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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.11.2020, RV/7101053/2020

Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Stefan Pipal in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 und 2018, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 vom bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis wird eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit übermittelte der Bf. seine Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für die Jahre 2017 und 2018.
Darin beantragte der Bf. für 2017 und 2018 Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von € 960,00, sowie Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von € 3.620,00 in Summe € 4.580,00.

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde seitens des Finanzamtes für das Jahr 2017 ein Betrag in Höhe von € 977,00 (Gutschrift) und für das Jahr 2018 eine Gutschrift in Höhe von € 987,00 festgesetzt. An Werbungskosten fand seitens des Finanzamtes für das Jahr 2017 der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von € 132,00 Berücksichtigung.
Als Begründung des Bescheides für das Jahr 2017 wurde ausgeführt:
"Folgende Gründe sind ausschlaggebend:

• Eine Wohnsitzverlegung kann zugemutet werden.
• Bei verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen gibt es eine zeitliche Begrenzung von 2 Jahren für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung".


Im Einkommensteuerbescheid 2018 berücksichtigte das Finanzamt Werbungskosten in Höhe von € 1.040,00. Der Bescheid trägt folgende Begründung:

"Die beantragten Werbungskosten 2018 wurden anhand der nachgereichten Unterlagen korrigiert:

Als Kosten für eine doppelte Haushaltsführung können nur jene Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden, die zusätzliche Kosten verursachen. Daher können Aufwendungen für den Familienwohnsitz nicht steuerlich berücksichtigt werden, lediglich die Mehraufwendungen durch einen zusätzlichen Wohnsitz am Arbeitsplatz. Die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung wurden daher auf die Kosten für die Wohnung in Wien, ab dem Zeitpunkt der Meldebestätigung für einen Familienwohnsitz (August bis Dezember => 5 Monate = € 500,- -) korrigiert.

Als Familienheimfahrten können Kosten erst ab dem Zeitpunkt steuerlich berücksichtigt werden, ab dem ein Familienwohnsitz vorliegt. Anhand der nachgereichten Unterlagen ist ersichtlich, dass Sie erst ab August 2018 am Familienwohnsitz gemeldet sind. Daher konnten die Aufwendungen nur für den Zeitraum ab August 2018 steuerlich berücksichtigt werden".

Mit erhob der Bf. wie folgt Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018:
"Mit dem o.g. Bescheid wurden der Kosten für doppelte Haushaltführung sowie der Kosten für Familienheimfahrten nicht zugesprochen. Zu den nach Meinung der Behörde fehlenden Voraussetzungen gebe ich an, dass meine Gattin in Polen berufstätig ist und führt eine Landwirtschaft und daher der Familienwohnsitz auf Dauer beibehalten muss. In Polen besitzen wir ab dem ein eigenes Haus B und sind wir nicht bereit, es zu veräußern. Eine Bestätigung (samt Übersetzung) meiner Heimatgemeinde über Eigentumsrechte lege ich bei. Bevor meine Familie in unser jetziges Haus gezogen ist, wohnte meine Familie bei meinem Vater B2***1***. Wir beteiligten uns an den Wohnkosten in Höhe von 80 € pro Monat. Eine entsprechende Bestätigung sowie gemeinsame Meldung lege ich bei. Den Familienwohnsitz an meinen Berufsort in Österreich zu verlegen ist prinzipiell unzumutbar. In Wien wohne ich in einer Wohnung mit meinem Vater und beteilige mich an den monatlichen Kosten mit € 100. Unter Bezugnahme auf meine Familienheimfahrten gebe ich erneut an, dass ich mit einer Personenbeförderungsfirma gefahren bin. Die Auflistung für 2017 und 2018 der einzelnen Fahrten sowie eine Bestätigung der Firma (Einzelfahrt € 90 B***1***), habe ich ergänzt. Ich ersuche um nochmalige Überprüfung meines Anliegens und verbleibe

mit freundlichen Grüßen."

Mit wurde die Beschwerde seitens des Finanzamtes mittels Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO als unbegründet abgewiesen:
"Begründung 2017:

Nach der derzeitigen Rechtslage können im Sinne des § 16 ESTG 1988 weder Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung noch für Familienheimfahrten berücksichtigt werden, da eine Begründung eines eigenen Haushaltes in Polen erst im Kalenderjahr 2018 (laut Ihren eigenen Angaben bezüglich Übertragung der Immobilie Ihres Vaters am an Sie) erfolgte und somit die Voraussetzungen zu einer steuerlichen Berücksichtigung diese Kosten nicht vorliegen.

Dahingehend konnte eine neuerliche Berechnung nicht veranlasst werden".

Die Bescheidbegründung für das Jahr 2018 lautet:
"Hinsichtlich der Begründung betreffend die Nichtanerkennung der Werbungskosten für den Zeitraum 1-7/2018 wird auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung für 2017 verwiesen.

Hinsichtlich die Begründung der Nichtanerkennung der Werbungskosten ab 8/2018 geben wir folgende Ausführungen:

Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ist zB. unzumutbar:

•Bei ständig wechselnder Arbeitsstätte (zB. bei einem Bauarbeiter, bei saisonal Beschäftigten oder bei Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine häufige Abberufung zu entsprechend weit entfernten Arbeitsstellen gegeben ist. Die abstrakte Möglichkeit einer Abberufung reicht dazu aber nicht aus, es muss sich vielmehr um eine konkret, ernsthaft und latent drohende Möglichkeit einer solchen Abberufung handeln (). Eine ständig wechselnde Arbeitsstätte liegt nicht mehr vor, wenn die Arbeitsstätte fünf Jahre beibehalten wurde.

•Wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist (vgl. ; zu einem auf zwei Jahre befristeten Projekt). Angesichts einer absehbaren befristeten Entsendung an einen anderen Beschäftigungsort ist es dem (auch alleinstehenden) Steuerpflichtigen nicht zumutbar, den gewählten Familienwohnsitz aufzugeben.

•Bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen ().

•Solange auf Grund fremdenrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich ist (vgl. ; ).

•Wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und

betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus

wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Die Unterhaltsverpflichtung für Kinder reicht als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht aus.


Bei Vorliegen der beispielhaft angeführten Sachverhalte kann von wirtschaftlichen Gründen

ausgegangen werden, die die Verlegung des Familienwohnsitzes und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie an den Beschäftigungsort unzumutbar machen:

•Der Verkauf des Einfamilienhauses bzw. der Wohnung am Familienwohnsitz würde aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort wäre aus dem Erlös nicht möglich.

•Der Arbeitgeber stellt dem Steuerpflichtigen eine kostenlose bzw. verbilligte Wohnmöglichkeit, die aufgrund der Größe und Ausstattung nicht den Familienbedürfnissen entspricht, zur Verfügung.

•Am Familienwohnsitz wird eine eigene - wenn auch kleine und nur der eigenen Selbstversorgung dienende - Landwirtschaft bewirtschaftet (vgl. RV/0440-G/04; RV/0137-K/07).


Bei ausländischem Familienwohnsitz gelten für die Frage der Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten grundsätzlich dieselben Kriterien wie bei inländischem Familienwohnsitz.


Für die Beurteilung der Bedeutung der Eigenversorgung einer Familie durch eine Landwirtschaft sind auch die wirtschaftlichen Umstände in einem Land zu berücksichtigen. Die Behörde vertritt die Auffassung , dass einer kleinen Landwirtschaft mit einer Fläche von 0,0506 ha eine untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung zukommt.


Da Sie über ein Grundstück mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 0,0768 ha (was 0,0038 ha Verrechnungshektar ist und sonstige Böden mit der Fläche von 0,0506 ha zur Besteuerung gemeldet laut Bescheinigung der polnischen Behörde) in Polen verfügen und zusätzlich über ein Eigenheim mit einer Wohnnutzfläche von 181,30 m2 verfügen und ihr Einkommen für die Kaufkraft der benötigten Lebensmittel als ausreichend angesehen wird, wird die Beibehaltung des Familienwohnsitzes im Ausland einer rein privaten Veranlassung zugeordnet.
Dahingehend konnte Ihrem Begehren nicht entsprochen werden".

Mit stellt der Bf. einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom .

Mit erfolgt seitens des Finanzamtes die Vorlage der Beschwerde wie folgt:
"Der Bf. beantragte für das Veranlagungsjahr 2017 und 2018 Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Seine Ehefrau erzielte sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 keine Einkünfte.

Der Bf., seine zwei minderjährigen Töchter und seine Ehefrau lebten bis beim Vater des Bf. Der Bf. und seine Ehegattin besitzen eine Liegenschaft mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche im Ausmaß von 0,0768 ha.


Da die Familie bis beim Vater des Bf. wohnte, lag bis dahin kein eigener Hausstand vor und somit sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung nicht erfüllt. Am wurde ein eigener Hausstand gegründet. Da der Bf. zwei minderjährige Kinder hat und wirtschaftliche Gründe (Vorliegen einer Landwirtschaft) für die Beibehaltung des ausländischen Familienwohnsitzes vorliegen, wurde im

Erstbescheid ab 09/2018 die Voraussetzungen für doppelte Haushaltsführung als gegeben erachtet und folglich die beantragten Kosten als Werbungskosten gekürzt ab 09/2018 berücksichtigt. Da sich somit sowohl der Einkommensteuerbescheid 2017 als auch der Einkommensteuerbescheid 2018 als richtig erweisen, sind die Beschwerden abzuweisen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. beantragte für die Veranlagungsjahre 2017 und 2018 Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Seine Ehefrau erzielte sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 keine Einkünfte.
Der Bf., seine zwei minderjährigen Töchter und seine Ehefrau lebten im ganzen Jahre 2017 und im Jahre 2018 von Jänner bis beim Vater des Bf.
Am wurde ein eigener Hausstand gegründet.

Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen.
Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann.
Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss.
Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe-)Partners haben (; ; , 2001/13/0216).

Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung können immer nur so lange vorliegen, bis der Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort verlegt wurde. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (). Abzustellen ist jedenfalls auf das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel.

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (; ).

Familienwohnsitz:

Ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) liegt dort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder ein alleinstehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat.

Der Steuerpflichtige hat einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht.
Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen keine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.

Da die Familie bis beim Vater des Bf. wohnte, lag bis dahin kein eigener Hausstand vor und da das Finanzamt die vom Bf. beantragten Kosten ab diesem Zeitpunkt bei der Berechnung der Einkommensteuer berücksichtigt hatte, die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten vor diesem Zeitpunkt jedoch nicht erfüllt waren, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101053.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at