finanzamtes betreffend Sonderausgaben hielt der BF fest, dass die geltend gemachten Sonderausgaben nicht die Gebäude, sondern Lebensversicherungen beträfen.

Im Vorlagebericht führte das Finanzamt aus, das sich die Frage, ob ein Finanzierungsaufwand zu Betriebsausgaben führe, nach der Mittelverwendung beantworte. Dienten die Mittel der Finanzierung von Aufwendungen, die der betrieblichen Sphäre zuzurechnen seien, lägen Betriebsausgaben vor; dienten die Mittel der privaten Lebensführung, liege eine Privatverbindlichkeit vor und die Zinsen seien nicht abzugsfähig. Das private Wohnhaus des BF stelle auch im Rahmen der Vollpauschalierung nach der LuF-PauschVO 2011 ertragsteuerlich notwendiges Privatvermögen dar, weshalb Zinsen für Kreditmittel, die für seine Errichtung verwendet worden seien, gemäß § 20 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürften.

Die bewertungsrechtliche Behandlung des Wohngebäudes sei für ertragsteuerliche Zwecke irrelevant. Abgesehen davon gehöre der den Betrag von Euro 2.180,185 übersteigende Wohnungswert auch bewertungsrechtlich nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, sondern sei als sonstiges bebautes Grundstück dem Grundvermögen zuzurechnen (§ 33 Abs. 2 BewG). Der Einheitswert (Wohnungswert) des in Rede stehenden Gebäudes belaufe sich auf Euro 58.100,--.

Beweiswürdigung:

Der eingangs dargestellte Sachverhalt (Kreditaufnahme, Mittelverwendung für die Errichtung eines Wohnhauses samt Carport, Höhe der entrichteten Zinsen; Gewinnermittlung durch Vollpauschalierung nach der LuF-PauschVO 2011) ist unstrittig.

Betreffend den für den land- und forstwirtschaftliche Betrieb des BF festgestellten Einheitswert ist Folgendes zu ergänzen:

Der Einheitswert (EW - AZ ***4***) des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des BF wurde mit Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom zum mit Euro 21.200 festgestellt (Wertfortschreibung). Der Berechnung des Einheitswertes lagen die nachstehenden Flächen zugrunde:


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landwirtschaftlich genutzte Flächen
27,5119 ha
forstwirtschaftlich genutzte Flächen
36,8016 ha
Alpen
157,9725 ha

Der Wohnungswert des streitgegenständlichen Wohnhauses wurde mit Bescheid des Finanzamtes Wolfsberg ebenfalls vom zum mit Euro 43.100 (erhöht gemäß Abgabenänderungsgesetz 1982 um 35% mit Euro 58.100) festgesetzt (Wertfortschreibung wegen Fertigstellung des neu errichteten streitgegenständlichen Gebäudes).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die vom BF angewendete Gewinnermittlung ("Vollpauschalierung") nach der LuF-PauschVO 2011 erfolgt ausgehend vom maßgebenden Einheitswert. Als maßgebender Einheitswert gilt nach § 1 Abs. 2 der Verordnung (nur) der Einheitswert für das während des Veranlagungsjahres bewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Vermögen, der sich im gegenständliche Fall unstrittig auf Euro 21.200 beläuft (siehe oben).

Der für das Wohnhaus des Betriebsinhabers (gesondert) festgestellte Einheitswert geht demgegenüber nach dem eindeutigen Wortlaut der Verordnung in die Ermittlung des maßgebenden Grundbetrages nicht ein.

Geht aber der Wohnungswert (weil das Wohnhaus des Betriebsinhabers bei Berechnung des maßgeblichen Einheitswertes außer Betracht bleibt) nicht in die Ermittlung des Grundbetrages ein, können auch aus Anlass der Errichtung des Wohnhauses anfallende Kreditzinsen bei der Gewinnermittlung des land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Vielmehr ist dem Finanzamt beizupflichten, dass die Zinsen gemäß § 20 EStG 1988 nicht berücksichtigt werden können. Die zitierte Gesetzesstelle legt nämlich fest, dass typische Haushaltsaufwendungen nicht abgezogen werden können. Zu den Haushaltsaufwendungen zählen auch die Kosten für die Errichtung eines Wohnhauses (Peyerl in JAKOM12, Anm. 90 z. § 20 Schlagwort "Wohnungskosten" mit Hinweis auf VwGH, , 89/13/0109).

In diesem Zusammenhang muss noch festgehalten werden, dass sich der der Ermittlung des Gewinnes zu Grunde zu legende Einheitswert auf Euro 21.000,-- (und nicht wie vom Finanzamt angenommen auf Euro 18.100,--) beläuft (siehe oben). Der Grundbetrag gemäß § 2 Abs. 1 der LuF-PauschVO 2011 beträgt daher Euro 8.268,-- (39% von Euro 21.000,--).

Die Zinsen können auch keine Berücksichtigung als Sonderausgaben finden. So weist nämlich das Finanzamt zu Recht daraufhin, dass der BF Sonderausgaben bereits im höchstzulässigen Ausmaß geltend gemacht hat (gemäß § 18 Abs. 3 Z. 1 EStG 1988 ein Viertel des Höchstbetrag von je Euro 2.920,-- für sich und die Ehegattin, weil dem BF der Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht).

Der BF meint zwar, dass geltend gemachte Sonderausgaben nicht die Gebäude, sondern Lebensversicherungen beträfen. Dabei übersieht der BF jedoch, dass nach 18 Abs. 3 Z. 2 EStG 1988 von den Höchstbeträgen sowohl Versicherungsbeiträge als auch Ausgaben zur Wohnraumschaffung erfasst sind.

Dem Begehren, den Gewinnfreibetrag nach § 10 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 anzupassen, war zu entsprechen (Gewinn: 30.351,66; Gewinnfreibetrag 13% vom Gewinn; bis zu einer Bemessungsgrundlage von 30.000 Euro, somit 3.900 Euro 1 x jährlich ohne Investitionserfordernis).

Nach all dem war spruchgemäß zu entscheiden.

Durch das Erkenntnis ergeben sich die nachstehenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft:


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Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft lt. Erstbescheid
30.351,16
Erhöhung Grundbetrag
EW lt. Erstbescheid
EW lt. Erkenntnis
Erhöhung

18.100,00
21.200,00
3.100,00



x 39%



+ 1.209,00
Zwischensumme
31.560,16
Erhöhung Grundfreibetrag
lt. Erstbescheid
lt. Erkenntnis
Erhöhung

1.636,38
3.900,00
2.263,62



- 2.263,62
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft lt. Erkenntnis
29.296,54

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das vorliegende Erkenntnis stützt sich auf den eindeutigen Gesetzes- bzw. Verordnungstext. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 2 LuF-PauschVO 2011, Durchschnittssätze für die Gewinnermittlung Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 471/2010
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100796.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at