Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2020, RV/7103297/2020

Geschäftsführerhaftung, keine Uneinbringlichkeit bei vollständiger Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben durch die Primärschuldnerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Steuerberater Mag. Martin Stoiber, Währinger Straße 121/5, 1180 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als ehemaliger Geschäftsführer der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 159.367,53 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Körperschaftsteuer
2014
5.716,24
Körperschaftsteuer
01-03/2016
3.882,00
Umsatzsteuer
05/2016
20.168,60
Körperschaftsteuer
07-09/2016
3.882,00
Umsatzsteuer
06/2016
16.707,01
Umsatzsteuer
07/2016
16.439,70
Lohnsteuer
11/2016
4.793,10
Dienstgeberbeitrag
11/2016
4.645,76
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/2016
412,96
Körperschaftsteuer
01-03/2017
3.882,00
Körperschaftsteuer
2015
31.576,00
Körperschaftsteuer
04-06/2017
14.280,00
Körperschaftsteuer
07-09/2017
9.081,00
Körperschaftsteuer
10-12/2017
9.082,00
Lohnsteuer
11/2017
4.945,92
Dienstgeberbeitrag
11/2017
4.440,06
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/2017
433,18
Umsatzsteuer
12/2017
5.000,00


Die dagegen nach mehreren Fristverlängerungsansuchen am rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde, wies das Finanzamt als unbegründet ab, woraufhin der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht beantragte.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind:

- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- aushaftende Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)

Unbestritten ist, dass dem Bf. als Geschäftsführer der G-1 im Zeitraum vom D-1 bis D-2 die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Allerdings war festzustellen, dass die im Haftungsbescheid genannten Abgaben, für die der Bf. zur Haftung herangezogen wurde, mittlerweile aufgrund von Zahlungen durch die Primärschuldnerin entrichtet wurden.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Da die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen am Abgabenkonto nicht mehr aushaften und daher nicht uneinbringlich sind, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO nicht vor, weshalb die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die genannten Abgabenschuldigkeiten der G-1 nicht zu Recht erfolgte.

Über die Beschwerde hat gemäß § 274 Abs. 1 BAO eine mündliche Verhandlung stattzufinden, 1. wenn es beantragt wird a) in der Beschwerde, b) im Vorlageantrag, c) in der Beitrittserklärung oder d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des späteren Bescheides, oder 2. wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.

Da im gegenständlichen Fall kein Sachverhaltselement strittig war, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor, weshalb die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103297.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at