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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.11.2020, RV/7101499/2017

Die einer Kapitalgesellschaft zugerechneten Mehrgewinne, die im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben, sind in der Regel nach Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse den Gesellschaftern als verdeckte Ausschüttungen zugeflossen anzusehen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PKF Centurion Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hegelgasse 8, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Kapitalertragsteuer 2010, Kapitalertragsteuer 2011 und Kapitalertragsteuer 2012 Steuernummer ***StNr*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***S*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde der Beschwerdeführerin (Bf) gegen die im Spruch angeführten Bescheide betreffend die Jahre 2010 bis 2012 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob der Bf aus einer verdeckten Gewinnausschüttung Erträge zugeflossen sind und der Bf in der Folge die Kapitalertragsteuer vorzuschreiben ist.

Dieser Frage liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:

Die Bf ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin der ***Gesellschaft***.

Bei der ***Gesellschaft*** fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt. Auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung wurden die Abgabenbemessungsgrundlagen geschätzt und ein Sicherheitszuschlag festgesetzt. Die Gewinnerhöhungen auf Grund des Sicherheitszuschlages wurden als verdeckte Gewinnausschüttung der Besteuerung mit der Kapitalertragsteuer unterzogen. Die ***Gesellschaft*** wurde für diese Kapitalertragsteuer mit den bekämpften Bescheiden zur Haftung herangezogen.

Gleichzeitig wurde der Bf die Kapitalertragsteuer anteilig im Ausmaß ihres Beteiligungsverhältnisses direkt vorgeschrieben. Die bei der Gewinnermittlung einer Kapitalgesellschaft unter dem Titel verdeckte Ausschüttung zugerechneten Mehrgewinne seien in der Regel als den Gesellschaftern zugeflossen zu werten. Der Mehrgewinn sei nach dem Beteiligungsverhältnis aufzuteilen. Die Bf sei an der ***Gesellschaft*** mit 25 Prozent beteiligt, die anteilige verdeckte Gewinnausschüttung sei daher der Bf zuzurechnen.

Die Bf sei die Schuldnerin der Kapitalertragsteuer. Nach § 95 Abs 4 EStG 1988 sei die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise dem Empfänger der Kapitalerträge direkt vorzuschreiben, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt habe und der Empfänger wisse, dass der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt habe. Es liege im Wesen einer verdeckten Ausschüttung, dass die Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt werde.

Gegen diese Bescheide wurde Beschwerde erhoben. Die Bf brachte darin vor, dass bei richtiger rechtlicher Würdigung des Sachverhaltes bei der ***Gesellschaft*** kein Kapitalertrag zugeflossen sei, weil die von der Betriebsprüfung vorgenommene Zuschätzung unrichtig sei. Des Weiteren habe die Behörde keine Ermittlungen darüber angestellt, welcher Gesellschafter tatsächlich von der verdeckten Gewinnausschüttung begünstigt worden wäre, sodass die pauschale Festsetzung ohne Ermittlungshandlung zu Unrecht erfolgt sei. Es werde die ersatzlose Aufhebung der Kapitalertragsteuerbescheide beantragt.

Das Finanzamt entschied mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. Begründend wurde ausgeführt, dass im Zuge der Beschwerdevorentscheidung die Zuschätzung herabgesetzt worden sei und die Kapitalertragsteuer nur mehr für die verminderten Beträge der Zuschätzung vorgeschrieben worden sei.

Da sich die durch die Gewinnerhöhung erhöhten Geldmittel nicht im Gesellschaftskapital widerspiegelten, sei davon auszugehen, dass die Beträge an die Beteiligten an der Gesellschaft ausgeschüttet worden seien. Bei der Körperschaft nicht erfasste Mehrgewinne aus berechtigten Zuschätzungen stellten daher eine verdeckte Ausschüttung bei den Gesellschaftern im Ausmaß ihres Beteiligungsverhältnisses dar. Es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, dass die Mehrgewinne nur bestimmten Gesellschaftern zugutegekommen seien, weshalb die Aufteilung nach dem Beteiligunsverhältnis zu erfolgen hatte. Die Geltendmachung der Kapitalertagsteuer im Wege der Direktvorschreibung sei eine Ermessensentscheidung. Die Ermessensentscheidung erfolge im öffentlichen Interesse an der Durchsetzung und Einbringung der Abgabe. Die Geltendmachung der Haftung bei der ***Gesellschaft*** scheine nur erschwert durchführbar, weil die Gesellschaft in den letzten Wirtschaftsjahren überwiegend Verluste erzielt habe. Billigkeitsgründe standen der Ermessensentscheidung in diesem Sinne nicht entgegen.

Die Bf beantragte, die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorzulegen.

In der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten beide Parteien kein weiteres Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Bf ist zu 25 Prozent an der ***Gesellschaft*** beteiligt und Geschäftsführerin der Gesellschaft.

Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bei der ***Gesellschaft*** wurden im Rahmen einer Schätzung Mehrgewinne der Gesellschaft festgestellt.

Aus den Umständen der Mehrgewinne ergaben sich keine Hinweise darauf, dass diese Mehrgewinne nur bestimmten Gesellschaftern zugeflossen wären. Diese Mehrgewinne wurden daher im Verhältnis der Beteiligung der Gesellschafter auf die jeweiligen Gesellschafter aufgeteilt.

Der Bf erhielt im Zuge dieser Gewinnverteilungen folgende Beträge:

2010: 2.043,88 Euro; 2011: 2.767,33 Euro und 2012: 5.212,80 Euro.

Mit Bescheiden vom schrieb die Abgabenbehörde der Bf die Kapitalertragsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 vor.

Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt. Warum das Bundesfinanzgericht die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Körperschaftsteuer 2010 bis 2012 und damit die verdeckten Gewinnausschüttungen im Ausmaß der dazu ergangenen Beschwerdevorentscheidungen bestätigt hat, kann der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung zur Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 betreffend die Gesellschaft entnommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Nach Feststellung des Sachverhaltes hat das Bundesfinanzgericht über die vorliegende Beschwerde rechtlich erwogen:

Gewinnanteile, Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 Abs 2 Z 1 lit a EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung.

Zu den sonstigen Bezügen nach § 27 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 gehören auch verdeckte Ausschüttungen.

Solche Einkünfte unterliegen, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (inländische Kapitalerträge), der Kapitalertragsteuer nach § 93 Abs 1a Z 1 lit a EStG 1988.

Die Kapitalertragsteuer wird nach § 93 Abs 1 EStG 1988 durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben.

Zum Abzug der Kapitalertragsteuer bei inländischen Kapitalerträgen ist der Schuldner der Kapitalerträge verpflichtet. Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen (§ 95 Abs 3 Z EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Der zum Abzug Verpflichtete hat die einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer" binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abzuführen (§ 96 Abs 1 Z 1 EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Er hat zu diesem Zweck die KESt in einer KESt-Anmeldung zu dokumentieren und an das Finanzamt zu übermitteln.

Gemäß § 95 Abs 1 EStG 1988 ist der Empfänger der Kapitalerträge der Schuldner der Kapitalertragsteuer.

Gemäß § 95 Abs 4 EStG 1988 ist dem Empfänger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn

1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung nach Abs 1 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder

2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

Sind die Voraussetzungen des § 95 Abs 4 EStG 1988 erfüllt, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob sie die Haftung des Schuldners der Kapitalerträge (also der ausschüttenden Gesellschaft) geltend macht oder den Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch nimmt (siehe ausführlich Zorn in SWK 20/21/2015, 978; ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Vornahme verdeckter Ausschüttungen ein klassischer Fall der Anwendung dieser Gesetzesbestimmung, besteht das Wesen verdeckter Ausschüttungen doch gerade darin, die Zuwendung von Vorteilen an die Gesellschafter nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen und auch keine vorschriftsmäßige Kürzung der Kapitalerträge vorzunehmen (vgl mit weiteren Verweisen).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die einer Kapitalgesellschaft zugerechneten Mehrgewinne, die im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben, in der Regel als den Gesellschaftern als verdeckte Ausschüttungen zugeflossen anzusehen (siehe etwa , 0263, vom , 97/14/0026, vom , 97/13/0241 und 0242, vom , 97/13/0173, vom , 97/14/0118, vom , 95/13/0069, VwSlg 7247 F/1998, vom , 93/15/0060, und vom , 92/13/0011, 94/13/0094 sowie , mwA).

Die einer Kapitalgesellschaft zugerechneten Mehrgewinne, die im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben, sind in der Regel nach Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse den Gesellschaftern als verdeckte Ausschüttungen zugeflossen anzusehen. Wird behauptet, diese Regel gelte im konkreten Fall nicht, so ist es Sache der Gesellschafter nachzuweisen, ihnen seien keine bzw in einem ihren Beteiligungsverhältnissen nicht entsprechenden Ausmaß verdeckte Ausschüttungen zugeflossen ().

Die Bf hat nur vorgebracht, dass die Behörde keine Feststellungen darüber getroffen hat, wem die Mehrgewinne zugeflossen seien. Diesbezüglich ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, welche in der Regel davon ausgeht, dass die Ausschüttung nach Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse als zugeflossen gilt, wovon auch die Behörde ausgegangen ist. Es wäre an der Bf gelegen, neben der Behauptung die entsprechenden Nachweise beizubringen, dass von einem vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Zufluß ausgegangen werden muss. Aus dem Akteninhalt und den Prüfungsfeststellungen ergaben sich keine Hinweise darauf oder Anhaltspunkte dafür.

Bei einer verdeckten Ausschüttung sind die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 95 Abs 4 EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung somit idR verwirklicht. Es liegt daher im Ermessen der Abgabenbehörden, ob die Haftung gegenüber der ausschüttenden Gesellschaft geltend gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt.

Die Ermessensübung stellt immer auf den Einzelfall ab. Ein bedeutsamer Umstand wird die Einbringlichkeit der Kapitalertragsteuer bei der GmbH sein.

Im Ausmaß der vorgenommenen Zuschätzung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung bei der Gesellschaft lagen verdeckte Ausschüttungen vor. Eine vorschriftsmäßige Kürzung der Kapitalerträge ist nicht erfolgt. Somit ist der Tatbestand des § 95 Abs 5 Z 1 EStG 1988 erfüllt.

Das Finanzamt hat die Ermessensentscheidung damit begründet, dass die Einbringung der Kapitalertragsteuer bei der Gesellschaft wegen der in den letzten Wirtschaftsjahren überwiegend erzielten Verluste nur erschwert durchführbar sei. Die Ermessensentscheidung sei damit im öffentlichen Interesse an der Durchsetzung und Einbringung der Abgabe erfolgt.

Damit sei eine leichtere direkte Durchsetzbarkeit des Abgabenanspruches gegenüber dem Empfänger der Kapitalerträge gegeben gewesen. Die Vorschreibung an die Bf ist auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt gewesen.

Billigkeitsgründe, die der direkten Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an den Empfänger der Erträge entgegengestanden wären, waren aus dem Akt nicht ersichtlich.

Dieser Ermessensübung schließt sich das Bundesfinanzgericht an. Das Ermessen wurde somit im Rahmen der gesetzlich gegebenen Ermessenskriterien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit ausgeübt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes zum Teil bereits aus dem unmittelbaren Wortlaut des Gesetzes. Darüber hinaus ist das Bundesfinanzgericht bei seiner Entscheidung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt (zur Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer: ; ; zur Aufteilung: (). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.

Aus diesem Grund war die Revision für unzulässig zu erklären.

Wien, am

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