Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2020, RV/7500556/2020

Video- und Filmmitschnitte des Beschwerdeführers (Bf.) während der Überprüfung des 15-Minuten-Gratisparkscheines durch das Parkraumüberwachungsorgan

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Stanek in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom , Zahl: MA67/Zahl/2019, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 12,00 zu leisten, das sind 20% der verhängten Geldstrafe.

Der Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (€ 12,00) ist zusammen mit der Geldstrafe (€ 60,00) und dem Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens (€ 10,00) - somit insgesamt in Höhe von € 82,00 - an den Magistrat der Stadt Wien zu entrichten.

III. Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.

IV. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Zulassungsbesitzer des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-123 (A).

Dem Beschwerdeführer (Bf.) wurde vom Magistrat der Stadt Wien unter Zugrundelegung der Anzeigedaten eines Kontrollorganes der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien mit Strafverfügung vom , Geschäftszahl MA67/Zahl/2019, angelastet, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-123 (A) am um 16:06 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 80-82 abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Die Strafverfügung war innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung mit Einspruch anfechtbar und wurde mit E-Mail vom fristgerecht angefochten.

In seinem Einspruch brachte der Bf. Folgendes vor:

"Am , kurz nachdem ich um 15:45 Uhr einen digitalen 15-Minuten Parkschein gelöst und mein KFZ vorweg abgestellt hatte, verhielt sich ein Organwalter der Parkraumüberwachung äußerst auffällig. Dieser positionierte sich, nachdem er offensichtlich meinen Parkschein kontrolliert hatte, neben meinem KFZ und begann zu warten. Da ich vermutete, dass dieser das Vorhaben hat neben meinem KFZ bis zum Ablauf des Parkscheines abzuwarten, begann ich das Geschehen aus sicherer Entfernung per Mobiltelefon zu dokumentieren. Bevor der Parkschein ablief, nutzte ich einen unbemerkten Moment, stieg in mein KFZ und begann erneut zu filmen. Als der Organwalter kurz vor Ablauf des Parkscheins zum Auto kam und mich bemerkte, verwickelte er mich in ein Gespräch. In diesem verkündete ich ihm, dass ich eine Beschwerde, aufgrund seines Verhaltens, verfassen werde. Darauf stellte er, nach kurzer Unterhaltung, eine Organstrafverfügung aus. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass mein Parkschein zu Beginn des Gespräches noch gültig war und erst während der Unterhaltung, welche der Organwalter initiiert hat, ablief. Der Parkschein war laut SMS-Bestätigung bis 16:05 Uhr gültig und die Organstrafverfügung wurde um 16:06 Uhr ausgestellt. Durch meine Videoaufnahmen kann ich dies zweifellos beweisen."

Aktenkundig ist eine Stellungnahme des Meldungslegers A355 (Akt S 18) in der er ausführt:

"Der Grund für die Kontaktaufnahme war der abgelaufene Parkschein, wobei die Abfrage des Fahrzeuges vor der Kontaktaufnahme erfolgte. Aufgrund der Uneinsichtigkeit des Lenkers kam eine Abmahnung nicht mehr in Betracht. Die Videoaufnahme versuchte der Lenker nach Ausstellung des Strafmandates erfolglos als Druckmittel zu gebrauchen um eine Stornierung zu bewirken."

Der Magistrat der Stadt Wien lastete dem Bf. mit Straferkenntnis vom , Geschäftszahl MA67/Zahl/2019, die bereits näher bezeichnete Verwaltungsübertretung an und verhängte auf Grund der Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabe in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ein Betrag von € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Begründend wurden das Verwaltungsgeschehen und die Einwendungen des Bf. wiedergegeben, dazu wurde festgetellt:

"Die Transaktionsübersicht von M-Parking in Wien zeigt, dass Sie von 14:31 Uhr bis 16:05 Uhr fast unmittelbar aufeinander folgend 15-Minuten-Gratis-Parkscheine für das Fahrzeug gebucht haben. Im gegenständlichen Fall wurde vom Kontrollorgan um 16:06 Uhr eine Abfrage mit dem mobilen Datenerfassungsgerät durchgeführt und vom elektronischen System kein gültiger Parkschein rückgemeldet, sodass die Beanstandung vorgenommen wurde. Das meldungslegende Organ teilte auf Anfrage mit, dass der Grund für die Kontaktaufnahme der abgelaufene Parkschein war, wobei die Abfrage des Fahrzeuges vor der Kontaktaufnahme erfolgte. Aufgrund der Uneinsichtigkeit des Lenkers kam eine Abmahnung nicht mehr in Betracht. Die Videoaufnahme versuchte der Lenker nach der Ausstellung des Strafmandates als Druckmittel zu gebrauchen um eine Stornierung zu bewirken.

Es besteht für die erkennende Behörde keinerlei Veranlassung, die schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des meldungslegenden Organs der Landespolizeidirektion Wien in Zweifel zu ziehen, zumal einem derartigen Organ die Wahrnehmung und richtige Wiedergabe maßgeblicher Sachverhalte wohl zugemutet werden kann. Es besteht kein Grund, an der Objektivität des meldungslegenden Organs der Landespolizeidirektion Wien zu zweifeln und ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass dieses eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig belasten wollte.

Bei Abwägung der Angaben des anzeigelegenden Organs und Ihrer Rechtfertigung als Beschuldigter, der in der Wahl seiner Verteidigung völlig frei ist, kann der angezeigte Sachverhalt als erwiesen angesehen werden.

Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstellt,muss bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 der Parkometerabgabeverordnung).

Die Abgabe ist mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheines (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung bei Verwendung eines elektronischen Parkscheines entrichtet (§ 5 Abs. 1 Parkometerabgabeverordnung).

Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt bzw. welche die Strafbarkeit aufhebeben würde, liegt im gegenständlichen Fall daher nicht vor.

Sie haben daher die Parkometerabgabe verkürzt.

Zur Strafbarkeit genügt fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, somit schon die bloße Nichtbefolgung eines Gebotes oder das Zuwiderhandeln gegen ein Verbot eine Strafe nach sich zieht, und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (§ 5 Abs. 1 VStG).

Bei gebotener und zumutbarer Aufmerksamkeit und Sorgfalt wäre die Übertretung zu vermeiden gewesen, weshalb der Ihnen angetastete strafbare Tatbestand auch subjektiv als erwiesen anzusehen ist.

Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 365,00 zu bestrafen (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006).

Die Strafe hat sich vor allem auch am Strafzweck zu orientieren. Das Parkometergesetz verfolgt auch das Ziel, den Parkraum zu rationieren und kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn die Strafe durch ihre Höhe geeignet ist, Sie zur Vermeidung von Übertretungen des Parkometergesetzes anzuhalten.

Bei der Strafbemessung wurden Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt. Zudem wurde auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen.

Der Ausspruch über die Kosten ist im § 64 Abs. 2 VStG begründet."

Das Straferkenntnis wurde am zugestellt, war innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit Telefax vom angefochten.

Der Bf. brachte Folgendes vor:

"Hiermit möchte ich gegen die im Betreff genannte Straferkenntnis Beschwerde erheben und begründe dies wie folgt: Am , kurz nachdem ich um 15:45 Uhr einen digitalen 15-Minuten Parkschein gelöst und mein KFZ vorweg abgestellt hatte, verhielt sich ein Organwalter der Parkraumüberwachung äußerst auffällig. Dieser positionierte sich, nachdem er offensichtlich meinen Parkschein kontrolliert hatte, neben meinem KFZ und begann zu warten. Da ich vermutete, dass dieser das Vorhaben hat neben meinem KFZ bis zum Ablauf des Parkscheines abzuwarten, begann ich das Geschehen aus sicherer Entfernung per Mobiltelefon zu dokumentieren. Bevor der Parkschein ablief, nutzte ich einen unbemerkten Moment, stieg in mein KFZ und begann erneut zu filmen. Als der Organwalter kurz vor Ablauf des Parkscheins zum Auto kam und mich bemerkte, verwickelte er mich in ein Gespräch. In diesem verkündete ich ihm, dass ich eine Beschwerde, aufgrund seines Verhaltens, verfassen werde. Darauf stellte er, nach kurzer Unterhaltung, eine Organstrafverfügung aus. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass mein Parkschein zu Beginn des Gespräches noch gültig war und erst während der Unterhaltung, welche der Organwalter initiiert hat, ablief. Der Parkscheine war laut SMS-Bestätigung bis 16:05 Uhr gültig und die Organstrafverfügung wurde um 16:06 Uhr ausgestellt. Durch meine Videoaufnahmen kann ich dies zweifellos beweisen."

Der Magistrat der Stadt Wien legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Das Bundesfinanzgericht ersuchte den Bf. in einem Telefonat am um die Übermittlung von der gegenständlichen Videodatei. Dieser auf einer CD-ROM gespeicherte Videomitschnitt langte am beim Bundesfinanzgericht ein.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug war vom Bf. am um 16:06 Uhr in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 80-82, ohne gültigen Parkschein abgestellt.

Der Abstellort befand sich zum Tatzeitpunkt in einer ordnungsgemäß kundgemachten gebührenpflichtigen Kurzparkzone, in der von Montag bis Freitag (werktags) von 9:00 bis 19:00 Uhr Gebührenpflicht besteht (Parkdauer max. 3 Stunden).

Im gegenständlichen Fall buchte der Bf. am Beanstandungstag sieben 15-Minuten-Gratisparkscheine (kein Gebührenparkschein) wie folgt:


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Beginn
Ende
Beanstandung
12:19
12:34
12:36
12:51
14:31
14:46
14:48
15:03
15:05
15:20
15:28
15:43
15:50
16:05
16:06

Die beiden vom Meldungsleger im Rahmen der Amtshandlung angefertigten Aufnahmen zeigen das verfahrensgegenständliche Kfz. Zu erkennen ist dabei die offene Beifahrertüre des Kfz sowie der Bf., der auf dem Beifahrersitz sitzend sich in Richtung des Lenkrades auf dem Fahrersitz bzw. zur Mittelkonsole beugt und dabei mit den Fingern der rechten Hand das "Victory-Zeichen" bildet.

Nach Einsicht in die vom Bf. mit dem Mobiltelefon angefertigten und dem Bundesfinanzgericht übermittelten Videodateien lassen sich sie aufgenommenen Videosequenzen und Szenen wie folgt beschreiben:

Film 1, Dauer ca. 70 Sekunden:

Der Bf. filmt aus einer Entfernung von etwa 20 Metern, von der gegenüberliegenden Straßenseite an der Hausfassade stehend, den Meldungsleger, der neben dem (letztlich beanstandeten) Kfz stehend dessen Parkschein auf seinem PDA überprüft. Der Meldungsleger entfernt sich sodann in die Gegenrichtung, die Parkscheine anderer Kfz überprüfend.

Film 2, Dauer 4 Minuten 54 Sekunden:

Der Bf. sitzt auf dem Beifahrersitz seines (letztlich beanstandeten) Kfz und filmt durch die Heckscheibe den sich dem Kfz nochmals nähernden Meldungsleger. Als der Meldungsleger neben der Beifahrertüre des Kfz steht öffnet der Bf. auf der Beifahrerseite sitzend das Fenster. Der Meldungsleger spricht den Bf., auf das ihn aufnehmende Handy deutend, mit den Worten "warum zeigen Sie mir das?" an. Folgender kontroverser Dialog entwickelt sich:

Meldungsleger: "Sie sind eine Minute über den telefonischen Gratisparkschein und sind die ganzen 15-Minuten …";

Bf. fällt dem Meldungsleger abrupt ins Wort: "Nein, nein, nein, ich bin vorher woanders gestanden und habe mich dann hergestellt";

Der ML fragt den Bf. konkret ob er eine Ortsveränderung mit dem Kfz durchgeführt hat, worauf der Bf. angibt: "Selbstverständlich".

Meldungsleger: "Ok, dann sind aber immer noch eine Minute über dem 15-Minuten-Gratisparkschein".

Bf.: "Wissen Sie was jetzt passiert? Jetzt kommt eine Beschwerde an Ihren Kommandanten, weil Sie hier warten bis der Parkschein abläuft und Sie sind die ganze Zeit gefilmt worden. Ich bin extra hier gestanden und habe Sie beobachtet";

Der Meldungsleger stimmt einer Beschwerde zu, fotografiert das gegenständliche Kfz, stellt eine Organstrafverfügung aus und überreicht diese dem Bf.

Bf.: "Jetzt kommt sofort eine Beschwerde".

Meldungsleger: "Sie buchen den ganzen Tag 15-Minuten-Gratisparkscheine und sollten Sie Ihre Aufnahmen irgendwie veröffentlichen werde ich zivilrechtlich gegen Sie vorgehen, das ist nicht erlaubt"; der Meldungsleger übergibt dem Bf. seine Visitenkarte mit den Worten: "Sie weigern sich zu zahlen und ärgern sich wenn Sie bestraft werden";

Der Bf. erwidert, er sei im Auto gewesen und es wäre ihm übel, er könne jetzt nicht losfahren.

Meldungsleger: "Im Übrigen sind Sie zwei Minuten über der Zeit gestanden," und zeigt dem Bf. sein PDA-Gerät mit der ausgewiesenen Zeitüberschreitung.

Der Bf. filmt mit seinem Mobiltelefon und sagt: "Ich habe hier alles aufgezeichnet" und "Sie machen es nur schlimmer", "ich bin zwei Minuten vorher eingestiegen".

Meldungsleger: "Ist nicht wahr, der Parkschein war abgelaufen und dann sind Sie eingestiegen in das Auto".

Der Meldungsleger öffnet auf seinem PDA-Gerät eine Seite und möchte auch diese dem Bf. (wiederum) zeigen; währenddessen der Bf. dem Meldungsleger entgegnet: "Wenn Sie das ausfüllen machen Sie es nur noch schlimmer".

Meldungsleger: "Der Parkschein war eine Minute abgelaufen, dann sind Sie erst zum Auto"

Bf.: "Sie kriegen eine fette Beschwerde"; "Ich war hier 15-Minuten und habe Sie beobachtet."

Diese Feststellungen ergeben sich aus den Anzeigedaten des Meldungslegers, den zum Beanstandungszeitpunkt aufgenommenen Fotos, der Transaktionsübersicht von m-parking in Wien und den zwei vom Bf. angefertigten Videomittschnitten rund um die gegenständliche Beanstandung.

Gesetzesgrundlagen:

Nach § 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung ist für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO) eine Abgabe zu entrichten.

Gemäß § 5 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung gilt die Abgabe mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.

Gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung sind zur Entrichtung der Abgabe der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet.

Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.

Nach § 1 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung sind als Hilfsmittel zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der Verordnung des Wiener Gemeinderates, mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird (Parkometerabgabeverordnung), Parkscheine nach dem Muster der Anlagen oder elektronische Parkscheine zu verwenden.

Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu € 365,00 zu bestrafen.

Aus dem im § 39 Abs. 2 AVG normierten Grundsatz der Amtswegigkeit ergibt sich im Zusammenhalt mit § 37 AVG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit des festzustellenden Sachverhaltes. Dies bedeutet, dass die Behörde von sich aus für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen hat. Die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erstreckt sich auf die Ermittlung der unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Fall in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (vgl. ua. , , ).

Es besteht für das Bundesfinanzgericht keine Veranlassung, die Angaben des Meldungslegers in Zweifel zu ziehen, zumal einem zur Parkraumüberwachung bestellten und hierfür besonders geschulten Organ die Wahrnehmung und richtige Wiedergabe maßgeblicher Sachverhalte, insbesondere bezüglich eines im ruhenden Verkehr befindlichen Kraftfahrzeuges, wohl zugemutet werden kann (vgl , ).

Auch besteht kein Grund an der Objektivität des meldungslegenden Organs zu zweifeln. Dieses ist zur Angabe der Wahrheit verpflichtet. Aus dem Akt ergibt sich außerdem kein Anhaltspunkt, dass der Meldungsleger eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig belasten wollte (vgl. , 93/03/0276). Im Übrigen unterliegt es auf Grund des von ihm abgelegten Diensteides der Wahrheitspflicht, sodass es im Falle der Verletzung dieser Pflicht straf- und dienstrechtliche Sanktionen treffen würden (vgl. ).

Dass der Meldungsleger sich mehrere Minuten im Umkreis des beanstandeten Fahrzeuges befunden hat und das Parkverhalten im gegenständlichen Fall genau beobachtet hat, ist dessen Aufgabe und Funktion als Parkraumüberwachungsorgan. In Wahrnehmung dieser Aufgabe konnte der Meldungsleger auf seinem PDA-Gerät über die Funktion "History" den oben dargestellten tagesaktuellen Verlauf der für dieses Kfz gebuchten elektronischen Parkscheine einsehen.

Die Ausführungen des Bf. in der Beschwerde, denen zufolge er vom Meldungsleger zu einem Zeitpunkt vor Ablauf des 15-Minuten-Gratisparkscheines in ein Gespräch verwickelt worden sei, sodass das vom Meldungsleger initiierte Gespräch bis zum Ablauf des Parkscheines angedauert habe, vermögen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Insbesondere ist aus dem zweiten - 4 Minuten 54 Sekunden dauerndern - Videomitschnitt, zu erkennen, dass der Bf. sich die Zeit nahm den Meldungsleger bei seiner Aufgabe und Funktion als Parkraumüberwachungsorgan vom Beifahrersitz seines Kfz aus zu filmen und zuzuwarten bis dieser bei seinem abgestellten Kfz ankam, anstatt mit bzw. vor Ablauf des gebuchten 15-Minuten-Gratisparkscheines eine Ortsveränderung mit dem Kfz durchzuführen. Eine rationale Begründung bzw. Erklärung für dieses Verhalten wurde vom Bf. nicht dargelegt und ist auch für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich, wollte der Bf. eine Überschreitung des 15-Minuten-Gratisparkscheines und somit die fahrlässige Verkürzung der Parkometerabgabe nicht riskieren. Eine Bereitschaft des Bf., mit Ablauf des 15-Minuten-Gratisparkscheines eine Ortsveränderung mit dem Kfz vorzunehmen, ist bei diesem Sachverhalt nicht zu erkennen. Einen vernünftigen Sinn und Zweck der vom Bf. angefertigten Videoaufnahmen vermag das Bundesfinanzgericht nicht auszumachen, zumal dem Bf. ausreichend Zeit zur Verfügung stand eine Ortsveränderung mit dem Kfz vorzunehmen und dadurch die fahrlässige Verkürzung der Parkometerabgabe hätte vermieden werden können.

Ergänzend bleibt auch auf die widersprüchlichen Aussagen des Bf. in der zweiten Videodatei hinzuweisen, als dieser vorerst behauptete, den gegenständlichen 15-Minuten-Gratisparkschein für einen anderen (vorherigen) Abstellvorgang entwertet, während er im weiteren Gesprächsverlauf betonte, er sei am Ort der Beanstandung 15 Minuten lang gewesen und habe den Meldungsleger die gesamten 15 Minuten lang gefilmt.

Das Gericht sieht es daher in freier Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) als erwiesen an, dass der Bf. das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am um 16:06 Uhr in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 80-82 ohne gültig entwerteten Parkschein abgestellt und demnach die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt hat.

Fahrlässigkeit und gebotene Sorgfalt

Im verfahrensgegenständlichen Fahrzeug war zum Beanstandungszeitpunkt - um 16:06 - unstrittig weder ein Papierparkschein sichtbar eingelegt, noch war ein elektronischer Parkschein aktiviert.

Der Bf. hat somit fahrlässig gehandelt, da er das Fahrzeug zur gebührenpflichtigen Zeit an der angegebenen Adresse ohne gültigen Parkschein abgestellt beließ.

Das Verwaltungsstrafgesetz normiert in § 5 Abs. 1 VStG den Tatbestand der Schuld.

Gemäß dieser Bestimmung genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet, nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbestand entspricht.

Der Akteninhalt und das oben dargestellte Verhalten des Bf. bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass ihm ein rechtskonformes Verhalten nicht möglich war. Dem Beschwerdevorbringen ist kein Hinweis auf ein mangelndes Verschulden zu entnehmen, sodass die belangte Behörde auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite ausgehen konnte.

Die belangte Behörde hat dem Bf. zu Recht angelastet, die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt zu haben.

Strafbemessung

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1991 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG 1991 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Neben den in § 19 Abs. 1 VStG ausdrücklich genannten Kriterien kann ferner auf Aspekte der Spezial- (zB und Generalprävention () Bedacht genommen werden.

Die Bemessung der Strafe ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die nach dem vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Die verhängte Strafe muss unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheinen (vgl. , ).

Jedes fahrlässige Verkürzen der Parkometerabgabe, d.h. jedes Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, ohne dass hierfür ein ordnungsgemäß entwerteter Parkschein im Fahrzeug hinterlegt oder elektronisch gebucht wird, schädigt in nicht unerheblichem Ausmaß das an der Erleichterung des städtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenen Parkraumes bestehende öffentliche Interesse, dem die Strafdrohung dient.

Das Ausmaß des Verschuldens kann daher im vorliegenden Fall nicht als geringfügig angesehen werden.

Die belangte Behörde hat auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen und Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt, weshalb die verhängte Geldstrafe tat- und schuldangemessen ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verhängung einer Geldstrafe auch dann gerechtfertigt, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht (vgl ). Selbst das Vorliegen ungünstiger Einkommens- und Vermögensverhältnisse bedeutet nicht, dass Anspruch auf Verhängung der Mindeststrafe besteht (vgl ). Die Geldstrafe ist daher auch dann zu verhängen, wenn die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Bestraften es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er nicht in der Lage sein wird, sie zu bezahlen (vgl. , unter Verweis auf ).

Das Bundesfinanzgericht erachtet die bei einem bis zu € 365,00 reichenden Strafrahmen von der belangten Behörde nach den Regeln der Strafbemessung verhängte Geldstrafe von € 60,00 als schuld- und tatangemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Kostenentscheidung

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 52 Abs. 2 ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.

Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG weitere € 12,00 als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.

Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG idF BGBl l 2013/33 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.

Hier erweist sich das Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich sowie Wanke/Unger, BFGG § 25 BFGG Anm. 6).

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7500556.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at