Keine Anerkennung der Kosten für die 24h-Pflege der Ehegattin als außergewöhnliche Belastung iSd §34 EStG 1988 bei Einkünften der Gattin in Höhe von mehr als 6.000,00 €; Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 wegen Wegfalls der Voraussetzungen für die Anerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2017 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist ein Abgabepflichtiger mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die am verstorbene Ehefrau hat im Streitjahr 2017 lohnsteuerpflichtige Einkünfte von über 6.000,00 € bei der Pensionsversicherungsanstalt sowie Pflegegeld der Pflegestufe 4 bezogen. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit der Ehegattin hat laut der Bf.-Abgabenerklärung für das Jahr 2017 70% betragen.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 wurden (nur) die Anträge auf Anerkennung des "Alleinverdienerabsetzbetrags" sowie "der Kosten für die 24h Pflege der Ehefrau als Außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988" abgewiesen. Im Übrigen wurde die Einkommensteuer 2017 antragsgemäß veranlagt.
Aufgrund der Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid, mit der der Antrag auf Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2017 zurückgezogen wurde, hielt die Amtsvertretung dem Bf. mit der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vor, dass durch die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages durch den Arbeitgeber bedingt ein Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 vorliege.
Mit der gegen die Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2017 gerichteten Beschwerde, die von der Amtsvertretung als Vorlageantrag gewertet wurde, brachte der Bf. unter Bezugnahme auf das dem Vorlageantrag beigelegte Kontoblatt von der A-Firma vor, dass die Kosten für die 24h Pflege (14.766,57 €) bei der Einkommensteuerberechnung für das Jahr 2017 nicht berücksichtigt worden wären, und beantragte die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 und die Erlassung eines neuen Bescheides, "mit dem (Nennung der beantragten Abschreibungen) berücksichtigt wird".
Mit der im Vorlagebericht gemäß § 265 BAO enthaltenen abgabenbehördlichen Stellungnahme zum Vorlageantrag begründete die Amtsvertretung ihren Antrag auf Abweisung der Beschwerde mit dem Verweis auf die Ausführungen im Erstbescheid und der Beschwerdevorentscheidung und fügte den dortigen Ausführungen ergänzend hinzu, dass Aufwände im Zusammenhang mit einer Behinderung des Ehepartners wie gegenständlich die Kosten für die 24h Pflege der Ehefrau gemäß §§ 34 Abs. 6 und 35 Abs. 1 EStG 1988 nur dann abzugsfähig seien, wenn die Einkünfte des Partners nicht mehr als 6.000,00 € jährlich betragen würden. Aufgrund der steuerpflichtigen Einkünfte der Ehefrau von über 6.000,00 € im Jahr 2017 könne der Bf. die außergewöhnlichen Belastungen nicht geltend machen. Mangels Strittigkeit der Gewerkschaftsbeiträge (lt. Lohnzettel und Korrektur durch den Bf. über die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung mittels Formular L1) im bisherigen Verfahren sei die Höhe der tatsächlichen Kostentragung nicht überprüft worden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Feststehender Sachverhalt:
Im Jahr 2017 hat der Bf. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei der A-GmbH sowie eine Familienbeihilfe für seinen Sohn A. bezogen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag ist bei der Lohnverrechnung berücksichtigt worden.
Die Ehefrau hat als Pensionistin lohnsteuerpflichtige Einkünfte von über 6.000,00 € (Dok.7) und durch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100% (Dok.8) bedingt Pflegegeld der Pflegestufe 4 bezogen. Die Kosten für die 24h Pflege der Gemahlin haben 14.766,57 € betragen.
Bestätigt werden diese Daten durch die Lohnzettel des Ehepaares [Bf. (Dok.6), Gattin Dok.7)], das Kontoblatt 24h Pflege (Dok.5) und die Daten des Bundessozialamtes (Dok.8).
Aufgrund der Aktenlage ist somit als erwiesen anzunehmen, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag bei der Lohnberechnung des Bf. trotz lohnsteuerpflichtiger Pensionsbezüge der Ehegattin von über 6.000,00 € im Jahr 2017 berücksichtigt worden ist.
Rechtslage
Bei lohnsteuerpflichtigen Einkünften im Einkommen ist der Steuerpflichtige gemäß § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 zu veranlagen, wenn der Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.
Zum Begriff Alleinverdiener im Sinne des § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 ist festzustellen, dass Alleinverdienende gemäß § 33 Abs. 4 Z. 1 erster Satz EStG 1988 Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) sind, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben.
Nach § 33 Abs. 4 Z. 1 dritter Satz EStG 1988 setzt der Alleinverdienerabsetzbetrag voraus, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von HÖCHSTENS 6.000 € jährlich erzielt.
Wenn die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 EStG 1988 nicht vorliegen, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 vorzunehmen.
Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: 1.Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). 2.Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). 3.Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder
Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.
Nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem verheirateten Steuerpflichtigen ein Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des Ehepartners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und vom Ehepartner nicht dauernd getrennt lebt und der Ehepartner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z. 1 EStG 1988 von HÖCHSTENS 6.000 € jährlich erzielt, zu.
Aus folgenden Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen:
Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988
Es ist aktenkundig und wurde vom Bf. auch nicht bestritten, dass die Ehegattin lohnsteuerpflichtige Einkünfte von mehr als 6.000 € im Streitjahr bezogen hat. Demgegenüber ist der Alleinverdienerabsetzbetrag bei der laufenden Lohnverrechnung - zu Unrecht - vom Dienstgeber A-GmbH (Dienstverhältnis vom bis ) berücksichtigt worden. Der Bf. hat dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 4 Z. 1 EStG 1988 abgegeben, folglich dessen er gemäß § 129 Abs. 1 EStG 1988 auch dazu verpflichtet gewesen ist, die Änderungen der Verhältnisse dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats zu melden, damit der Arbeitgeber ab dem Zeitpunkt der Meldung über die Änderung der Verhältnisse den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr berücksichtigt. Stellt sich heraus, dass die Voraussetzungen für den (bei der Lohnsteuererhebung berücksichtigten) Alleinverdienerabsetzbetrag zu Unrecht angenommen worden sind, so ist in solchen Fällen eine Pflichtveranlagung durch das Finanzamt durchzuführen, um eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet, dass Steuergesetze gleichmäßig angewendet und durchgesetzt und somit alle Steuerpflichtigen gleich behandelt werden. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im Art. 7 B-VG abzuleiten und wird einfachgesetzlich in § 114 BAO wiederholt. Da die Ehepartnerin des Bf. Einkünfte von mehr als 6.000 € im Jahr 2017 erzielt hatte, war der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 für das Jahr 2017 erfüllt, weshalb die Einkommensteuer des Bf. für das Jahr 2017 zu veranlagen war.
Außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 6 EStG / § 35 Abs.1 EStG
Wie aus den im Abschnitt "Rechtslage" zitierten Bestimmungen des § 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 35 Abs. 1 EStG 1988 zu entnehmen ist, sind Aufwände im Zusammenhang mit einer Behinderung der Gemahlin, wie gegenständlich Kosten für die 24h Pflege der Ehefrau des Bf., nur dann als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 EStG 1988 abzugsfähig, wenn die Einkünfte des Partners nicht mehr als 6.000,00 € jährlich betragen. Da die Ehefrau des Bf. nachweislich steuerpflichtige Einkünfte von über 6.000,00 € (Dok 7) im Streitjahr bezogen hatte, war der Antrag auf Anerkennung der Kosten für die 24h Pflege der Ehegemahlin für das Jahr 2017 als außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988 als unbegründet abzuweisen.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im konkreten Beschwerdefall lagen dadurch, dass die Pflichtveranlagung Rechtsfolge der Verwirklichung des Tatbestands des § 41 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 gewesen war und die Nichtanerkennung der Kosten für die 24h Pflege der Ehefrau für das Jahr 2017 als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 sich unmittelbar aus § 34 Abs. 6 EStG 1988 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 EStG 1988 ergeben hatte, keine Rechtsfragen vor, der gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Alleinverdienerabsetzbetrag außergewöhnliche Belastung (Kosten für 24 h -Pflege) Pflichtveranlagung |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101880.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at