Wiener Gebrauchsabgabe: Lagerung von Gerüsten am Gehsteig
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina Deutsch LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Igali-Igalffy, Landstraßer Hauptstraße 34, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien MA 46 Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten vom betreffend Gebrauchsabgabe, GZ MA ***1***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise stattgegeben. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Anzeige vom des Organs der Landespolizeidirektion Wien (01 SPK Innere Stadt, Fußstreifendienst ***2***) erfasst unter der Geschäftszahl GZ PAD/19/02131921/001/VStV, wurden am in der ***3*** um 14:26 Verkehrsbeeinträchtigungen gem. § 90 Abs. 1 StVO durch die Ablagerung von Gerüstteilen wegen Arbeiten auf oder neben der Straße ohne Bewilligung beanstandet. Die Gerüstteile waren mit der Farbmarkierung der Beschwerdeführerin gekennzeichnet. Der Anzeige vom ist ein Beweisfoto beigefügt.
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführerin gem. §§ 9, 10 GebrauchsabgabeG 1966, LGbl für Wien 1966/20 idgF eine Gebrauchsabgabe iHv. EUR 166,80 vorgeschrieben. Zur Begründung ist ausgeführt, dass aufgrund der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Baustofflagerung am in der Parkspur und am Gehsteig in Wien ***9***-3, 6 Mal 2 Meter lang, im Ausmaß von 12 qm, für 1 Monat iHv. EUR 13,90 pro qm für den Gebrauch des öffentlichen Grundes zur Baustelleneinrichtung festgesetzt werde.
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass die bauausführende Firma ***4*** über eine aufrechte Bewilligung nach der StVO und dem GAG am gegenständlichen Ort und zur gegenständlichen Uhrzeit verfügt habe und die Beschwerdeführerin "lediglich im Auftrag und Ermächtigung dieser Gesellschaft die öffentlichen Flächen in Anspruch genommen habe". Zum Beweis wurde die Beischaffung der betreffenden Akte zu GZ ***5*** und GZ ***6*** beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: "(…) Gemäß § 9 Abs. 1 a GAG 1966 hat derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, (…) gemäß angeschlossenen Tarif benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. (…) Lagerung von Baustoffen, Baugeräten, Gerüsten (…). (…) Am hat ein Organ der LPD Wien angezeigt, dass um 14:26 Uhr wahrgenommen worden war, dass Gerüstteile am Gehsteig zum Fahrbahnrand hin abgestellt worden waren, ohne dass temporäre Halteverbotstafeln als Einrichtung einer Baustelle aufgestellt bzw. ein Bescheid zur Baustelleneinrichtung ausgehängt gewesen wären. Den Markierungen der Gerüstteile sei zu entnehmen gewesen, dass diese der ***Bf1*** zuzurechnen waren. Dem angeschlossenen Foto ist zu entnehmen, dass die eine Vielzahl von Gerüstteilen am Gehsteig in ***7*** sowie auch vor ON 5 gestapelt waren. Hernach wurde der im Spruch näher bezeichnete Bescheid am durch persönliche Übernahme der Beschwerdeführerin zugestellt. In der Beschwerde vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass die ersatzlose Aufhebung begehrt werde, da einer bauausführenden ***8*** zu den Zahlen GZ ***5*** und ***6*** eine Bewilligung gemäß StVO und GAG erteilt gewesen sei und in deren Auftrag und nach deren Ermächtigung im Zuge der Anmietung von Baugerüstteilen von der Beschwerdeführerin Flächen in Anspruch genommen worden seien. Eine Einsichtnahme in die angegebenen Aktenzahlen hat ergeben, dass eine Bewilligung für eine Baustofflagerung auf dem Gehsteig nicht erteilt war. Rechtliche Beurteilung: die Beschwerdeführerin hat zugestanden, die gegenständlichen Baustofflagerungen am Gehsteig durchgeführt zu haben, eine Bewilligung für die Baustofflagerung selbst nicht eingeholt zu haben und sich auf Bewilligungen berufen, die nicht Baustofflagerungen am Gehsteig zum Gegenstand hatten. Da die Beschwerdeführerin zugestanden hat, ohne Gebrauchserlaubnis öffentlichen Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient für die Lagerung von Gerüstteilen in Anspruch genommen zu haben, waren die Voraussetzungen zur Nachverrechnung gemäß § 9 Abs. 1a GAG gegeben und die Beschwerde abzuweisen. (…)"
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen wurde vorgebracht: "(…) Bereits in der Beschwerde vom haben wir darauf hingewiesen, dass Mieter des Gerüstes und Verfügungsberechtigter die bauausführende ***8*** gewesen ist und diese über eine Lagerungsbewilligung zu den Zahlen GZ ***5*** und ***6*** verfügte. (…) Den öffentlich ausgehängten Genehmigungsnachweisen ist zu entnehmen, dass Nutzer der öffentlichen Fläche ausschließlich die ***8*** gewesen sein kann. Der Bescheid als auch die Beschwerdevorentscheidung klärt nicht den Umstand aus welchen Gründen die Behörde die ***Bf1*** in Anspruch nimmt und nicht die ***8*** die sich ohnehin als Bescheidadressat aufgrund der öffentlich ausgehängten Genehmigungsnachweise anbot. (…)"
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Behördenakt, der Genehmigungsnachweise und den Bescheid ***6*** vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Aus diesem Bescheid, der an die ***4*** ergangen ist, geht hervor, dass für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum Genehmigungen für "Baustelleneinrichtungen" an der Adresse 1010 Wien, ***9*** und zwar für: "Parkstreifen, Fahrbahn" mit dem Zusatz "1. Die Baustelleneinrichtungsfläche ist im Ausmaß von maximal 6,00 m Länge und 2,00 m Breite, entlang des Fahrbahnrandes (Parkstreifen), endend mit Beginn der definitiven Ladezone einzurichten. 2. Sämtliches Schuttmaterial ist in Containern (Mulden) zu lagern (…) 3. Die Einfriedung der Baustelleneinrichtungsfläche hat mittels Bauzaun (Gitterfelder) blick- und staubdicht zu erfolgen. 4. Der Fließverkehr ist nicht zu behindern. Der Fußgängerverkehr ist nicht zu behindern." vorgelegen sind. Die belangte Behörde führte zum Beschwerdevorbringen aus: "(…) Dort wo die Gerüstteile lagerten waren jedoch keinerlei Bewilligungen für Gerüste feststellbar."
Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde um Stellungnahme zum Vorbringen der Beschwerdeführerin und um Zusendung der von der Beschwerdeführerin beantragten Akten zuGZ ***5*** und ***6***.
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht Folgendes mit: "Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde bereits in der Beschwerde erhoben und in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien vom beantwortet. Wie den durch Aushang an der Baustelleneinrichtung bereits veröffentlichten und jedermann einsehbaren Genehmigungsausweisen entnehmbar, waren Baustelleneinrichtungen und sohin auch Lagerungen i n d e r P a r k s p u r in Wien ***9***-3, gemäß § 82 StVO und § 1 iVm Tarif D Post 1 GAG bewilligt. Lagerungen an anderen Örtlichkeiten also a m G e h s t e i g, wie den Fotos der Anzeige entnehmbar, waren niemals bewilligt. Zur Einsichtnahme des Gerichts werden nun auch die Akte ***5*** und ***6*** übermittelt, denen allerdings nicht mehr als den Genehmigungsausweisen entnehmbar ist. (…)"
Am fand eine mündliche Verhandlung am Sitz des Bundesfinanzgerichtes auf Antrag der Beschwerdeführerin statt. Die Beschwerdeführerin verwies zunächst auf die der ***4*** erteilten Bewilligung vom und auf den bewilligten Zeitraum vom -. Der war der Tag des Abbaus des Gerüstes durch die Beschwerdeführerin, da das Baustellenende für den geplant war. Zur Lagerung der Gerüstteile gab die Beschwerdeführerin an: "Gem. § 3 GAG wurde die Baufläche in Anspruch genommen und möglicherweise kurz auch auf dem Gehsteig gelagert. Die Gerüstteile wurden kurzfristig abtransportiert. Es hat keine längere Inanspruchnahme der Gehsteigfläche gegeben."
Die belangte Behörde brachte dazu vor, dass die Genehmigungsausweise nur in anonymisierter Form an einer Baustelle ersichtlich sind: "Zum Genehmigungsnachweis wird darauf hingewiesen, dass von der Genehmigung nur der Parkstreifen umfasst ist und nicht der Gehsteig, wie man auch zum Begriff "Parkstreifen, Fahrbahn" erkennen kann. 6x2m wurden im Bescheid für den Parkstreifen verrechnet und im gegenständlichen Bescheid wurden 6x2m - das ist eine zufällige Übereinstimmung der Fläche - für den Gehsteig verrechnet. Es wird darauf hingewiesen, dass es branchenüblich ist, dass auch zu Zwecken von kurzzeitigen Abtransport Parkverbote beantragt werden können. Es wird verwiesen auf die Erkenntnis des , das festlegt, das bloße Errichter des Gerüsts sowie Arbeiter auf Baustellen nicht für Nachverrechnungen in Betracht kommen, dem kann insofern zugestimmt werden, dass Gerüstteile, die im Schatten der Baustelle gelagert werden und sogleich also unmittelbar abtransportiert oder auf Fahrzeuge umgeladen werden, es zulässig wäre, allerdings in diesem Fall geht das weit über die Baustelleneinrichtung hinaus. Es wurden Gerüstteile ums Eck, also nicht in der ***10***, sondern in der ***9*** gelagert, weshalb man nicht sagen kann, dass diese im Schatten der Baustelle gelagert wurden. Darüber hinaus hat der Polizist auch festgestellt, dass die Sachen gelagert wurden und kein Fahrzeug zu sehen war, dass die Gerüstteile abtransportiert hätte. Besonders erschwerend kommt, dass diese Gerüstteile auf dem Gehsteig eine besondere Gefahr dargestellt haben, Personen mit Beeinträchtigung mussten die Straße überqueren, mit Kinderwagen wäre eine Benützung des Gehsteiges nicht möglich gewesen. Das Vorbringen der Bf. dass die Sachen gelagert wurden, ist ein Zugeständnis, dass die Sachen am gleichen Tag abgeholt worden sind, vermag an der Abgabepflicht nichts zu ändern. Das Ablagern auf dem Gehsteig ist eine Lagerung, es sei denn, die Gegenstände wären unmittelbar entfernt worden. Das ist auch die ständige Judikatur zur Ladetätigkeit, gem. § 62 StVO Abs. 3."
Der als Zeuge einvernommene Anzeigenleger, ****, gab zu Protokoll, dass er am im Fußstreifendienst tätig gewesen sei und wahrgenommen habe, dass an der betreffenden Stelle Gerüstteile abgelagert gewesen seien wie auf dem von ihm angefertigten Foto dokumentiert. Er habe keine Kraftfahrzeuge oder Beschäftigte der Beschwerdeführerin angetroffen. Ein Parkverbot oder eine Gittereinfriedung sowie eine Kennzeichnung der ***4*** habe er ebenso nicht wahrgenommen. Er habe in seinem Verzeichnis die Bewilligung der ***4*** für den Ablagerungsort nicht vorgefunden, da diese unter einer anderen Adresse, ***11***, vermerkt war. Auf Nachfrage der belangten Behörde erklärte der Zeuge, dass es aufgrund des Beweisfotos ersichtlich sei, dass die Gerüstteile auf dem Gehsteig gelegen seien.
Am wurde vom Bundesfinanzgericht in Anwesenheit der Parteien und des Zeugen ein Augenschein gem. § 182 iVm § 269 Abs. 1 BAO am Beanstandungsort durchgeführt. Der Zeuge sagte aus, dass sich die Gerüstteile im vorderen Teil des Fotos zum Teil auf dem Gehsteig befunden hätten. Abmessungen wurden zum Zeitpunkt der Anzeige keine angefertigt, aber das Gerüst habe ca. 1,2 Meter in den Gehsteig hineingereicht.
Während der Amtshandlung wurde der Gehsteig vermessen. Die Beschwerdeführerin gab die genauen, standardisierten Abmessungen der Gerüstteile bekannt: 2 Meter mal 1,40 Meter und 60 Zentimeter mal 2,50 Meter. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sich der Materialzugang für die Baustelleneinrichtung ***11*** in der ***9*** befunden habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht führte die Beschwerdeführerin weiters Folgendes aus: "Das oben angeführte Erkenntnis kann nicht so ausgelegt werden, dass jegliche Gerüstablagerung im Zuge eines Abbaus automatisch genehmigt ist oder das die Gerüstfirma davon freigestellt wird, Gebühren zu entrichten. Im konkreten Fall stimmt der Sachverhalt nicht mit der oben angeführten Erkenntnis überein. Die Gerüstfirma hat Flächen in Anspruch genommen ohne auf den Genehmigungsnachweis Rücksicht zu nehmen."
Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin unter Verweis auf § 3 Abs. 3 GAG, dass der Bescheid der belangten Behörde der falschen Bescheidadressatin zugekommen wäre, da Verfügungsberechtigte die ***4*** wäre, wurde der Beschwerdeführerin durch das Bundesfinanzgericht entgegnet, dass gem. § 9 Abs. 1a GAG nicht der Verfügungsberechtigte Abgabenpflichtiger ist, sondern derjenige, der öffentlichen Grund nützt.
Die Beschwerdeführerin stellte einen Eventualantrag auf Minderung der Höhe der festgesetzten Gebrauchsabgabe und brachte vor, dass verfahrensgegenständlich nur die Nutzung des Gehsteiges sein könne, da für die Parkspur eine aufrechte Genehmigung vorhanden war. Sie führte dazu aus: "Die Lagerung ist aus unserer Sicht keine Lagerung, sondern nur ein Herrichten für den Abtransport."
Die belangte Behörde brachte Folgendes vor: "Der § 9 Abs. 1a GAG wurde erst im Jahr 2013 eingeführt und das VwGH Erkenntnis stammt aus 2004. § 3 Abs. 3 gilt nur für besondere Gebrauchserlaubnis betreffend Tarif 10 Post 1 (Leitungen) und gilt somit nicht für die Gerüstteile. Es handelt sich bei der Gebrauchsabgabe um eine unteilbare Monatsabgabe, die nur für einen Monat vorgeschrieben werden kann."
Mit Schreiben vom und vom legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht ein aktuelles Foto vom Ort der Lagerung sowie die Pläne von Fahrbahn und Gehsteig der beschwerdegegenständlichen Adresse vor und führte aus: "Ab dem Querstrich hat die Gehsteigvorziehung bis zum Rand eine Breite von 1,44 m. Dem Foto ist entnehmbar, dass die 1,4 m breite Lagerung bereits vor dem Querstrich, also zwischen Verkehrszeichenständer und Querstrich gelagert wurde, weswegen die Lagerung vollständig auf dem Gehsteig gegeben war, und die Parkspur nicht in Anspruch genommen worden sein kann." Und: "(…) dass der höchste Tarif zur Anwendung kommen soll, wurde bereits vom BFG am , RV/7400150/2018 zu einer Baustelleneinrichtung außer dem 1. Bezirk aus 2015 bis 2016 entschieden. Damals war die Staffelung 4,2 und dann 8,4 und der höchste Tarif war 9,40. (…) gesetzlichen Höhe des Tarif D Post 1 im Jahr 2019: Demnach war im 1. Bezirk wegen Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis der höchste Tarif mit EUR 14,00 zu berechnen. Die Abgabe wäre also von 13,90 pro Quadratmeter auf 14 EUR pro Quadratmeter zu erhöhen."
Dem Schreiben der belangten Behörde waren die folgenden Beilagen angeschlossen: das GebrauchsabgabeG 1966 idF. und die Tarifpositionen "D. Monatsabgaben je begonnenen Abgabenmonat" an, wobei in Z 1 für die Lagerung von Gerüsten im 1. Bezirk bei weiterer Bewilligung ein Abgabenbetrag iHv. EUR 14,- verzeichnet ist.
Mit Schreiben vom übermittelte die Beschwerdeführerin eine Kopie der von ihr geführten Abholliste in der die Abholung des Gerüstes am verzeichnet ist. Eine Uhrzeit ist jedoch nicht eingetragen. Die Beschwerdeführerin erstattete in der Folge die folgende Stellungnahme: "(…) Anlässlich der Verhandlung am wurde der ***Bf1*** gestattet Unterlagen vorzulegen aus denen ersichtlich ist, dass die Gerüstteile in der ***9*** am wieder abtransportiert worden sind. Vorgelegt wird eine Kopie der Abholliste der ***Bf1*** vom . Zur Erläuterung aus der Liste ist ersichtlich, dass vom ersten Bezirk Adresse ***9*** am vom Zug 5 das Gerüst abtransportiert worden ist. Die Eintragung des Zuges in der letzten Spalte bedeutet, dass tatsächlich der LKW mit der Kennzeichnung Zug 5 die Gerüstbauteile am aufgeladen und in das Lager der ***Bf1*** verbracht hat. Wie bisher wird vorgebracht, dass aufgrund der kurzfristigen Zwischenlagerung eine Gebührenpflicht der ***12*** nicht entstanden sein kann. Wie bisher wird jedenfalls vorgebracht, dass Gebraucher im Sinne des Gebrauchsabgabengesetzes gegenständlich nicht die ***Bf1*** gewesen ist, sondern die Baufirma ***4*** die über eine Gebrauchserlaubnis vom bis verfügt hat. Auch der einschreitende Polizist der letztlich die Anzeige erstattete, gab zu Protokoll, dass er die vorliegende Bewilligung unter der Suchadresse ***9*** nicht finden konnte, aber sehr wohl mit der Suchadresse ***11*** der Baustellenort ***9*** mitumfasst war. Hätte er die Genehmigung am Computer vorgefunden, wäre es auch zu keiner Anzeige gekommen. Um Stattgebung der Beschwerde wird ersucht."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hat am spätestens um 14:26 Uhr Gerüstteile, die mit der ihr zuzuordnenden Farbe gekennzeichnet waren, bis zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt am selben Tag im 1. Wiener Gemeindebezirk, in der ***9***, gelagert. Eine Bewilligung für die Lagerung von Gerüstteilen am Gehsteig gem. GAG 1966 für den war von der Beschwerdeführerin nicht erwirkt worden.
Die von der Beschwerdeführerin am Gehsteig in Anspruch genommene Fläche betrug 0,6 Meter mal 2,5 Meter, das sind 1,5 Quadratmeter für die links von der oben genannten Adresse gelagerten Gerüstteile und 1,40 Meter mal 2 Meter, das sind 2,8 Quadratmeter für die rechts von der oben genannten Adresse gelagerten Gerüstteile.
Im Parkstreifen befand sich eine Baustoffmulde. Am Ort der Lagerung waren zum Zeitpunkt der Beanstandung keine Kfz der Beschwerdeführerin abgestellt und keine Beschäftigten anwesend.
Beweiswürdigung
Der Zeitpunkt der Lagerung der Gerüstteile ergibt sich aus der Anzeige des Anzeigenlegers, wobei sich die Gerüstteile schon zu einem früheren Zeitpunkt als 14:26 Uhr am am Beanstandungsort befunden haben könnten. Die ***4*** verfügte über eine Gebrauchserlaubnis gemäß § 82 StVO und § 1 iVm Tarif D Post 1 GAG 1966 vom bis für eine Fläche von 2 mal 6 Metern in der Parkspur in Wien ***9***-3, was durch die vorgelegten Genehmigungsnachweise belegt ist. Dass die Gerüstteile am Gehsteig gelagert wurden, ist durch das angefertigte Beweisfoto ersichtlich und die Zeugenaussage des Anzeigenlegers, sowie durch die vorgelegten Pläne der belangten Behörde bewiesen. Die am Gehsteig beanspruchte Fläche ergibt sich aus dem im Zuge des durchgeführten Augenscheins am Vorbringen der Beschwerdeführerin. Die Gegebenheiten am Ort der Lagerung am ergeben sich aus der Zeugenaussage des Anzeigenlegers und des von ihm angefertigten Foto. Die vorgelegte Abholliste der Beschwerdeführerin weist keinen Eintrag der Uhrzeit auf, weshalb die Dauer der Lagerung der Gerüstteile nicht feststellbar ist.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 (idF. GAG 1966) ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazu gehörigen Anlagen und Grünstreifen, einschließlich seines Untergrundes und darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 a GAG 1966 hat derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes gemäß angeschlossenem Tarif benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß.
Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a GAG 1966 wird eine Gebrauchsabgabe im Falle einer einmaligen Abgabe in Form einer bescheidmäßigen Festsetzung erhoben.
Gemäß § 11 Abs. 2 GAG 1966 ist die einmalige Abgabe mit Ablauf des Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass der angefochtene Bescheid der belangten Behörde der falschen Bescheidadressatin zugekommen wäre, da Verfügungsberechtigte die ***4*** wäre, ist zu entgegnen, dass gem. § 9 Abs. 1a GAG nicht die Verfügungsberechtigte zur Abgabe verpflichtet ist, sondern diejenige Gesellschaft, die den öffentlichen Grund nützt. § 9 Abs. 1a GAG 1966 ist bei (Ab-) Lagerung von Gerüsten anzuwenden. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gem. § 3 Abs. 3 GAG 1966 die verfügungsberechtigte ***4*** Abgabepflichtige sei, ist zu entgegnen, dass im konkreten Fall § 9 Abs. 1a des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 idF LGBl. Nr. 61/2016 gültig von bis anzuwenden ist. Das von der Beschwerdeführerin angesprochene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes erging zur Rechtslage vor 2014 und ist somit nicht auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden. Gem. § 9 Abs. 1a GAG 1966 ist daher nicht die ***4*** als Verfügungsberechtigte die Abgabenschuldnerin, sondern die Beschwerdeführerin als Nutzerin des öffentlichen Grundes.
Die Vertragspartnerin der Beschwerdeführerin, die ***4***, hatte zwar für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum eine Bewilligung für Lagerungen in der Parkspur erwirkt, jedoch wurde keine Bewilligung für die Lagerung von Gerüstteilen am Gehsteig erteilt. Die Parkspur ist lt. StVO Teil der Fahrbahn.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am brachte die Beschwerdeführerin vor, dass nur eine kurzfristige Zwischenlagerung der Gerüstteile am an der betreffenden Adresse vorgelegen sei. Das Bundesfinanzgericht hat der Beschwerdeführerin binnen einer Frist von vier Wochen aufgetragen, dazu Beweise vorzulegen. Die Beschwerdeführerin hat jedoch zur Kurzfristigkeit der Lagerung keine Beweise vorlegen können, da die beigebrachte Abholliste keine Uhrzeiten aufweist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gab der Anzeigenleger zu Protokoll, dass er keine Arbeiten an den Gerüstteilen oder Auf- bzw. Umladearbeiten auf Kfz wahrgenommen hat. Er hat keine Beschäftigten der Beschwerdeführerin vor Ort angetroffen, die einen - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - unmittelbaren Abtransport durchführen hätten können. Jedoch stellt ein Ablagern von Gerüstteilen auf dem Gehsteig eine Lagerung dar, da die betreffenden Gerüstteile nicht unmittelbar nach Ablagerung entfernt worden sind. Somit kann eine Ladetätigkeit gem. § 62 Abs. 3 StVO im konkreten Fall nicht vorgelegen haben. Dass der Anzeigenleger bei anderem Wissenstand womöglich keine Anzeige erstattet hätte, ändert nichts an der Abgabepflicht gem. § 9 Abs. 1a GAG 1966.
Die Beschwerdeführerin wäre gemäß § 1 Abs. 1 GAG 1966 vor Benutzung des Gehsteiges zur Lagerung von Gerüstteilen am zur Erwirkung einer Gebrauchserlaubnis verpflichtet gewesen. Da sie diese erwiesenermaßen unterlassen hat, ist sie gemäß § 9 Abs. 1a iVm § 10 Abs. 1 lit. a GAG 1966 zur Leistung der Wiener Gebrauchsabgabe verpflichtet. Bei der Gebrauchsabgabe handelt es sich um eine unteilbare Monatsabgabe, die pro angefangenen Quadratmeter jeweils für einen Monat vorzuschreiben ist.
Der in § 1 Abs. 1 GAG angesprochene Tarif ist der Bestimmung des § 18 Abs. 7 Z 4 GAG 1966 angeschlossen. Gem. § 1 Abs. 1 iVm Tarif D Post 1 GAG 1966 beträgt die gesetzliche Höhe der Gebrauchsabgabe im Jahr 2019 im 1. Wiener Gemeindebezirk bei Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis EUR 14,00.
Zur Bemessung der Höhe der Gebrauchsabgabe sind die ermittelten Teile des Gerüsts, die sich am Gehsteig befunden haben, heranzuziehen:
0,6*2,5=1,5 für die hinteren Gerüstteile
1,40*2=2,8 für die vorderen Gerüstteile
In Summe wurde Gehsteigfläche im Umfang von 4,3 Quadratmeter ohne Gebrauchserlaubnis in Anspruch genommen. Die Abgabenbemessung erfolgt daher pro angefangenen Quadratmeter iHv. EUR 14,-, woraus sich die Festsetzung eines Abgabenbetrages nach dem GAG 1966 iHv. EUR 70,- (5*14=70) ergibt.
Dieser Betrag ist somit unter Abänderung des angefochtenen Bescheides spruchgemäß festzusetzen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In der vorliegenden Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Festsetzung der Gebrauchsabgabe beruht auf den angeführten Gesetzesbestimmungen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400048.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at