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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2020, RV/4100339/2012

Geschäftsführerhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Moore Stephens Alpen-Adria Wirtschaftsprüfungs GmbH, Bahnhofstraße 5, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom betreffend Geltendmachung einer Haftung zu Recht erkannt:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben.

Der Haftungsbetrag wird auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2007
847,82
Umsatzsteuer
2008
907,13
Umsatzsteuer
2009
716,63
Umsatzsteuer
03/2011
450,65
Umsatzsteuer
05/2011
225,25
Lohnsteuer
04/2011
169,50
Lohnsteuer
01-06/2011
2.032,93
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
1.694,65
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
1.872,52
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
1.966,69
Körperschaftsteuer
2007
1.133,12
Dienstgeberbeitrag
04/2011
224,21
Dienstgeberbeitrag
01-06/2011
1.029,35
Zuschlag zum DB
04/2011
20,43
Anspruchszinsen
2007
105,94
Summe
13.396,82

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung (BAO) für nachstehend angeführte aushaftende Abgabenschuldigkeiten der A-GmbH, in Höhe von € 91.336,41 in Anspruch genommen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2007
4.330,00
Umsatzsteuer
2008
4.632,96
Umsatzsteuer
2009
3.660,00
Umsatzsteuer
03/2011
2.301,57
Umsatzsteuer
05/2011
1.150,41
Umsatzsteuer
06/2011
4.819,67
Umsatzsteuer
08/2011
12.882,69
Lohnsteuer
04/2011
865,68
Lohnsteuer
01-08/2011
13.843,55
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
8.655,00
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
9.563,44
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
10.044,39
Körperschaftsteuer
2007
5.787,10
Dienstgeberbeitrag
04/2011
1.145,05
Dienstgeberbeitrag
01-08/2011
7.009,52
Zuschlag zum DB
04/2011
104,32
Anspruchszinsen
2007
541,06
Summe
91.336,41

Begründend wurde ausgeführt, dass die Abgaben bei der Pimärschuldnerin uneinbringlich seien und eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters vorliege. Hinsichtlich der Lohnabgaben ergebe sich die schuldhafte Pflichtverletzung aus der Nichtabfuhr selbst zu berechnender und abzuführender Abgaben. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Bf. zurückzuführen sei, sei den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den berechtigten Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen und die gesetzliche Vertreterhaftung geltend zu machen.

Gegen diesen Bescheid hat der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Abgaben in der Höhe von € 42.439,51 (Umsatzsteuer und Kapitalertragsteuer 2007-2009) nicht unter den Haftungstatbestand fallen würden, da die Abgabennachforderung aus einem Sicherheitszuschlag resultiert, der sich aus einem EDV-Fehler im Kassensystem ergeben habe. Der Bf. habe über einen rechtsgültigen Wartungsvertrag verfügt, der von der Softwarefirma nicht eingehalten worden sei. Auch hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag liege keine schuldhafte Pflichtverletzung vor, da dem Bf. noch am eine Zahlungserleichterung bewilligt wurde und er die erste Ratenzahlung am entrichtet habe. Erst am sei die notwendige Liquidität nicht mehr vorhanden gewesen. Einer Haftung könne daher nur ein Betrag von € 45.425,31 zugrundegelegt werden, wobei eine 20 %ige Quote aus dem Sanierungsverfahren in Abzug zu bringen sei. Es würden somit nur Abgabenschulden in Höhe von € 36.340,25 verbleiben, wobei stets alle Gläubiger gleich behandelt worden seien. Der Beschwerde war eine Auflistung von Gläubigern mit den aushaftenden Beträgen für den Zeitraum Jänner bis Juli 2011 beigelegt.

Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Klagenfurt vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Mängel in den Büchern der Primärschuldnerin festgestellt wurden und die Abgabenbehörde somit zur Schätzung berechtigt sei. Das Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung könne nicht daraus abgeleitet werden, dass die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt wurden. Ebenso ohne Belang sei, ob es sich um Hinzuschätzungen oder Sicherheitszuschläge handle. Die haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern wären wiederum eine Woche nach Zufluss der verdeckten Gewinnausschüttung fällig gewesen und hafte der Bf. für deren Einbehaltung und Abfuhr. Aus der Darstellung der Gläubigersituation lasse sich zudem nicht ableiten, welche Mittel zur Entrichtung der Abgabenschulden der Primärschuldnerin an den jeweiligen Fälligkeitstagen zur Verfügung gestanden haben. Ein Vergleich der Befriedigung der Forderungen des Abgabengläubigers mit den übrigen Gläubigern sei somit nicht möglich.

Mit Eingabe vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass € 78.372,47 im Sanierungsverfahren als Forderung angemeldet wurden und die Haftungssumme somit um die bezahlte Quote (20 %) in Höhe von € 15.674,49 zu verringern sei. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers betreffend die Kapitalertragsteuer sei ausgeschlossen, da die verdeckte Gewinnausschüttung aus einem Sicherheitszuschlag resultiere, der seine Begründung in einem Formalfehler im Kassensystem findet. Der Geschäftsführer habe die Umsatz- und Kapitalertragsteuer nicht abführen können, weil in Höhe von € 21.375,00 kein Zufluss stattgefunden habe. Da der Ausfall der Umsatzsteuer 2007 bis 2009 zudem auf einen nicht erfüllten Wartungsvertrag der Softwarefirma zurückzuführen sei, sei der Haftungsbetrag auf € 43.786,91 einzuschränken.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist seit Geschäftsführer der Firma A-GmbH. Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom , Zl. ***1***, wurde über die Firma A-GmbH ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Am wurde vom Finanzamt Klagenfurt beim Landesgericht Klagenfurt eine Insolvenzforderung in Höhe von € 77.680,19 angemeldet:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Lohnsteuer
04/2011
1.044,94
Dienstgeberbeitrag
04/2011
1.145,05
Zuschlag zum DB
04/2011
104,32
Umsatzsteuer
03/2011
2.301,57
Säumniszuschlag 1
2011
50,52
Säumniszuschlag 1
2011
62,84
Pfändungsgebühr
2011
143,27
Barauslagenersatz
2011
0,55
Umsatzsteuer
2007
4.330,00
Umsatzsteuer
2008
4.632,96
Umsatzsteuer
2009
3.660,00
Körperschaftsteuer
2007
7.572,50
Anspruchzinsen
2007
541,06
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
8.655,00
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
9.563,44
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
10.044,39
Säumniszuschlag 1
2011
51,12
Säumniszuschlag 1
2008
86,60
Säumniszuschlag 1
2009
92,66
Säumniszuschlag 1
2010
73,20
Säumniszuschlag 1
2011
173,10
Säumniszuschlag 1
2011
191,27
Säumniszuschlag 1
2011
200,89
Umsatzsteuer
05/2011
1.150,40
Körperschaftsteuer
07-09/2011
437,00
Umsatzsteuer
06/2011
4.819,67
Säumniszuschlag 1
2011
51,87
Umsatzsteuer
07/2011
16.500,00
Summe
77.680,19

Am wurden von der belangten Behörde weitere Forderungen in Höhe von € 23.359,77 beim Landesgericht Klagenfurt als Insolvenzforderung angemeldet:


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Zuschlag zum DB
2010
52,92
Dienstgeberbeitrag
2010
581,28
Lohnsteuer
01-08/2011
15.017,55
Zuschlag zum DB
01-08/2011
638,65
Dienstgeberbeitrag
01-08/2011
7.009,52
Säumniszuschlag 1
2011
59,85
Summe
23.359,77

Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom , Zl. ***2***, wurde das Insolvenzverfahren nach Bestätigung des Sanierungsplanes aufgehoben. Die Zahlungsquote wurde mit 20 % festgesetzt. Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt. Am wurde die Quotenzahlung in Höhe von € 20.208,00 geleistet. Bei der Primärschuldnerin ist somit ein Abgabenausfall eingetreten.

Gemäß dem Bericht des Finanzamtes Klagenfurt gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom , der die Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer und die Körperschaftsteuer der Jahre 2007 bis 2009 zum Gegenstand hat, fehlte auf den vorgelegten elektronischen Datenträgern der Nachweis der vollständigen und richtigen Erfassung sowie Wiedergabe aller Geschäftsfälle, da Stammdaten und Bewegungsdaten teilweise nicht protokolliert wurden. Interne Überprüfungssysteme für die Kontrolle der Beschäftigten wurden angewandt, aber nicht aufgezeichnet. Unterlagen über den nicht mehr verwendbaren Wareneinkauf wurden nicht geführt. Aufzeichnungen über zubereitete Speisen, welche nicht veräußerbar sind, wurden ebenfalls nicht geführt.

Am beantragte der Bf. ein Zahlungserleichterungsansuchen welches vom Finanzamt Klagenfurt mit Bescheid vom bewilligt wurde. In der Folge wurde nur die erste Rate in Höhe von € 10.559,69 am entrichtet.

Der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung wurde nicht erbracht.

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Klagenfurt vorgelegten Verwaltungsakten. Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten.

Hinsichtlich des Nachweises einer Gläubigergleichbehandlung ist zu bemerken, dass der Bf. wohl eine Kreditorenliste Jänner bis Juli 2012 (gemeint wohl 2011), aber keine Nachweise der geleisteten Zahlungen an Gläubiger und der vorhandenen liquiden Mittel vorgelegt hat. Somit ist nicht nachvollziehbar, ob die Schulden der Primärschuldnerin vom Bf. im gleichen Ausmaß befriedigt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Gemäß § 224 Abs.1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs.1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Nach dem durchgeführten Sanierungsverfahren der A-GmbH steht fest, dass die nach der erfolgten Quotenzahlung offenen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Geschäftsführers einer GmbH gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Bei Übernahme einer Geschäftsführertätigkeit hat sich dieser darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die Gesellschaft bisher ihren abgabenrechtlichen Pflichten nachgekommen ist (zB ; , 2011/16/0079).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB ; , 2013/16/0016).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist dabei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (; , 2013/16/0208). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (). Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben ist grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend.

Die Umsatzsteuer 06/2011 wurde gemäß § 21 UStG am und die Umsatzsteuer 08/2011 am fällig. Die Lohnsteuer 07/2011, der Dienstgeberbeitrag 07/2011 und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2011 wurde gemäß § 79 Abs.1 EStG bzw. §43 Abs.1 FLAG am fällig. Die Lohnsteuer 08/2011, der Dienstgeberbeitrag 08/2011 und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2011 wurde gemäß § 79 Abs.1 EStG bzw. § 43 Abs.1 FLAG am fällig.

Zu diesen Zeitpunkten war das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung bereits eröffnet (Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom ). Hinsichtlich dieser Abgaben liegt kein schuldhaftes Verhalten des Bf. vor. Die Lohnabgaben 01-08/2012 sind dabei aliquot um die Monate Juli und August 2011 zu kürzen.

Hinsichtlich der Abgabennachforderung aus der erfolgten Betriebsprüfung (Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer und die Körperschaftsteuer der Jahre 2007 bis 2009) wendete der Bf. ein, die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten sei ihm unmöglich gewesen, da trotz Wartungsvertrages mit einer EDV-Firma ein EDV-Fehler im Kassensystem vorgelegen sei.

Bei Betrauung Dritter mit abgabenrechtlichen Pflichten besteht die Haftung vor allem bei Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten. Der Bf. hätte daher die Wartungsverpflichtung der beauftragten EDV-Firma in solchen Abständen überwachen müssen, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten (Aufzeichnungs- und Offenlegungs- und Zahlungspflichten) verborgen bleibt (Ritz Bundesabgabenordnung-Kommentar § 9 Rz. 12f. mit der angeführten Rechtsprechung).

Hinsichtlich des erhobenen Sicherheitszuschlages bei der Berechnung der verdeckten Gewinausschüttung ist zu bemerken, dass die Anwendung eines Sicherheitszuschlagen zu den Elementen einer Schätzung nach § 184 BAO gehört (; 2006/13/0164 uvm). Diese Schätzungsmethode geht davon aus, dass es bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden ( uvm). Es ist daher davon auszugehen, dass tatsächlich ein Zufluss von Kapitalerträgen stattgefunden hat, wobei jeder Schätzung eine gewisse Ungenauigkeit immanent ist.

Im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid können - solange Bescheide über den Abgabenanspruch dem Rechtsbestand angehören, Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auch nicht mit Erfolg erhoben werden (vgl. zB ).

Für folgende Abgaben der Primärschuldnerin ist dem Bf. daher eine schuldhafte Pflichtverletzung zuzurechnen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2007
4.330,00
Umsatzsteuer
2008
4.632,96
Umsatzsteuer
2009
3.660,00
Umsatzsteuer
03/2011
2.301,57
Umsatzsteuer
05/2011
1.150,41
Lohnsteuer
04/2011
865,68
Lohnsteuer
01-06/2011
10.382,67
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
8.655,00
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
9.563,44
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
10.044,39
Körperschaftsteuer
2007
5.787,10
Dienstgeberbeitrag
04/2011
1.145,05
Dienstgeberbeitrag
01-06/2011
5.257,14
Zuschlag zum DB
04/2011
104,32
Anspruchszinsen
2007
541,06
Summe
68.420,79

Der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung konnte vom Bf. nicht erbracht werden. Nach der Judikatur des VwGH obliegt dem Vertreter der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zB ). Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung reicht nicht. Abfuhrabgaben (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) sind vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Nach § 78 Abs.3 EStG hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (zB ). Eine solche Ausnahme besteht auch für die Kapitalertragsteuer (zB ).

Zur entrichteten Quotenzahlung ist zu bemerken, dass diese Zahlung nicht gemäß § 214 Abs.1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten verrechnet wurde. Abgedeckt wurden mit der Quotenzahlung aber offenkundig die Säumniszuschläge, die Pfändungsgebühr, der Barauslagenersatz, die Körperschaftsteuer 07-09/2011, die Umsatzsteuer 07/2011, der Zuschlag zum DB 2010 und 01-08/2011, der Dienstgeberbeitrag 2010 sowie € 179,26 an Lohnsteuer 04/2011, € 1.174,00 an Lohnsteuer 01-08/2011 und € 1.784,90 an Körperschaftsteuer 2007.

Berücksichtigt man, dass mit der Quotenzahlung neben der Körperschaftsteuer 2007 in Höhe von € 1.784,90, der Lohnsteuer 04/2011 in Höhe von € 179,26, der Lohnsteuer 01-06/2011 in Höhe von € 1.174,00, auch Abgaben, für welche der Bf. haften würde, wie der Dienstgeberbeitrag 2010 in Höhe von € 581,28 und der Zuschlag zum DB in Höhe von von € 52,92 Säumniszuschläge 1, eine Pfändungsgebühr und ein Barauslagenersatz in Höhe von insgesamt € 1.126,02 sowie der (anteilige) Zuschlag zum DB 01-06/2011 in Höhe von € 478,99 verrechnet wurden, verbleibt von der Quotenzahlung in Höhe von € 20.208,00 der Betrag von € 14.830,63. Für diesen Betrag war das schuldhafte Handeln des Bf. nicht kausal für den Ausfall der Abgabenschuld, da der Abgabenausfall bei Verbuchung auf die ältesten fälligen Abgabenschuldigkeiten um € 14.830,63 (21,68 %) niedriger ausgefallen wäre. Die oben angeführten Abgabenschuldigkeiten sind daher um jeweils 21,68 % zu kürzen.


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2007
3.391,26
Umsatzsteuer
2008
3.628,53
Umsatzsteuer
2009
2.866,51
Umsatzsteuer
03/2011
1.802,59
Umsatzsteuer
05/2011
901,00
Lohnsteuer
04/2011
678,00
Lohnsteuer
01-06/2011
8.131,71
Kapitalertragsteuer
01-12/2007
6.778,60
Kapitalertragsteuer
01-12/2008
7.490,09
Kapitalertragsteuer
01-12/2009
7.866,77
Körperschaftsteuer
2007
4.532,46
Dienstgeberbeitrag
04/2011
896,82
Dienstgeberbeitrag
01-06/2011
4.117,39
Zuschlag zum DB
04/2011
81,70
Anspruchszinsen
2007
423,76
Summe
53.587,19

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (ZB ). Gemäß § 20 BAO ist die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bf. beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn verursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgaben zu.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Frage der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit bei der Ermessensübung berücksichtigt werden. Dabei ist den jeweiligen Umständen des Einzelfalls in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen, um Unbilligkeiten hintanzuhalten, die aus einer späten Geltendmachung einer Haftung resultieren (Vgl. Ritz BAO-Kommentar § 7 Rz.7; ). Auch aus dem Erkenntnis vom , 2006/13/0159, ergibt sich, dass die Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit zur Hintanhaltung von Unbilligkeiten bei der Ermessensübung nicht ohne weiteres außer Betracht gelassen werden darf. Im Erkenntnis vom , 2009/16/0108, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederum auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Ermessensentscheidung hingewiesen, weil diese - sollten nicht außergewöhnliche Gründe vorliegen - der Inanspruchnahme zur vollen Haftung entgegenstehen können.

Im gegenständlichen Fall stand der Abgabenausfall nach dem Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom , Zl. ***2***, über die Bestätigung des Sanierungsplanes fest. Die Haftungsinanspruchnahme erfolgte bereits mit Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom . Seit Einbringung der Berufung gegen diesen Bescheid sind über acht Jahre verstrichen.

Weiters ist berücksichtigungswürdig, dass die abgabenrechtlichen Pflichtverletzungen des Bf. bereits bis zu 13 Jahre zurückliegen. In Abwägung der Billigkeits- und der Zweckmäßigkeitsgründe, insbesondere der zeitlichen Verzögerungen im Haftungsverfahren, erachtet das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall eine Haftungsinanspruchnahme im Ausmaß von 25 % der aushaftenden Abgaben als angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, sich die Entscheidung auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt und die Ermessensentscheidung keine solche Rechtsfrage darstellt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100339.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at