Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.10.2020, RV/7103135/2020

Bescheidadressat im Insolvenzverfahren

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag Richard Trusnovic, Gschwandnergasse 18 Tür 16-17, 1170 Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Feststellung nach § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) über das Vorliegen eines Scheinunternehmens den Beschluss gefasst :

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit a iVm § 264 Abs. 4 lit e BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 und Abs 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Datum erließ die belangte Behörde einen Feststellungsbescheid gemäß § 8 SBBG über das Vorliegen eines Scheinunternehmens. Dieser Bescheid wurde an die "***1*** GmbH" (Bf) adressiert und an der Firmenanschrift, welche der belangten Behörde bekannt war, hinterlegt.

Mit Datum brachte die Bf, vertreten durch deren Gf ***2***, das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gegen den besagten Feststellungsbescheid ein und führte darin ua. aus, dass die im bekämpften Bescheid getroffenen Feststellungen unzutreffend seien. So seien rückständige Verbindlichkeiten bei der WGKK ebenso abgedeckt worden wie Beitragsrückstände bei der BUAK. Die Gf sei jederzeit in ihrem angemieteten Büro zwischen 08:00 Uhr und 13.00 Uhr erreichbar gewesen. Die Abgabenbehörde habe durch ihre Vorgehensweise das "positive Potential" der Firma vernichtet.

Mit Datum T1M1.2019 wurde beim Handelsgericht Wien zu Aktenzeichen ***3*** das Insolvenzverfahren (Konkursverfahren; keine Eigenverwaltung der Schuldnerin) über das Vermögen der Bf eröffnet und RA ***4*** als Masseverwalterin (MV) bestellt. Mit Beschluss vom T2M2.2020 machte das Gericht die Masseunzulänglichkeit bekannt. Mit Beschluss vom T3M32020 (in Rechtskraft erwachsen am T4M4.2020) wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Mit Datum erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Bescheidbeschwerde vom als unbegründet abgewiesen wurde. Diese Bescheid wurde adressiert an "***1*** GmbH, … z. Hd: Masseverwalterin ***4*** .."

Mit Datum T3M3.2020 brachte der Rechtsvertreter der Bf, RA ***5***, bei der belangten Behörde einen Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) ein. Gleichzeitig gab der Rechtsvertreter bekannt, dass die Gf der Bf bei der MV eine Genehmigung für die Einbringung des Vorlageantrages eingeholt habe.

Die belangte Behörde legte das Rechtsmittel dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Zurückweisung des Vorlageantrages wegen fehlender Aktivlegitimation. Laut Mitteilung der MV vom habe diese keine Zustimmung zur Erhebung eines Vorlageantrages erteilt; weder die Gf noch der Rechtsvertreter der Bf seien mit ihr (MV) diesbezüglich in Kontakt getreten.

Über diese Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht erwogen:

Bescheidadressat des beschwerdebelasteten Feststellungsbescheides war die ***1*** GmbH. Der Bescheid erging am und wurde am selben Tage durch Hinterlegung an der Abgabestelle zugestellt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte mit Datum (rechtswirksam mit ). Die Beschwerdevorentscheidung erging indes am (zugestellt am ), also zu einem Zeitpunkt, an dem das Insolvenzverfahren beim Handelsgericht Wien bereits bzw. noch anhängig war. Erst mit Beschluss vom wurde der Konkurs aufgehoben.

Gemäß § 8 Abs. 12 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzt (SBBG), BGBl I Nr. 113/2015, sind auf das Verfahren betreffend die Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens die Vorschriften der BAO sinngemäß (mit einigen Besonderheiten in Bezug auf Fristen und Zustellung, die allesamt zu dienen Verfahrensverschleppungen hintanzuhalten) anzuwenden. Nachdem die Bestimmungen der BAO "sinngemäß" anzuwenden sind, ist der Rechtsträger, der im Verdacht steht, ein Scheinunternehmer zu sein, Abgabepflichtiger iSd BAO, und zwar auch dann, wenn es in diesem Verfahren nicht um die Erhebung von Abgaben im engeren Sinne geht (). Dieser Rechtsträger hat damit Parteistellung im Verfahren zur Feststellung der Scheinunternehmereigenschaft (§ 8 Abs. 12 SBBG iVm § 78 Abs. 1 BAO; vgl. Wiesinger in ASoK-Spezial Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, 2.3.3.2.2).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl ; vgl nunmehr auch § 114 Abs 1 erster Satz IO). Hinsichtlich des durch die Insolvenzeröffnung seiner freien Verfügung entzogenen Vermögens ist der Schuldner verfügungsunfähig und insoweit prozessunfähig. In diesem Fall ist ausschließlich der MV zum Einschreiten für den Schuldner legitimiert. Für all jene Bereiche, die nicht die Konkursmasse betreffen, sondern die sich auf das konkursfreie Vermögen beziehen (bspw. höchstpersönliche Leistungen, Erbschaften, etc.) bleibt der Schuldner trotz Insolvenzeröffnung weiterhin dispositionsfähig.

Der beschwerdebehaftete Feststellungsbescheid ist als Rechtsakt zu werten, der rechtliche Wirkung beim Vermögen der Schuldnerin entfaltet bzw. entfalten kann. Der Bescheid über die Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens nach § 8 SBBG ist bereits ob der sich durch die rechtskräftige Feststellung ergebenden Rechtsfolgen (bspw. Haftung des Auftraggebers nach § 9 SBBG und Regressmöglichkeit; diverse Rechtsfolgen nach IESG, ASVG, etc. ) jedenfalls als mit der Konkursmasse verhaftet zu qualifizieren und nicht dem höchstpersönlichen Bereich der Schuldnerin zuzuordnen.

Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Schuldnerin gerichtete Erledigung geht auch dann ins Leere, wenn sie an die Schuldnerin, zu Handen des MV gerichtet ist; ein derartiges Schriftstück entfaltet weder eine Wirkung für die Schuldner noch für den MV (vgl ; , uva.).

Die korrekte Adressierung der Beschwerdevorentscheidung hätte demnach etwa zu lauten gehabt: "An Frau RA ***6*** als Masseverwalterin im Insolvenzverfahren der ***1*** GmbH …"

Diese Formstrenge betreffend die Bezeichnung des Bescheidadressaten ist nach der Judikatur des VwGH im Hinblick auf inländische Insolvenzverfahren zwingend; eine "Umdeutung" der Bezeichnung des Bescheidadressaten ist unzulässig.

Da gegenständlich die Beschwerdevorentscheidung lediglich zu Handen der MV und nicht an diese gerichtet wurde, ist der besagte Bescheid dieser gegenüber nicht rechtswirksam erlassen worden. Ebenso vermochte der Bescheid keine Rechtswirkung gegenüber der Bf entfalten, da diese aufgrund des anhängigen Konkursverfahrens dispositionsunfähig war. Das hat zur Folge, dass die als Feststellungsbescheid nach § 8 SBBG intendierte Erledigung als nicht rechtswirksam zustande gekommen, somit als Nichtbescheid, zu qualifizieren ist.

Daraus folgt:

Gemäß § 260 Abs. 1 iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist ein Vorlageantrag mit Beschluss zurückzuweisen, wenn er a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde. Bescheidbeschwerden und Vorlageanträge gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter sind als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO Kommentar, 6. Aufl, § 260 Rz 8 mwN).

Abgesehen davon wäre eine Zurückweisung des Vorlageantrages auch bei richtiger Bescheidadressierung vorzunehmen gewesen, da - wie die belangte Behörde richtig argumentiert hat, im offenen Insolvenzverfahren im Zusammenhang mit konkursverfangenen Ansprüchen einzig und allein die MV zur Einbringung eines Vorlageantrages legitimiert gewesen wäre. Diese gab der belangten Behörde gegenüber bekannt, dass sie keine Zustimmung zur Erhebung des Vorlageantrages erteilt habe.

Begründung gemäß § 25a Abs. 1 VwGG

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegen gegenständliche allesamt nicht vor.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
Schlagworte
Richtiger Bescheidadressat im Insolvenzverfahren
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103135.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at