Vorliegen der Voraussetzungen für Verfahrenshilfe (§ 292 BAO) im Beschwerdeverfahren betreffend Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO)
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA über den Antrag des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Beschwerdeverfahren betreffend seine Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO zu Steuernummer 06-***BF1StNr1*** den Beschluss:
I. Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung
1. Dem Verfahrenshilfeantrag liegt folgendes Beschwerdeverfahren zugrunde:
Anlässlich seiner gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2014, Anspruchszinsenbescheide 2010 bis 2014 und den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2019 vom erhobenen Beschwerden beantragte der Einschreiter die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO für die genannten Bescheide.
Diese Anträge wurden mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, das in den Feststellungen im Rahmen der erfolgten Betriebsprüfung dargelegte Verhalten des Einschreiters (Beschwerdeführers) lasse den Schluss der Gefährdung der Einbringlichkeit zu, als sein Bestreben in der Verschleierung und Verbergung des steuerpflichtigen Einkommens vor der Abgabenbehörde gelegen sei.
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom legte der Einschreiter dar, die Behauptung, sein Verhalten sei auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben gerichtet, entbehre jeder Grundlage. Dies im Wesentlichen deshalb, weil er unverändert einen aufrechten Wohnsitz in Österreich habe und für seine Ehefrau samt schulpflichtigem Kind unterhaltspflichtig sei. Sein aktuelles Einkommen bestehe aus seiner gesetzlichen Pension. Er könne nicht erkennen, wie er deren Bezug verschleiern oder verbergen solle. Unter einem stellte er einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Einhebung.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO vom als unbegründet abgewiesen, da nicht nur ein im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag stehendes Verhalten, sondern auch ein zeitlich davorliegendes bedeutsam sei. Das im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom ausführlich dokumentierte Verhalten stelle ein solches dar.
Mit Eingabe vom beantragte der Einschreiter u.a. die Vorlage seiner Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO vom an das Bundesfinanzgericht und stellte unter einem den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO. Dazu führte er u.a. aus, die zu entscheidenden Rechtsfragen wiesen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf. Die Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide seien detailliert in den diesbezüglichen Beschwerden dargelegt. Dem Antrag sind folgende Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Einschreiters zu entnehmen:
Der Einschreiter sei für seine Ehefrau, die selbst kein Erwerbseinkommen beziehe, und seinen minderjährigen Sohn unterhaltsverpflichtet und habe ein monatliches Einkommen von netto EUR 1.960,00 pro Monat (Pension). Davon finanziere er auch eine Quotenzahlung "für das letzte Insolvenzverfahren" von EUR 2.400,00 jährlich (sohin EUR 200,00 monatlich). Daneben sei er seit kurzem als Fahrer bei einem Cateringunternehmen beschäftigt. Für diese Tätigkeit erhalte er netto EUR 440,00 pro Monat. Wegen einer schweren Hypertonie und einem Rückenleiden werde er die Fahrertätigkeit demnächst wieder aufgeben müssen. Er besitze nach zwei Insolvenzverfahren keinerlei Vermögen.
2. Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78 BAO), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Gemäß Art. 47 Abs. 3 GRC wird Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten. In Entsprechung des Art. 47 Abs. 3 GRC darf somit im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nach § 292 Abs. 1 BAO Verfahrenshilfe bei Mittellosigkeit des Antragstellers nur insoweit bewilligt werden, als die zu entscheidende Rechtsfrage besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar aussichtslos erscheint.
2.1. Besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art sind anzunehmen, wenn eine besondere Komplexität der Rechtslage gegeben ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zur Beurteilung ansteht, die bislang uneinheitlich entschieden wurde bzw. in der ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung erwogen wird oder der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erfordert und erlaubt die Wendung "dass zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen" eine Prüfung, ob im konkreten Einzelfall für den Antragsteller besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen. § 292 Abs. 1 BAO schließt die Gewährung von Verfahrenshilfe im Einzelfall nicht schon deshalb aus, weil objektiv keine komplexe, besonders schwierige Frage rechtlicher Art vorliegt. In verfassungskonformer Auslegung können zum einen auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden; und zum anderen sind stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu vertreten ().
2.2. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass in einem Verfahren wie dem vorliegenden, in dem (anders als in vielen Zivilprozessen) keine Vertretungspflicht besteht, im Hinblick auf die bestehende Manuduktionspflicht und den Grundsatz der materiellen Wahrheit der Beigebung eines Rechtsanwaltes oder eines Steuerberaters als Verfahrenshelfer Ausnahmecharakter zukommt ( mwN).
3. Dazu ist - im Hinblick auf die Eingabe des Einschreiters - Folgendes auszuführen:
3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur der zur Geschäftszahl VH/7100010/2020 protokollierte Verfahrenshilfeantrag betreffend Abweisung eines Aussetzungsantrages gemäß § 212a BAO ist.
Soweit der Einschreiter mit seiner Eingabe vom weitere Verfahrenshilfeanträge (betreffend die dem Aussetzungsantrag zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheide) gestellt hat, werden diese einer gesonderten Entscheidung durch eine andere Gerichtsabteilung des Bundesfinanzgerichtes zugeführt werden.
3.2. In seinem Antrag verweist der Einschreiter hinsichtlich der Frage des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art auf seine Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung. Aus der Beschwerde und der Beschwerdevorentscheidung ergibt sich, dass die Gefährdung der Einbringlichkeit der dem Aussetzungsantrag zugrundeliegenden Abgaben strittig ist, wobei der Einschreiter ein Verhalten gesetzt haben soll, welches im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom ausführlich dokumentiert sei.
Aus dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom geht hervor, dass beim Einschreiter der Verdacht der versuchten Abgabenhinterziehung in Zusammenhang mit dem Schwarzhandel von gebrauchten Aluminiumplatten vorliege. Zudem habe der Einschreiter in einer vorherigen Betriebsprüfung der Jahre 1999 bis 2002 ein Verhalten gesetzt, "dass Lieferbeziehungen bewusst so gestaltet wurden, dass die Personen des Warenbezuges nicht (oder nicht im erforderlichen Ausmaß) feststellbar waren," und "Phantasiebezeichnungen und Phantasielieferanten" genannt wurden (Tz 3 des Berichtes unter Hinweis auf die den Einschreiter betreffende Entscheidung des ).
3.3. Gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 212a Abs. 2 lit. c BAO bereits ausgesprochen, dass die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit allein die Aussetzung nicht unzulässig macht. Vielmehr schließe erst ein bestimmtes auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabenpflichtigen die Bewilligung der Aussetzung aus (vgl. ). Ein solches Verhalten liegt unter anderem dann vor, wenn der Abgabenpflichtige sein Vermögen auf nahe Angehörige oder eine Stiftung überträgt (vgl. , und , 2002/13/0045), Liegenschaften und Wirtschaftsgüter verkauft und die Erlöse ausschließlich ihm nahe stehenden Gesellschaften überlässt (vgl. ) oder ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten Dritter einräumt (vgl. ).
Der Zweck der Vorschrift des § 212a Abs. 2 lit. c BAO besteht somit darin, einen Abgabenpflichtigen, der sein Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen versucht, daran zu hindern, den durch eine Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschub zu einer erfolgreichen Fortsetzung solcher Versuche zu missbrauchen (vgl. ). Für die Bejahung einer Gefährdung ist die objektive Gefährdungseignung, die mit dem Verhalten des Abgabepflichtigen verbunden ist, nicht die Motivation des Abgabepflichtigen maßgeblich (; , 98/14/0123; , 94/14/0088; , 2010/15/0044). Bedeutsam ist nicht nur ein im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag stehendes Verhalten des Abgabepflichtigen, sondern auch ein zeitlich davor liegendes Verhalten ().
3.4. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes handelt es sich bei der Frage, ob der Einschreiter ein solches, auf Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten gesetzt hat, um eine Frage tatsächlicher Natur mit der vor dem Hintergrund der unter Punkt 3.3 dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wann ein bestimmtes auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabenpflichtigen die Bewilligung der Aussetzung ausschließt, keine besonderen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes einhergehen. Es liegen auch keinerlei Hinweis dafür vor, dass im Beschwerdeverfahren betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO überdurchschnittlich schwierige, durch ständige Judikatur noch nicht geklärte Rechtsfragen entscheidungswesentlich sind.
Dass für den Einschreiter besondere Schwierigkeiten bestehen, sein Anliegen wirksam zu erklären und zu verteidigen, ist nicht erkennbar. Besondere, in der Person des Einschreiters liegende Umstände, die eine Bewilligung der Verfahrenshilfe vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes notwendig machen würden, wurden nicht vorgebracht und sind nicht auch nicht hervorgekommen: Dass der Einschreiter wegen einer schweren Hypertonie und einem Rückenleiden die Fahrertätigkeit demnächst wieder aufgeben müsse, deutet nicht darauf hin, dass seine Fähigkeiten, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, eingeschränkt wären. Der Einschreiter war sowohl in der Lage seine Beschwerde als auch seinen Vorlageantrag samt Verfahrenshilfeantrag und Antrag auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung frist- und formgerecht einzubringen und darzulegen, warum aus seiner Sicht keine Gefährdung der Einbringlichkeit vorliegt.
3.5. Da weder besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes, also Fragen tatsächlicher Natur, noch eingeschränkte Fähigkeiten des Einschreiters bei der Vermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes und beim Vertreten seines Anliegens vorliegen, ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.
5. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Inhaltserfordernisse eines Verfahrenshilfeantrages eindeutig aus dem Gesetz, sodass diesbezüglich keine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die in diesem Beschluss zu beurteilenden Rechtsfragen folgen vielmehr der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:VH.7100010.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at